Bundessozialgericht

Bundessozialgericht Urteil vom 05.07.2018, B 8 SO 28/16 R

Sozialhilfe - Klage gegen eine Entscheidung der Schiedsstelle nach § 80 SGB XII - Vergütungsvereinbarung mit einer WfbM - Höhe des Investitionsbetrages - Erfüllung der Aufgaben und der fachlichen Anforderungen der Werkstatt - Kosten für die Erweiterung um neue Werkstattplätze - Bindung an die Anerkennung als WfbM - Bindung an die Zustimmung zu den Investitionsmaßnahmen

Leitsätze

1. Zu den vollständig zu berücksichtigenden Investitionskosten für die Erfüllung der Aufgaben und der fachlichen Anforderungen einer Werkstatt für behinderte Menschen gehören die Kosten für die Erweiterung der Werkstatt um neue Werkstattplätze auch, wenn damit die wirtschaftliche Betätigung am Markt erst ermöglicht wird.

2. Mit dem Einwand, das mit einer Erweiterung entstandene Unternehmen entspreche nicht den Grundsätzen einer Werkstatt für behinderte Menschen, ist ein Sozialhilfeträger ausgeschlossen, soweit er den Investitionsmaßnahmen zuvor zugestimmt hat.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 18. August 2016 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 171 500,50 Euro festgesetzt.

Tatbestand

Im Streit ist die Entscheidung einer Schiedsstelle über die Höhe des Investitionsbetrags als Teil der Vergütung von Leistungen der Eingliederungshilfe in einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII).

Die Beklagte ist Träger einer WfbM, die im Kreisgebiet des Klägers gelegen ist und geistig, körperlich, seelisch und mehrfach behinderte Menschen mit dem Ziel der Eingliederung in das Arbeitsleben betreut. Sie erbat im Jahr 2009 vom Kläger unter Hinweis auf einen Kostenvoranschlag über insgesamt 4 410 000 Euro die Zustimmung zu einer Erweiterung der Werkstatt zum Betrieb einer Großküche und einer Großwäscherei; der Kläger stimmte zu (Bescheide vom 10.6.2009 und 4.12.2009). Die Beklagte erweiterte sodann die Werkstatt um 70 Plätze im Arbeitsbereich und tätigte insoweit Investitionen ua für allgemeine und besondere Haustechnik in Höhe von 2 552 623 Euro. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) erkannte nach Abschluss der Erweiterung für die WfbM nach § 142 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX; hier in der bis zum 31.12.2016 geltenden Fassung, im Folgenden: aF) eine der beantragten Erweiterung entsprechende Platzzahl (231 Plätze insgesamt) an (Bescheid vom 12.3.2014).

Zwischen den Beteiligten sowie der BA war eine Leistungs-, Prüfungs- und Vergütungsvereinbarung gemäß §§ 112 ff Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung - (SGB III), §§ 40, 41 SGB IX aF, § 75 Abs 3 SGB XII abgeschlossen worden (Vereinbarung vom 30.4.2012; ergänzende Vereinbarung vom 2.10.2012); danach betrug der Investitionsbetrag zuletzt pro Tag und Platz 3,10 Euro. Wegen der Vergütung war in beiden Verträgen eine Laufzeit bis zum 31.12.2013 vereinbart. Neue Verhandlungen zwischen dem Kläger und der Beklagten über die Vergütung der Maßnahmen im Arbeitsbereich, zu der die Beklagte am 12.7.2013 aufforderte, blieben ohne Erfolg. Die Beklagte beantragte daraufhin bei der Schiedsstelle nach § 80 SGB XII für das Land Brandenburg die Festsetzung eines Investitionsbetrags pro Tag und Platz für die Zeit vom 1.1. bis 31.12.2014 in Höhe von 7,09 Euro (Antrag vom 18.11.2013). Wegen der Höhe der Grund- und Maßnahmepauschale vereinbarten die Beteiligten, den Ausgang des Schiedsverfahrens abzuwarten.

