Bundessozialgericht

Bundessozialgericht Urteil vom 24.01.2018, B 6 KA 2/17 R

Vertragsärztliche Versorgung - Berufsausübungsgemeinschaft - Aufbauphase - Zuordnung eines praxisbezogenen festen Regelleistungsvolumens - Honorarverteilungsgerechtigkeit

Leitsätze

Bei einer Vergütung nach Regelleistungsvolumina ist einer Berufsausübungsgemeinschaft, die sich selbst in der Aufbauphase befindet und der ein Vertragsarzt in der Aufbauphase angehört, ein praxisbezogenes festes Regelleistungsvolumen und nicht lediglich eine fallzahlabhängige Obergrenze als Grundlage für die Honorarbemessung zuzuordnen.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 15. November 2016 aufgehoben. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 29. Januar 2014 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte bei der erneuten Bescheidung die Rechtsauffassung des Senats zu beachten hat.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in allen Rechtszügen.

Tatbestand

Streitig ist die Höhe des Honoraranspruchs der Klägerin für das Quartal II/2009 und dabei insbesondere die Frage, wie das Regelleistungsvolumen (RLV) für eine Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) festzusetzen ist, der ein Vertragsarzt in der Anfangsphase angehört.

Die Klägerin, eine Gemeinschaftspraxis (BAG) zweier hausärztlich tätiger Internisten, nimmt in F. an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Die BAG wurde zum 1.1.2006 gegründet. Zu diesem Zeitpunkt erhielt die Praxispartnerin Dr. S. (S.) erstmals die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung. Die BAG wurde in den bisherigen Praxisräumen des bereits seit 1989 in F. als Vertragsarzt zugelassenen Praxispartners G. (G.) betrieben. Ihre Fallzahlen schwankten seit Gründung zwischen 957 und 1129; sie betrugen im Quartal II/2008 1011 und im hier streitbefangenen Quartal II/2009 1010.

Die beklagte Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) teilte der Klägerin für das Quartal II/2009 eine "Gesamt-Obergrenze der Praxis" von 49 396,87 Euro mit; diese setzte sich aus einem RLV für G. in Höhe von 20 857,91 Euro und einer Obergrenze für S. in Höhe von 28 538,96 Euro zusammen (Bescheid vom 25.3.2009). Das RLV für G. wurde unter Zugrundelegung der hälftigen RLV-relevanten Fallzahl der BAG im Vorjahresquartal II/2008 (505,5), dem Fallwert der Arztgruppe der Allgemeinmediziner und hausärztlichen Internisten von 36,36 Euro, einem morbiditätsbezogenen Faktor von 1,031652 sowie einem Aufschlag für Gemeinschaftspraxen von 10 % bestimmt. Die Obergrenze für S. ergab sich durch Multiplikation der Durchschnittsfallzahl der Arztgruppe im Vorjahresquartal (784,9) mit dem Fallwert 36,36 Euro. In dem Bescheid ist ausgeführt, dass die Obergrenze für "Wachstumsärzte", die weniger als fünf Jahre zugelassen sind, bezogen auf einen vollzeitbeschäftigten Arzt gelte und dass sich "die individuelle Obergrenze für die Honorarabrechnung II/2009" aus dem Produkt der im Quartal II/2009 tatsächlich abgerechneten Fallzahl und dem Fallwert der Arztgruppe errechne. Der Aufschlag von 10 % für eine fachgleiche BAG werde auch den noch in der Wachstumsphase befindlichen fachgleichen Praxisanteilen gewährt.

Die Beklagte setzte das vertragsärztliche Honorar der Klägerin für das Quartal II/2009 auf brutto 57 224,62 Euro fest (Bescheid vom 16.10.2009). Für die vom RLV umfassten Leistungen hatte die Klägerin 49 403,93 Euro angefordert; für diesen Leistungsbereich erhielt sie 37 176,28 Euro zu 100 % sowie 2450,13 Euro abgestaffelt, insgesamt somit 39 626,41 Euro vergütet. Das der Honorierung zugrunde gelegte RLV der BAG setzte sich aus (weiterhin) 20 857,91 Euro für G. sowie (nunmehr) 16 318,37 Euro für S. (auf der Basis von 408 Fällen, mit Aufschlag von 10 % für eine BAG) zusammen. Dabei ordnete die Beklagte von den 239 RLV-Fällen der BAG, die nicht eindeutig von einem der Ärzte betreut worden waren, entsprechend ihrem prozentualen Anteil an den abgerechneten Versichertenpauschalen dem G. 119 Fälle (49,79 %) und der S. 120 Fälle (50,21 %) zu. Daraus ergaben sich für G. insgesamt 599 und für S. 408 Fälle.

Die Klägerin erhob gegen den Honorarbescheid am 12.11.2009 und gegen den RLV- bzw Obergrenzenbescheid vom 25.3.2009, der keine Rechtsbehelfsbelehrung enthielt, am 25.3.2010 Widerspruch. Sie beanstandete insbesondere, dass durch die Art und Weise der Fallzahlenzuordnung bei tatsächlich von der BAG behandelten 1007 RLV-relevanten Fällen im Quartal II/2009 lediglich (505,5 + 408 =) 913,5 Fälle honorarwirksam geworden seien. Die Beklagte wertete die Widersprüche zugleich als Härtefallantrag und entschied mit Bescheid vom 23.2.2011, "die budgetrelevanten Fallzahlen des Quartals II/2009 entsprechend der prozentualen Verteilung der Versichertenpauschalen aus dem Quartal III/2008" aufzuteilen. Dadurch ergab sich für G. gemäß seinem damaligen Anteil von 53,4 % nunmehr eine RLV-relevante Fallzahl von 539,9 (statt bisher 505,5) und ein RLV in Höhe von 22 273,76 Euro. Für die BAG hatte das ein Gesamt-RLV von 38 592,13 Euro sowie eine Nachzahlung von 1132,14 Euro (brutto) zur Folge. Die aufrechterhaltenen Widersprüche der Klägerin wies die Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 13.4.2011).

