Bundessozialgericht

Bundessozialgericht Urteil vom 25.04.2018, B 4 AS 29/17 R

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 29. Juni 2017 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

Umstritten ist die Rücknahme von Bewilligungen und die Erstattung von Leistungen und Beiträgen wegen verschwiegenen Vermögens für den Zeitraum von Juni 2006 bis Oktober 2013.

Der 1967 geborene, alleinstehende Kläger bezog im streitbefangenen Zeitraum vom beklagten Jobcenter Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II unter Berücksichtigung der Regelleistung bzw des Regelbedarfs und von Aufwendungen für Unterkunft und Heizung sowie (seit 2011) eines Mehrbedarfs wegen dezentraler Warmwassererzeugung und zeitweise von Arbeitseinkommen und Alg. Als Vermögen hatte er im Erstantrag Giro- und Sparkonten im Wert von insgesamt 2675,96 Euro und einen PKW mit einem Restwert von 1000 Euro angegeben, nicht aber ein weiteres Sparkonto, mit dem sich das Guthaben anfangs auf 12 693 Euro und schließlich bis Anfang Oktober 2013 auf 18 491 Euro belief. Nach Bekanntwerden des weiteren Sparkontos im August 2013 nahm der Beklagte die Bewilligungsbescheide nach Anhörung für die Zeit vom 1.6.2006 bis 31.10.2013 unter Verweis auf die dauerhafte Überschreitung der Vermögensfreigrenzen vollständig zurück und setzte eine Erstattung einschließlich der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung von 31 233,72 Euro fest (Bescheid vom 16.12.2013; Widerspruchsbescheid vom 14.3.2014).

Das SG hat den Bescheid unter Abweisung der Klage im Übrigen aufgehoben, soweit die Erstattungsforderung den Betrag von 10 061,88 Euro abzüglich Freibeträgen übersteigt (Urteil vom 11.1.2016); bei Rücknahmen wegen verschwiegenen Vermögens sei zu prüfen, wie lange die einzusetzenden Beträge zur Bedarfsdeckung ausgereicht hätten. Das LSG hat das Urteil auf Berufung des Beklagten abgeändert und die Klage vollständig abgewiesen (Urteil vom 29.6.2017): Der Rücknahme- und Erstattungsbescheid sei nicht zu beanstanden. Die Bewilligungen seien von Anfang an rechtswidrig gewesen. Vermögen sei nicht nur solange zu berücksichtigen, wie damit der Bedarf hätte gedeckt werden können. Eine Begrenzung der Rückforderung nach Ermessen schließe § 40 Abs 2 Nr 3 SGB II iVm § 330 Abs 2 SGB III aus. Härten könne nur im Wege eines Forderungserlasses begegnet werden.

Mit seiner Revision rügt der Kläger sinngemäß eine Verletzung von § 40 Abs 2 Nr 3 SGB II iVm § 330 Abs 2 SGB III. Dies schließe eine Ermessensbetätigung nicht aus. Gebunden sei die Rücknahmeentscheidung nur in zeitlicher Hinsicht, nämlich im Hinblick auf die Rücknahme für die Vergangenheit. Ab dem Unterschreiten des Vermögensfreibetrags seien die Bewilligungsbescheide nicht mehr rechtswidrig gewesen.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 29. Juni 2017 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 11. Januar 2016 zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt die angegriffene Entscheidung und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Zutreffend haben die Vorinstanzen entschieden, dass für Rücknahme und Erstattung einer Alg II-Bewilligung wegen verschwiegenen Vermögens unbeachtlich ist, in welchem Umfang das Vermögen bei rechtmäßigem Verhalten einzusetzen gewesen wäre. Dass der Beklagte einen Forderungserlass zur Vermeidung unbilliger Härten bislang nicht geprüft hat, berührt die Rechtmäßigkeit von Rücknahme und Erstattung nicht.

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist neben den vorinstanzlichen Urteilen der Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 16.12.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.3.2014, soweit er auf die - statthafte - Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 Alternative 1 SGG) des Klägers vom SG aufgehoben worden ist und das LSG die Klage auf die Berufung des Beklagten insgesamt abgewiesen hat. Streitbefangen ist danach die Rücknahme der Leistungsbewilligungen und die Erstattung von Leistungen und Beiträgen für den Zeitraum vom 1.6.2006 bis 31.10.2013 durch den angefochtenen Bescheid des Beklagten nur (noch), soweit die von ihm festgesetzte Erstattungssumme 10 061,88 Euro abzüglich des Freibetrags übersteigt. Soweit das SG die Klage bis zu diesem Betrag abgewiesen hat, ist der Rücknahme- und Erstattungsbescheid mangels einer Berufung des Klägers bindend geworden.