Die Schiedsstelle setzte die zu berücksichtigenden Investitionskosten für den Erweiterungsbau (70 Plätze) pro Jahr in Höhe eines Gesamtbetrags von 434 868 Euro fest. Zur Begründung führte die Schiedsstelle aus, es handele sich bei den Kosten für die technischen Anlagen in der Wäscherei und der Küche um berücksichtigungsfähige Kosten für die Erfüllung der Aufgaben der Werkstatt iS des § 41 Abs 3 Satz 3 Nr 1 SGB IX aF, nicht dagegen um Kosten der wirtschaftlichen Betätigung der Werkstatt nach Nr 2 der Vorschrift; denn ohne die betriebsnotwendigen Anlagen und ihre Ausstattung sei die WfbM nicht denkbar. Die geltend gemachten Kosten seien auch notwendig und entsprächen den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit. Sie seien der Höhe nach plausibel, was auch vom Kläger nicht bestritten werde. Die Kalkulation der Beklagten sei lediglich wegen systematischer Fehler in Einzelheiten zu korrigieren gewesen. Soweit die Kosten gegenüber dem Kostenvoranschlag, der mit der Bitte um Zustimmung beim Kläger vorgelegen habe, erheblich gestiegen seien, habe die Beklagte die Kostensteigerungen im Einzelnen nachvollziehbar begründet. Der Höhe des Investitionsbetrags stehe auch ein externer Vergleich nicht entgegen. Zwar habe der Kläger eine Übersicht über Verträge mit anderen Einrichtungen eingereicht, die einen Höchstbetrag von 4,66 Euro ausweise. Diese Übersicht lasse aber keinen Schluss auf Baujahr und Größe der dortigen Küchen und Wäschereien zu. Der Kläger habe im Übrigen keine tragenden Argumente gegen die Forderung der Beklagten vorgebracht.

Die Klage des Klägers hiergegen hat keinen Erfolg gehabt (Urteil des Landessozialgerichts <LSG> Berlin-Brandenburg vom 18.8.2016). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, die Schiedsstelle habe rechtsfehlerfrei die von der Beklagten geltend gemachten Kosten als solche nach § 41 Abs 3 Satz 3 Nr 1 SGB IX aF angesehen. Ausgehend von den in § 136 SGB IX aF umschriebenen Aufträgen einer WfbM habe der zuständige Rehabilitationsträger - für den Arbeitsbereich also der Träger der Sozialhilfe - den Teil der Investitionen über die Vergütungen zu finanzieren, der der Einbeziehung des behinderten Menschen in den Prozess der Teilhabe am Arbeitsleben und der Eingliederung diene, die Werkstatt dagegen denjenigen Teil, der originär mit der Erwirtschaftung wirtschaftlicher Arbeitsergebnisse und der damit verbundenen Beteiligung am Marktgeschehen verbunden sei. Erteile ein Sozialhilfeträger seine Zustimmung zu Investitionen für den "Bau einer Werkstatt zum Betrieb einer Großküche sowie einer Großwäscherei", müsse er auch die für die fachlichen Anforderungen dieser spezifischen Werkstätte notwendigen Kosten berücksichtigen. Einwände gegen die Höhe der Kosten einzelner technischer Geräte habe der Kläger nicht erhoben. Fehler in den Ausführungen der Schiedsstelle zur Wirtschaftlichkeit der Kosten, die gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar seien, seien nicht erkennbar. Wegen Art, Umfang und Kosten der verwendeten Materialien im Einzelnen habe im Rahmen des Schiedsverfahrens ausreichend Gelegenheit zum Vortrag bestanden, wovon der Kläger aber nur eingeschränkt Gebrauch gemacht habe. Die Schiedsstelle habe sich schließlich in beanstandungsfreier Weise mit dem Vorbringen der Beteiligten auseinandergesetzt und dieses auch in der Begründung dargestellt.

