Bundessozialgericht

Bundessozialgericht Urteil vom 11.09.2018, B 1 KR 6/18 R

Leistungen zur Teilhabe - Zuständigkeitsklärung - Rentenversicherungsträger - erstangegangener Rehabilitationsträger - Anerkennung der Zuständigkeit gegenüber dem Leistungsberechtigten - Antrag auf Altersrente vor Ende der Rehabilitationsmaßnahme - Zuständigkeitswechsel nach Leistungsbewilligung und vor Erfüllung der Leistungspflicht - Beibehaltung der Zuständigkeit im Außenverhältnis bis zur vollständigen Leistungserbringung - Wechsel der Zuständigkeit im Innenverhältnis der Leistungsträger - nachrangige Zuständigkeit im Erstattungsverhältnis - Prüfung einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse nach § 48 SGB X - gleich bleibende Leistungen - Verschiebung der Rechtsgrundlage keine wesentliche Änderung - Möglichkeit einer Kostenerstattung nach den Grundsätzen des vorläufig leistenden Leistungsträgers

Leitsätze

1. Bewilligt ein erstangegangener Rehabilitationsträger in Bejahung seiner Zuständigkeit einen Antrag auf Leistungen zur Teilhabe, bleibt er im Außenverhältnis zum Leistungsberechtigten jedenfalls bis zur vollständigen Erfüllung der Leistungspflicht hierfür zuständig, auch wenn sich danach die Innenzuständigkeit im Erstattungsverhältnis zu einem anderen Träger ändert.

2. Bewilligt ein erstangegangener Rehabilitationsträger einen Antrag auf Leistungen zur Teilhabe und verliert er danach vor Erfüllung der Leistungspflicht im Innenverhältnis zu einem anderen Träger seine Primärzuständigkeit, begründet dies im Erstattungsverhältnis zum anderen Träger eine nachrangige Zuständigkeit.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin werden die Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts vom 16. Januar 2018 und des Sozialgerichts Landshut vom 11. September 2015 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin 7169,50 Euro zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in allen Rechtszügen.

Der Streitwert wird für das Revisionsverfahren auf 7169,50 Euro festgesetzt.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Aufwendungen für eine medizinische Rehabilitation (Reha).

Die klagende Rentenversicherungsträgerin bewilligte dem bei ihr und bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherten P. N. (im Folgenden: Versicherter) auf seinen Antrag (28.10.2008) eine stationäre Leistung zur medizinischen Reha (14.11.2008). Dabei wies sie darauf hin, dass ihre Zuständigkeit ua nur gegeben sei, wenn der Versicherte bis zum Ende der Reha-Leistung keine Altersrente von wenigstens 2/3 der Vollrente beantrage. Der Versicherte beantragte Altersrente (19.11.2008). Er erhielt die medizinische Reha (29.12.2008 bis 4.2.2009) und ab 1.2.2009 Altersrente für schwerbehinderte Menschen bewilligt (Bescheid vom 2.4.2009). Die Klägerin forderte von der Beklagten Erstattung ihrer Aufwendungen für die Reha: Wegen des Rentenantrags sei die Leistung aus der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) ausgeschlossen. Daher habe die Zuständigkeit der Beklagten bestanden. Die Beklagte lehnte dies ab. Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 11.9.2015). Das LSG hat die Berufung, zuletzt gerichtet auf Zahlung von 7169,50 Euro (4917,30 Euro Pflegekosten, 16,40 Euro Reisekosten, 1222,40 Euro Übergangsgeld <Übg> und 1013,40 Euro Beiträge zur Sozialversicherung) zurückgewiesen: Ein Erstattungsanspruch bestehe weder nach § 14 Abs 4 S 1 SGB IX noch nach den §§ 102 ff SGB X (Urteil vom 16.1.2018).

Die Beteiligten haben im Revisionsverfahren einen Teilvergleich geschlossen. Hiernach war auch eine medizinische Reha nach § 40 Abs 2 SGB V erforderlich und hatte die Klägerin im Falle ihrer fortdauernden Leistungszuständigkeit Krankengeld (Krg) in Höhe des Übg und mit gleicher Wirkung, zudem Pflegekosten, Fahrkosten und Beiträge zur Sozialversicherung mit Ausnahme jener zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zu leisten, sodass in diesem Fall die Beklagte 7169,50 Euro zu zahlen hat.