2. In formeller Hinsicht ist der angefochtene Bescheid nicht zu beanstanden. Der Kläger ist insbesondere vor seinem Erlass angehört worden (§ 24 Abs 1 SGB X) und hatte zudem im Widerspruchsverfahren weitere Gelegenheit zur Äußerung. Der Bescheid bezeichnet auch inhaltlich hinreichend bestimmt (§ 33 Abs 1 SGB X) die zurückgenommenen Bewilligungsentscheidungen, und er beziffert die zu erstattenden Beträge einschließlich der Teilbeträge, aus denen sie sich zusammensetzen. Soweit im Widerspruchsbescheid ergänzend zum Rücknahmebescheid weitere von der Rücknahme erfasste Bescheide angeführt worden sind, ist das jedenfalls deshalb unproblematisch, weil sowohl dem Anhörungsschreiben vom 20.11.2013 als auch dem Rücknahmebescheid zu entnehmen war, dass sich die Rücknahme auf den gesamten Zeitraum zwischen Juni 2006 bis Oktober 2013 erstreckt (vgl dazu näher BSG vom 25.10.2017 - B 14 AS 9/17 R - vorgesehen für SozR 4-1300 § 45 Nr 19, juris RdNr 21 ff).

3. Rechtsgrundlage des Rücknahmebescheids ist § 40 Abs 1 Satz 1, Abs 2 Nr 2 SGB II in der im Rücknahmezeitpunkt geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 13.5.2011 (BGBl I 850; zur Maßgeblichkeit des im Zeitpunkt der Aufhebung geltenden Rechts vgl letztens BSG vom 7.12.2017 - B 14 AS 7/17 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 55 RdNr 10) iVm § 45 SGB X und § 330 Abs 2 SGB III. Danach ist eine rechtswidrige begünstigende Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II auch nach Unanfechtbarkeit mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, wenn sie auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

Zu Recht hat aufgrund dieser Vorschriften der Beklagte die Alg II-Bewilligungen für den streitbefangenen Zeitraum wegen Rechtswidrigkeit im Zeitpunkt ihres Erlasses ohne Rücksicht auf den im Fall eines rechtmäßigen Verhaltens des Klägers zu berücksichtigenden Vermögenswert (dazu 4. und 5.) zurückgenommen, weil der Kläger sich auf Vertrauen nicht berufen kann (dazu 6.) und die Rücknahme deshalb wegen der für das SGB II entsprechend anwendbaren Sonderregelung des § 330 Abs 2 SGB III zwingend ist, ohne dass insoweit Korrekturmöglichkeiten verbleiben (dazu 7.). Das gilt ebenso für die Erstattungsforderung, die ebenfalls rechtmäßig ist (dazu 8.). Soweit Korrekturmöglichkeiten in solchen Fällen nach dem Regelungskonzept des SGB II in das Billigkeitsverfahren nach § 44 SGB II verlagert sind, ist darüber mangels einer Entscheidung des Beklagten hierüber vorliegend nicht zu befinden, ohne dass dies die Rechtmäßigkeit des Rücknahme- und Erstattungsbescheids berührt (dazu 9.).

4. Zutreffend ist das LSG davon ausgegangen, dass die Alg II-Bewilligungen für den streitbefangenen Zeitraum bei Erlass mangels Hilfebedürftigkeit des Klägers objektiv rechtswidrig waren.

a) Rechtsgrundlage des dem Kläger zuerkannten Alg II ist § 19 ff iVm §§ 7, 9, 11, 20 ff SGB II in der im Bezugszeitraum jeweils geltenden Fassung; denn in Rechtsstreitigkeiten über schon abgeschlossene Bewilligungsabschnitte ist das zum damaligen Zeitpunkt geltende Recht anzuwenden (Geltungszeitraumprinzip, vgl BSG vom 19.10.2016 - B 14 AS 53/15 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 78 RdNr 15 mwN). Maßgebend für die Hilfebedürftigkeit des Klägers - der nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG die Grundvoraussetzungen des § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II, aber keinen Ausschlusstatbestand erfüllte - war danach bis zum 31.12.2010 § 9 Abs 1 SGB II idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 (BGBl I 2954) und seither idF des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 (BGBl I 453), wonach hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält.

b) Dem danach zu deckenden Bedarf des Klägers standen nach den bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG im gesamten Rücknahmezeitraum zu Beginn eines jeden Monats ausreichende Vermögensmittel gegenüber, die vorrangig zur Sicherung seines Lebensunterhalts einzusetzen waren (vgl § 2 Abs 2 SGB II; zur monatsweisen Gegenüberstellung von Bedarfen und Bedarfsdeckungsmöglichkeiten vgl nur BSG vom 24.8.2017 - B 4 AS 9/16 R - SozR 4-4200 § 11b Nr 10 RdNr 31 mwN), ohne dass es auf zeitweilig erzieltes Einkommen (§ 11 SGB II) und auf die vom LSG nicht festgestellte Höhe der Bedarfe des Klägers für Unterkunft und Heizung sowie (ab 2011) des Mehrbedarfs wegen dezentraler Warmwassererzeugung im streitbefangenen Zeitraum zusätzlich zu der vom Kläger zu beanspruchenden Regelleistung bzw dem Regelbedarf ankommt.