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung von § 41 Abs 3 Satz 3 Nr 1 SGB IX aF. Es sei von den Kosten für technische Anlagen nur derjenige Anteil als Kosten iS des § 41 Abs 3 Satz 3 Nr 1 SGB IX aF zu berücksichtigen, der der Ausstattung des Betriebs gerade für die Beschäftigung von behinderten Menschen geschuldet sei (etwa besondere Griffe, Haltevorrichtungen, Sicherheitsvorkehrungen etc). Die übrigen Kosten seien als solche anzusehen, die für eine wirtschaftliche Betätigung am Markt notwendig seien. Insoweit dürfe es nicht zu einem Wettbewerbsvorteil durch deren Finanzierung kommen.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 18. August 2016 und die Entscheidung der Schiedsstelle nach § 80 SGB XII für das Land Brandenburg vom 8. Mai 2014 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist zulässig, aber unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz <SGG>). Zu Recht hat das LSG die Klage gegen die Entscheidung der Schiedsstelle abgewiesen.

Streitgegenstand des Revisions-, aber auch des Gerichtsverfahrens insgesamt, ist die Entscheidung der Schiedsstelle, gegen die sich der Kläger - erstinstanzlich beim LSG (§ 29 Abs 2 Nr 1 SGG in der Fassung, die die Norm durch das Gesetz zur Änderung des SGG und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26.3.2008 - BGBl I 444 - erhalten hat) - mit einer Anfechtungsklage wendet (vgl hierzu nur BSGE 116, 227 = SozR 4-3500 § 77 Nr 1, RdNr 11).

Die Entscheidung der Schiedsstelle, die eine Schlichtungsmaßnahme eines sachnahen, weisungsfreien, mit Interessenvertretern paritätisch zusammengesetzten Gremiums darstellt (BSGE 116, 227 = SozR 4-3500 § 77 Nr 1, RdNr 9 mwN) und deren Entscheidungsspielraum sich am Vereinbarungsspielraum der Vertragsparteien misst, ist gerichtlich im Rahmen der normativen Vorgaben der §§ 75 ff SGB XII regelmäßig nur eingeschränkt dahin überprüfbar, ob die verfahrensrechtlichen Regelungen eingehalten sind, der Sachverhalt ermittelt ist und die Schiedsstelle bei der Abwägung der betroffenen öffentlichen und privaten Belange ihren Gestaltungsspielraum nicht verkannt hat (vgl dazu nur: BSGE 116, 233 = SozR 4-3500 § 76 Nr 1, RdNr 14 mwN; BSG SozR 4-3500 § 75 Nr 8 RdNr 12 mwN).

Die Vorgaben des Verwaltungsverfahrensrechts sind eingehalten. Hier ist das Schiedsverfahren insbesondere nicht deshalb fehlerhaft durchgeführt worden, weil die Beklagte für den Abschluss von Vergütungsvereinbarungen nicht zuständig gewesen wäre. Wegen der Vergütung von Leistungen im Arbeitsbereich einer WfbM verweist § 41 Abs 3 Satz 2 SGB IX aF (hier in der Fassung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003 <BGBl I 3022>) auf die Vorschriften nach dem Zehnten Kapitel des SGB XII, soweit der Träger der Sozialhilfe für die Leistungserbringung zuständig ist (vgl § 41 Abs 2 SGB IX aF iVm § 42 Abs 2 Nr 4 SGB IX aF). Insoweit stellt § 77 Abs 1 Satz 2 SGB XII bei der örtlichen Zuständigkeit auf den Sitz des für die Einrichtung zuständigen Trägers der Sozialhilfe ab. Wie das LSG für den Senat bindend festgestellt hat, ergibt sich aus § 97 Abs 1 SGB XII iVm dem brandenburgischen Landesrecht die sachliche Zuständigkeit des örtlichen Trägers der Sozialhilfe zum Abschluss von Vereinbarungen nach § 75 Abs 3 SGB XII (vgl § 97 Abs 1 SGB XII iVm § 5 Abs 3 Nr 1 und Abs 4 des Gesetzes zur Ausführung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch <AG-SGB XII> vom 3.11.2010 <GVBl I Nr 36> sowie § 1 Nr 4 der Verordnung zur Übertragung der Zuständigkeit nach § 5 Abs 4 AG-SGB XII <Zuständigkeitsübertragungsverordnung AG-SGB XII> vom 15.4.2011 <GVBl II Nr 21>).

