Bundessozialgericht

Bundessozialgericht Urteil vom 19.06.2018, B 1 KR 26/17 R

Krankenversicherung - ärztliche Krankenhauseinweisung - keine Voraussetzung für erforderliche Krankenhausbehandlung sowie für den Vergütungsanspruch des Krankenhauses

Leitsätze

1. Versicherte haben auch ohne vertragsärztliche Verordnung (Krankenhauseinweisung) Anspruch auf erforderliche Krankenhausbehandlung.

2. Der Anspruch zugelassener Krankenhäuser auf Vergütung erforderlicher, wirtschaftlicher Krankenbehandlung Versicherter besteht auch dann, wenn keine Krankenhauseinweisung erfolgt ist.

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 25. Juli 2017 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 5596,24 Euro festgesetzt.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Vergütung stationärer Krankenhausbehandlung.

Die Klägerin ist Trägerin eines nach § 108 SGB V zugelassenen psychiatrischen und psychosomatischen Krankenhauses mit einem Zentrum Suchtmedizin und einer Tagesklinik. Der bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherte C. S. (im Folgenden: Versicherter) erhielt vom 25.7. bis zum 15.8.2011 eine vollstationäre Krankenhausbehandlung (Entgiftungsbehandlung) in einem anderen Krankenhaus. Die Klägerin behandelte ihn vom 16.8. bis zum 6.10.2011 teilstationär in ihrer Tagesklinik und berechnete hierfür mit mehreren Teilrechnungen insgesamt 5596,24 Euro. Die Beklagte lehnte die Zahlung des geforderten Betrags unter Hinweis auf eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) ab und widerrief eine zunächst bis zum 26.8.2011 erteilte Kostenzusage. Eine vertragsärztliche Verordnung der teilstationären Behandlung lag nicht vor. Das SG hat die Klage auf Zahlung der berechneten Vergütung abgewiesen (Urteil vom 4.12.2014). Das LSG hat die Beklagte zur Zahlung von 5596,24 Euro nebst Zinsen verurteilt: Der Vergütungsanspruch für die Krankenhausbehandlung entstehe unabhängig von einer Kostenzusage der KK unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus erfolge und iS von § 39 Abs 1 S 2 SGB V erforderlich und wirtschaftlich sei. Diese Voraussetzungen seien im vorliegenden Fall gegeben. Eine vertragsärztliche Verordnung sei keine formale Voraussetzung für den Vergütungsanspruch des Krankenhauses (Urteil vom 25.7.2017).

Die Beklagte rügt mit ihrer Revision die Verletzung von § 3 Abs 2 S 1 des Landesvertrags nach § 112 SGB V zwischen der Niedersächsischen Krankenhausgesellschaft und ua der Beklagten (im Folgenden: KHBV), § 12 Abs 1, § 39 Abs 2, § 73 Abs 2 S 1 Nr 7 SGB V, § 3 Krankenhauseinweisungs-Richtlinie (KE-RL) sowie § 2 Abs 1 S 1 und § 70 Abs 1 SGB V. Der Vergütungsanspruch für eine teilstationäre Krankenhausbehandlung setze eine vertragsärztliche Verordnung voraus.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 25. Juli 2017 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 4. Dezember 2014 zurückzuweisen.

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision der beklagten KK ist unbegründet (§ 170 Abs 1 S 1 SGG). Zu Recht hat das LSG auf die Berufung der Klägerin das Urteil des SG aufgehoben und die Beklagte zur Zahlung von 5596,24 Euro Krankenhausvergütung nebst Zinsen verurteilt. Die von der Klägerin erhobene (echte) Leistungsklage ist im hier bestehenden Gleichordnungsverhältnis zulässig (stRspr, vgl zB BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr 13, RdNr 9 mwN; BSGE 104, 15 = SozR 4-2500 § 109 Nr 17, RdNr 12; BSGE 114, 209 = SozR 4-2500 § 115a Nr 2, RdNr 8) und begründet. Der Klägerin steht der geltend gemachte Vergütungsanspruch gegen die Beklagte zu.

