Bundessozialgericht

Bundessozialgericht Urteil vom 25.04.2018, B 8 SO 26/16 R

Sozialhilfe - Klage gegen eine Entscheidung der Schiedsstelle nach § 80 SGB XII - Vergütungsvereinbarung mit einem ambulanten Dienst - Zuständigkeit zum Abschluss der Vereinbarung - Mindestinhalt nach § 76 Abs 2 SGB XII - Plausibilitätsprüfung - Vergleich mit anderen Diensten - Einzugsgebiet als Vergleichsraum - Aufklärungspflichten der Schiedsstelle

Leitsätze

Überprüft eine sozialhilferechtliche Schiedsstelle die geltend gemachte Vergütung für einen ambulanten Dienst mit den Vergütungen anderer Anbieter, kann sich der Vergleichsraum nur auf das Einzugsgebiet des Sozialhilfeträgers beziehen.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 28. Januar 2016 aufgehoben und die Klage gegen die Entscheidung der Schiedsstelle nach § 80 SGB XII für das Land Rheinland-Pfalz vom 16. Januar 2015 abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Der Streitwert wird auf 155 631,10 Euro festgesetzt.

Tatbestand

Im Streit ist die Entscheidung einer Schiedsstelle über die Höhe der Vergütung für ambulante Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII).

Der Beklagte ist Träger eines Dienstes, der als Angebot des im Landkreis des Klägers gelegenen L ambulante Leistungen der Eingliederungshilfe für erwachsene, seelisch behinderte Menschen erbringt. Für die Zeit ab dem 1.7.2013 schlossen Kläger und Beklagter eine Leistungs- und Prüfungsvereinbarung (vom 29.7.2013 - LV) nach §§ 75 ff SGB XII ab, die Leistungen des ambulant betreuten Wohnens, der Hilfen zum Erwerb praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten, der Hilfen zur Förderung der Begegnung mit nichtbehinderten Menschen und der Hilfen zum Besuch von Veranstaltungen zum Gegenstand hat (vgl § 3 Abs 1 LV). Vergütungsverhandlungen blieben seit 2011 ohne Erfolg. Der Kläger zahlte in dieser Zeit 32 Euro für jede Leistungsstunde zuzüglich der Sachkosten.

Nach letzten, erfolglos gebliebenen Vergütungsverhandlungen am 23.10.2013 rief der Beklagte am 23.12.2013 die Schiedsstelle nach § 80 SGB XII für das Land Rheinland-Pfalz an und beantragte (unter Berücksichtigung absehbarer Tariferhöhungen) pro Fachleistungsstunde (iS des § 8 Abs 1 LV) die Festsetzung auf 65,25 Euro, ab dem 1.1.2015 auf 67,23 Euro und ab dem 1.3.2015 auf 68,85 Euro sowie pro Stunde für alltagsbegleitende Leistungen durch Kräfte ohne fachspezifische Ausbildung (iS des § 8 Abs 2 LV) die Festsetzung auf 37,04 Euro, ab dem 1.1.2015 auf 38,16 Euro und ab dem 1.3.2015 auf 39,07 Euro. Der Kläger verwies auf die niedrigeren Vergütungen, die mit 3 weiteren Diensten verhandelt worden seien, und beantragte die Festsetzung auf 52 Euro pro Fachleistungsstunde und auf 35 Euro pro Stunde für Kräfte ohne fachspezifische Ausbildung.