Die Entscheidung der Schiedsstelle ist auch im Übrigen formell rechtmäßig. Zulässig war insbesondere die Beschränkung des Verfahrensgegenstands allein auf den Investitionsbetrag, auch wenn eine Vereinbarung über die Vergütung von Leistungen im Arbeitsbereich einer WfbM daneben mindestens die Pauschalen für Unterkunft und Verpflegung (Grundpauschale) und für die Maßnahmen (Maßnahmepauschale) erfassen muss (vgl § 76 Abs 2 Satz 1 SGB XII; hier in der Fassung des Gesetzes zur Neuregelung der zivilrechtlichen Vorschriften des Heimgesetzes nach der Föderalismusreform vom 29.7.2009 <BGBl I 2319>), über die eine Einigung zwischen den Beteiligten noch aussteht. Die Beteiligten bestimmen insoweit durch ihre Anträge den Gegenstand des Schiedsverfahrens wie auch die Reichweite der Schiedsstellenentscheidung (vgl bereits BSGE 116, 227 = SozR 4-3500 § 77 Nr 1, RdNr 9). Die Schiedsstelle hat sich auch im Rahmen des Antrags der Beklagten gehalten, obwohl sie eine Entscheidung nicht über den Gesamtbetrag der Investitionskosten pro Platz und Tag getroffen hat, sondern lediglich über einen Zwischenschritt für deren Berechnung, nämlich die zwischen den Beteiligten allein umstrittenen Investitionskosten als Gesamtbetrag für den Erweiterungsbau pro Jahr; denn die Investitionskosten im Übrigen (0,86 Euro pro Tag und Platz im bisherigen Arbeitsbereich) waren unstreitig. Die Berechnung des Investitionsbetrags ist aus diesen Summen heraus ohne Weiteres möglich; im Ergebnis ergibt sich ein Betrag pro Platz und Tag in Höhe von 6,02 Euro. Der Schiedsspruch selbst ist schließlich nicht wegen eines Begründungsmangels (vgl § 35 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - <SGB X>) formell rechtswidrig. Insbesondere die Bezugnahme in der Begründung auf die in der mündlichen Verhandlung erläuterten und in der Niederschrift schriftlich dargestellten Positionen, um die die Schiedsstelle die Forderung der Beklagten gekürzt hat, ist zulässig (vgl BSG SozR 4-3500 § 75 Nr 10 RdNr 16).

Auch in der Sache erweist sich die Entscheidung der Schiedsstelle als rechtmäßig. Wegen der Vergütungsvereinbarungen zwischen Trägern der Sozialhilfe und Werkstätten verweist § 41 Abs 3 Satz 2 SGB IX aF auf die Vorschriften des Zehnten Kapitels des SGB XII (vgl aber nunmehr die Regelungen über das Vertragsrecht für Eingliederungshilfeleistungen nach §§ 123 ff SGB IX in der seit dem 1.1.2018 geltenden Fassung des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen <BTHG> vom 23.12.2016 <BGBl I 3234>, im Folgenden neue Fassung <nF>). Ob § 41 Abs 3 Satz 1 SGB IX aF, wonach die Werkstätten für ihre Leistungen vom zuständigen Rehabilitationsträger angemessene Vergütungen erhalten, bereits Grundlage für den Vergütungsanspruch ist und die Vorschriften des Zehnten Kapitels des SGB XII ihn nur ergänzen (vgl Finke/Kadoke in Ernst/Adlhoch/Seel, SGB IX, Stand Mai 2017, § 41 SGB IX RdNr 56) oder diese Vorschriften bei Zuständigkeit des Sozialhilfeträgers an die Stelle des § 41 Abs 3 Satz 1 SGB IX aF treten (Luik in juris-PK SGB IX, 2. Aufl 2015, § 41 RdNr 38; Hohmann in Wiegand, SGB IX, Stand Mai 2017, § 41 RdNr 53), bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Jedenfalls gebietet § 75 Abs 3 Satz 2 SGB XII ebenso wie § 41 Abs 3 Satz 1 SGB IX aF, dass die Höhe der Vergütung unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit bestimmt werden muss. Unter Beachtung dieser Grundsätze steht der Schiedsstelle ein weiter Entscheidungsfreiraum zu.