Das SG hat die Beklagte verurteilt, über die Honorierung der Klägerin für das Quartal II/2009 unter Beachtung seiner Rechtsauffassung erneut zu entscheiden (Urteil vom 29.1.2014). Zwar sei die Verfahrensweise der Beklagten, für S. zunächst nur eine maximale Obergrenze mitzuteilen und später im Honorarbescheid eine niedrigere individuelle Obergrenze zugrunde zu legen, nicht zu beanstanden. Rechtswidrig sei aber die Verteilung der Fallzahlen auf die beiden Ärzte, weil sie eine Verzerrung der Honorierungssituation in der BAG bewirke. Für die Aufteilung nicht eindeutig zuzuordnender Behandlungsfälle sei der Anteil der in Ansatz gebrachten Versichertenpauschalen kein geeigneter Maßstab, da dieser von Zufälligkeiten abhängig und insbesondere für die "Wachstumsärztin" S. zur Steuerung des Leistungsgeschehens ungeeignet sei. Da zudem der Fallzahlenanteil für G. nach Kopfteilen (50 %) und den Verhältnissen im Vorjahresquartal bestimmt worden sei, obwohl er im Quartal II/2009 ca 60 % der Fälle erbracht habe, führe die Heranziehung unterschiedlicher Bezugszeiträume im Ergebnis zu einer zu niedrigen Gesamtfallzahl und damit auch zu einer zu niedrig bemessenen Obergrenze.

Das LSG hat auf die Berufung der Beklagten das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 15.11.2016). Die Beklagte sei nach den Sonderregelungen für Ärzte in der Wachstumsphase vorgegangen, die für Schleswig-Holstein in Teil D Ziffer 2.1 der "Vereinbarung zur Honorierung vertragsärztlicher Leistungen im Jahre 2009" vom 25.11.2008 (HVV) idF der "1. Ergänzungsvereinbarung" vom 12.2.2009 getroffen worden seien. Da hiernach Basis der Vergütung der "Wachstumsärztin" S. nicht die Fallzahl aus dem Vorjahresquartal, sondern die im Abrechnungsquartal tatsächlich erreichte Fallzahl (maximal bis zum Fachgruppendurchschnitt) gewesen sei, habe in der Vorab-Mitteilung eine feste Gesamt-Obergrenze nicht angegeben werden können. Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der genannten Regelung bestünden nicht; sie halte sich innerhalb der Grenzen der Ermächtigung, die der Erweiterte Bewertungsausschuss (EBewA) in Teil F Ziffer 3.5 des Beschlusses vom 27./28.8.2008 ( 2008, A-1988) den Partnern der Gesamtverträge zum Erlass von Anfangs- und Übergangsregelungen für Neuzulassungen und Umwandlungen der Kooperationsform erteilt habe. Die darin enthaltene Abweichung von den Vorgaben zur Bildung der RLV in § 87b Abs 2 SGB V erfolge zugunsten der Ärzte, die sich noch in der Wachstumsphase befänden. Die Regelung ermögliche diesen Ärzten ein deutlich schnelleres Wachstum als bei einem Abstellen auf das Vorjahresquartal, auch wenn das zu Lasten der Kalkulierbarkeit des vertragsärztlichen Honorars gehe.

Dass die Beklagte bei der Zuordnung der Fallzahlen von der Vorgabe im Beschluss des EBewA vom 27./28.8.2008 zu einer Aufteilung nach Kopfteilen im ersten Halbjahr 2009 zugunsten der Klägerin abgewichen sei, beschwere diese nicht. Eine bessere Möglichkeit zur Aufteilung der Behandlungsfälle einer BAG als die Zugrundelegung der Anteile an den abgerechneten Versichertenpauschalen sei nicht ersichtlich. Zutreffend sei allerdings, dass aufgrund der Anknüpfung an unterschiedliche Aufsatzzeiträume bei einer BAG mit einem "Wachstumsarzt" - anders als bei etablierten Arztpraxen - nicht gewährleistet sei, dass alle Behandlungsfälle aus dem Vorjahresquartal honorarrelevant seien. Dass dies im Einzelfall wie dem der Klägerin zu einem negativen Ergebnis führen könne, sei im Hinblick auf die allgemeine Privilegierung der "Wachstumsärzte" hinzunehmen. Die Partner der Gesamtverträge hätten nicht die Pflicht zu verhindern, dass bei "Wachstumsärzten" ein Absinken der Fallzahl zu einer Verringerung des Honorars der Praxis führe.

Die Klägerin rügt mit ihrer Revision, die von der Beklagten nachträglich vorgenommene Reduzierung der zuvor durch Verwaltungsakt mitgeteilten RLV-Obergrenze verletze § 87b Abs 1 und Abs 5 SGB V aF. Da davon auszugehen sei, dass die im Schreiben vom 25.3.2009 angegebene "Gesamt-Obergrenze" von 49 396,87 Euro die Festsetzung des RLV enthalte und dieses nach Abschluss des Geltungszeitraums von der KÄV nicht mehr habe abgesenkt werden können, habe die Klägerin Anspruch auf Honorierung der dem RLV unterfallenden Leistungen des Quartals II/2009 in dieser Höhe. Falls diese Sichtweise nicht geteilt werde, sei § 87b Abs 2 und Abs 5 SGB V aF verletzt, weil der Klägerin dann für das streitbefangene Quartal "eine betragsmäßig nicht bezifferte Obergrenze" mitgeteilt worden sei. Das gelte sowohl für S. als auch für die BAG als solche. Die Beklagte habe sich darauf beschränkt, lediglich eine abstrakte Rechenformel mitzuteilen; hierdurch sei keine Kalkulationssicherheit geschaffen worden. Der Beschluss des EBewA vom 27./28.8.2008 ermächtige die Beklagte nicht, bei "Wachstumsärzten" auf die Zuweisung eines konkret bezifferten RLV zu verzichten.

Die vom LSG gebilligte Vorgehensweise der Beklagten verletze auch Art 3 Abs 1 GG bzw den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit, weil sie zu einer Diskriminierung von Praxen in der Aufbauphase führe. Anders als in dem vom Senat am 17.7.2013 entschiedenen Fall (B 6 KA 44/12 R - SozR 4-2500 § 87b Nr 2 RdNr 27) habe sich die BAG der Klägerin nicht lediglich durch Ein- oder Austritte einzelner Mitglieder neu formiert, sondern sei zum 1.1.2006 erstmals entstanden. Deshalb müsse die BAG selbst als "Wachstumspraxis" behandelt werden. Sie dürfe gegenüber etablierten Praxen nicht dadurch benachteiligt werden, dass bei der Berechnung ihres RLV aufgrund der unterschiedlichen Anknüpfungszeiträume nur ein Bruchteil der Fallzahl des Vorjahresquartals einfließe (statt 1011 nur 913,5 bzw - nach Korrektur im Bescheid vom 23.2.2011 - 947,9). Abweichungen von den Vorgaben des EBewA dürften nur zu einer Privilegierung von Praxen in der Aufbauphase, nicht aber zu deren Benachteiligung führen. Das sei jedoch der Fall, wenn nur bei Praxen mit Ärzten in der Wachstumsphase die Gefahr bestehe, dass sich bei sinkenden Fallzahlen das RLV reduziere.