Der in der Höhe unstreitige, rechnerisch anhand der teilstationären Pflegesätze und Zuschläge nachvollziehbare Vergütungsanspruch setzt voraus, dass die gesetzlichen Voraussetzungen einer teilstationären Behandlung erfüllt sind (hierzu 1.) und die Behandlung iS von § 39 Abs 1 S 2 SGB V erforderlich und wirtschaftlich ist (hierzu 2.). So liegt es hier. Eine vertragsärztliche Verordnung ist hingegen nicht Voraussetzung des Vergütungsanspruchs (hierzu 3.).

1. Die Klägerin konnte die beabsichtigte Therapie des Versicherten teilstationär erbringen. Nur soweit das Gesetz eine teilstationäre Therapie ermöglicht und diese erfolgt ist, greift das hierfür vorgesehene Vergütungsregime. Teilstationäre Behandlung unterscheidet sich nach der gesetzlichen Gesamtkonzeption von vollstationärer Behandlung im Krankenhaus im Wesentlichen dadurch, dass sie nicht auf eine Aufnahme rund um die Uhr ausgerichtet ist, sondern nur jeweils zumindest einen Teil eines Tages umfasst (BSGE 121, 87 = SozR 4-2500 § 109 Nr 54, RdNr 12). Teilstationäre Krankenhausversorgung unterfällt - als im Vergleich zu vollstationärer Krankenhausbehandlung wesensgleiche Teilleistung - dem Rechtsregime des Qualitätsgebots für Krankenhausleistungen (insbesondere § 2 Abs 1 S 3, § 12 Abs 1, § 70 Abs 1, § 137c SGB V) und ist durch zugelassene Krankenhäuser (§§ 107 bis 109 SGB V) und zweiseitige Verträge (§ 112 SGB V) sicherzustellen (vgl zur Abgrenzung zu ambulanter, vor- und nachstationärer Behandlung ausführlich BSGE 121, 87 = SozR 4-2500 § 109 Nr 54, RdNr 13 ff mwN).

Die Vergütungsstruktur für teilstationäre Krankenhausbehandlung der Versicherten ist an jene für vollstationäre Behandlung angelehnt. Sie bemisst sich grundsätzlich bei Krankenhäusern, die nicht nach Fallpauschalen abrechnen dürfen wie jenem der Klägerin, nach krankenhausindividuellen Pflegesätzen für teilstationäre Leistungen. Rechtsgrundlage der Pflegesatzvereinbarung (PSV) für 2011 ist § 17 Abs 1 Bundespflegesatzverordnung (BPflV - idF durch Art 4 Nr 9 des Gesetzes zum ordnungspolitischen Rahmen der Krankenhausfinanzierung ab dem Jahr 2009 <Krankenhausfinanzierungsreformgesetz - KHRG> vom 17.3.2009, BGBl I 534) auf der Grundlage von §§ 16, 17 und 18 Abs 2 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG - § 16 KHG idF durch Art 8 Nr 3 Zweites Gesetz zur Neuordnung von Selbstverwaltung und Eigenverantwortung in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 23.6.1997, BGBl I 1520; § 17 KHG idF durch Art 1 Nr 2 Buchst b KHRG vom 17.3.2009, BGBl I 534; § 18 KHG idF durch Art 2 Nr 6 des Gesetzes zur Einführung des diagnose-orientierten Fallpauschalensystems für Krankenhäuser <Fallpauschalengesetz - FPG> vom 23.4.2002, BGBl I 1412). Für die Klägerin gelten die Leistungs- und Vergütungsregelungen der BPflV (idF durch Art 4 FPG vom 23.4.2002, BGBl I 1412). Nach § 1 BPflV werden nach dieser Verordnung die vollstationären und teilstationären Leistungen der Krankenhäuser oder Krankenhausabteilungen vergütet, die nach § 17b Abs 1 S 1 Halbs 2 KHG nicht in das Diagnosis Related Group (DRG)-Vergütungssystem einbezogen sind. Das DRG-Vergütungssystem gilt danach nicht für die Leistungen der in § 1 Abs 2 Psychiatrie-Personalverordnung (Psych-PV - vom 18.12.1990, BGBl I 2930) genannten Einrichtungen und der Einrichtungen für Psychosomatik und Psychotherapeutische Medizin, soweit in der BPflV nichts Abweichendes bestimmt wird. Das Krankenhaus der Klägerin war in dem hier betroffenen Zeitraum eine psychiatrische Einrichtung iS des § 1 Abs 2 Psych-PV. Die Anwendung der BPflV war nicht nach § 1 Abs 2 BPflV ausgeschlossen. Das Krankenhaus der Klägerin ist als Plankrankenhaus in den niedersächsischen Krankenhausplan (KHNR 241 016 01) aufgenommen und gehört auch nicht zu den Krankenhäusern, auf die das KHG gemäß § 3 KHG keine Anwendung findet.