Zutreffend hat die Schiedsstelle im ersten Schritt ihrer Prüfung die von der Beklagten geltend gemachten Kosten den vollständig umlagefähigen Investitionskosten einer WfbM zugeordnet. Zu Recht ist das LSG davon ausgegangen, dass wegen der Frage, welche Kosten bei der Ermittlung des Investitionsbetrags überhaupt zu berücksichtigen sind, der Schiedsstelle aber ein Entscheidungsfreiraum nicht zusteht. Wegen der Pauschalen und Beträge nach § 76 Abs 2 SGB XII, mithin auch wegen des Investitionsbetrags, trifft § 41 Abs 3 Satz 3 SGB IX aF eine das Vertragsrecht nach dem SGB XII ergänzende Regelung (ähnlich nunmehr § 58 Abs 3 Satz 2 SGB IX nF). Zu unterscheiden sind danach alle für die Erfüllung der Aufgaben und der fachlichen Anforderungen der Werkstatt notwendigen Kosten (Nr 1), die bei der Ermittlung der Pauschalen und Beträge nach § 76 SGB XII vollständig zu berücksichtigen sind, von den mit der wirtschaftlichen Betätigung der Werkstatt in Zusammenhang stehenden Kosten (Nr 2), die nur zu berücksichtigen sind, soweit sie unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse in der Werkstatt und der dort beschäftigten behinderten Menschen nach Art und Umfang über die in einem Wirtschaftsunternehmen üblicherweise entstehenden Kosten hinausgehen.

Zu den Investitionskosten, die für die zu zahlenden Vergütungen maßgeblich sind, gehören alle für die Erfüllung der Aufgaben und der fachlichen Anforderungen der WfbM notwendigen Personal- und Sachkosten. Das sind auch die Grundkosten für die Erstellung der Werkstatt selbst; denn nur so ist es der WfbM überhaupt möglich, ihrem Auftrag gemäß (vgl §§ 136 ff SGB IX aF) behinderte Menschen zur Beschäftigung aufzunehmen (vgl Finke/Kadoke, aaO, § 41 SGB IX RdNr 75; Knittel, SGB IX, 11. Aufl 2017, § 41 RdNr 39). Genannt sind ausdrücklich alle Kosten; insoweit ist eine Unterscheidung zwischen den zur Erfüllung der Aufgaben notwendigen und allgemein unternehmensüblichen Kosten nicht zulässig (vgl Hohmann, aaO, § 41 RdNr 40; Jacobs in Dau/Düwell/Joussen, LPK-SGB IX, 4. Aufl 2014, § 41 RdNr 25). Die Kosten für die Erweiterung der Werkstatt um neue Werkstattplätze im Arbeitsbereich gehören also im Grundsatz zu den übernahmefähigen Investitionskosten, auch wenn damit zugleich die (weitergehende) Teilnahme am Marktgeschehen durch Eröffnung eines Restaurants und einer Wäscherei dieser Größe überhaupt erst ermöglicht wird. Spiegelbildlich dazu dürfen Kosten für die Schaffung und Ausstattung neuer Werkstattplätze nicht aus dem Arbeitsergebnis der Werkstatt, also aus der Differenz der Erträge und den notwendigen Kosten des laufenden Betriebs im Arbeitsbereich der Werkstatt, erbracht werden (§ 12 Abs 5 Nr 3 Satz 2 Werkstättenverordnung <WVO>; insoweit in der Fassung des Gesetzes vom 19.6.2001 <BGBl I 1046>, im Folgenden <aF>). Die Träger der Eingliederungshilfe sollen diese Kosten tragen; insoweit verfolgt der Gesetzgeber seit Einfügung einer entsprechenden Regelung in § 41 Abs 3 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) mit dem Gesetz zur Reform des Sozialhilferechts (vom 23.7.1996 <BGBl I 1088>) das Ziel, der WfbM die Arbeitsergebnisse zu belassen, damit diese (bereits nach damaligem Verständnis als "moderner, konkurrenzfähiger Industriebetrieb") höhere Entgelte zahlen kann (vgl BT-Drucks 13/2440 S 17, 26).