c) Als Vermögen zu berücksichtigen sind nach § 12 Abs 1 SGB II (in der seit dem 1.1.2005 unverändert geltenden Fassung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954) alle verwertbaren Vermögensgegenstände abzüglich der nach § 12 Abs 2 SGB II abzusetzenden Beträge, soweit sie nicht nach § 12 Abs 3 SGB II von der Berücksichtigung ausgenommen sind. Abzusetzen sind danach hier gemäß § 12 Abs 2 Nr 1 Halbsatz 1 SGB II (vom 1.1.2005 bis 31.7.2006 idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954; seit dem 1.8.2006 in der insoweit seither unverändert geltenden Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.7.2006, BGBl I 1706) der Grundfreibetrag in Höhe von 200 Euro bzw 150 Euro je vollendetem Lebensjahr des volljährigen Hilfebedürftigen bzw (seit dem 1.4.2011) der in der Bedarfsgemeinschaft lebenden volljährigen Person sowie nach § 12 Abs 1 Nr 4 SGB II (in der insoweit seit dem 1.1.2005 unverändert geltenden Fassung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, BGBl I 2954) der Freibetrag für notwendige Anschaffungen in Höhe von 750 Euro für jeden in der Bedarfsgemeinschaft lebenden Hilfebedürftigen bzw Leistungsberechtigten.