Die Schiedsstelle setzte mit Wirkung ab Anrufung der Schiedsstelle die Kosten pro Fachleistungsstunde auf 63,42 Euro, ab dem 1.1.2015 auf 65,34 Euro und ab dem 1.3.2015 auf 66,92 Euro fest sowie pro Stunde für Kräfte ohne fachspezifische Ausbildung auf 37,04 Euro, ab dem 1.1.2015 auf 38,16 Euro und ab dem 1.3.2015 auf 39,07 Euro; sie bestimmte eine Laufzeit des Schiedsspruchs bis zum 31.12.2015. Im Übrigen wies sie den Antrag des Beklagten ab (Entscheidung vom 16.1.2015). Zur Begründung führte sie aus, angesichts der schlechten Datenlage für die zu bewertenden Leistungen sei die Durchführung eines sog externen Vergleichs mit anderen Leistungsanbietern unangemessen, wenn nicht sogar undurchführbar. Der Schiedsspruch beruhe deshalb im Wesentlichen auf den vom Beklagten vorgelegten Berechnungsgrundlagen, gegen die der Kläger nichts Substantiiertes vorgebracht habe. Die Steigerung der Kostenansätze gegenüber den zuletzt bei den gescheiterten Vertragsverhandlungen vorgelegten Kosten habe der Beklagte nachvollziehbar dargelegt. Wegen der Personalkosten folgten die Einstufungen der Beschäftigten der Tarifbindung des Beklagten; die angekündigte Anhebung der Personalkosten im Laufe des Jahres 2015 entspreche den üblichen Steigerungsraten. Wegen der Quotelung der direkten zu den mittelbaren Personalkosten habe sie, die Schiedsstelle, die Forderungen des Beklagten gekürzt, weil der mit einer 6-wöchigen Datenerhebung beauftragte Dienstleister auf eine gewisse Unschärfe der ermittelten Zahlen hingewiesen habe. Soweit der Kläger die Notwendigkeit einer halben Verwaltungsstelle angezweifelt habe, sei der Beklagte dem mit der Begründung entgegengetreten, man habe durch die Schaffung dieser Stelle die wesentlich teurere Leitungsstelle entlasten können. Hierauf habe der Kläger nicht konkret zu niedrigeren Verwaltungskosten anderer, vergleichbarer Dienste vorgetragen. Dem Vortrag des Beklagten, die Neuanschaffung eines relativ teuren EDV-Programmes sei aus organisatorischen Gründen und durch neue Abrechnungsmodalitäten erforderlich gewesen, sei der Kläger ebenfalls nicht mit einem konkreten Hinweis auf die Kosten eines ähnlichen Dienstes entgegengetreten. Seinem Gegenantrag sei schließlich keine eigene Berechnungsgrundlage beigefügt gewesen.

Das Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz hat auf die Klage des Klägers die Entscheidung der Schiedsstelle aufgehoben (Urteil vom 28.1.2016). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, weil für die Eingliederungshilfe vielfältige Leistungsangebote mit sehr unterschiedlichen Ausgestaltungen vorlägen, für die es insgesamt nur wenig vergleichbare Einrichtungen und Dienste gebe, hätte die Schiedsstelle einen externen Vergleich auf einen zu erweiternden Einzugsbereich (ggf über das gesamte Bundesland) ausdehnen, die Beteiligten zur Vorlage geeigneter Unterlagen auffordern und ggf von Amts wegen eigene Ermittlungen ohne Bindung an die Darlegungen der Beteiligten anstellen müssen. Wegen der Plausibilität der Kostensteigerung im Allgemeinen habe sie grundsätzlich dem Vortrag des Beklagten folgen dürfen. Die Plausibilitätsprüfung wegen der Ausstattung mit einer EDV-Anlage bzw der erforderlichen Software sei aber nicht in hinreichendem Maße erfolgt. Die Schiedsstelle hätte sich durch Ermittlungen und den Vergleich mit anderen Einrichtungen gedrängt sehen müssen, die Erforderlichkeit im konkreten Fall aufzuklären. Eine entsprechende Prüfung müsse, sofern vergleichbare Einrichtungen ermittelt werden könnten, auch bezüglich der Erforderlichkeit für eine halbe Verwaltungsstelle durchgeführt werden. Ohne nähere Ermittlungen sei die Schiedsstelle auch wegen der Quotelung der direkten zu den mittelbaren Personalkosten nicht berechtigt gewesen, den Mittelwert zwischen den Schätzungen des Beklagten und denen des Klägers zu wählen.

Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner Revision und macht geltend, die Schiedsstelle sei entgegen der Auffassung des LSG unter Berücksichtigung ihrer Funktion und ihrer Ausstattung nicht zu einer weiter gehenden Prüfung im Sinne eines "externen Vergleichs" in der Lage und verpflichtet gewesen. Seine voraussichtlichen Kosten habe er nachvollziehbar und plausibel dargelegt. Es sei dann die Sache des Klägers gewesen, im Schiedsstellenverfahren Näheres zur behaupteten Unwirtschaftlichkeit dieser Kosten und den Anteilen der nicht fakturierbaren Kosten vorzutragen und vorzulegen.

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 28. Januar 2016 aufzuheben und die Klage gegen die Entscheidung der Schiedsstelle nach § 80 SGB XII für das Land Rheinland-Pfalz vom 16. Januar 2015 abzuweisen.

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Er hält die Entscheidung des LSG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

Die Revision des Beklagten ist zulässig und begründet (§ 170 Abs 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz <SGG>). Das LSG hat zu Unrecht die Entscheidung der Schiedsstelle aufgehoben.

Streitgegenstand des Revisions-, aber auch des Gerichtsverfahrens insgesamt, ist die Aufhebung der Entscheidung der Schiedsstelle, gegen den sich der Kläger - erstinstanzlich beim LSG (§ 29 Abs 2 Nr 1 SGG in der Fassung, die die Norm durch das Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26.3.2008 - BGBl I 444 - erhalten hat) - mit einer Anfechtungsklage wendet (vgl hierzu nur BSGE 116, 227 ff RdNr 11 = SozR 4-3500 § 77 Nr 1).

Die Vorgaben des Verwaltungsverfahrensrechts für das Schiedsverfahren sind eingehalten. Die Regelungen des 10. Kapitels des SGB XII für die von der Schiedsstelle zu ersetzenden Vereinbarungen finden dabei auch auf (ambulante) Dienste Anwendung, soweit nichts Abweichendes bestimmt ist (vgl § 75 Abs 1 Satz 2 SGB XII idF des Gesetzes zur Einordnung der Sozialhilfe in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 <BGBl I 3022>; im Einzelnen später). Hier ist das Schiedsverfahren insbesondere nicht deshalb fehlerhaft durchgeführt worden, weil der Beklagte für den Abschluss von Vergütungsvereinbarungen nicht zuständig gewesen wäre. Hierzu stellt § 77 Abs 1 Satz 2 SGB XII (idF des Gesetzes zur Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 2.12.2006 <BGBl I 2670>) bei der örtlichen Zuständigkeit auf den Sitz des für die Einrichtung zuständigen Trägers der Sozialhilfe ab. Auch für ambulante Dienste ist dabei entscheidend, wo der Dienst, dessen Leistungen vergütet werden, selbst gelegen ist. Auf den Sitz des Trägers kommt es nach Sinn und Zweck der Regelung nicht an, wie der Senat für stationäre Einrichtungen bereits entschieden hat (vgl BSG SozR 4-3500 § 77 Nr 2 RdNr 13). Auf ambulante Dienste sind die für dieses Normverständnis angeführten Gründe übertragbar: Die Anknüpfung der örtlichen Zuständigkeit an den Sitz des Dienstes selbst stellt sicher, dass auf Seiten des Sozialhilfeträgers derjenige verhandelt, der mit den örtlichen Verhältnissen vertraut ist und damit die erforderlichen Kenntnisse zur Beurteilung der Angemessenheit der geforderten Vergütungen am ehesten besitzt. Der örtliche Träger der Sozialhilfe ist für den Abschluss von Vereinbarungen nach §§ 75 ff SGB XII schließlich auch sachlich zuständig (vgl § 97 Abs 1 SGB XII iVm § 2 Abs 1 des Gesetzes zur Ausführung des SGB XII <AGSGB XII> Rheinland-Pfalz vom 22.12.2004 <GVBl 571>). Der Senat ist insoweit an eigenen Feststellungen zum Landesrecht nicht gehindert, weil das LSG dies ungeprüft gelassen hat.