Die Pflicht zur Vergütung ist zwar bezogen auf die der Werkstatt entstehenden Kosten eingeschränkt, soweit es sich um Kosten der (laufenden) wirtschaftlichen Betätigung handelt (§ 41 Abs 3 Satz 3 Nr 2 SGB IX aF wie zuvor § 41 Abs 3 Satz 2 BSHG). Das wirtschaftliche Handeln der WfbM (etwa Materialbeschaffung, Vertrieb und Buchführung etc) soll sich dem Grundsatz nach durch Markterlöse finanzieren (vgl nur Ritz in Cramer/Fuchs/Hirsch/Ritz, SGB IX, 6. Aufl 2011, § 41 RdNr 16). Kosten für die wirtschaftliche Betätigung sind nur relevant für die zu zahlende Vergütung, wenn sie wegen der Besonderheiten einer Werkstatt höher sind, als die in einem Wirtschaftsunternehmen üblicherweise anfallenden Kosten (etwa Kosten für erhöhten Ausschuss oÄ; vgl zu solchen Beispielen Knittel, aaO, § 41 RdNr 43). Aus diesem Grund gehören Sachkosten (ebenso wie Personalkosten), die der Steigerung der Produktion dienen (etwa die kostensteigernde Aufteilung von Arbeitsabläufen in einzelne Arbeitsschritte), oder die die Tätigkeit von behinderten Menschen ersetzen, um produktiver zu sein, nicht zu Kosten nach § 41 Abs 3 Satz 3 Nr 1 SGB IX aF, sondern sind allenfalls nach § 41 Abs 3 Satz 3 Nr 2 SGB IX aF zu berücksichtigen (Hohmann, aaO, § 41 RdNr 48; Jacobs, aaO, § 41 RdNr 32; Vogt in Kossens/von der Heide/Maaß, SGB IX, 4. Aufl 2015, § 41 RdNr 9). Der Kläger behauptet aber lediglich pauschal, dass es sich vorliegend um solche Kosten handele, und setzt dabei Kosten für die Grundausstattung einer WfbM auf dem technisch neusten Stand mit Kosten für Arbeitsgeräte gleich, die von behinderten Menschen nicht bedient werden können und ihre Arbeitskraft ersetzen. Kosten gehören aber auch dann zu den Kosten für die fachlichen Anforderungen, soweit behinderte Menschen bei entsprechender Anleitung auch mit Arbeitsgeräten ohne behinderungsspezifische Anpassungen vergleichbare Arbeitsergebnisse wie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erzielen können. Angesichts der Anerkennung der Werkstatt in ihrer heutigen Form und der zuvor erteilten klägerischen Zustimmung (dazu sogleich), genügt der Vortrag des Klägers nicht, um schlüssig darzustellen, welche Teile der Investitionen für die Erfüllung der Aufgaben als WfbM nicht notwendig gewesen sein sollten.