Nach § 17 Abs 1 S 1 Halbs 1 BPflV regeln die Vertragsparteien in der PSV das Budget sowie Art, Höhe und Laufzeit der tagesgleichen Pflegesätze sowie die Berücksichtigung der Ausgleiche und Berichtigungen nach dieser Verordnung. Die PSV muss auch Bestimmungen enthalten, die eine zeitnahe Zahlung der Pflegesätze an das Krankenhaus gewährleisten; hierzu sollen insbesondere Regelungen über angemessene monatliche Teilzahlungen und Verzugszinsen bei verspäteter Zahlung getroffen werden (vgl § 17 Abs 1 S 3 BPflV). Die PSV kommt durch Einigung zwischen den Vertragsparteien zustande, die an der Pflegesatzverhandlung teilgenommen haben; sie ist schriftlich abzuschließen (vgl § 17 Abs 1 S 4 BPflV). Parteien der PSV (Vertragsparteien) sind der Krankenhausträger und 1. Sozialleistungsträger, soweit auf sie allein, oder 2. Arbeitsgemeinschaften von Sozialleistungsträgern, soweit auf ihre Mitglieder insgesamt im Jahr vor Beginn der Pflegesatzverhandlungen mehr als fünf vom Hundert der Belegungs- und Berechnungstage des Krankenhauses entfallen (vgl § 18 Abs 2 KHG). Der Gesetzgeber hielt die Beschränkung der Vertragschließenden für erforderlich, "um die Zahl der Vertragspartner des Krankenhauses nicht unpraktikabel hoch werden zu lassen" (vgl Begründung zu Art 1 Nr 18 des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze <Krankenhaus-Kostendämpfungsgesetz>, BT-Drucks 9/570 S 26).

Die Klägerin behandelte den Versicherten nach den aufgezeigten Kriterien seit dem 16.8.2011 teilstationär. Er erhielt nach dem Gesamtzusammenhang der unangegriffenen, den erkennenden Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) nach einem zuvor festgelegten Therapieschema in der Tagesklinik der Klägerin suchtspezifische Akupunktur, Entspannungs- und Körpertherapie, Ergotherapie, stützende Einzelgespräche und verschiedene Medikamente.

