Bundessozialgericht

Bundessozialgericht Urteil vom 19.06.2018, B 1 KR 30/17 R

Krankenversicherung - Krankenhausvergütung - teilstationärer Aufenthalt - Gabe von Zytostatika - quartalsweise Zusammenführung zu einem Behandlungsfall - Kodierung

Leitsätze

Gibt ein Krankenhaus einem Patienten Zytostatika in teilstationären Aufenthalten, die quartalsweise zu einem Behandlungsfall zusammenzuführen sind, darf es nur die Summe der Medikamentengaben
im Quartal kodieren.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten werden die Urteile des Landessozialgerichts für das Saarland vom 25. August 2017 und des Sozialgerichts für das Saarland vom 23. November 2015 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits in allen Rechtszügen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 2174,81 Euro festgesetzt.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Vergütung stationärer Krankenhausbehandlung.

Die Klägerin, Trägerin eines für die Behandlung Versicherter zugelassenen Krankenhauses, behandelte dort den bei der beklagten Krankenkasse (KK) Versicherten Q (im Folgenden: Versicherter) an fünf Tagen teilstationär (2.7., 23.7., 13.8., 3.9., 24.9.2012). Die Vergütung der teilstationären Behandlung erfolgte nach tagesbezogenen teilstationären Entgelten (418,74 Euro). Die Klägerin kodierte für jeden Behandlungstag den Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS) 8-542.11 (nicht komplexe Chemotherapie, ein Tag, ein Medikament) und zusätzlich OPS 6-001c3 (Pemetrexed, parenteral: 900 mg bis unter 1000 mg) nach dem 2012 geltenden OPS sowie ein Zusatzentgelt (ZE) 53.04 (jeweils 3044,73 Euro) und berechnete der Beklagten (einschließlich Zuschlägen) 17 432,76 Euro (4.10.2012). Die Beklagte zahlte hierauf lediglich 15 257,95 Euro: Die Prozeduren sowie die Zusatzentgelte für die Gabe von Pemetrexed seien bei teilstationären Leistungen nur einmal pro Quartal abzurechnen, die Medikamentenmengen hierfür zu addieren. Das SG hat die Beklagte zur Zahlung von 2174,81 Euro nebst Zinsen verpflichtet (Urteil vom 23.11.2015). Das LSG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen: Die Medikamentendosen für die fünf Behandlungsabschnitte seien nicht zusammenzurechnen. Dies folge aus den Deutschen Kodierrichtlinien (DKR) für 2012. Bei auf der Basis von Größe, Zeit oder Anzahl unterschiedenen Prozeduren sei die Summe der Mengen- bzw Zeitangaben einmal pro Aufenthalt zu kodieren. Der Versicherte habe in diesem Sinne fünf Aufenthalte gehabt (Urteil vom 25.8.2017).

Die Beklagte rügt mit ihrer Revision die Verletzung von §§ 39 Abs 1, 109 Abs 4 S 3 SGB V iVm § 7 Abs 1 S 1 Nr 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG), Anlage 1 der Fallpauschalenvereinbarung (FPV) 2012 iVm der Kodierregel P005k der DKR. Die einzelnen Tage der teilstationären Behandlung seien nach der FPV pro Quartal zu einem Abrechnungsfall zusammenzuführen und sämtliche Diagnosen und Prozeduren auf den Abrechnungsfall zu beziehen.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 25. August 2017 sowie das Urteil des Sozialgerichts für das Saarland vom 23. November 2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision der beklagten KK ist in vollem Umfang begründet (§ 170 Abs 2 S 1 SGG). Das LSG hat zu Unrecht deren Berufung gegen das Urteil des SG zurückgewiesen. LSG- und SG-Urteil verletzen revisibles Recht. Die von der Klägerin erhobene (echte) Leistungsklage ist im hier bestehenden Gleichordnungsverhältnis zulässig (stRspr, vgl BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr 13, RdNr 9; BSGE 104, 15 = SozR 4-2500 § 109 Nr 17, RdNr 12; BSG Urteil vom 26.9.2017 - B 1 KR 9/17 R - Juris RdNr 7, vorgesehen für SozR 4), jedoch unbegründet. Der Klägerin stand wegen der stationären Behandlung des Versicherten neben den von der Beklagten gezahlten 15 257,95 Euro jedenfalls kein weitergehender Vergütungsanspruch in Höhe der darüber hinaus geforderten 2174,81 Euro und damit auch kein Zinsanspruch zu. Die Beklagte erkannte den Anspruch nach Überprüfung in der gezahlten Höhe an, er steht insoweit außer Streit.