Die Entscheidung der Schiedsstelle ist auch in der Sache nicht zu beanstanden. Die Beschränkung in dem von den Beteiligten angestrebten Vergütungsmodus auf eine "Maßnahmepauschale", an die die Schiedsstelle gebunden war, verstößt nicht gegen die Vorgaben des § 76 Abs 2 SGB XII (hier idF des Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch, zur Errichtung einer Versorgungsausgleichskasse und anderer Gesetze vom 15.7.2009 <BGBl I 1939>). Die Schiedsstelle hat davon ausgehend die vom Beklagten geltend gemachten Personal- und Sachkosten in nicht zu bestandener Weise auf ihre Plausibilität überprüft. Die anschließende Festsetzung der Vergütung unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit, Notwendigkeit und Sparsamkeit, bei der der Schiedsstelle ein Entscheidungsfreiraum zusteht, begegnet ebenfalls keinen Bedenken.

Eine Nichtigkeit der Entscheidung der Schiedsstelle ergibt sich nicht daraus, dass entgegen § 76 Abs 2 Satz 1 SGB XII weder eine Grundpauschale noch ein Investitionsbetrag Bestandteil der Vergütungen sind. Soweit § 76 Abs 2 SGB XII Vorgaben für den Mindestinhalt von Vereinbarungen macht, die auch die Schiedsstelle binden, gelten diese für ambulante Dienste nur eingeschränkt. Zwar ist nichts von § 76 Abs 2 SGB XII "Abweichendes" für ambulante Dienste bestimmt. Einschränkend gegenüber seinem Wortlaut muss § 75 Abs 1 Satz 2 SGB XII aber dahin verstanden werden, dass die gesetzlichen Vorschriften über Einrichtungen nach dem 10. Kapitel (lediglich) "entsprechend" gelten. Es muss bei Anwendung der Vorschriften den institutionellen Besonderheiten von Diensten Rechnung getragen werden, die von stationären und teilstationären Einrichtungen ggf abweichen (vgl H. Schellhorn in Schellhorn/Hohm/Scheider, SGB XII, 19. Aufl 2015, § 75 RdNr 5); das gilt gerade auch bei der näheren Bestimmung und Auslegung der in § 76 Abs 2 SGB XII geregelten Mindestvertragsinhalte. Eine Grundpauschale für die Vergütungsbestandteile wegen "Unterkunft und Verpflegung" der Leistungsberechtigten fällt nach Art und Ziel der Leistungen (vgl zu diesem Maßstab § 76 Abs 1 Satz 1 SGB XII) für die Leistungen des ambulant betreuten Wohnens und die weiteren in der LV genannten Leistungen nach § 54 SGB XII iVm §§ 55 Abs 2, 58 Nr 1 und 2 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen - (SGB IX) in der bis zum 31.12.2016 geltenden Fassung nicht an. Auch auf einen "Investitionsbetrag" konnte verzichtet werden. Die herausgehobene Stellung eines (einrichtungsbezogenen) Investitionsbetrags in § 76 Abs 2 Satz 1 SGB XII ergibt sich (vor allem bei stationären Pflegeeinrichtungen) aus dem engen Bezug der baulichen Gegebenheiten der jeweiligen stationären Einrichtung zu den in dieser Einrichtung zu erbringenden Leistungen. Dieser enge Bezug besteht bei einem ambulanten Dienst nicht notwendigerweise (Jaritz/Eicher in Juris-Praxiskommentar <Juris-PK> SGB XII, 2. Aufl 2014, § 76 RdNr 33); bei dem Dienst des Beklagten beschränken sich die vorgehaltenen Räumlichkeiten auf den Büroraum. Da über diesen Teil der Kosten ohnehin kein Streit besteht, ist es unschädlich, dass die Kosten für das vom Dienst genutzte Gebäude und seine Ausstattung von dem Vertragspartner nicht als Investitionskosten, sondern als Sachkosten angesehen worden sind (zur Abgrenzung des Begriffs der Kosten für betriebsnotwendige Anlagen von den übrigen Sachkosten vgl aber Grube in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 6. Aufl 2018, § 76 RdNr 33 f; Jaritz/Eicher, aaO, § 76 RdNr 88 f).