2. Das Gesetz fordert auch bei teilstationärer Behandlung als Vergütungsvoraussetzung, dass jede Aufnahme eines Versicherten nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich sein muss, weil das Behandlungsziel nicht durch vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann (vgl zu teilstationären Leistungen zB BSGE 121, 87 = SozR 4-2500 § 109 Nr 54, RdNr 20; entsprechend auch BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr 13, RdNr 11; BSGE 104, 15 = SozR 4-2500 § 109 Nr 17, RdNr 15, alle mwN). Das folgt aus Regelungssystem (dazu a), Wortlaut (dazu b) und Regelungszweck (dazu c). Die Klägerin erfüllte die aufgezeigte Voraussetzung (dazu d).

a) Die Zahlungsverpflichtung einer KK entsteht - unabhängig von einer Kostenzusage - auch bei teilstationärer Krankenhausbehandlung unmittelbar mit Inanspruchnahme der teilstationären Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus - wie hier bei der Klägerin - durchgeführt wird und iS von § 39 Abs 1 S 2 SGB V erforderlich und wirtschaftlich ist (stRspr, vgl zB BSGE 121, 87 = SozR 4-2500 § 109 Nr 54, RdNr 20; BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr 13, RdNr 11; BSGE 104, 15 = SozR 4-2500 § 109 Nr 17, RdNr 15, alle mwN). Die Zahlungsverpflichtung dient als Gegenleistung für die Erfüllung der Pflicht des zugelassenen Krankenhauses, Krankenhausbehandlung (§ 39 SGB V) der Versicherten im Rahmen des Versorgungsauftrags zu leisten. Die Leistung des Krankenhauses ist nämlich zur Erfüllung des Leistungsanspruchs des Versicherten bestimmt (vgl BSG Großer Senat BSGE 99, 111 = SozR 4-2500 § 39 Nr 10, RdNr 10). Den Leistungsanspruch der Versicherten regelt ua § 39 SGB V.

b) Nach dem Gesetzeswortlaut wird das Krankenhaus mit einem Versorgungsvertrag (vgl § 109 Abs 1 SGB V) für die Dauer des Vertrages zur Krankenhausbehandlung der Versicherten zugelassen. Das zugelassene Krankenhaus ist im Rahmen seines Versorgungsauftrags zur Krankenhausbehandlung (§ 39 SGB V) der Versicherten verpflichtet. Die KKn sind verpflichtet, unter Beachtung der Vorschriften des SGB V mit dem Krankenhausträger Pflegesatzverhandlungen nach Maßgabe des KHG, des Krankenhausentgeltgesetzes und der BPflV zu führen (§ 109 Abs 4 S 1 bis 3 SGB V). Die Krankenhausbehandlung wird vollstationär, teilstationär, vor- und nachstationär (§ 115a SGB V) sowie ambulant (§ 115b SGB V) erbracht. Versicherte haben Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus (§ 108 SGB V), wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann (vgl § 39 Abs 1 S 1 und 2 SGB V).

c) Sinngemäß gilt nach dem Regelungszweck Entsprechendes für den Anspruch Versicherter auf teilstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus: In diesem Fall muss die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich sein, weil das Behandlungsziel nicht durch vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann. Die gesetzliche Regelung des § 39 Abs 1 S 2 SGB V spricht nur beispielhaft die vollstationäre Behandlung an. Die Regelung ist Ausdruck des umfassend geltenden Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12 Abs 1 SGB V). Dementsprechend hat zB das Krankenhaus, dem ein Versicherter zur vorstationären Behandlung überwiesen wird, die Erforderlichkeit dieser Behandlung - schon im Eigeninteresse - vorab zu prüfen (vgl BSGE 121, 87 = SozR 4-2500 § 109 Nr 54, RdNr 22; BSGE 114, 199 = SozR 4-2500 § 115a Nr 4, RdNr 25 mwN; BSG SozR 4-2500 § 115a Nr 5 RdNr 17 mwN). Ebenso muss nachstationäre Behandlung erforderlich sein, um abgerechnet werden zu können (vgl BSGE 114, 209 = SozR 4-2500 § 115a Nr 2, RdNr 17 mwN). Alle arbeitsteilig in die Krankenbehandlung eingebundenen Leistungserbringer sind im Interesse des Patienten, zur Sicherung eines geeigneten Vorgehens und zwecks Achtung des Wirtschaftlichkeitsgebots verpflichtet, im Rahmen ihrer professionellen Kompetenz laufend zu prüfen, ob der ursprünglich aufgestellte Therapieplan weiter zu verfolgen ist (vgl BSGE 121, 87 = SozR 4-2500 § 109 Nr 54, RdNr 22; entsprechend zu Heilmittelerbringern zB BSGE 109, 116 = SozR 4-2500 § 125 Nr 7, RdNr 20).