Der Vergütungsanspruch der Klägerin entstand dem Grunde nach; dies ist zwischen den Beteiligten im Übrigen auch nicht streitig (dazu 1). Die Beklagte durfte jedoch im Behandlungsfall des Versicherten lediglich die Summe der an den fünf teilstationären Behandlungstagen verabreichten Medikamentendosen abrechnen (dazu 2).

1. Die Zahlungsverpflichtung einer KK entsteht - unabhängig von einer Kostenzusage - auch bei teilstationärer Krankenhausbehandlung unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung - wie hier - in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und iS von § 39 Abs 1 S 2 SGB V erforderlich und wirtschaftlich ist (stRspr, vgl zB BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr 13, RdNr 11; BSGE 104, 15 = SozR 4-2500 § 109 Nr 17, RdNr 15; BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 13; BSGE 121, 87 = SozR 4-2500 § 109 Nr 54, RdNr 20 zur teilstationären Krankenhausbehandlung). Diese Voraussetzungen waren nach dem Gesamtzusammenhang der unangegriffenen, den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) erfüllt.

2. Die Klägerin erlangte durch die teilstationäre Behandlung des Versicherten im 3. Quartal 2012 für die Gabe von Medikamenten einen Vergütungsanspruch nach OPS 6-001.cj in Höhe von 13 048,84 Euro (ZE 53.19). Die Klägerin durfte nach dem maßgeblichen Recht und den dabei anzuwendenden Auslegungsgrundsätzen (dazu a) die an den fünf teilstationären Behandlungstagen verabreichten Medikamentendosen nicht einzeln kodieren. Bei der quartalsweisen Zusammenführung mehrerer teilstationärer Krankenhausaufenthalte zu einem Abrechnungsfall sind die einzelnen Medikamentendosen zu addieren. Die Summe ist einmal für den gesamten Abrechnungsfall zu kodieren. Dies führt zur Kodierung des OPS 6-001.cj (dazu b).