Die Vorgehensweise der Beklagten sei auch insoweit rechtswidrig, als die Aufteilung der nicht eindeutig einem Arzt zuzuordnenden Fälle der BAG auf G. und S. nach deren Anteilen an den abgerechneten Versichertenpauschalen vorgenommen worden sei. Um eine Benachteiligung der Klägerin als "Wachstumspraxis" zu vermeiden, hätte entweder auch S. ein RLV auf der Basis von 505,5 Fällen oder - was zu demselben Ergebnis führe - der gesamten BAG ein RLV auf der Basis von 1011 Fällen zugebilligt werden müssen. In diesem Sinne habe das LSG Berlin-Brandenburg entschieden (Urteil vom 24.11.2016 - L 24 KA 10/15 - Juris RdNr 21). Ob darüber hinaus eine Fallzahlsteigerung hätte zugelassen werden müssen, sei für das Quartal II/2009 ohne Bedeutung. Selbst wenn mit dem LSG die Art und Weise der von der Beklagten vorgenommenen Aufteilung der Fallzahl der BAG für rechtmäßig erachtet werden sollte, fehle es jedenfalls an der Erkennbarkeit der dabei angewendeten Maßstäbe. Das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel einer Kalkulierbarkeit der Vergütung sei deshalb verfehlt worden.

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Schleswig-Holsteinischen LSG vom 15.11.2016 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Kiel vom 29.1.2014 mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Beklagte bei der erneuten Bescheidung die Rechtsauffassung des Senats zu beachten hat.

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das Berufungsurteil für zutreffend. Die Vertragspartner in Schleswig-Holstein hätten in Teil D Ziffer 2.1 HVV ausdrücklich ein Abweichen von der Bildung eines RLV für einen neu zugelassenen Arzt ermöglicht. Mit Schreiben vom 25.3.2009 sei der Klägerin für das Quartal II/2009 hinreichend bestimmt im Wege einer Einzelfallregelung die maximal erreichbare Obergrenze mitgeteilt worden, und zwar unter der aufschiebenden Bedingung, dass der Arzt die durchschnittliche Fallzahl der Arztgruppe auch erreiche. Nicht die gesamte BAG, sondern nur die neu zugelassene Ärztin S. sei hier noch in der Wachstumsphase gewesen, zumal die BAG in den bisherigen Praxisräumen des seit längerem in Einzelpraxis tätigen G. betrieben worden sei. Eine mit der Neugründung einer Einzelpraxis vergleichbare Situation habe nicht bestanden.

Eine Verletzung des Grundsatzes der Honorarverteilungsgerechtigkeit liege nicht vor, zumal dieser Spielraum für sachlich gerechtfertigte Abweichungen lasse. Die Klägerin könne gegenüber einer etablierten Praxis schon deshalb nicht benachteiligt worden sein, weil sie keine "Wachstumspraxis" sei. Die Notwendigkeit einer Heranziehung unterschiedlicher Zeiträume bei der Bemessung des RLV für G. bzw der Obergrenze für S. ergebe sich aus den Vorgaben des EBewA iVm den auf Landesebene vereinbarten Regelungen für "Wachstumsärzte". Sie begegne im Hinblick auf die Befugnis zur Pauschalierung und Typisierung keinen rechtlichen Bedenken.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist begründet (§ 170 Abs 2 S 1 SGG). Das Urteil des LSG und die angefochtenen Bescheide der Beklagten können keinen Bestand haben. Diese sind rechtswidrig und beschweren die Klägerin, soweit sie Honorar für RLV-Leistungen nicht auch unter Anwendung eines arztpraxisbezogenen RLV, sondern lediglich unter Zugrundelegung einer Obergrenze zuerkennen, deren Höhe von der Zahl der durch S. im streitbefangenen Quartal tatsächlich behandelten Patienten abhängt. Mit dieser Maßgabe ist das Urteil des SG wiederherzustellen, das die Beklagte zur erneuten Bescheidung des Honoraranspruchs der Klägerin verurteilt hat; sie hat dabei nunmehr die Rechtsauffassung des Senats zu beachten.

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind das Urteil des LSG sowie der Honorarbescheid der Beklagten vom 16.10.2009 in der Gestalt des Bescheids vom 23.2.2011 und des Widerspruchsbescheids vom 13.4.2011. In dem Bescheid vom 23.2.2011 sah die Beklagte im Rahmen einer Härtefallentscheidung es für sachgerecht an, "die budgetrelevanten Fallzahlen des Quartals II/2009 entsprechend der prozentualen Verteilung der Versichertenpauschalen aus dem Quartal III/2008 aufzuteilen". Damit hob sie im Ergebnis das im Honorarbescheid für G. berücksichtigte RLV von ursprünglich 20 857,91 Euro (basierend auf 505,5 Fällen) auf 22 273,76 Euro (basierend auf 539,9 Fällen) an, während die für S. angewendete "Obergrenze" mit 16 318,37 Euro (basierend auf 408 von ihr im Abrechnungsquartal behandelten Fällen) unverändert blieb. Die Summe dieser beiden Werte, also 38 592,13 Euro, bezeichnete die Beklagte im Bescheid vom 23.2.2011 nunmehr als "Regelleistungsvolumen für die Praxis". Das Honorar umfasste nunmehr die Vergütung von insgesamt (539,9 + 408 =) 947,9 Fällen; demgegenüber belief sich die tatsächliche Fallzahl der BAG im Vorjahresquartal II/2008 auf 1011 und im Abrechnungsquartal II/2009 auf 1007 RLV-relevante Fälle.