Die Klägerin rügt mit ihrer Revision die Verletzung von § 48 Abs 1 S 1 SGB X, § 103 Abs 1 SGB X und § 14 Abs 4 S 1 SGB IX.

Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts vom 16. Januar 2018 und des Sozialgerichts Landshut vom 11. September 2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr 7169,50 Euro zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist begründet (§ 170 Abs 2 S 1 SGG). Das LSG hat die Berufung der Klägerin zu Unrecht zurückgewiesen. LSG- und SG-Urteil verletzen revisibles Recht. Die zulässige Klage ist begründet. Die Beklagte hat der Klägerin deren Aufwendungen für die stationäre Reha des Versicherten zu erstatten. Anspruchsgrundlage des Zahlungsanspruchs ist im Wesentlichen § 104 Abs 1 SGB X. Die Klägerin kann sich als nachrangig zuständiger Träger auf diese anwendbare, nicht ausgeschlossene Rechtsnorm stützen (dazu 1.). Deren weitere Voraussetzungen sind ebenfalls erfüllt (dazu 2.). Die Beklagte hat auch die ihr rechtsgrundlos geleisteten Beiträge zu erstatten (dazu 3.).

1. Rechtsgrundlage des geltend gemachten Erstattungsanspruchs ist im Wesentlichen § 104 Abs 1 SGB X (idF durch Art 10 Nr 8 Gesetz zur Einführung des Euro im Sozial- und Arbeitsrecht sowie zur Änderung anderer Vorschriften vom 21.12.2000, BGBl I 1983). Die Norm bestimmt: "Hat ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht, ohne dass die Voraussetzungen von § 103 Abs 1 SGB X vorliegen, ist der Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte, soweit der Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis hat. Nachrangig verpflichtet ist ein Leistungsträger, soweit dieser bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungsverpflichtung eines anderen Leistungsträgers selbst nicht zur Leistung verpflichtet gewesen wäre. Ein Erstattungsanspruch besteht nicht, soweit der nachrangige Leistungsträger seine Leistungen auch bei Leistung des vorrangig verpflichteten Leistungsträgers hätte erbringen müssen. … " Diese Rechtsnorm ist anwendbar (dazu a). Die Klägerin ist ein nachrangig zuständiger Träger (dazu b). Ein Fall des § 103 SGB X liegt nicht vor (dazu c). Ausschlussgründe für eine Erstattung nach § 104 SGB X bestehen nicht (dazu d).

a) Die Regelung des § 14 Abs 4 SGB IX schließt die Anwendung des § 105 SGB X aus, nicht aber diejenige des § 104 SGB X. Sie lässt grundsätzlich die Erstattungsregelungen der §§ 102 ff SGB X unberührt. Dass die Regelung des § 105 SGB X nicht anzuwenden ist, folgt aus § 14 Abs 4 S 3 SGB IX. Diese Norm sieht die Unanwendbarkeit von § 105 SGB X für "unzuständige Rehabilitationsträger" vor, die "eine Leistung nach Abs 2 Satz 1 und 2 erbracht haben". Dies trägt der Zuständigkeitsbegründung für den erstangegangenen Reha-Träger durch § 14 Abs 1 S 1 und Abs 2 S 1 und S 2 SGB IX Rechnung: Hat ein Träger einen Antrag nicht weitergeleitet, ist er zuständig. Er kann Erstattung jedenfalls nicht nach § 105 SGB X verlangen (vgl BSGE 93, 283 = SozR 4-3250 § 14 Nr 1, jeweils RdNr 18; BSGE 98, 267 = SozR 4-3250 § 14 Nr 4, RdNr 21).

§ 14 Abs 4 S 1 und S 2 SGB IX verdrängt auch nicht als lex specialis § 104 SGB X. § 14 Abs 4 SGB IX trifft in S 1 und S 2 lediglich für den zweitangegangenen Reha-Träger eine Spezialregelung gegenüber § 102 SGB X, nicht aber für den erstangegangenen Reha-Träger (vgl grundlegend BSGE 98, 267 = SozR 4-3250 § 14 Nr 4, RdNr 10 f). Die Klägerin begehrt aber als erstangegangene Reha-Trägerin von der Beklagten Erstattung.