Für die Maßnahmepauschale besteht seit der Änderung des § 76 Abs 2 SGB XII (mit dem Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch, zur Errichtung einer Versorgungsausgleichskasse und anderer Gesetze vom 15.7.2009 <BGBl I 1939>) schließlich keine Vorgabe, diese zwingend nach Gruppen für Leistungsberechtigte mit vergleichbarem Bedarf zu kalkulieren (so noch § 76 Abs 2 Satz 3 SGB XII in der bis zum 21.9.2009 geltenden Fassung). Unter der hier zur Anwendung kommenden (bis zum 31.12.2016 geltenden) Fassung des § 76 Abs 2 Satz 3 SGB XII ist die Vergütung auf der Basis von Leistungsstunden zulässig (vgl BT-Drucks 16/13424, S 35). Dabei ist von den Beteiligten ein Vergütungsmodell gewählt worden, das nach Fachleistungsstunden und Stunden für Kräfte ohne Ausbildung unterscheidet. Damit war auch die Schiedsstelle gehalten, eine getrennte Prüfung vorzunehmen.

Bei der Überprüfung der geltend gemachten Kosten im Sinne einer Plausibilitätsprüfung steht der Schiedsstelle kein Entscheidungsfreiraum im eigentlichen Sinne zu; mit Rücksicht auf ihre beschränkte Leistungskapazität obliegt ihr (nur) eine Schlüssigkeitsprüfung unter Berücksichtigung des Vortrags der Beteiligten, die als solche gerichtlich in vollem Umfang überprüfbar ist. Im Rahmen der Plausibilitätsprüfung ist die Schiedsstelle insbesondere bei den tatsächlichen Personalkosten zutreffend von den Vergütungen nach den Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritas-Verbandes (AVR) ausgegangen und hat diese wie tarifliche Regelungen gewertet (dazu bereits BSGE 120, 51 = SozR 4-3500 § 75 Nr 9, RdNr 18). Die Verpflichtung zu entsprechender Einstufung seiner Mitarbeiter hat der Beklagte nachgewiesen. Er hat zudem nachvollziehbar dargelegt, weshalb der im Schiedsverfahren vorlegte Kostenansatz von dem in den vorangegangenen Verhandlungen vorgelegten erheblich nach oben abweicht, aber der Höhe nach gleichwohl den tatsächlichen Kosten im Referenzjahr 2013 entspricht. Dies zieht der Kläger im Revisionsverfahren nicht mehr in Zweifel.