Daneben ist auch der Bescheid der Beklagten vom 25.3.2009 über die Mitteilung der Obergrenze für das Quartal II/2009 Gegenstand des Verfahrens. Die Klägerin hatte auch gegen diesen Bescheid Widerspruch erhoben, den die Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 13.4.2011 als in der Sache unbegründet beschied. Mit ihrer Klage hat die Klägerin - zumindest hilfsweise - auch eine Änderung der Mitteilung der Obergrenze für das Quartal II/2009 begehrt. Dieses Vorgehen entspricht der Rechtsprechung des Senats, nach der die Zuweisung des RLV als Verwaltungsakt jedenfalls so lange gesondert anfechtbar ist, wie ein denselben Zeitraum betreffender Honorarbescheid noch nicht bestandskräftig geworden ist (BSG Urteil vom 15.8.2012 - B 6 KA 38/11 R - SozR 4-2500 § 87b Nr 1 RdNr 11; BSG Urteil vom 11.12.2013 - B 6 KA 6/13 R - SozR 4-2500 § 87 Nr 29 RdNr 13; s auch BSG Urteil vom 2.8.2017 - B 6 KA 16/16 R - RdNr 38, zur Veröffentlichung in SozR 4-2500 § 87b Nr 11 vorgesehen; BSG Urteil vom 2.8.2017 - B 6 KA 7/17 R - RdNr 58, zur Veröffentlichung in SozR 4-2500 § 87b Nr 12 vorgesehen). Diese Voraussetzung ist hier erfüllt.

2. Rechtsgrundlage der hier maßgeblichen Regelungen zur Vergütung von Vertragsärzten ist § 87b Abs 1 S 1 SGB V, und zwar in der vom 1.7.2008 bis 22.9.2011 geltenden und somit auch für das streitbefangene Quartal II/2009 anzuwendenden Fassung des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes (GKV-WSG vom 26.3.2007, BGBl I 378 - im Folgenden: aF). Danach waren die vertragsärztlichen Leistungen ab dem 1.1.2009 von den KÄVen auf der Grundlage der regional geltenden Euro-Gebührenordnung (§ 87a Abs 2 S 6 SGB V aF) zu vergüten. Dabei waren zur Verhinderung einer übermäßigen Ausdehnung der Tätigkeit des Arztes und der Arztpraxis arzt- und praxisbezogene RLV festzulegen (§ 87b Abs 2 S 1 SGB V aF). Ein RLV in diesem Sinne war die von einem Arzt oder der Arztpraxis in einem bestimmten Zeitraum abrechenbare Menge vertragsärztlicher Leistungen, die mit den in der Euro-Gebührenordnung enthaltenen und für den Arzt oder die Arztpraxis geltenden Preisen zu vergüten war (§ 87b Abs 2 S 2 SGB V aF). Die Leistungsmenge, die das RLV überschritt, war hingegen mit abgestaffelten Preisen zu vergüten (§ 87b Abs 2 S 3 Halbs 1 SGB V aF). Die Aufgabe, bundeseinheitliche Vorgaben für die Honorarverteilung zu treffen, welche die regionalen Partner der Honorarverteilungsvereinbarungen zu beachten hatten, war dem BewA - zusätzlich zu seiner originären Kompetenz der Leistungsbewertung nach § 87 Abs 2 SGB V - übertragen (BSG Urteil vom 19.8.2015 - B 6 KA 34/14 R - BSGE 119, 231 = SozR 4-2500 § 87b Nr 7, RdNr 25 mwN). Der BewA hatte erstmalig bis zum 31.8.2008 das Verfahren zur Berechnung und zur Anpassung der RLV nach § 87b Abs 2 und 3 SGB V aF sowie Art und Umfang, das Verfahren und den Zeitpunkt der Übermittlung der dafür erforderlichen Daten zu bestimmen (§ 87b Abs 4 S 1 SGB V aF).

Der BewA ist seinem Regelungsauftrag für den streitbefangenen Zeitraum durch den - in der Folge mehrfach geänderte - Beschluss des EBewA (vgl § 87 Abs 4 und 5 SGB V) in dessen 7. Sitzung am 27./28.8.2008 mit Wirkung zum 1.9.2008 nachgekommen ( 2008, A-1988). Nach Teil F Ziffer 1.2.1 dieses Beschlusses waren die RLV nach Maßgabe von Teil F Ziffern 2 und 3 für das jeweilige Abrechnungsquartal zu ermitteln. Die Berechnung der Höhe des RLV erfolgte - soweit hier von Interesse - je Arzt entsprechend dem Umfang seiner Tätigkeit in der vertragsärztlichen Versorgung laut Zulassungs- bzw Genehmigungsbescheid (Teil F Ziffer 1.2.2 des Beschlusses: "Arztbezogene Ermittlung"), wobei die Fallzahl des Arztes im Vorjahresquartal zugrunde zu legen war (Teil F Ziffer 3.2.1 S 2 des Beschlusses). Hingegen sollte die Zuweisung des RLV und die hierauf basierende Honorarabrechnung praxisbezogen erfolgen (Teil F Ziffer 1.2.4 des Beschlusses: "Arztpraxisbezogene Zuweisung der RLV und Abrechnung"). Dabei ergab sich die Höhe des RLV einer Arztpraxis aus der Addition der arztindividuellen RLV derjenigen Ärzte, die in der Praxis tätig sind (Teil F Ziffer 1.2.4 S 2 des Beschlusses). Für die Honorarabrechnung war sodann das einer Arztpraxis zugewiesene RLV der in der Arztpraxis abgerechneten Leistungsmenge gegenüberzustellen (Teil F Ziffer 1.2.4 S 3 des Beschlusses).

Vereinfacht dargestellt ergab sich die Höhe des arztbezogenen RLV somit aus der Multiplikation der Fallzahl des Arztes im Vorjahresquartal mit dem arztgruppenspezifischen Fallwert, während die Höhe des praxisbezogenen RLV durch Addition aller arztindividuellen RLV der in einer Praxis tätigen Ärzte zu ermitteln war. Zudem waren die Partner der Gesamtverträge beauftragt, "für Neuzulassungen von Vertragsärzten und Umwandlung der Kooperationsform Anfangs- und Übergangsregelungen" zu beschließen (Teil F Ziffer 3.5 S 1 des Beschlusses). Soweit darin nichts anderes vereinbart wurde, galt für Ärzte, die im Aufsatzzeitraum noch nicht niedergelassen waren (Neupraxen), das arztgruppendurchschnittliche RLV für das jeweilige Quartal (Teil F Ziffer 3.5 S 2 des Beschlusses). Die Vorgabe in Teil F Ziffer 3.5 S 1 ergänzte der BewA mit Beschluss vom 20.4.2009 ( 2009, A-942) mit Wirkung zum 1.7.2009 dahingehend, dass die Partner der Gesamtverträge Anfangs- und Übergangsregelungen auch für "Praxen in der Anfangsphase" zu beschließen hatten.