b) Die Klägerin begehrt als nachrangig zuständiger Träger Erstattung. Die Grundsätze, die der erkennende 1. und der 7. Senat des BSG für die Qualifikation des erstangegangenen als nachrangig zuständigem Reha-Träger entwickelt haben (dazu aa), greifen auch in Fällen, in denen der erstangegangene Träger zunächst zuständig ist, nach erfolgter Leistungsbewilligung vor Erfüllung der Leistungspflicht aber nach der Zuständigkeitsordnung außerhalb von § 14 SGB IX seine Zuständigkeit verliert (dazu bb).

aa) Nach der Rspr des erkennenden Senats begründet in Fällen, in denen der Reha-Träger auf den Reha-Antrag hin seine Zuständigkeit gegenüber dem Versicherten prüft und bejaht (§ 14 Abs 1 S 1 iVm Abs 2 S 1 und S 2 SGB IX ), § 14 Abs 1 S 1 iVm Abs 2 S 1 und S 2 SGB IX für das Erstattungsverhältnis zwischen den Trägern eine nachrangige Zuständigkeit des erstangegangenen Trägers, wenn er nach den Zuständigkeitsregelungen außerhalb von § 14 SGB IX unzuständig, ein anderer Träger aber zuständig gewesen wäre. Dies ermöglicht es, dass der erstangegangene Reha-Träger im Rahmen eines Erstattungsstreits sich die Kosten der Reha-Maßnahme nach § 104 SGB X vom vorrangig zuständigen Reha-Träger erstatten lässt (stRspr, vgl BSGE 98, 267 = SozR 4-3250 § 14 Nr 4, RdNr 9; BSG SozR 4-3250 § 14 Nr 2; BSG Urteil vom 26.10.2017 - B 8 SO 12/16 R - Juris RdNr 18, für SozR 4-1750 § 524 Nr 1 vorgesehen). Die Notwendigkeit hierzu erwächst daraus, dass sich die Zuständigkeit nach § 14 Abs 2 S 1 SGB IX im Außenverhältnis zwischen dem Antragsteller und dem erstangegangenen Reha-Träger auf alle Rechtsgrundlagen erstreckt, die überhaupt in dieser Bedarfssituation rehabilitationsrechtlich vorgesehen sind (BSGE 93, 283 = SozR 4-3250 § 14 Nr 1, RdNr 15 ff; BSGE 98, 267 = SozR 4-3250 § 14 Nr 4, RdNr 14; BSGE 102, 90 = SozR 4-2500 § 33 Nr 21, RdNr 23). Dadurch wird eine nach außen verbindliche Zuständigkeit des erstangegangenen Reha-Trägers geschaffen, die intern die Verpflichtungen des eigentlich zuständigen Leistungsträgers unberührt lässt und die Träger insoweit auf den nachträglichen Ausgleich nach § 14 Abs 4 S 1 SGB IX und §§ 102 ff SGB X verweist (BSGE 98, 267 = SozR 4-3250 § 14 Nr 4, RdNrn 14 - 16).

Hat der Träger nämlich seine Zuständigkeit geprüft und bejaht, muss er im Nachhinein zu einer Korrektur im Rahmen der Erstattung befugt sein. Sonst wäre er gehalten, schon bei geringstem Verdacht einen Reha-Antrag weiterzuleiten, um die Zuständigkeitsproblematik ggf im Erstattungsstreit austragen zu können und andererseits nicht automatisch von jeglicher Erstattungsmöglichkeit ausgeschlossen zu sein. Das widerspräche sowohl dem Regelungszweck des § 14 SGB IX, zu einer schnellen Zuständigkeitsklärung gegenüber dem behinderten Menschen zu kommen (vgl näher BSGE 98, 267 = SozR 4-3250 § 14 Nr 4, RdNr 12 f), als auch dem zugleich verfolgten Ziel, das gegliederte Sozialsystem zu erhalten (vgl BSGE 98, 267 = SozR 4-3250 § 14 Nr 4, RdNrn 14 und 26).