d) Nach dem Gesamtzusammenhang der den erkennenden Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) war die teilstationäre Behandlung des Versicherten mit den Mitteln eines Krankenhauses erforderlich. Die Beklagte stellt die Erforderlichkeit der teilstationären Behandlung auf der Grundlage eines nach Einsicht in die Behandlungsdokumentation der Klägerin erstellten MDK-Gutachtens zu Recht auch nicht (mehr) in Frage.

3. Der Vergütungsanspruch für teilstationäre Krankenhausbehandlung setzt nach Bundesrecht keine vorherige vertragsärztliche Verordnung teilstationärer Behandlung voraus (hierzu a). Die hiervon abweichende Vereinbarung im Vertrag nach § 112 SGB V ist unwirksam (hierzu b).

a) Der Anspruch Versicherter auf Krankenhausbehandlung und damit der Vergütungsanspruch des Krankenhauses hängt nicht formal von einer vorherigen vertragsärztlichen Verordnung ab, sondern davon, dass Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit besteht. Das folgt aus Wortlaut, Regelungssystem sowie Sinn und Zweck des Anspruchs auf Krankenhausbehandlung (vgl insbesondere §§ 39, 27, 12 Abs 1, § 2 Abs 1 und Abs 1a, § 109 Abs 4 S 2, § 137c SGB V).

Versicherte haben - wie dargelegt - Anspruch auf teilstationäre Behandlung durch ein nach § 108 SGB V zugelassenes Krankenhaus, wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann (vgl zu dieser sinngemäßen Auslegung des § 39 Abs 1 S 2 SGB V oben, RdNr 16; zutreffend § 2 Abs 4 S 1 KE-RL in der Neufassung vom 22.1.2015, BAnz AT 29.4.2015 B2). Der Leistungsanspruch knüpft entsprechend dem Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 Abs 1 SGB V) an die Erforderlichkeit von Krankenhausbehandlung an, die das Krankenhaus vor der teilstationären Aufnahme und fortlaufend während der teilstationären Behandlung zu prüfen hat (vgl BSGE 121, 87 = SozR 4-2500 § 109 Nr 54, RdNr 22 mwN). Ein Krankenhaus, das die Erforderlichkeit von Krankenhausbehandlung nach eigener Prüfung (vgl § 39 Abs 1 S 2 SGB V) bejaht, ist verpflichtet, den Versicherten aufzunehmen und zu behandeln (vgl § 109 Abs 4 S 2 SGB V). Die Verweigerung notwendiger Behandlung kann Haftungsansprüche gegenüber dem Versicherten auslösen.

Fordert das SGB V ausnahmsweise eine vertragsärztliche Verordnung für den Anspruch auf Krankenhausbehandlung, regelt es dies ausdrücklich. So setzt § 115a Abs 1 SGB V für vorstationäre Behandlung eine "Verordnung von Krankenhausbehandlung" im Sinne einer begründeten vertragsärztlichen Verordnung voraus (vgl näher BSGE 114, 199 = SozR 4-2500 § 115a Nr 4; BSG Urteil vom 17.9.2013 - B 1 KR 67/12 R - NZS 2014, 219 = GesR 2014, 169; zur Beschränkung auf vorstationäre Behandlung vgl BSGE 114, 209 = SozR 4-2500 § 115a Nr 2, RdNr 15).