Auf der Grundlage der Delegation in Teil F Ziffer 3.5 des Beschlusses des EBewA vom 27./28.8.2008 bestimmten die Vertragspartner in Schleswig-Holstein für "Ärzte in der Wachstumsphase", dass Ärzte, die innerhalb des abzurechnenden Quartals weniger als fünf Jahre niedergelassen sind und deren RLV-relevante Fallzahl unterdurchschnittlich ist, die Leistungen "bis zu einer individuellen Obergrenze aus individueller Fallzahl und RLV-Fallwert der Gruppe" nach der Euro-Gebührenordnung vergütet erhalten (Teil D Ziffer 2.1 der HVV für 2009 in der Fassung der 1. Ergänzungsvereinbarung vom 12.2.2009, in Kraft ab 1.1.2009). Hatten solche Ärzte eine überdurchschnittliche RLV-relevante Fallzahl, erhielten sie ein RLV unter Berücksichtigung ihrer individuellen Fallzahl zugeordnet (Teil D Ziffer 2.2 HVV). Falls solche Ärzte erstmals ab dem Quartal I/2009 mit ihrer individuellen Fallzahl den Durchschnitt der Arztgruppe erreichten, wurde ihnen für dieses und die folgenden drei Quartale noch die durchschnittlichen saisonalen RLV der Arztgruppe zugeordnet (Teil D Ziffer 2.3 S 1 HVV). Blieb ein Arzt während der gesamten Wachstumsphase bei unterdurchschnittlichen Fallzahlen, so erhielt er als RLV die mit dem Bestwert seiner Fallzahlquote der letzten vier Quartale multiplizierten durchschnittlichen saisonalen RLV der Arztgruppe zugewiesen (Teil D Ziffer 2.3 S 2 HVV). Für Ärzte, die nach dem im Jahr 2008 bestehenden HVV im zweiten Halbjahr 2008 noch in der Wachstumsphase waren, wurden für die Quartale I und II/2009 Obergrenzen nach Ziffer 2.1 mitgeteilt, sofern die individuelle Fallzahl in den Quartalen I und II/2008 unter der durchschnittlichen Fallzahl der Arztgruppe lag (Teil D Ziffer 2.4 HVV). Zusätzlich war in Teil D Ziffer 3 HVV als "Sonderregelungen für Veränderungen der Praxisstrukturen" bestimmt, dass bei BAGen im Fall des Eintritts eines in der Wachstumsphase befindlichen Arztes neben bestehende RLV von einzelnen Partnern der Praxis die Regelung nach Ziffer 2.1 hinzutritt, "so dass sich insgesamt eine Obergrenze ergibt" (Teil D Ziffer 3.2 S 1 HVV). Schließlich war der Vorstand der KÄV in begründeten Fällen befugt, auf Antrag aus Sicherstellungsgründen das RLV der Praxis neu festzulegen, wenn besondere Umstände des Einzelfalls vorlagen; hierzu zählten insbesondere dauerhafte Veränderungen in der vertragsärztlichen Versorgung im Umfeld der Praxis (Teil D Ziffer 3.5 HVV).

3. Nach diesem für die Honorierung im Quartal II/2009 maßgeblichen komplexen Geflecht aus bundesrechtlichen und landesrechtlichen, gesetzlichen sowie untergesetzlichen Regelungen wandte die Beklagte bei der Bestimmung des RLV der Klägerin zu Recht die Sonderregelungen für Praxen in der Aufbauphase an (dazu unter a). Sowohl der Bescheid vom 25.3.2009 als auch der Honorarbescheid vom 16.10.2009 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 23.2.2011 und des Widerspruchsbescheids vom 13.4.2011 sind aber insoweit rechtswidrig, als die Beklagte für die BAG kein praxisbezogenes fixes RLV für die abrechenbare Menge der vertragsärztlichen Leistungen, sondern lediglich eine fallzahlabhängige "Obergrenze" zugrunde legte. Diese Vorgehensweise steht zwar mit den Vorgaben der landesrechtlichen Regelungen in Teil D Ziffern 2.1 und 3.2 HVV in deren Auslegung durch das LSG in Einklang; daran ist der Senat gebunden (dazu unter b). Jedoch verstoßen die landesrechtlichen Vorschriften in dieser Gestalt ebenso wie ihre Umsetzung gegen höherrangiges Recht, insbesondere gegen die Vorgaben in § 87b Abs 2 und 5 SGB V aF und gegen den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit (dazu unter c).

a) Das LSG und die Beklagte sind zunächst im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass die Sonderregelungen für Praxen in der Aufbauphase auch zugunsten der Klägerin anzuwenden sind.

aa) Der Senat betont in ständiger Rechtsprechung, dass Regelungen zur Honorarverteilung dem einzelnen Vertragsarzt die Chance belassen müssen, durch Qualität und Attraktivität der Behandlungen oder durch bessere Praxisorganisation neue Patienten für sich zu gewinnen, um auf diese Weise jedenfalls bis zum Durchschnittsumsatz seiner Fachgruppe aufzuschließen (BSG Urteil vom 17.7.2013 - B 6 KA 44/12 R - SozR 4-2500 § 87b Nr 2 RdNr 17 mwN; BSG Urteil vom 2.8.2017 - B 6 KA 16/16 R - SozR 4-2500 § 87b Nr 11 RdNr 42 ff). Dieses aus dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit (Art 3 Abs 1 iVm Art 12 Abs 1 GG) abgeleitete Erfordernis gilt unabhängig vom konkreten Mechanismus zur Honorarverteilung; es ist daher auch unter Geltung der gemäß § 87b SGB V aF in den Jahren 2009 bis 2011 maßgeblichen Bestimmungen zu den RLV zu beachten (BSG Urteil vom 17.7.2013 - B 6 KA 44/12 R - SozR 4-2500 § 87b Nr 2 RdNr 20 f). Für Praxen in der Aufbauphase muss die Steigerung des Honorars auf den Durchschnittsumsatz - in aller Regel mittels einer Erhöhung der Fallzahlen - sofort realisierbar sein, während den auch noch nach Abschluss der Aufbauphase unterdurchschnittlich abrechnenden Praxen dies jedenfalls innerhalb von fünf Jahren ermöglicht werden muss (BSG Beschluss vom 28.6.2017 - B 6 KA 89/16 B - Juris RdNr 8 f mwN). Die Bemessung der Dauer der Aufbauphase, die wenigstens drei Jahre umfasst, aber auch bis zu fünf Jahre dauern kann, erfolgt im HVV durch die Vertragspartner bzw in der Satzung zur Honorarverteilung durch die KÄV (BSG Urteil vom 17.7.2013 - B 6 KA 44/12 R - SozR 4-2500 § 87b Nr 2 RdNr 18, 23). Hier wurde in der für den Bezirk der Beklagten abgeschlossenen HVV die "Wachstumsphase" auf fünf Jahre festgelegt (Teil D Ziffer 2.1 HVV).