Der Kostenansatz, auf den sich der Antrag des Beklagten stützt und den die Schiedsstelle zugrunde gelegt hat, ist schließlich auch wegen der Quotelung der direkten zu den mittelbaren Personalkosten plausibel, also wegen des Anteils, mit dem pro Zeitstunde der Betreuung eines Leistungsberechtigten sonstige Personalkosten, die nicht unmittelbar auf seine Betreuung entfallen, abzugelten sind. Nach § 6 LV handelt es sich bei den direkten Maßnahmen um diejenigen, die unmittelbar für die leistungsberechtigte Person erbracht werden (Beratung, Begleitung, Förderung, Anleitung zu einer Tätigkeit, ggf auch Übernahme dieser Tätigkeit usw), zu den mittelbaren Leistungen gehören etwa Vor- und Nachbereitung, Kontakte mit Betreuern, personenübergreifende Gruppenangebote, Besprechungen etc und schließlich ausdrücklich auch die Fahrt- und Wegezeiten. Es liegt auf der Hand, dass der Anteil, mit dem die Beschäftigten des Beklagten einerseits direkten und andererseits mittelbaren Tätigkeiten nachgehen, je nach dem Betreuungsbedarf des Leistungsberechtigten und dem damit verbundenen "mittelbaren" Arbeitsanfall schwankt und ein genauer Nachweis der Anteile, wie sie (prospektiv) in künftigen Zeiträumen entstehen werden, schwer möglich sein wird. Eine abstrakte Regelung wegen der Quote ist in der LV - anders als zwischen anderen Vertragsparteien im Einzugsgebiet des Klägers - nicht getroffen worden; auch Nachweispflichten (außerhalb einer Wirtschaftlichkeitsprüfung) etwa durch Leistungsnachweise der Leistungsberechtigten sind nicht vereinbart. Jedenfalls nachdem die LV erst im Juli 2013 abgeschlossen worden ist und die Vertragsparteien sich einvernehmlich auf die Umstellung des Vergütungsmodells geeinigt haben, kann für die anschließenden ersten Vergütungsverhandlungen nur eine grobe Zuordnung der Personalkosten zu den jeweiligen Anteilen erfolgen, worauf der Beklagte zutreffend hinweist. Insoweit hat er die tatsächlichen Verhältnisse der direkten zu den mittelbaren Leistungen zueinander nur über einen 6-wöchigen Zeitraum ausgewertet; eine Dokumentation über einen längeren Zeitraum konnte er nicht vorlegen, weil die Zuordnung der jeweiligen Arbeitszeiten nach dem früheren Vergütungsmodell nicht maßgeblich war. Unter welchen weiteren Voraussetzungen die Schiedsstelle gehalten sein kann, im Einzelnen Leistungsnachweise aus der Vergangenheit zu fordern, um künftige Gestehungskosten nachvollziehbar zu machen (dazu BSGE 105, 126 = SozR 4-3300 § 89 Nr 2, RdNr 54), kann angesichts dieser Besonderheit offenbleiben. Gegen den von der Schiedsstelle pauschal vorgenommenen Abschlag hat sich der Beklagte nicht gewandt; der Kläger ist, ausgehend davon, dass die Quote von dem Beklagten plausibel gemacht worden war, aber nicht beschwert. Schließlich sind auch die geltend gemachten Sachkosten plausibel; die Steigerung erklärt sich aus den weiteren getätigten Investitionen (vor allem der Ausstattung der EDV-Anlage) sowie der allgemeinen Preissteigerung.

Der Schiedsstelle nach § 80 SGB XII ist bei der abschließenden Festsetzung der Vergütungen für ambulante Dienste im Wege einer Überprüfung der geltend gemachten Vergütungen auf ihre Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit hin kein festes Prüfungsschema vorgegeben, wie es der 3. Senat für das Recht der Pflegeversicherung entwickelt hat (vgl BSGE 105, 126 = SozR 4-3300 § 89 Nr 2 zu Vergütungen für ambulante Pflegedienste nach § 89 Sozialgesetzbuch Elftes Buch - Soziale Pflegeversicherung - <SGB XI>). Es bestehen gerade für ambulante Dienste keine gesetzlichen Vorgaben, aus denen sich dies ableiten ließe (vgl für stationäre Einrichtungen grundlegend BSGE 120, 51 = SozR 4-3500 § 75 Nr 9, RdNr 16; BSG SozR 4-3500 § 75 Nr 10 RdNr 19). Zu einem strikten Vorgehen im Sinne eines "externen Vergleichs" mit anderen Leistungsanbietern ist die Schiedsstelle damit nicht verpflichtet. Unabhängig davon, welche Maßstäbe sie ihren Erwägungen zugrunde legt, folgt (anders als der Kläger meint) aus dem im Gesetz genannten Grundsatz der "Sparsamkeit" keine unterhalb der Wirtschaftlichkeitsgrenze liegende Ebene, um die eine Prüfung nach dem SGB XII zu ergänzen wäre (vgl bereits BSGE 120, 51 = SozR 4-3500 § 75 Nr 9, RdNr 17). Im Übrigen sind die Möglichkeiten eines Vergleichs mit den Vergütungen anderer Dienste durch die Schiedsstelle - entgegen der Auffassung des LSG - durch besondere Mitwirkungspflichten der Beteiligten in wesentlicher Hinsicht begrenzt.