d) Hiernach verfügte der Kläger gemäß den Feststellungen des LSG im streitbefangenen Zeitraum über zu berücksichtigendes und seinen monatlichen Bedarf ungeachtet der fehlenden Feststellungen zu dessen Höhe offensichtlich übersteigendes Vermögen wie folgt: 4143 Euro zum 1.5.2006 (12 693 Euro Guthaben - 7800 Euro Grundfreibetrag - 750 Euro Freibetrag für notwendige Anschaffungen), 6641 Euro zum 1.8.2006 (13 241 Euro Guthaben - 5850 Euro Grundfreibetrag - 750 Euro Freibetrag für notwendige Anschaffungen), 7135 Euro zum 1.2.2007 (13 735 Euro Guthaben - 5850 Euro Grundfreibetrag - 750 Euro Freibetrag für notwendige Anschaffungen), 7395 Euro zum 1.5.2007 (14 145 Euro Guthaben - 6000 Euro Grundfreibetrag - 750 Euro Freibetrag für notwendige Anschaffungen), 7654 Euro zum 1.8.2007 (14 404 Euro Guthaben - 6000 Euro Grundfreibetrag - 750 Euro Freibetrag für notwendige Anschaffungen), 7755 Euro zum 1.11.2007 (14 505 Euro Guthaben - 6000 Euro Grundfreibetrag - 750 Euro Freibetrag für notwendige Anschaffungen), 8108 Euro zum 1.1.2008 (14 858 Euro Guthaben - 6000 Euro Grundfreibetrag - 750 Euro Freibetrag für notwendige Anschaffungen), 8136 Euro zum 1.2.2008 (14 886 Euro Guthaben - 6000 Euro Grundfreibetrag - 750 Euro Freibetrag für notwendige Anschaffungen), 8284 Euro zum 1.5.2008 (15 184 Euro Guthaben - 6150 Euro Grundfreibetrag - 750 Euro Freibetrag für notwendige Anschaffungen), 7818 Euro am 1.8.2008 (14 718 Euro Guthaben - 6150 Euro Grundfreibetrag - 750 Euro Freibetrag für notwendige Anschaffungen), 7894 Euro am 1.11.2008 (14 794 Euro Guthaben - 6150 Euro Grundfreibetrag - 750 Euro Freibetrag für notwendige Anschaffungen), 8628 Euro zum 1.2.2009 (15 528 Euro Guthaben - 6150 Euro Grundfreibetrag - 750 Euro Freibetrag für notwendige Anschaffungen), 8959 Euro zum 1.5.2009 (16 009 Euro Guthaben - 6300 Euro Grundfreibetrag - 750 Euro Freibetrag für notwendige Anschaffungen), 8560 Euro zum 1.8.2009 (15 610 Euro Guthaben - 6300 Euro Grundfreibetrag - 750 Euro Freibetrag für notwendige Anschaffungen), 9513 Euro zum 1.11.2009 (16 563 Euro Guthaben - 6300 Euro Grundfreibetrag - 750 Euro Freibetrag für notwendige Anschaffungen), 9146 Euro zum 1.2.2010 (16 196 Euro Guthaben - 6300 Euro Grundfreibetrag - 750 Euro Freibetrag für notwendige Anschaffungen), 9920 Euro zum 1.5.2010 (17 120 Euro Guthaben - 6450 Euro Grundfreibetrag - 750 Euro Freibetrag für notwendige Anschaffungen), 9706 Euro zum 1.8.2010 (16 906 Euro Guthaben - 6450 Euro Grundfreibetrag - 750 Euro Freibetrag für notwendige Anschaffungen), 9872 Euro zum 1.11.2010 (17 072 Euro Guthaben - 6450 Euro Grundfreibetrag - 750 Euro Freibetrag für notwendige Anschaffungen), 10 249 Euro zum 1.2.2011 (17 449 Euro Guthaben - 6450 Euro Grundfreibetrag - 750 Euro Freibetrag für notwendige Anschaffungen), 10 695 Euro zum 1.5.2011 (18 045 Euro Guthaben - 6600 Euro Grundfreibetrag - 750 Euro Freibetrag für notwendige Anschaffungen), 11 254 Euro zum 1.8.2011 (18 604 Euro Guthaben - 6600 Euro Grundfreibetrag - 750 Euro Freibetrag für notwendige Anschaffungen), 11 495 Euro am 1.11.2011 (18 845 Euro Guthaben - 6600 Euro Grundfreibetrag - 750 Euro Freibetrag für notwendige Anschaffungen), 9544 Euro zum 1.2.2012 (16 894 Euro Guthaben - 6600 Euro Grundfreibetrag - 750 Euro Freibetrag für notwendige Anschaffungen), 9442 Euro zum 1.5.2012 (16 942 Euro Guthaben - 6750 Euro Grundfreibetrag - 750 Euro Freibetrag für notwendige Anschaffungen), 9958 Euro zum 1.8.2012 (17 458 Euro Guthaben - 6750 Euro Grundfreibetrag - 750 Euro Freibetrag für notwendige Anschaffungen), 10 119 Euro zum 1.11.2012 (17 619 Euro Guthaben - 6750 Euro Grundfreibetrag - 750 Euro Freibetrag für notwendige Anschaffungen), 11 393 Euro zum 1.2.2013 (18 893 Euro Guthaben - 6750 Euro Grundfreibetrag - 750 Euro Freibetrag für notwendige Anschaffungen), 10 056 Euro zum 1.5.2013 (17 706 Euro Guthaben - 6900 Euro Grundfreibetrag - 750 Euro Freibetrag für notwendige Anschaffungen) sowie 10 841 Euro zum 1.8.2013 (18 491 Euro Guthaben - 6900 Euro Grundfreibetrag - 750 Euro Freibetrag für notwendige Anschaffungen).

d) Dass dieses Vermögen nicht verwertbar gewesen wäre, ist nicht erkennbar (vgl dazu nur BSG vom 20.2.2014 - B 14 AS 10/13 R - BSGE 115, 148 = SozR 4-4200 § 12 Nr 23, RdNr 22 mwN). Ebenso spricht nichts dafür, dass bezogen auf die Umstände während des Leistungsbezugs einer der die Berücksichtigung von Vermögen ausschließenden Tatbestände des § 12 Abs 3 Satz 1 SGB II vorgelegen hätte. Schließlich sind keine Umstände festgestellt, die ausnahmsweise eine Berücksichtigung von Verbindlichkeiten bei der Feststellung der vorhandenen Vermögenswerte nach § 12 SGB II gebieten könnten (vgl dazu zuletzt etwa BSG ebenda RdNr 29 mwN).

5. Ob dieses Vermögen zur Deckung der Bedarfe des Klägers über den gesamten Rücknahmezeitraum ausgereicht hätte - wie er in Zweifel zieht -, ist für die anfängliche Rechtswidrigkeit der zurückgenommenen Alg II-Bewilligungen unbeachtlich.

Maßgeblich für die Rechtswidrigkeit der zurückgenommenen Bewilligungen als Voraussetzung für deren Rücknahme nach § 45 SGB X ist die Situation bei ihrem Erlass (vgl nur Steinwedel in Kasseler Komm, § 45 SGB X RdNr 24, Stand März 2018). In der Situation der Leistungsbewilligung (zur Unterscheidung zwischen Bewilligungs- und Rückabwicklungsperspektive vgl Berlit, info also 2011, 225 f) ist vorhandenes, zu verwertendes und verwertbares Vermögen in den Existenzsicherungssystemen des SGB II und SGB XII indes so lange zu berücksichtigen, wie es tatsächlich vorhanden ist (zum SGB II vgl bereits BSG vom 30.7.2008 - B 14 AS 14/08 B - juris RdNr 5; zum SGB XII vgl nur BSG vom 20.9.2012 - B 8 SO 20/11 R - SozR 4-3500 § 19 Nr 4 RdNr 14 f mwN; zur Rechtslage nach dem BSHG ebenso BVerwG vom 19.12.1997 - 5 C 7.96 - BVerwGE 106, 105, 110 f).