bb) Für die Anwendung der Sonderregelungen zur Honorierung von Ärzten in der Aufbauphase ist dann, wenn sich der Honorarbescheid an eine BAG richtet, zunächst maßgeblich, ob sich die BAG als solche noch in der Aufbauphase befindet. Ist das zu bejahen, muss das arztbezogen zu ermittelnde RLV aber nur für solche Mitglieder der BAG, die sich selbst noch in der Anfangsphase ihrer vertragsärztlichen Tätigkeit (Aufbauphase) befinden, abweichend von den allgemeinen Regeln festgesetzt werden.

In dem bereits genannten Urteil vom 17.7.2013 hat der Senat es als entscheidend angesehen, ob die BAG selbst noch als Aufbaupraxis zu qualifizieren ist. Eine BAG könne sich nicht durch Aufnahme eines Partners verjüngen und so die Eigenschaft als Aufbaupraxis länger als fünf Jahre - bei regelmäßigen Neuaufnahmen sogar fortwährend - behalten (BSG Urteil vom 17.7.2013 - B 6 KA 44/12 R - SozR 4-2500 § 87b Nr 2 RdNr 27). Das Abstellen auf die BAG bei der Beurteilung, ob eine Aufbaupraxis vorliegt, steht im Einklang mit dem Umstand, dass bei gemeinsamer Ausübung vertragsärztlicher Tätigkeit in Gestalt einer vom Zulassungsausschuss genehmigten BAG diese auch hinsichtlich der Vergütung und Abrechnung der KÄV als einheitliche Rechtspersönlichkeit wie ein Einzelarzt gegenübertritt (BSG Urteil vom 30.11.2016 - B 6 KA 17/15 R - Juris RdNr 29 mwN; s auch § 33 Abs 3 S 3 Ärzte-ZV). Hiernach war die zum 1.1.2006 als BAG neu gegründete Klägerin im streitbefangenen Quartal II/2009 noch als "Arzt in der Wachstumsphase" anzusehen.

Auch bei einer als Aufbaupraxis zu qualifizierenden BAG ergibt sich das praxisbezogen zuzuweisende RLV aus der Addition der arztbezogen ermittelten RLV für die einzelnen dort tätigen Ärzte (Teil F Ziffer 1.2.4 des Beschlusses des EBewA vom 27./28.8.2008). Deshalb ist weiter zu prüfen, ob sich auch jeder einzelne in der BAG tätige Arzt noch in der Aufbauphase der vertragsärztlichen Tätigkeit befindet. Das ist dann nicht mehr der Fall, wenn ein Arzt in demselben Planungsbereich bereits in einem die Aufbauphase übersteigenden Zeitraum vertragsärztlich tätig war. In einem solchen Fall fehlt es an einer Rechtfertigung dafür, ihn unter dem Gesichtspunkt der nur für einen begrenzten Zeitraum zu eröffnenden sofortigen Wachstumsmöglichkeit bis zum Durchschnitt der Fachgruppe weiterhin zu begünstigen. Hierbei ist im Interesse der Rechtssicherheit und der Praktikabilität typisierend auf eine vertragsärztliche Tätigkeit in demselben Planungsbereich abzustellen (vgl § 12 Abs 3 S 1, §§ 16, 16b Ärzte-ZV). Den Gesamtvertragspartnern steht es jedoch frei, im Rahmen ihrer Befugnis zur Schaffung von Anfangs- und Übergangsregelungen für Praxen in der Anfangsphase (Teil F Ziffer 3.5 des Beschlusses des EBewA vom 27./28.8.2008 idF des Beschlusses vom 20.4.2009) eine vorangehende vertragsärztliche Tätigkeit nur dann zu berücksichtigen, wenn sie im engeren räumlichen Bezug zur Praxis der BAG ausgeübt wurde. Das ist hier aber nicht geschehen (s aber - auf einen Umkreis von 500 Metern abstellend - Teil D Ziffer 3.1 bzw 3.4 HVV hinsichtlich der Übernahme eines Praxissitzes oder der Rückgabe der Zulassung des Praxispartners einer ortsübergreifenden BAG). Dementsprechend brachte die Beklagte die Sonderregelungen für "Wachstumsärzte" zutreffend nur zugunsten von S. zur Anwendung, die erstmals zum 1.1.2006 zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen worden war und sich damit im Quartal II/2009 noch innerhalb der fünfjährigen Aufbauphase befand. Für eine Begünstigung der Tätigkeit des Praxispartners G., der nach Gründung der BAG seine zuvor schon längere Zeit in Einzelpraxis ausgeübte vertragsärztliche Tätigkeit in denselben Praxisräumen fortsetzte, war hingegen kein Raum mehr.