Keine Verordnungsnotwendigkeit ergibt sich daraus, dass, wenn Versicherte ohne zwingenden Grund ein anderes als ein in der ärztlichen Einweisung genanntes Krankenhaus wählen, ihnen die Mehrkosten ganz oder teilweise auferlegt werden können (vgl § 39 Abs 2 SGB V). Diese Regelung für den Fall einer ärztlichen Einweisung schließt die Auferlegung von Mehrkosten bei Selbsteinweisern aufgrund analoger Anwendung der Norm nicht aus. Auch die Vorschriften über das Verzeichnis der Leistungen und Entgelte für die Krankenhausbehandlung in den zugelassenen Krankenhäusern im Land oder in einer Region (vgl § 39 Abs 3 SGB V) sehen nicht das Erfordernis vor, Krankenhausbehandlung vertragsärztlich zu verordnen. Sie ordnen lediglich an, dass die KKn darauf hinzuwirken haben, dass Vertragsärzte und Versicherte das Verzeichnis bei der "Verordnung und Inanspruchnahme" von Krankenhausbehandlung beachten (vgl § 39 Abs 3 S 3 SGB V). Die vertragsärztliche Verordnung dient hierbei dazu, dem Versicherten die nächstgelegenen Krankenhäuser zu benennen, in denen er sich - ohne selbst zu tragende zusätzliche Fahrkosten - stationär behandeln lassen kann (vgl hierzu zB BSG SozR 4-2500 § 60 Nr 3 RdNr 13; zur Auferlegung von Mehrkosten vgl § 39 Abs 2 SGB V).

Das Erfordernis einer vertragsärztlichen Verordnung lässt sich auch nicht aus dem sog Arztvorbehalt ableiten (vgl § 15 Abs 1 S 1 SGB V, idF durch Art 6 Nr 4 Pflege-Weiterentwicklungsgesetz vom 28.5.2008, BGBI I 874, mWv 1.7.2008). Danach wird ärztliche oder zahnärztliche Behandlung von Ärzten oder Zahnärzten erbracht, soweit nicht in Modellvorhaben nach § 63 Abs 3c SGB V etwas anderes bestimmt ist (Satz 1). Sind Hilfeleistungen anderer Personen erforderlich, dürfen sie nur erbracht werden, wenn sie vom Arzt (Zahnarzt) angeordnet und von ihm verantwortet werden (Satz 2). Bei der Krankenhausbehandlung obliegt die Prüfung der Erforderlichkeit in vollem Umfang den Krankenhausärzten (§ 39 Abs 1 S 2 SGB V). Es bedarf zur Sicherung des Arztvorbehalts keiner über diese Prüfung hinausgehenden ärztlichen Sachkunde in Form einer vertragsärztlichen Verordnung. Der Arztvorbehalt ist bei Krankenhäusern im Sinne des SGB V insbesondere dadurch gesichert, dass sie fachlich-medizinisch unter ständiger ärztlicher Leitung stehen und nach wissenschaftlich anerkannten Methoden arbeiten (vgl § 107 Abs 1 Nr 2 SGB V). Die Regelung des Arztvorbehalts greift bei vertragsärztlichen Verordnungen von nichtärztlichen Leistungen (vgl zB BSGE 79, 257 = SozR 3-2500 § 13 Nr 13; BSGE 80, 181 = SozR 3-2500 § 13 Nr 14 = Juris RdNr 14, 16; BSGE 109, 116 = SozR 4-2500 § 125 Nr 7, RdNr 13; BSGE 109, 122 = SozR 4-2500 § 42 Nr 1, RdNr 21; zur Inanspruchnahme von Leistungen im EU-Ausland vgl BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 3 LS 1).