a) Die Vergütung für teilstationäre Krankenhausbehandlung der Versicherten ist nach der Gesetzeskonzeption an jene für vollstationäre Behandlung angelehnt (vgl BSGE 121, 87 = SozR 4-2500 § 109 Nr 54, RdNr 16). Sie bemisst sich bei DRG-Krankenhäusern wie jenem der Klägerin grundsätzlich nach vertraglichen Fallpauschalen auf gesetzlicher Grundlage. Nach § 1 Abs 1 KHEntgG (hier anzuwenden idF durch Art 2 Nr 2 Buchst a Gesetz zum ordnungspolitischen Rahmen der Krankenhausfinanzierung ab dem Jahr 2009 <Krankenhausfinanzierungsreformgesetz - KHRG> vom 17.3.2009, BGBl I 534) werden die vollstationären und teilstationären Leistungen der DRG-Krankenhäuser nach diesem Gesetz und dem Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) vergütet. Die Fallpauschalenvergütung für Krankenhausbehandlung Versicherter in zugelassenen Einrichtungen ergibt sich aus § 109 Abs 4 S 3 SGB V (idF durch Art 1 Nr 3 Gesetz zur Einführung des diagnose-orientierten Fallpauschalensystems für Krankenhäuser <Fallpauschalengesetz - FPG> vom 23.4.2002, BGBl I 1412) iVm § 7 KHEntgG (idF durch Art 8 Nr 2 Gesetz zur nachhaltigen und sozial ausgewogenen Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung <GKV-Finanzierungsgesetz - GKV-FinG> vom 22.12.2010, BGBl I 2309) und § 17b KHG (idF durch Art 6 Nr 3 Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung <GKV-Versorgungsstrukturgesetz - GKV-VStG> vom 22.12.2011, BGBl I 2983; vgl entsprechend BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 15 f; BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 14 RdNr 15; BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 58 RdNr 12; BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 61 RdNr 10, auch für BSGE vorgesehen; BSG Urteil vom 19.12.2017 - B 1 KR 18/17 R - Juris RdNr 12, für SozR vorgesehen). Der Anspruch wird auf Bundesebene durch Normsetzungsverträge (Normenverträge, Fallpauschalenvereinbarungen) konkretisiert. Der Spitzenverband Bund der KKn und der Verband der privaten Krankenversicherung gemeinsam vereinbaren nach § 9 Abs 1 S 1 Nr 1 KHEntgG (idF durch Art 2 Nr 9 Buchst a KHRG) mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft als "Vertragsparteien auf Bundesebene" mit Wirkung für die Vertragsparteien nach § 11 KHEntgG (idF durch Art 2 Nr 11 KHRG) einen Fallpauschalen-Katalog einschließlich der Bewertungsrelationen sowie Regelungen zur Grenzverweildauer und der in Abhängigkeit von diesen zusätzlich zu zahlenden Entgelte oder vorzunehmenden Abschläge. Soweit dies zur Ergänzung der Fallpauschalen in eng begrenzten Ausnahmefällen erforderlich ist, vereinbaren sie daneben auf der Grundlage des § 9 Abs 1 S 1 Nr 2 KHEntgG Zusatzentgelte für Leistungen, Leistungskomplexe oder Arzneimittel, insbesondere für die Behandlung von Blutern mit Blutgerinnungsfaktoren oder für eine Dialyse, wenn die Behandlung des Nierenversagens nicht die Hauptleistung ist (§ 17b Abs 1 S 12 KHG; ab 1.1.2016 § 17b Abs 1 S 7 KHG). Ferner vereinbaren sie insoweit Abrechnungsbestimmungen in den FPV (§ 9 Abs 1 S 1 Nr 3 KHEntgG).

Besondere Einrichtungen, deren Leistungen insbesondere aus medizinischen Gründen, wegen einer Häufung von schwerkranken Patienten oder aus Gründen der Versorgungsstruktur mit den Entgeltkatalogen noch nicht sachgerecht vergütet werden, können zeitlich befristet aus dem Vergütungssystem ausgenommen werden (§ 17b Abs 1 S 15 KHG; ab 1.1.2016 § 17b Abs 1 S 10 KHG). Für Leistungen, die ab dem Jahr 2005 noch nicht mit den DRG-Fallpauschalen und Zusatzentgelten sachgerecht vergütet werden können, und für besondere Einrichtungen nach § 17b Abs 1 S 15 KHG vereinbaren die Vertragsparteien nach § 11 KHEntgG fall- oder tagesbezogene Entgelte oder in eng begrenzten Ausnahmefällen Zusatzentgelte, sofern die Leistungen oder besonderen Einrichtungen nach Feststellung der Vertragsparteien nach § 9 KHEntgG oder in einer Verordnung nach § 17b Abs 7 S 1 Nr 3 KHG von der Anwendung der DRG-Fallpauschalen und Zusatzentgelte ausgenommen sind (§ 6 Abs 1 S 1 KHEntgG). Dies trifft auf - wie hier - noch unbewertete teilstationäre Leistungen zu (vgl § 7 Abs 1 S 1 Nr 2 FPV 2012). Dementsprechend haben die Rechtsvorgängerin der Klägerin und ua die Beklagte für das Jahr 2012 krankenhausindividuelle, tagesbezogene Entgelte für die Abrechnung der teilstationären Leistungen vereinbart (Entgeltvereinbarung nach dem KHEntgG, zuletzt geändert durch das GKV-FinG vom 22.12.2010 <im Folgenden: Entgeltvereinbarung 2012> nebst Aufstellung der Entgelte und Budgetermittlung <AEB> idF vom 30.6.2012 <Anlage>; genehmigt vom Ministerium für Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie des Saarlandes mit Bescheid vom 10.10.2012). Deren Höhe steht - ebenso wie die der abgerechneten Zuschläge - außer Streit. Zusätzlich zu diesen Entgelten nach § 6 Abs 1 KHEntgG darf die Klägerin bundeseinheitliche Zusatzentgelte nach dem Zusatzentgelte-Katalog nach den 2012 durch Verordnung (vgl Verordnung zum DRG-Entgeltkatalog für das Jahr 2012 <DRG-Entgeltkatalogverordnung 2012 - DRG-EKV 2012> vom 28.11.2011, BAnz 2011, Nr 190, 4427 <Beilage>) festgesetzten Anlagen 2 und 5 DRG-EKV 2012 abrechnen (§ 5 Abs 1 S 1 FPV 2012).