b) Die von der Beklagten praktizierte Vorgehensweise, für die Ermittlung des Honorars der klagenden BAG eine Honorarobergrenze in Abhängigkeit von der Zahl der Patienten vorzusehen, die die "Wachstumsärztin" S. im Abrechnungsquartal tatsächlich behandelt hatte, entspricht den landesrechtlichen Vorgaben der HVV. Das LSG hat den Bestimmungen in Teil D Ziffer 2.1 und Ziffer 3.2 HVV entnommen, dass einer BAG, der ein "Wachstumsarzt" - also ein weniger als fünf Jahre niedergelassener Arzt mit unterdurchschnittlicher RLV-relevanter Fallzahl - angehört, bei der Ermittlung des ihr zustehenden Honorars kein fester Wert eines praxisbezogenen RLV, sondern lediglich eine individuelle "Obergrenze" unter Zugrundelegung der im Abrechnungsquartal tatsächlich erreichten Fallzahl des "Wachstumsarztes" (maximal die durchschnittliche Fallzahl der Arztgruppe) zuzuordnen ist. Ob diese Auslegung zwingend erscheint, kann hier dahinstehen. Die Wendung in Teil D Ziffer 3.2 S 1 HVV, dass bei Eintritt eines in der Wachstumsphase befindlichen Arztes in eine BAG "neben bestehende RLV von einzelnen Partnern der Praxis die Regelung nach Absatz 2.1 hinzu(tritt), so dass sich insgesamt eine Obergrenze ergibt", ließe sich möglicherweise auch in dem Sinne deuten, dass in solch einer Konstellation für die BAG zusätzlich zu dem zumindest anzusetzenden RLV nach den allgemeinen Regeln auch noch eine Obergrenze - gleichsam als über das RLV hinaus bis zur durchschnittlichen Fallzahl der Fachgruppe Wachstum zulassender Deckel - maßgeblich sein soll (zu einer solchen Regelung vgl LSG Berlin-Brandenburg Urteil vom 24.11.2016 - L 24 KA 10/15 - Juris RdNr 21). Darüber hat der Senat jedoch nicht zu befinden. Er hat vielmehr die vom LSG für zutreffend erachtete und nach dem Wortlaut der Regelung vertretbare Auslegung seiner Entscheidung zugrunde zu legen (§ 202 S 1 SGG iVm § 560 ZPO). Das folgt daraus, dass die Bestimmungen der HVV nicht revisibles Recht enthalten (§ 162 SGG), da sich ihre Geltung nicht über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus erstreckt und auch nicht ersichtlich ist, dass sie bewusst und gewollt im Interesse der Rechtsvereinheitlichung mit entsprechenden Regelungen in anderen Ländern übereinstimmen (s hierzu zB BSG Urteil vom 19.10.2011 - B 6 KA 22/10 R - SozR 4-2500 § 85 Nr 65 RdNr 17).

c) Die genannten Vorgaben der HVV (in der Auslegung durch das LSG), für die Ermittlung des Honorars einer BAG, der ein Arzt in der Aufbauphase angehört, kein fixes RLV, sondern lediglich eine Obergrenze der Honorierung in Abhängigkeit von der tatsächlich vom "Wachstumsarzt" behandelten Zahl an Patienten vorzusehen, sind mit höherrangigem Bundesrecht nicht vereinbar und somit nichtig (Art 31 GG - vgl dazu BSG Urteil vom 1.7.1998 - B 6 KA 43/97 R - BSGE 82, 216, 224 = SozR 3-5520 § 31 Nr 9 S 41).

aa) § 87b Abs 2 S 1 SGB V aF verlangte ausdrücklich, dass die RLV zur Verhinderung einer übermäßigen Ausdehnung der Tätigkeit "des Arztes und der Arztpraxis" arzt- und praxisbezogen festzulegen sind. Dementsprechend sah auch § 87b Abs 5 S 1 SGB V aF die Zuweisung der RLV an "den Arzt oder die Arztpraxis" vor. Mit diesen Formulierungen sollte klargestellt werden, dass es möglich ist, RLV sowohl auf den Arzt als auch auf die Arztpraxis zu beziehen, um allen Konstellationen der ambulanten ärztlichen Tätigkeit wie zB Einzel- und Gemeinschaftspraxen, angestellte Ärzte oder auch überbezirkliche Kooperationen Rechnung tragen zu können (Bericht des Ausschusses für Gesundheit zum GKV-WSG, BT-Drucks 16/4247 S 42 - zu § 87b, zu Abs 2). Der BewA, der gemäß § 87b Abs 4 S 1 SGB V aF zur Konkretisierung des Verfahrens zur Berechnung der RLV berufen war, hat im Beschluss des EBewA vom 27./28.8.2008 allerdings vorgegeben, dass die Zuweisung der RLV zum Zwecke der Honorarabrechnung praxisbezogen erfolgt (Teil F Ziffer 1.2.4 S 1 des Beschlusses - s auch BSG Urteil vom 25.1.2017 - B 6 KA 6/16 R - SozR 4-2500 § 87b Nr 9 RdNr 16). Steht der Honoraranspruch einer aus mehreren Ärzten bestehenden Arztpraxis - in Gestalt einer der vertragsarztrechtlich zulässigen Kooperationsformen - zu, muss danach zwingend dieser Praxis ein RLV zugeordnet werden. Die bundesrechtlich geforderte Zuweisung eines einheitlichen RLV an eine von mehreren Ärzten gebildete Arztpraxis (BAG, MVZ) hat zur Folge, dass innerhalb dieser Arztpraxis bei Beachtung der Fachgebietsgrenzen sowie qualifikationsgebundener Genehmigungen zur Leistungserbringung weitgehende Flexibilität herrscht. Ein Arzt kann zB Krankheits- und Urlaubszeiten oder die familienbedingte Begrenzung der Tätigkeit eines anderen Arztes der Praxis durch kollegiale Übernahme von Behandlungen ausgleichen, ohne dass dies zu Honorarverlusten für die Arztpraxis führt, wie das bei einem strikt arztbezogenen RLV der Fall wäre.

Mit dieser bundesrechtlichen Vorgabe zur Verhinderung der übermäßigen Ausdehnung der Tätigkeit einer aus mehreren Ärzten bestehenden Arztpraxis ist es nicht vereinbar, wenn die Partner der Gesamtverträge im Bezirk der Beklagten im Rahmen ihrer Kompetenz zur Festlegung von Anfangs- und Übergangsregelungen für Neuzulassungen von Vertragsärzten (Teil F Ziffer 3.5 des Beschlusses des EBewA vom 27./28.8.2008) das wesensprägende Kernelement der Zuweisung von RLV an die Arztpraxis gerade für solche Kooperationsformen beseitigen, bei denen ein Arzt in der Anfangsphase seiner vertragsärztlichen Tätigkeit mitwirkt. Die Abweichung von den bundesrechtlichen Vorgaben ist auch nicht, wie das LSG meint, schon deshalb hinzunehmen, weil die Sonderregelung insgesamt zugunsten von Ärzten in der Wachstumsphase geschaffen wurde und diesen ein sehr schnelles Wachstum ermögliche. Die Honorarnachteile, die für eine BAG mit einem Arzt in der Aufbauphase aufgrund der Zuweisung nur einer fallzahlabhängigen Obergrenze in typischen Konstellationen (etwa der Übergabe einer Praxis im Wege einer vorübergehenden gemeinsamen Ausübung der Praxistätigkeit) entstehen, sind nicht die zwangsläufige Folge dessen, dass Ärzten in der Aufbauphase überhaupt das bundesrechtlich geforderte sofortige Wachstum bis zum Fachgruppendurchschnitt eröffnet wird. Vielmehr zeigt zB die für den Bezirk der KÄV Brandenburg getroffene Regelung (Kombination eines Mindest-RLV gemäß der Fallzahl des Vorjahresquartals mit einer Obergrenze entsprechend den tatsächlichen Fallzahlen des Abrechnungsquartals nach dem Günstigkeitsprinzip - vgl LSG Berlin-Brandenburg Urteil vom 24.11.2016 - L 24 KA 10/15 - Juris RdNr 21), dass es ohne Weiteres möglich ist, eine Benachteiligung von Ärzten in der Aufbauphase sowie von Kooperationsformen, an denen solche Ärzte beteiligt sind, systemkonform zu vermeiden.