Soweit der Kläger vorträgt, das mit der Erweiterung entstandene Unternehmen könne nicht mehr als Werkstatt iS des § 136 Abs 1 SGB IX aF (hier in der Fassung des Gesetzes vom 22.12.2008 <BGBl I 2959>) angesehen werden, übersieht er zunächst, dass die Anerkennung als WfbM von der BA in einem Anerkennungsverfahren im Einvernehmen mit dem überörtlichen Träger der Sozialhilfe erfolgt ist (vgl § 142 Satz 1 SGB IX aF) und die Beteiligten bindet. Im Anerkennungsverfahren ist insoweit die Prüfung erfolgt, ob die bauliche Gestaltung und die Ausstattung der Werkstatt der Aufgabenstellung einer Werkstatt Rechnung trägt (vgl § 8 Abs 1 WVO aF). Die Werkstatt muss als Voraussetzung für ihre Anerkennung zudem wirtschaftliche Arbeitsergebnisse anstreben, um an die im Arbeitsbereich beschäftigten behinderten Menschen ein ihrer individuellen Leistung angemessenes Arbeitsentgelt (vgl § 138 Abs 2 SGB IX aF) zahlen zu können (vgl ausdrücklich § 12 Abs 3 WVO aF). Anders als der Kläger meint, ist damit auch für eine WfbM eine Orientierung am Marktgeschehen vorgegeben, auch wenn Produktion und Umsatz nicht im Vordergrund stehen. Ein Gebot, die Arbeit von behinderten Menschen im Arbeitsbereich einer WfbM dürfe nicht in Konkurrenz zum "eigentlichen Marktgeschehen" treten, ergibt sich aus dem SGB IX gerade nicht.

Vor allem ist der Kläger mit dem Einwand, die Investitionen entsprächen nicht mehr den Grundsätzen einer WfbM, aber deshalb ausgeschlossen, weil er selbst der Erweiterung unter dem "Vorbehalt des Widerrufs" zugestimmt hatte, dass eine entsprechende Anerkennung als WfbM erfolgen werde, die Bauausführung den vorgelegten Plänen entspreche und die Vorgaben einer zu den Akten gereichten baufachlichen Stellungnahme eingehalten würden. Während das Anerkennungsverfahren in erster Linie die Leistungsfähigkeit der WfbM unter dem Gesichtspunkt der Aufgabenstellung in § 136 SGB IX aF im Blick hat, schützt das gesondert geregelte Zustimmungserfordernis den zuständigen Sozialhilfeträger davor, im Nachgang überhöhte Investitionskosten übernehmen zu müssen (BSGE 116, 233 = SozR 4-3500 § 76 Nr 1, RdNr 21). Gegen die Investitionsmaßnahme auf Grundlage des Antragsschreibens der Beklagten mit einem damals geschätzten Kostenumfang von insgesamt 4 410 000 Euro hat der Kläger aber keine Einwände erhoben. Er hat im Schieds- und Klageverfahren lediglich vorgetragen, von den in der Folge tatsächlich getätigten Investitionen für technische Anlagen (2 552 623 Euro) seien nur 1 135 571,93 Euro anzuerkennen, ohne aber zu behaupten, dass der verwirklichte technische Standard aus dem ursprünglichen Antrag nicht bereits hervorgegangen sei und die Beklagte dem Grunde nach Investitionen getätigt habe, die von seiner Zustimmung in der Fassung der Erklärung vom 4.12.2009 nicht umfasst gewesen wären. Die gegenüber dem Antragszeitpunkt eingetretenen Kostensteigerungen sind eine Frage der Plausibilität der Investitionskosten bzw der Wirtschaftlichkeit der entsprechenden Bauausführung. Der Umfang der Investitionen ändert aber nichts an der Zuordnung dieser Kosten zu solchen iS des § 41 Abs 3 Satz 3 Nr 1 SGB IX aF, wie das LSG zutreffend betont hat.