Die Zahlung von Gehältern, die auf einer zutreffenden Einstufung der jeweiligen Arbeitnehmer auf Grundlage der AVR beruhen, kann grundsätzlich nicht als unwirtschaftlich angesehen werden. Diese Einschätzung der Schiedsstelle entspricht der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sowohl für die soziale Pflegeversicherung als auch für die Sozialhilfe (zum Ganzen nur BSGE 120, 51 = SozR 4-3500 § 75 Nr 9, RdNr 19 mwN) und ergibt sich (auch) für Leistungen der Eingliederungshilfe nunmehr aus dem Gesetz (vgl § 124 Abs 1 Satz 6 SGB IX idF des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen vom 23.12.2016 <BGBl I 3234>). Die Einschätzung der Schiedsstelle, unwirtschaftliche Personalkosten im Verwaltungsbereich seien nicht erkennbar, ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat dazu ausgeführt, die Leitungsstelle sei über eine halbe Stelle einer "Normalarbeitskraft" entlastet worden; insgesamt seien die Personalkosten, die auf Verwaltungsarbeiten entfielen, damit gesenkt worden. Der Schiedsstelle waren auf entsprechende Hinweise hin aber keine Daten vom Kläger vorgelegt worden, aus denen sich hätte ergeben können, dass die auf die Verwaltung des Dienstes entfallenden Personalkosten gleichwohl unangemessen hoch sind.

Allein die Höhe der Vergütung für eine Fachleistungsstunde bei anderen Diensten konnte über die Wirtschaftlichkeit der geltend gemachten Personalkosten keinen Aufschluss geben, wovon auch das LSG ausgegangen ist. Die Vergütungen, die mit anderen Diensten vereinbart sind, können immer nur Vergleichsgröße sein; sie geben - anders als der Kläger meint - kein Ergebnis für die in Streit stehende Vergütung vor. Der Vergleich mit diesen Werten konnte allenfalls Ausgangspunkt für die Schiedsstelle sein, die wirtschaftliche Angemessenheit des Angebots zu überprüfen (vgl etwa BSGE 105, 126 = SozR 4-3300 § 89 Nr 2, RdNr 59). Dies ist auch erfolgt; die Schiedsstelle hat die Vertragsparteien zu erläuterndem Vortrag und Vorlage weiterer Unterlagen aufgefordert. Der Kläger hat aber nicht vorgetragen, welches Verhältnis von Personalkosten, die auf die Verwaltung entfallen, zu den übrigen Personalkosten er bei einem Dienst, der die verhandelten Leistungen erbringt, für wirtschaftlich hält. Weder hat er dargelegt, in welchem Verhältnis bei den von ihm für vergleichbar erachteten Diensten die Personalkosten, die auf Verwaltung entfallen, zu den übrigen Personalkosten stehen, noch hat er (im Sinne einer "internen" Überprüfung der Wirtschaftlichkeit) erläutert, auf welcher Kalkulationsbasis seine Gegenrechnung fußt. Daten aus seinem Einzugsgebiet hat er erst im Klageverfahren vorgelegt, ohne insoweit allerdings näher vorzutragen, welche Schlüsse wegen der streitig geblieben Berechnungsposten daraus folgen sollen. Dies wird besonders augenfällig, soweit er die Klage wegen der Höhe des Stundensatzes für Kräfte ohne fachspezifische Ausbildung für alltagsbegleitende Leistungen fortgeführt hat, obwohl das Angebot des Beklagten hier deutlich unter dem liegt, was anderen Diensten innerhalb seines Einzugsgebiets gezahlt wird.