Das belegt insbesondere die historische Entwicklung im bis zur Einführung des SGB II geltenden Recht der Arbeitslosenhilfe, an die die vermögensbezogenen Regelungen des § 12 SGB II im Wesentlichen anknüpfen (vgl BT-Drucks 15/1516 S 53). Für sie galt nach § 9 Arbeitslosenhilfe-Verordnung (AlhiV) vom 7.8.1974 (BGBl I 1929), dass Bedürftigkeit nicht für die Zeit voller Wochen bestand, die sich aus der Teilung des zu berücksichtigenden Vermögens durch das Arbeitsentgelt ergab, nach dem sich die Arbeitslosenhilfe richtete. Diese Regelung war mit Wirkung zum 1.1.2002 ersatzlos gestrichen (vgl AlhiV 2002 vom 13.12.2001, BGBl I 3734) und damit der Rechtsprechung des BSG (vom 9.8.2001 - B 11 AL 11/01 R - BSGE 88, 252 = SozR 3-4300 § 193 Nr 2) die Grundlage entzogen worden, dass der Arbeitslose im Rahmen der Arbeitslosenhilfe nur einmal auf das gleiche Vermögen verwiesen werden könne (vgl näher Spellbrink in Spellbrink/Eicher, Kasseler Handbuch des Arbeitsförderungsrechts, 2003, § 13 RdNr 189 ff). Dass die frühere Regelung des § 9 AlhiV bei Einführung des SGB II nicht wieder aufgegriffen worden ist, belegt deutlich, dass tatsächlich vorhandenes und zu berücksichtigendes Vermögen einem Anspruch auf existenzsichernde Leistungen ggf auch mehrfach entgegenzuhalten ist, von einem fiktiven Vermögensverbrauch also nicht ausgegangen werden kann (zum SGB II vgl BSG vom 30.7.2008 - B 14 AS 14/08 B - juris RdNr 5; zum SGB XII vgl nur BSG vom 20.9.2012 - B 8 SO 20/11 R - SozR 4-3500 § 19 Nr 4 RdNr 15 mwN; ebenso Berlit, info also 2011, 225; Geiger in LPK-SGB II, 6. Aufl 2017, § 12 RdNr 7; Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, K § 12 RdNr 223 f, Stand Januar 2016; Lange in Eicher/Luik, SGB II, 4. Aufl 2017, § 12 RdNr 30; Radüge in jurisPK-SGB II, 4. Aufl 2015, § 12 RdNr 36; Striebinger in Gagel, SGB II/SGB III, § 12 SGB II RdNr 16 und 21, Stand Dezember 2017).

6. Die Voraussetzungen für die zwingende Rücknahme der Leistungsbewilligungen mit Wirkung für die Vergangenheit nach § 40 Abs 2 Nr 3 SGB II iVm § 330 Abs 2 SGB III sind auch insoweit gegeben, als die Bewilligungen auf zumindest grob fahrlässig unrichtigen bzw unvollständigen Angaben des Klägers iS des § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 2 SGB X beruhten. Wie das LSG beanstandungsfrei angenommen hat, kann sich der Kläger auf Vertrauensschutz nicht berufen, weil er im Rahmen des Erstantrags die ausdrückliche Nachfrage, ob er über Vermögen im Wert von über 4850 Euro verfüge, zumindest grob fahrlässig verneint hat. Anhaltspunkte dafür, dass das LSG dabei den revisionsrechtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Spielraum bei der Feststellung der groben Fahrlässigkeit überschritten hat (zu den dabei zu beachtenden Maßstäben vgl letztens etwa BSG vom 4.4.2017 - B 11 AL 19/16 R - SozR 4-4300 § 144 Nr 25 RdNr 41 mwN), sind nicht ersichtlich.