Bei der Überprüfung, ob die von der Einrichtung geltend gemachten Investitionskosten für sich genommen nachvollziehbar sind (sog Plausibilitätsprüfung), steht der Schiedsstelle kein Entscheidungsfreiraum im eigentlichen Sinne zu, sondern es obliegt ihr (nur) eine Schlüssigkeitsprüfung unter Berücksichtigung des Vortrags der Beteiligten, die als solche gerichtlich in vollem Umfang überprüfbar ist (vgl BSGE 120, 51 = SozR 4-3500 § 75 Nr 9, RdNr 18). Die vom Kläger vorgebrachten Angriffe gegen die Plausibilität der geltend gemachten Investitionskosten hat die Schiedsstelle geprüft und dabei die vorgelegten Berechnungen der Beklagten zu Gunsten des Klägers gekürzt. Sie hat die Finanzierungskosten als nicht vollständig plausibel angesehen und Abschreibungen reduziert sowie die (künftige) Instandhaltungspauschale den so errechneten Gesamtbaukosten angepasst. Im Übrigen bestand zwischen den Beteiligten Einigkeit, dass die Kosten in der geltend gemachten Höhe tatsächlich entstanden sind. Die vorgenommene Prüfung genügt damit den Anforderungen an die Plausibilitätskontrolle. Die Entscheidung des LSG entspricht in der Sache (auch wenn - anders als das LSG ausgeführt hat - ein "Beurteilungsspielraum" insoweit nicht besteht) der Rechtsprechung des Senats zu den nur eingeschränkten Ermittlungspflichten einer Schiedsstelle bei Prüfung der Plausibilität der Kosten und den entsprechenden Mitwirkungspflichten der Beteiligten (vgl BSGE 120, 51 = SozR 4-3500 § 75 Nr 9, RdNr 20). Im Revisionsverfahren hat der Kläger ohnehin seine Einwände hiergegen nicht wiederholt.

In einem abschließenden Schritt hat die Schiedsstelle die geltend gemachten Kosten ohne Rechtsfehler auf ihre Wirtschaftlichkeit, Leistungsfähigkeit und Sparsamkeit überprüft und ist zu dem Ergebnis gelangt, dass Anhaltspunkte für eine Unwirtschaftlichkeit der getätigten Investitionen sich auch unter Berücksichtigung dieser Grundsätze nicht ergeben. Die Schiedsstelle hat insoweit die eingetretenen Kostensteigerungen als nachvollziehbar angesehen. Ein externer Vergleich könne allein auf Grundlage der von dem Kläger vorgelegten Übersicht nicht vorgenommen werden, was darin begründet sei, dass der Kläger aussagekräftige Unterlagen nicht vorgelegt habe. Revisionsrechtlich ist nicht zu beanstanden, wenn eine Entscheidung einer Schiedsstelle nach entsprechenden Hinweisen wegen fehlender oder mangelhafter Mitwirkung eines Beteiligten bei der Ermittlung von Gründen für hohe Ausgaben zu dessen Lasten geht (vgl BSGE 120, 51 = SozR 4-3500 § 75 Nr 9, RdNr 23). Der Kläger trägt nichts vor, was hier zu einem anderen Ergebnis führen könnte. Allein der Einwand, die "industrielle Dimension", die die WfbM nach der Erweiterung erreicht habe, sei nicht wirtschaftlich gemessen an dem Ziel, behinderte Menschen in den Arbeitsprozess zu integrieren, vermag aus den aufgeführten Gründen die behauptete Überschreitung des Entscheidungsfreiraums der Schiedsstelle jedenfalls nicht zu begründen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG iVm § 154 Abs 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 1, § 47 Abs 1 Satz 1 und Abs 2 Gerichtskostengesetz (GKG); der Kläger ist jedoch gemäß § 64 Abs 3 Satz 2 SGB X von Gerichtskosten befreit

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