Das SGB V regelt die vertragsärztliche Verordnung von Krankenhausbehandlung - das Gesetz spricht auch von "Einweisung" (vgl § 39 Abs 2 SGB V) - als Teil der vertragsärztlichen Versorgung (§ 73 Abs 2 Nr 7, Abs 4 SGB V), ohne den Anspruch auf Krankenhausbehandlung hiervon abhängig zu machen. Die vertragsärztliche Verordnung ("Einweisung") von Krankenhausbehandlung hat eine bloße Ordnungsfunktion, soweit das Gesetz nicht die Notwendigkeit einer Verordnung vorsieht. Der Vertragsarzt bestätigt mit ihr, dass nach seiner Beurteilung eine ambulante Behandlung des Versicherten einschließlich häuslicher Krankenpflege nicht ausreichend und stationäre Krankenhausbehandlung geboten ist (vgl Gamperl in KassKom, Stand 1.12.2017, § 39 RdNr 107; zum Entscheidungsgang vgl E. Hauck in H. Peters, Handbuch KV, Stand 1.3.2018, § 13 RdNr 53 f mwN). Die Verordnung informiert die Versicherten über geeignete Krankenhäuser. Denn der Vertragsarzt hat das Verzeichnis der Leistungen und Entgelte für die Krankenhausbehandlung in den zugelassenen Krankenhäusern im Land oder in einer Region zu beachten (vgl § 39 Abs 3 SGB V).

Die Gesetzeskonzeption, die vertragsärztliche Verordnung von Krankenhausbehandlung zu ermöglichen, aber grds nicht zur Anspruchsvoraussetzung für Krankenhausbehandlung zu machen, trägt der Interessenlage Rechnung. Die Versicherten sind regelhaft - systemgerecht - wegen einer Krankheit in vertragsärztlicher Behandlung, bevor sie hierfür der Krankenhausbehandlung bedürfen. Die Verordnung von Krankenhausbehandlung hilft ihnen bei der Entscheidung, sich in Krankenhausbehandlung zu begeben, und bei der Suche nach dem geeigneten Krankenhaus. Die Verordnung sichert - auch im Interesse der Beitragszahler - die Prüfung, dass vertragsärztliche Behandlungsmöglichkeiten erschöpft sind. Sie vermittelt zugleich Informationen für das aufnehmende Krankenhaus, das - wie dargelegt (vgl oben, RdNr 16) - die Erforderlichkeit der Behandlung selbst zu prüfen hat. Diese vielfältigen Steuerungs- und Entlastungseffekte genügen dem Gesetz aber nicht für ein striktes Gebot, Krankenhausbehandlung stets von einer vertragsärztlichen Verordnung abhängig zu machen. Dies riefe Versorgungsmängel hervor und setzte die Krankenhäuser bei der Aufnahmeprüfung unzumutbaren Haftungsrisiken aus. So ist es allseits anerkannt, dass jedes Krankenhaus bei ihm präsente Versicherte in Notfällen unmittelbar behandeln muss (Rechtsgedanke des § 76 Abs 1 S 2 SGB V, stRspr, vgl zB BSGE 119, 141 = SozR 4-2500 § 108 Nr 4, RdNr 13; BSGE 89, 39, 41 f = SozR 3-2500 § 13 Nr 25 S 118 f; BSGE 112, 257 = SozR 4-2500 § 137 Nr 2, RdNr 16; BSGE 117, 94 = SozR 4-2500 § 137 Nr 5, RdNr 13). Ein zugelassenes Krankenhaus darf aber auch Versicherte, die sich mit einer Akutsymptomatik vorstellen, ohne dass ein klarer Notfall vorliegt, und die keine vertragsärztliche Verordnung von Krankenhausbehandlung haben, nicht einfach ohne Untersuchung wegschicken und auf vertragsärztliche Behandlung verweisen. Stellt es bei der Untersuchung fest, dass Krankenhausbehandlung erforderlich ist, soll und darf es den Versicherten behandeln, ohne noch eine vertragsärztliche Verordnung abwarten zu müssen.