Maßgebend sind vorliegend die FPV 2012 einschließlich der Anlagen 1 bis 5 DRG-EKV (insbesondere Anlage 5), der vom Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) herausgegebene OPS (hier in der Version 2012), die von den Vertragspartnern auf Bundesebene getroffene Vereinbarung zu den DKR für das Jahr 2012 (Vereinbarung zu den Deutschen Kodierrichtlinien Version 2012 für das G-DRG-System‎ gemäß § 17b KHG; zu deren normativer Wirkung vgl BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 18), der Krankenhausbehandlungsvertrag für das Saarland (Landesvertrag gemäß § 112 Abs 1, Abs 2 Nr 1 SGB V über die allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung zwischen der Saarländischen Krankenhausgesellschaft eV einerseits und ua dem Verband der Beklagten andererseits vom 10.12.1996) sowie die Entgeltvereinbarung 2012.

Die Anwendung der normenvertraglichen Abrechnungsbestimmungen unterliegt zwar grundsätzlich den allgemeinen Auslegungsmethoden der Rechtswissenschaft. Die Abrechnungsbestimmungen sind gleichwohl wegen ihrer Funktion im Gefüge der Ermittlung des Vergütungstatbestandes innerhalb eines vorgegebenen Vergütungssystems eng am Wortlaut orientiert und unterstützt durch systematische Erwägungen auszulegen. Eine Vergütungsregelung, die für die routinemäßige Abwicklung von zahlreichen Behandlungsfällen vorgesehen ist, kann ihren Zweck nur erfüllen, wenn sie allgemein streng nach ihrem Wortlaut sowie den dazu vereinbarten Anwendungsregeln gehandhabt wird; Bewertungen und Bewertungsrelationen bleiben außer Betracht (vgl BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 19 RdNr 17 mwN; BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 27; BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 51 RdNr 13 mwN; BSG SozR 4-5562 § 2 Nr 1 RdNr 15; zur Auslegung von medizinischen Begriffen im OPS vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 32 RdNr 12 ff). Dies gilt auch für die Auslegung der DKR (BSG Urteil vom 19.12.2017 - B 1 KR 18/17 R - Juris RdNr 14, für SozR vorgesehen). Da das DRG-basierte Vergütungssystem vom Gesetzgeber als jährlich weiter zu entwickelndes (§ 17b Abs 2 S 1 KHG) und damit "lernendes" System angelegt ist, sind bei zutage tretenden Unrichtigkeiten oder Fehlsteuerungen in erster Linie die Vertragsparteien berufen, diese mit Wirkung für die Zukunft zu beseitigen (vgl zum Ganzen BSGE 107, 140 = SozR 4-2500 § 109 Nr 21, RdNr 18 mwN; BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 11 RdNr 18; BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 19 RdNr 18 mwN; BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 27; BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 51 und Nr 52, jeweils RdNr 13; zur Bundespflegesatzverordnung: BSG SozR 4-5565 § 14 Nr 10 RdNr 14 mwN).