bb) Die Vorgehensweise gemäß der HVV der Beklagten in ihrer Auslegung durch das LSG steht zudem auch im Widerspruch zu dem aus Art 3 Abs 1 iVm Art 12 Abs 1 GG abgeleiteten Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit. Ihre Folge ist nämlich, wie der Fall der Klägerin anschaulich macht, dass eine BAG, der ein "Wachstumsarzt" angehört, jedenfalls in den Quartalen I und II/2009 nicht nur bei sinkenden, sondern bereits bei gleichbleibenden oder nur mäßig wachsenden Fallzahlen des noch in der Aufbauphase tätigen Arztes bei der Honorarverteilung schlechter gestellt wird als eine ansonsten identische BAG, die ausschließlich aus bereits etablierten Ärzten besteht. Grund dafür ist, dass die Aufteilung der Fallzahlen der BAG auf die einzelnen Ärzte zur arztbezogenen Ermittlung der Höhe des RLV (Teil F Ziffer 1.2.2 des Beschlusses des EBewA vom 27./28.8.2008) in den Quartalen I und II/2009 bei fachgleichen BAG übergangsweise pauschal nach Kopfteilen vorgenommen werden musste, weil eine Kennzeichnung der jeweiligen Leistungserbringung mit der arztspezifischen Arztnummer erst ab dem Quartal III/2008 praktiziert wurde (Anlage 2 Ziffer 7 S 2 Buchst b zu Teil F des Beschlusses des EBewA vom 27./28.8.2008). Hierdurch wurden dem etablierten Arzt der BAG typischerweise deutlich weniger RLV-relevante Fälle zugeordnet, als er real behandelte, während der "Wachstumsarzt" bei der von der Beklagten praktizierten Verfahrensweise nur die Zahl der von ihm im Abrechnungsquartal tatsächlich betreuten Fälle RLV-relevant vergütet bekam. Nur wenn der "Wachstumsarzt" die Zahl der von ihm selbst behandelten Fälle so stark steigern konnte, dass er die durch eine Aufteilung nach Kopfteilen bedingte Reduzierung der RLV-relevanten Fallzahlen des etablierten Kollegen wenigstens auszugleichen vermochte, war die BAG als Ganzes in der Lage, das vom RLV umfasste Honorarvolumen auf gleichem Niveau zu halten. Bei einer langjährig bestehenden BAG genügte dafür bereits, dass sie insgesamt die Fallzahl konstant hielt, ohne dass es darauf ankam, welcher ihrer Ärzte wie viele Fälle betreute. Für eine solch unterschiedliche Behandlung, insbesondere eine Benachteiligung gerade von einer BAG mit einem Arzt in der Aufbauphase, gibt es im Lichte von Art 3 Abs 1 GG keinen rechtfertigenden Grund.

4. Die Nichtigkeit von Teil D Ziffer 3.2 S 1 iVm Ziffer 2.1 HVV hat zur Folge, dass sowohl die Zuweisung der "Obergrenze" im Bescheid vom 25.3.2009 als auch die bisherige Honorarfestsetzung für das Quartal II/2009 rechtswidrig sind. Die Beklagte wird das der Klägerin zustehende Honorar unter Zugrundelegung eines festen RLV für die gesamte BAG neu zu ermitteln haben. Dabei ist der für S. und G. jeweils zu berücksichtigende RLV-Anteil unter Zugrundelegung ihres Anteils an den Fallzahlen der BAG im Vorjahresquartal II/2008 gemäß Teil D Ziffer 1.2 S 1 HVV iVm der Regelung in Ziffer 7 S 4 Buchst b in Anlage 2 - zu Teil F - des Beschlusses des EBewA vom 27./28.8.2008 zu bestimmen, dh die Zahl der Behandlungsfälle der gesamten (fachgleichen) BAG ist nach Kopfteilen aufzuteilen. Das ergibt für jeden der beiden Ärzte eine Fallzahl von 505,5, ein arztbezogenes RLV von 20 857,91 Euro und somit ein Gesamt-RLV der BAG in Höhe von 41 715,82 Euro. Eine Anpassung der spezifisch landesrechtlichen Regelungen, die Ärzte in der Wachstumsphase begünstigen, vor einer erneuten Bescheidung des Honoraranspruchs der Klägerin für das hier streitbefangene Quartal II/2009 ist nicht erforderlich, da die Fallzahlen der Klägerin im Vergleich zum Vorjahresquartal nicht angestiegen sind.

Die Klägerin kann aber nicht beanspruchen, dass der Honorarberechnung für das Quartal II/2009 die von der Beklagten im Schreiben vom 25.3.2009 mitgeteilte "Gesamt-Obergrenze Ihrer Praxis" in Höhe von 49 396,87 Euro als das das für die BAG maßgebliche RLV zugrunde gelegt wird. Die Regelung eines fixen Gesamt-RLV für die BAG, das für die nachfolgende Honorarfestsetzung nach Maßgabe des § 87b Abs 5 SGB V aF bindend wäre, enthielt - wie das LSG zutreffend ausgeführt hat - der Bescheid vom 25.3.2009 gerade nicht.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 SGG iVm § 154 Abs 1 VwGO. Da die Klägerin mit dem Antrag auf erneute Bescheidung erfolgreich war, hat die Beklagte die Kosten des Verfahrens in allen Rechtszügen zu tragen.

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