b) Die landesvertragliche Regelung in § 3 Abs 2 S 1 KHBV fordert demgegenüber stets eine vertragsärztliche Verordnung von Krankenhausbehandlung, wenn kein Notfall vorliegt, um das Krankenhaus zur Behandlung zu verpflichten (dazu aa). Diese Regelung ist unwirksam, denn sie widerspricht Bundesrecht. Der erkennende Senat gibt die hiervon abweichende frühere Auffassung des 3. Senats des BSG auf (vgl BSGE 86, 166, 169 = SozR 3-2500 § 112 Nr 1 S 4 = Juris RdNr 17). Der 3. Senat ist nicht mehr für das Leistungs- und Leistungserbringungsrecht der Krankenhausbehandlung zuständig (dazu bb).

aa) Nach dem KHBV wird "Krankenhausbehandlung (stationär oder teilstationär/vor- und nachstationär) (…) durchgeführt, wenn sie - von Notfällen abgesehen - von einem Kassen-/Vertragsarzt verordnet ist und nach Art oder Schwere der Krankheit die medizinische Versorgung gemeinsam mit der pflegerischen Betreuung nur mit den Mitteln eines Krankenhauses möglich ist, dh ambulante kassen-/vertragsärztliche Versorgung nicht ausreicht" (vgl § 3 Abs 2 S 1 KHBV). Ein Notfall iS des Abs 2 "liegt insbesondere vor, wenn sich der Versicherte infolge von Verletzung, Krankheit oder sonstigen Umständen in Lebensgefahr befindet oder der Gesundheitszustand in kurzer Zeit eine wesentliche Verschlechterung befürchten lässt, sofern nicht unverzüglich stationäre Behandlung eingeleitet wird. Bei Einweisung durch einen Notarzt des Rettungsdienstes liegt in jedem Fall ein Notfall vor" (vgl § 3 Abs 4 KHBV). Auch das LSG zieht nicht in Zweifel, dass diese vertragliche Regelung strikt außerhalb von Notfällen stets eine vertragsärztliche Verordnung von Krankenhausbehandlung fordert, um das Krankenhaus zur Behandlung zu verpflichten (ebenso BSGE 86, 166, 169 = SozR 3-2500 § 112 Nr 1 S 4 = Juris RdNr 17).

bb) Soweit der KHBV außerhalb von Notfällen stets zur Begründung einer Behandlungspflicht von Krankenhäusern eine vertragsärztliche Verordnung der Krankenhausbehandlung verlangt, ist er wegen Verstoßes gegen die dargelegten abweichenden Vorgaben des Bundesrechts nichtig. Verträge nach § 112 Abs 1 SGB V wie der KHBV sollen sicherstellen, dass Art und Umfang der Krankenhausbehandlung den Anforderungen des SGB V entsprechen (§ 112 Abs 1 SGB V; vgl BSG SozR 4-2500 § 69 Nr 10 RdNr 18; BSGE 99, 111 = SozR 4-2500 § 39 Nr 10, RdNr 31; BSGE 112, 156 = SozR 4-2500 § 114 Nr 1, RdNr 32). Die Verträge dürfen die allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung ausschließlich innerhalb dieser bundesgesetzlichen Grenzen regeln (§ 112 Abs 2 S 1 Nr 1 Buchst a und b SGB V). Nur soweit diese Vertragskompetenz reicht, besteht ein Gestaltungsspielraum der Vertragspartner (zur Möglichkeit der Verletzung durch untergesetzliche Normen vgl BSGE 105, 1 = SozR 4-2500 § 125 Nr 5, RdNr 26 mwN). Verstöße gegen bundesgesetzliche Vorgaben bewirken die Unwirksamkeit der Verträge. Die Regelung des § 3 Abs 2 KHBV führt mit dem Verordnungserfordernis außerhalb von Notfällen eine zusätzliche, im SGB V nicht vorgesehene, sondern ausgeschlossene Voraussetzung für Krankenhausbehandlung ein.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 SGG iVm § 154 Abs 2, § 161 Abs 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 1 und 3 sowie § 47 Abs 1 GKG.

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