b) Die Klägerin berechnete rechtmäßig die tagesbezogenen teilstationären Entgelte, die im 3. Quartal 2012 für den Versicherten anfielen, als einen Fall. Nach § 8 Abs 2 Nr 2 Buchst b FPV 2012 wird bei Abrechnung von tagesbezogenen teilstationären Entgelten für jeden Patienten, der wegen derselben Erkrankung regelmäßig oder mehrfach behandelt wird, je Quartal ein Fall gezählt. Diese Regelung gilt auch für die Abrechnung. Die Klägerin behandelte den Versicherten im 3. Quartal 2012 an fünf Tagen wegen derselben Erkrankung, nämlich wegen bösartiger Neubildung der Bronchien und der Lunge (ICD-10-GM C34.9: Bösartige Neubildung der Bronchien und der Lunge, Bronchus oder Lunge, nicht näher bezeichnet). Sie kodierte hierfür auch zu Recht für jeden Behandlungstag jeweils OPS 8-542.11 (nicht komplexe Chemotherapie, ein Tag, ein Medikament). Der Hinweis im OPS 2012 zur nicht komplexen Chemotherapie (8-542) bestimmt, dass jeder Therapieblock (ein- oder mehrtägig hintereinander) einmal zu kodieren ist. Es zählen nur die Tage, an denen eine Chemotherapie appliziert wird. Bei Gaben über Nacht zählt nur der Tag, an dem die Gabe begonnen wurde. Pausen von maximal einem Tag Dauer werden mitgezählt, wenn sie regelhaft zum jeweiligen Chemotherapie-Protokoll gehören. Pausen ab zwei Tagen führen dazu, dass ein neuer Kode angegeben werden muss. Letzteres war hier hinsichtlich jedes Behandlungstags der Fall.

Die Klägerin durfte für die parenterale Gabe des zytostatischen Chemotherapeutikums Pemetrexed im 3. Quartal 2012 nur 13 048,84 Euro abrechnen. Sie durfte insgesamt nur einmal OPS 6-001.cj kodieren, der das Zusatzentgelt ZE 53.19 ansteuert (Gabe von Pemetrexed, parenteral, 3900 mg und mehr). Dies entspricht der Summe der dem Versicherten applizierten Medikamentendosen (mindestens 4500 mg Pemetrexed, nämlich fünf Mal mindestens 900 mg und weniger als 1000 mg). Bei der quartalsweisen Zusammenführung mehrerer teilstationärer Krankenhausaufenthalte zu einem Abrechnungsfall sind die einzelnen während des Falles verabreichten Medikamentengaben des zytostatischen Chemotherapeutikums zu addieren und als Summe zu kodieren. Die Applikation von zytostatischen Chemotherapeutika, Immuntherapie oder eine antiretrovirale Therapie sind nämlich nicht nur mit einem Kode aus OPS 8-54 zu kodieren, sondern zusätzlich ggf für jedes kodierbare Medikament (zB Zytostatika, Antikörper und Supportivmedikamente) mit einem OPS-Kode aus Kapitel 6 "Medikamente". Dass die verabreichten Medikamentengaben des zytostatischen Chemotherapeutikums zu addieren und als Summe zu kodieren sind, folgt aus dem Hinweis im OPS 2012 zur Applikation von Medikamenten (6-00...6-00) und der Ausnahmeregelung 2. - hier 2.2 - vom Grundsatz nach DKR P005k. Nach DKR P005k Ausnahme 2. sind "nur einmal während einer stationären Behandlung zu kodierende Prozeduren" aus pragmatischen Gründen "unter Angabe des Datums der ersten Leistung" anzugeben. Der - wegen Ausnahme 2. nicht eingreifende - Grundsatz DKR P005k besagt: Die Prozedurenkodierung soll, wo es möglich ist, den Aufwand widerspiegeln, und daher sind allgemein multiple Prozeduren so oft zu kodieren, wie sie während der Behandlungsphase durchgeführt wurden.