7. Ist die Rücknahme einer Alg II-Bewilligung wegen verschwiegenen Vermögens vom Begünstigten zu vertreten, kommt es auf das Verhältnis zwischen dem zu erstattenden Betrag und dem ursprünglich einzusetzenden Vermögenswert nicht an.

a) Soweit nach dem allgemeinen Verfahrensrecht des SGB X im Rahmen der Ermessensausübung nach § 45 Abs 2 Satz 1 SGB X auch bei fehlendem Vertrauensschutz besonderen Härten Rechnung zu tragen sein kann (vgl etwa BSG vom 31.10.1991 - 7 RAr 60/89 - SozR 3-1300 § 45 Nr 10 S 29, 34; zur Rechtsprechungsentwicklung vgl nur Steinwedel in Kasseler Komm, § 45 SGB X RdNr 61, Stand März 2018), ist dies für das Verfahrensrecht des SGB II durch den Verweis auf § 330 Abs 2 SGB III ausgeschlossen. Liegen die in § 45 Abs 2 Satz 3 SGB X genannten Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts vor, so "ist" dieser danach auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Abweichend vom allgemeinen Verfahrensrecht ergeht die Rücknahme von rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakten bei Bösgläubigkeit des Begünstigten im Anwendungsbereich des § 330 Abs 2 SGB III mithin nicht als Ermessensentscheidung, sondern als gebundene Entscheidung (stRspr; vgl zu § 330 SGB III nur BSG vom 29.6.2000 - B 11 AL 85/99 R - BSGE 87, 8, 10 = SozR 3-4100 § 152 Nr 9 S 28; zum SGB II vgl nur BSG vom 22.8.2012 - B 14 AS 165/11 R - SozR 4-1300 § 50 Nr 3 RdNr 29 ff). Raum für eine Abwägung der berührten öffentlichen und privaten Interessen unter Berücksichtigung der Rücknahmefolgen für den Erstattungspflichtigen und seiner wirtschaftlichen Lage bei rechtmäßigem Verhalten im Ermessenswege bietet daher in Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende unter den Voraussetzungen des § 45 Abs 2 Satz 3 SGB X erst das Erlassverfahren nach § 44 SGB II (dazu 9.) und nicht schon das Rücknahmeverfahren nach § 40 Abs 1 Satz 1 SGB II, § 45 SGB X.

b) Anders verhält es sich entgegen einer in der Literatur vertretenen Auffassung nicht deshalb, weil die Berücksichtigung des im Rücknahmezeitraum (tatsächlich vorhandenen) Vermögens im Rückabwicklungsverhältnis eine besondere Härte iS von § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 6 Alternative 2 SGB II bedeuten würde (so Berlit, info also 2011, 225 f; dies aufgreifend Geiger in LPK-SGB II, 6. Aufl 2017, § 12 RdNr 105). Ob der Vermögenseinsatz eine besondere Härte in diesem Sinne bedeuten würde, kann in der Rücknahmeperspektive nicht anders als auch sonst im Rahmen von § 45 Abs 1 SGB X nur mit Blick auf die Umstände bei Bekanntgabe des zu überprüfenden Bescheids, also in der Bewilligungssituation beurteilt werden. Nur aus dieser Perspektive lässt sich bewerten, ob der Vermögenseinsatz eine atypische Sonderlage im Sinne der Rechtsprechung zu § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 6 Alternative 2 SGB II darstellt. Das setzt außergewöhnliche Umstände des Einzelfalls voraus, die dem Betroffenen ein eindeutig größeres Opfer abverlangen als eine einfache Härte und erst recht als die mit der Vermögensverwertung stets verbundenen Einschnitte (stRspr; vgl zuletzt etwa BSG vom 24.5.2017 - B 14 AS 16/16 R - vorgesehen für BSGE sowie SozR 4-4200 § 9 Nr 16, juris RdNr 30 mwN). Ob es sich so verhält, kann sich nur bei einem Vergleich mit anderen Betroffenen in vergleichbarer Bewilligungslage und nicht nachträglich aus der Rückabwicklungsperspektive ergeben.

8. Nicht anders liegt es bei dem auf § 40 Abs 1 Satz 1, Abs 2 Nr 5 SGB II iVm § 50 Abs 1 Satz 1 SGB X sowie § 335 Abs 1, 2 und 5 SGB III gestützten Erstattungsverwaltungsakt, der ebenfalls rechtmäßig ist. Maßgebend für die Erstattung des gezahlten Alg II ist danach nur die Aufhebung der zu Grunde liegenden Bewilligungen ("Soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist, sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten"), ohne dass Raum wäre für eine Begrenzung unter Härtefallgesichtspunkten. Das bestätigt auch die nunmehr aufgehobene Sonderregelung des § 40 Abs 9 SGB II (idF des Neunten Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - Rechtsvereinfachung - sowie zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht vom 26.7.2016, BGBl I 1824, zuvor § 40 Abs 4 SGB II bzw § 40 Abs 2 Satz 1 SGB II; dazu BSG vom 2.12.2014 - B 14 AS 56/13 R - SozR 4-4200 § 40 Nr 8), deren Erstattungsbegrenzung in Fällen des § 45 Abs 2 Satz 3 SGB X gerade ausgeschlossen war (vgl § 40 Abs 9 Satz 2 SGB II). Dass die Berechnung der Erstattungsforderung fehlerhaft ist - sowohl was das aufgehobene Alg II als auch die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung betrifft -, lassen weder die Feststellungen des LSG noch das Vorbringen des Klägers erkennen.