Nur soweit die Prüfung des erstangegangenen Reha-Trägers innerhalb der Zwei-Wochen-Frist nicht zu einem greifbaren Ergebnis, sondern etwa wegen einer komplizierten Rechtsproblematik zu ernstlichen Argumenten für und gegen die eigene Zuständigkeit und für und gegen die Zuständigkeit eines anderen Reha-Trägers geführt hat und deshalb der angegangene Träger im Interesse der Beschleunigung eine Weitergabe des Reha-Antrags unterlassen hat, ist Kostenerstattung nach den Grundsätzen des vorläufig leistenden Leistungsträgers zu erwägen, wie sie entsprechend § 102 SGB X in § 14 Abs 4 S 1 SGB IX vorgesehen ist (vgl BSGE 98, 267 = SozR 4-3250 § 14 Nr 4, RdNr 29; bejahend BSGE 104, 294 = SozR 4-3250 § 14 Nr 9, RdNr 15; eingrenzend BSG Urteil vom 12.12.2013 - B 4 AS 14/13 R - Juris RdNr 15).

Lediglich wenn der Träger seine Zuständigkeit verneint und trotzdem leistet, obwohl ein anderer Reha-Träger nach dem Ergebnis seiner Prüfung zuständig ist, kann er - nicht anders als im Rahmen der Regelungen der §§ 102 bis 105 SGB X - keine Erstattung beanspruchen (vgl dazu auch BSG SozR 4-3100 § 18c Nr 2 RdNr 30). Er greift zielgerichtet in fremde Zuständigkeiten ein und missachtet das Weiterleitungsgebot des § 14 Abs 1 S 2 SGB IX. Für ihn bestätigt § 14 Abs 4 S 3 SGB IX den Ausschluss jeglicher Erstattung (vgl BSGE 98, 267 = SozR 4-3250 § 14 Nr 4, RdNr 25).

bb) Diese Grundsätze gelten sinngemäß auch dann, wenn der erstangegangene Träger zunächst zuständig ist, als zuständiger Träger die Leistung bewilligt und vor Erfüllung der Leistungspflicht nach der Zuständigkeitsordnung außerhalb von § 14 SGB IX seine Zuständigkeit verliert. Auch dann bleibt der erstangegangene Träger nach § 14 Abs 1 SGB IX im Außenverhältnis zum Leistungsberechtigten zuständig. Das entspricht Wortlaut, Entstehungsgeschichte, Regelungssystem und Zweck der Norm. Die einmal begründete Außenzuständigkeit für eine beantragte Leistung zur Teilhabe dauert jedenfalls bis zur vollständigen Erfüllung der Leistungspflicht an.

aaa) Schon nach dem Wortlaut des § 14 Abs 1 S 1 SGB IX stellt der Reha-Träger innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrages bei ihm fest, ob er nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz "für die Leistung" zuständig ist. Bejaht er dies, stellt er nicht nur den Reha-Bedarf unverzüglich fest (§ 14 Abs 2 S 1 SGB IX) und entscheidet innerhalb von drei Wochen nach Antragseingang (§ 14 Abs 2 S 2 SGB IX). Er kann die bewilligten Leistungen zur Teilhabe in unterschiedlichen Formen ausführen (§ 17 Abs 1 S 1 SGB IX), bleibt aber für die Ausführung der Leistungen verantwortlich (§ 17 Abs 1 S 2 SGB IX). Hält er als leistender Träger weitere Leistungen zur Teilhabe für erforderlich und kann er für diese Leistungen nicht Reha-Träger nach § 6 Abs 1 SGB IX sein, wird § 14 Abs 1 S 2 SGB IX entsprechend angewendet. Die Leistungsberechtigten werden hierüber unterrichtet (§ 14 Abs 6 S 1 und S 2 SGB IX). In diesem Sinne regelt auch § 14 Abs 2 S 1 SGB IX in der ab 1.1.2018 geltenden Fassung (idF durch Art 1 Bundesteilhabegesetz <BTHG> vom 23.12.2016, BGBl I 3234): "Wird der Antrag nicht weitergeleitet, stellt der Rehabilitationsträger den Rehabilitationsbedarf anhand der Instrumente zur Bedarfsermittlung nach § 13 unverzüglich und umfassend fest und erbringt die Leistungen (leistender Rehabilitationsträger)."