Dem weiteren Schritt des LSG, wegen fehlender vergleichbarer Dienste im Kreisgebiet des Klägers hätte die Schiedsstelle von Amts wegen eine Vergleichsprüfung über dessen Einzugsbereich hinaus durchführen müssen, kann nicht gefolgt werden. Der Vergleichsraum kann sich sinnvollerweise bei ambulanten Diensten der Eingliederungshilfe nur auf das Gebiet beziehen, in dem die Leistungsberechtigten vom Träger ambulant zu versorgen sind, also auf das dortige Einzugsgebiet (vgl für ambulante Pflegedienste nach dem SGB XI bereits BSGE 105, 126 = SozR 4-3300 § 89 Nr 2, RdNr 58). Dieses ist zwar nicht auf das Kreis- oder Stadtgebiet des örtlichen Sozialhilfeträgers beschränkt; denn die Leistungsberechtigten können auch auf Dienste zurückgreifen, mit denen ein anderer Träger Verträge abgeschlossen hat. Wegen der Wohnortnähe, die sich für ambulante Leistungen indes zwingend ergibt, sind Vergleiche mit Anbietern, die tatsächlich für die Leistungsberechtigten nicht erreichbar sind, nicht zielführend. Sie geben nicht die Besonderheiten des Marktsegments wieder, auf das sich die Verhandlungen der Parteien beziehen. Sollten sich allgemeine Grundsätze der Wirtschaftsführung für Leistungsanbieter mit einem bestimmten Leistungsangebot (etwa für Menschen mit einer seelischen Behinderung) ergeben, bedarf es keines externen Vergleichs, um solche Erkenntnisse in Vertragsverhandlungen einzuführen. Auf die Ermittlung solcher Erkenntnisse zielte die Auflage der Schiedsstelle zutreffend ab; es sind aber vom Kläger keine weiterführenden Angaben gemacht worden.

Zum anderen bestehen die vom LSG für einen solchen Vergleich vorausgesetzten Amtsermittlungspflichten der Schiedsstelle nicht, wie der Senat bereits entschieden hat (vgl BSGE 120, 51 = SozR 4-3500 § 75 Nr 9, RdNr 20). Die Mitglieder der Schiedsstelle üben ihr Amt als Ehrenamt aus (§ 80 Abs 3 Satz 1 SGB XII); der Schiedsstelle fehlt zudem ein eigener Verwaltungsunterbau, der sie bei der Aufklärung des Sachverhalts in allen Einzelheiten unterstützen könnte. Eine uneingeschränkte Anwendung des Amtsermittlungsgrundsatzes (vgl § 20 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - <SGB X>) würde diese überfordern und das Verfahren zudem erheblich verzögern. Auch deshalb kann sich ein Vergleich allenfalls auf das Einzugsgebiet des Klägers beziehen; denn nur insoweit können dem Kläger überhaupt Daten vorliegen, die in das Schiedsverfahren eingeführt werden können. Auf eine solche Vorlage durch die Beteiligten ist die Schiedsstelle aber angewiesen.

Hinsichtlich der Sachkosten ist lediglich die Frage der Kosten für die EDV-Anlage streitig geblieben. Auch die Einschätzung der Schiedsstelle, es handele sich um ein ausreichendes und zweckmäßiges Programm im Rahmen einer wirtschaftlichen Betriebsprüfung, ist nicht zu beanstanden. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich gewesen, dass der Beklagte ein für die Größe des Dienstes "überdimensioniertes" Verarbeitungsprogramm angeschafft und dessen Kosten umgelegt hat. Kosten für ein alternativ einzusetzendes Programm hat der Kläger nicht genannt. Die Kostensteigerung gegenüber den früheren Vertragsverhandlungen hat der Beklagte nachvollziehbar erklärt. Allein die Behauptung, andere Anbieter hätten hier geringere Kosten, vermag gerade bei Investitionen in die EDV, die ständigen Veränderungen unterliegen, eine unwirtschaftliche Betriebsführung nicht zu begründen. Dies gilt erst recht bei der in Rede stehenden Größenordnung, die nur minimalen Einfluss auf den Stundensatz hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 SGG iVm § 154 Abs 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm §§ 63 Abs 2, 52 Abs 1, 47 Abs 1 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG).

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