9. Dass der Beklagte einen Forderungserlass zur Vermeidung unbilliger Härten bislang nicht geprüft hat, berührt die Rechtmäßigkeit der Rücknahme und der Erstattungsforderung nicht.

a) Nach § 44 SGB II dürfen die Träger von Leistungen nach dem SGB II Ansprüche erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre. Diese § 76 Abs 2 Nr 3 SGB IV nachgebildete Regelung (vgl BT-Drucks 15/1516 S 63) eröffnet nicht nur die Möglichkeit, bei den Rücknahmefolgen besonderen persönlichen Umständen Rechnung zu tragen (Erlass wegen persönlicher Unbilligkeit; vgl zur entsprechenden Vorschrift des § 227 AO dazu letztens etwa BFH vom 7.9.2017 - X B 52/17 - juris RdNr 30 ff mwN; zu § 44 SGB II vgl Kemper in Eicher/Luik, SGB II, 4. Aufl 2017, § 44 RdNr 10; Wendtland in Gagel, SGB II/SGB III, § 44 SGB II RdNr 8, Stand Dezember 2017).

Vielmehr kann eine Billigkeitsmaßnahme auch angezeigt sein, wenn die Anwendung einer in ihren generalisierenden Wirkungen verfassungsmäßigen Regelung im Einzelfall zu Grundrechtsverstößen führt, solange nicht die Geltung des Gesetzes unterlaufen wird (Erlass wegen sachlicher Unbilligkeit; grundlegend BVerfG vom 5.4.1978 - 1 BvR 117/73 - BVerfGE 48, 102, 116; letztens etwa BVerfG <Kammer> vom 28.2.2017 - 1 BvR 1103/15 - juris RdNr 9 mwN; zu § 44 SGB II eingehend Kemper in Eicher/Luik, SGB II, 4. Aufl 2017, § 44 RdNr 12 ff; Merten in Beck'scher Online-Komm, § 44 SGB II RdNr 7 ff, Stand März 2018; zu § 227 AO vgl nur Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 227 AO RdNr 77 ff mwN, Stand Juli 2017). Davon ist nach der Rechtsprechung zu § 227 AO vor allem auszugehen, wenn die Geltendmachung eines Anspruchs im Einzelfall zwar dem Wortlaut einer Vorschrift entspricht, sie aber nach dem Zweck des zugrunde liegenden Gesetzes nicht zu rechtfertigen ist und dessen Wertungen zuwiderläuft (vgl zuletzt etwa BFH vom 9.11.2017 - III R 10/16 - BFHE 260, 9, juris RdNr 54 mwN; zu § 76 Abs 2 Nr 3 SGB IV dies aufgreifend BSG vom 4.3.1999 - B 11/10 AL 5/98 R - BSGE 83, 292, 296 = SozR 3-2400 § 76 Nr 2 S 11).

b) Zu berücksichtigen ist danach hier, dass die eine Ermessensbetätigung in den Fällen des § 45 Abs 2 Satz 3 SGB X ausschließende Vorschrift des § 330 Abs 2 SGB III nach Entstehungsgeschichte und Systematik allein der Verfahrensökonomie dient (ebenso Groth in Hohm, GK-SGB II, VI-§ 44 RdNr 45, Stand Oktober 2009), nicht aber jeden Übermaßeinwand bei der Rücknahme anfänglich rechtswidriger begünstigender Leistungsbewilligungen ausschließen soll. Die auf § 152 Abs 2 AFG zurückgehende Regelung ist aus der Erwägung heraus eingeführt worden, dass die meisten Leistungen nach Arbeitsförderungsrecht kurzfristig zu erbringen und Überzahlungen praktisch nicht zu vermeiden seien, weshalb im Jahr vor ihrer Einführung in über 1,85 Millionen Fällen über die Erstattung überzahlter Leistungen zu entscheiden gewesen sei. Dem Rechnung tragend solle ua in den Fallgestaltungen nach § 45 Abs 2 Satz 3 SGB X anstelle einer Ermessensentscheidung eine gebundene Entscheidung treten (vgl BT-Drucks 12/5502 S 37).