bbb) Die Gesetzesbegründung unterstreicht die Zielsetzung, durch ein auf Beschleunigung gerichtetes Zuständigkeitsklärungsverfahren die möglichst schnelle Leistungserbringung zu sichern. Sie betont, die zeitgerechte, zügige Erbringung von Leistungen zur Teilhabe liege im Interesse der Leistungsberechtigten, aber auch der zuständigen Reha-Träger (vgl Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen, BT-Drucks 14/5074, S 102 zu § 14). Die Regelung der Leistungsausführung stelle klar, dass der Reha-Träger eigenverantwortlich zu entscheiden habe, welche Form der Leistungsausführung am geeignetsten sei, damit die Leistung wirksam und wirtschaftlich erbracht werde. Er bleibe in jedem Fall für die Ausführung der Leistungen verantwortlich (vgl BT-Drucks 14/5074 S 103 zu § 17).

ccc) Das Regelungssystem zeigt klar, dass der außenzuständige Leistungsträger für die Ausführung der Leistungen verantwortlich ist (vgl § 17 Abs 1 S 1 und S 2 SGB IX). Nur wenn er als leistender Träger weitere Leistungen zur Teilhabe für erforderlich hält und er für diese Leistungen nicht Reha-Träger nach § 6 Abs 1 SGB IX sein kann, wird § 14 Abs 1 S 2 SGB IX entsprechend angewendet (§ 14 Abs 6 S 1 SGB IX). Dementsprechend geht die Rspr des BSG davon aus, dass sich die Außenzuständigkeit des erstangegangenen Trägers auch nicht dadurch ändert, dass dieser das Verwaltungsverfahren durch Erlass eines - und sei es bindenden - Verwaltungsakts abschließt (vgl § 8 SGB X). Er bleibt vielmehr auch für ein Verfahren nach § 44 SGB X zuständig, auch wenn die Rechtswidrigkeit iS dieser Vorschrift (nur) darin liegt, dass er die außerhalb seiner "eigentlichen" Zuständigkeit liegenden, nach dem Vorstehenden einschlägigen Rechtsgrundlagen nicht beachtet hat (vgl BSGE 93, 283 = SozR 4-3250 § 14 Nr 1, RdNr 10; BSGE 101, 207 = SozR 4-3250 § 14 Nr 7, RdNr 31; BSGE 113, 40 = SozR 4-3250 § 14 Nr 19, RdNr 17 mwN).

ddd) Es entspricht auch dem Regelungszweck, von der Fortdauer der Außenzuständigkeit des erstangegangenen Reha-Trägers auszugehen, wenn sich nach Bewilligung, aber vor Erfüllung der Leistungspflicht die Rechtsgrundlagen für die Reha-Leistung und nach dem Recht außerhalb von § 14 SGB IX die Zuständigkeiten ändern. Denn § 14 SGB IX zielt darauf ab, zwischen den betroffenen behinderten Menschen und Reha-Trägern die Zuständigkeit schnell und dauerhaft zu klären (vgl Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen, BT-Drucks 14/5074 S 95 zu 5.). Die Vorschrift trägt dem Bedürfnis Rechnung, im Interesse behinderter und von Behinderung bedrohter Menschen durch rasche Klärung von Zuständigkeiten Nachteilen des gegliederten Systems entgegenzuwirken (vgl BSGE 98, 267 = SozR 4-3250 § 14 Nr 4, RdNr 12). Solche Nachteile drohten aber, wollte man es nicht bei der einmal begründeten Außenzuständigkeit belassen. Trotz Bewilligung wäre der Leistungsempfänger des Rechts entkleidet, die Leistungen zur Teilhabe aus einer Hand zu erhalten. Dem außenzuständigen Träger ist es dagegen systemgerecht zuzumuten, aufgrund der fortdauernden Außenzuständigkeit unter Einbeziehung aller Rechtsgrundlagen gegen Reha-Träger zu prüfen, ob es zu einer wesentlichen Änderung im Leistungsrecht gekommen ist (vgl § 48 SGB X), und dem bejahendenfalls durch einen Änderungsbescheid Rechnung zu tragen.

c) Ein Fall des § 103 Abs 1 SGB X liegt nicht vor. Die Norm bestimmt: "Hat ein Leistungsträger Sozialleistungen erbracht und ist der Anspruch auf diese nachträglich ganz oder teilweise entfallen, ist der für die entsprechende Leistung zuständige Leistungsträger erstattungspflichtig, soweit dieser nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat." Die Regelung setzt schon nach ihrem klaren Wortlaut voraus, dass der Anspruch auf eine vom Sozialleistungsträger erbrachte Leistung nachträglich entfällt (allgM, vgl zB BSGE 76, 218 = SozR 3-2500 § 50 Nr 3, Juris RdNr 19; BSG SozR 4-1300 § 104 Nr 5 RdNr 30; Kater in KassKomm, Stand 1.5.2018, § 104 SGB X RdNr 26). Der Anspruch des Versicherten auf die geleistete Reha-Maßnahme gegen die Klägerin entfiel nicht nachträglich, nachdem die Klägerin geleistet hatte. In Betracht käme allenfalls (vgl aber unten, d), dass der Anspruch entfallen war, bevor die Klägerin leistete.