Der Begriff der "einen stationären Behandlung" in DKR P005k Ausnahme 2. meint denjenigen des einen stationären Behandlungsfalles. Das entspricht in Einklang mit dem Wortlaut dem Regelungssystem der Fallpauschalen und der DKR. Es ist an der stationären Behandlung als dem jeweiligen Abrechnungsfall ausgerichtet, rechtstechnisch als Behandlungsfall bezeichnet, nicht etwa an den einzelnen tatsächlichen Aufenthalten. So bewirkt eine abrechnungstechnisch gebotene Fallzusammenführung nach § 2 FPV 2012, dass auf den Behandlungsfall und nicht auf die einzelnen Aufenthalte abzustellen ist (zutreffend Zaiß, DRG: Verschlüsseln leicht gemacht, 14. Aufl 2016, S 68; vgl entsprechend D002f DKR zur Hauptdiagnose bei Wiederaufnahme in dasselbe Krankenhaus). Bei einer Zusammenführung mehrerer Krankenhausaufenthalte zu einem Abrechnungsfall sind sämtliche Diagnosen und Prozeduren auf den gesamten Abrechnungsfall zu beziehen. Das hat ggf zur Folge, dass mehrere Prozeduren unter Addition der jeweiligen Mengenangaben zu einer Prozedur zusammenzuführen sind (vgl Einleitung DKR 2012). Für teilstationäre Behandlungsepisoden, die - wie hier - mit tagesbezogenen teilstationären Entgelten abgerechnet werden, umschreibt § 8 Abs 2 Nr 2 Buchst b FPV 2012 den Behandlungsfall (vgl entsprechend § 8 Abs 1 S 4 FPV 2012 für die Abrechnung tagesbezogener teilstationärer Fallpauschalen).

In diesem Sinne greift die Ausnahme der nur einmal während eines stationären Behandlungsfalls zu kodierende Prozeduren nach DKR P005k 2.2 ein, "wenn Verfahren Mengenangaben (z.B. Bluttransfusionen) oder Zeitangaben im Kode enthalten (sa nicht abschließende Liste in Tabelle 2)." Wann dies der Fall ist, erläutert DKR P005k 2.2 unter Hinweis auf den OPS: "Bestimmte Prozeduren des OPS, insbesondere aus Kapitel 6 und 8, werden auf der Basis von Größe, Zeit oder Anzahl unterschieden. Hier sind die Mengen- bzw. Zeitangaben zu addieren und die Summe ist einmal pro Aufenthalt zu kodieren." Die Erläuterung umschreibt zutreffend - bezogen auf den OPS - die tatbestandlichen Voraussetzungen der Ausnahme DKR P005k 2.2, unter denen diese Ausnahme mit der Rechtsfolge der nur einmal während eines stationären Behandlungsfalls zu kodierenden Prozeduren eingreift. Das gilt auch für den ergänzenden Hinweis zur Ausnahme DKR P005k 2.2 auf die nicht abschließende Liste von OPS-Prozeduren in Tabelle 2 (Prozeduren, die jeweils nur einmal pro stationärem Aufenthalt als Summe zu kodieren sind).

Die Ausnahmeregelung DKR P005k 2.2 geht rechtssystematisch den Bestimmungen im OPS vor. Sofern zwischen den Benutzungshinweisen zum OPS und den DKR in einzelnen Fällen Abweichungen bestehen, sind für die Ermittlung der G-DRGs die DKR maßgeblich (vgl Ergänzende Informationen zum OPS Version 2012/Hinweise für die Benutzung/Anwendungsbereich). Die Ausnahmeregelung DKR P005k 2.2 regelt entgegen der Ansicht der Klägerin nicht, dass der Summenwert der verabreichten Menge Pemetrexed pro Aufenthalt zu kodieren ist. Eine solche Auslegung machte die Regelung widersprüchlich. Sie kollidierte dann mit der im Eingangssatz der Ziffer 2 der DKR P005k angeordneten Maßgeblichkeit des Behandlungsfalles.

Eines Rückgriffs auf Abs 4 der Einleitung zu den DKR 2012 (ab Version 2015, verschoben in den Abschnitt "Allgemeine Kodierrichtlinien für Krankheiten") bedarf es nicht. Der erkennende Senat lässt die Frage offen, ob ungeachtet von Vorstehendem bereits deswegen ein einzelner Behandlungsfall vorliegt, weil die Klägerin den Versicherten zwischen den einzelnen Behandlungstagen beurlaubte (vgl § 1 Abs 7 S 4 FPV 2012 und dazu BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 61 RdNr 17, auch für BSGE vorgesehen). Hierzu hat das LSG keine Feststellungen getroffen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 1 und 3 sowie § 47 Abs 1 GKG.

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