Das rechtfertigt sich typisierend vor der Annahme, dass in diesen Fällen Vertrauensschutz regelmäßig ausscheidet - was von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden ist (zu einer vergleichbaren Bewertung vgl nur BVerfG vom 2.12.1969 - 2 BvR 560/65 - BVerfGE 27, 231, 238 f) - und deshalb für eine Ermessensentscheidung überwiegend kein Anlass gegeben ist. Indes besteht weder ein Anhaltspunkt dafür noch wäre es vereinbar mit verfassungsrechtlichen Vorgaben, dass hierdurch die Berücksichtigung auch jeglicher atypischer Besonderheiten ausgeschlossen sein sollte, denen ansonsten im Rahmen der Ermessensbetätigung nach § 45 Abs 2 Satz 1 SGB X auch bei fehlendem Vertrauensschutz Rechnung zu tragen sein kann (ähnlich Groth in Hohm, GK-SGB II, VI-§ 44 RdNr 45, Stand Oktober 2009: mindestens beim Hinzutreten persönlicher Billigkeitsumstände ist es gerechtfertigt, Sachverhalte in die Billigkeitsentscheidung einzubeziehen, die eigentlich im Rahmen der Ermessensentscheidung ua nach § 45 SGB X zu berücksichtigen wären; aA wohl Merten in Beck'scher Online-Komm, § 44 SGB II RdNr 7 ff, Stand März 2018: Ausgestaltung als gebundene Entscheidung bewusste Wertentscheidung des Gesetzgebers).

c) In diesem regelungssystematischen Gefüge vermittelt § 44 SGB II einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über einen Forderungserlass. Das hat das BSG zu § 76 Abs 2 Nr 3 SGB IV bereits aus dessen Entstehungsgeschichte und der Parallele zu § 59 BHO abgeleitet (BSG vom 13.6.1989 - 2 RU 32/88 - BSGE 65, 133, 137 = SozR 2100 § 76 Nr 2 S 8; BSG vom 29.10.1991 - 13/5 RJ 36/90 - BSGE 69, 301, 306 = SozR 3-2400 § 76 Nr 1 S 6; in diesem Sinne auch BVerfG <Kammer> vom 13.8.1998 - 1 BvL 25/96 - NJW 1998, 3557, 3558). Für § 44 SGB II gilt Anderes schon deshalb nicht, weil die Vorschrift nach den Gesetzesmaterialien einen Gleichklang mit § 76 Abs 2 Nr 3 SGB IV herstellen soll (vgl BT-Drucks 15/1516 S 63). Auch die aufgezeigte "Ausgleichsfunktion" in den Fällen der zwingenden Rücknahme verlangt, dass Vorbringen zu einer atypischen Härte geprüft und hierüber entschieden wird. Demgemäß vermittelt das durch § 44 SGB II eröffnete Ermessen ("Die Träger ... dürfen Ansprüche erlassen") entsprechend § 39 SGB I, § 54 Abs 2 Satz 2 SGG einen verfahrensrechtlichen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über den Erlass eines Erstattungsanspruchs (vgl eingehend dazu und zu weiteren Instrumenten zur "Veränderung von Ansprüchen" jüngst Becker, SGb 2018, 129, 131 ff; ebenso Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, K § 44 RdNr 35, Stand November 2004).

d) Dass der Beklagte eine Prüfung nach § 44 SGB II noch nicht vorgenommen hat, berührt die Rechtmäßigkeit des Rücknahme- und Erstattungsbescheids indes nicht. Zwar schließt dessen fehlende Bestandskraft die Prüfung nach § 44 SGB II nicht aus (vgl nur BSG vom 29.10.1991 - 13/5 RJ 36/90 - BSGE 69, 301, 306 = SozR 3-2400 § 76 Nr 1 S 6 zu § 76 Abs 2 Nr 3 SGB IV). Auch konnte der Einwand des Klägers im Klageverfahren - das zu berücksichtigende Vermögen hätte nur über einen Zeitraum von fünf Monaten und nicht für 90 Monate zur Bedarfsdeckung gereicht - dem Beklagten Anlass zu einer entsprechenden Prüfung mindestens von Amts wegen geben, wenn darin nicht schon ein Antrag nach § 44 SGB II zu sehen war (vgl BSG vom 29.10.1991 - 13/5 RJ 36/90 - BSGE 69, 301, 306 = SozR 3-2400 § 76 Nr 1 S 6). Ist eine - durch Verwaltungsakt zu treffende (vgl BSG vom 29.10.1991 - 13/5 RJ 36/90 - BSGE 69, 301, 306 = SozR 3-2400 § 76 Nr 1 S 6) - Entscheidung im Verfahren nach § 44 SGB II noch nicht ergangen, ist insoweit für eine gerichtliche Überprüfung indes kein Raum; der Streitgegenstand des Verfahrens hier bleibt davon unberührt (vgl nur BSG vom 29.10.1991 - 13/5 RJ 36/90 - BSGE 69, 301, 306 f = SozR 3-2400 § 76 Nr 1 S 6).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

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