d) Es bestehen keine der grds vorgesehenen Ausschlussgründe für einen Erstattungsanspruch nach § 104 SGB X. Die Beklagte leistete nicht bereits selbst, bevor sie von der Leistung der Klägerin Kenntnis erhielt, sondern gar nicht. Die Klägerin hätte ihre Leistungen nicht erbringen müssen, wenn die Beklagte medizinische Reha nach § 40 Abs 2 SGB V geleistet hätte.

2. Die Klägerin leistete bis auf die Beitragszahlung zur GKV (vgl dazu 3.) rechtmäßig (dazu a), und zwar vergleichbare und zeitlich kongruente Leistungen mit jenen, die die Beklagte nach ihrem Recht zu leisten gehabt hätte (dazu b). Der Erstattungsanspruch besteht auch in der geltend gemachten Höhe (dazu c).

a) Die Leistung der Klägerin als Erstattung begehrender Leistungsträger war bis auf die Beitragszahlung zur GKV (vgl dazu 3.) rechtmäßig, wie es der Erstattungsanspruch voraussetzt (stRspr, vgl zB BSGE 58, 119, 123 f = SozR 1300 § 104 Nr 7; BSGE 70, 186, 195 mwN = SozR 3-1200 § 53 Nr 4; BSGE 74, 36 = SozR 3-1300 § 104 Nr 8, Juris RdNr 20 mwN). Die Klägerin blieb gegenüber dem Versicherten zur Leistung medizinischer Reha zuständig, als der Versicherte den Antrag auf Altersrente stellte (vgl oben, II 1 b bb).

Als gegenüber dem Versicherten zuständigem Leistungsträger oblag es der Klägerin, bei tatsächlichen Änderungen - wie der Rentenantragstellung des Versicherten - zu überprüfen, welche Auswirkungen diese auf den Leistungsanspruch des Versicherten haben. Sie hatte bei wesentlichen Änderungen iS des § 48 SGB X die Leistungsbewilligung zu ändern oder zurückzunehmen. Der Antrag des Versicherten auf Altersrente bewirkte indes keine wesentliche Änderung. Die Klägerin sah rechtmäßig davon ab, die Leistungsbewilligung gegenüber dem Versicherten sachlich zu ändern. Es berührt die Rechtmäßigkeit der Leistungen nicht, dass die Klägerin es unterließ, dem Versicherten die geänderten Rechtsgrundlagen der Leistungen anzugeben (vgl § 42 S 1 SGB X und hierzu BSGE 115, 87 = SozR 4-2500 § 109 Nr 36, RdNr 23 mwN). Der Leistungsanspruch des Versicherten auf medizinische Reha und seine Ansprüche auf ergänzende Leistungen blieben sachlich unverändert bestehen, wenn auch teilweise mit abweichender Bezeichnung, so doch in gleicher Höhe und mit gleichen Wirkungen für den Versicherten.

An die Stelle des Anspruchs auf medizinische Reha gegen die Rentenversicherungsträgerin (vgl § 15 SGB VI), welcher durch die Rentenantragstellung entfiel (vgl § 12 Abs 1 Nr 2 SGB VI), trat ein Anspruch auf stationäre medizinische Rehanach § 40 Abs 2 SGB V (idF durch Art 1 Nr 26 GKV-WSG vom 26.3.2007, BGBl I 378 und Art 6 Nr 6 Pflege-Weiterentwicklungsgesetz vom 28.5.2008, BGBl I 874 mWv 1.7.2008). Die Voraussetzungen dieses Anspruchs waren erfüllt. Der Versicherte hatte Reha beantragt (zum grds Erfordernis vgl § 19 S 1 SGB IV und BSGE 109, 122 = SozR 4-2500 § 42 Nr 1, RdNr 11). Die stationäre medizinische Reha war entsprechend dem Inhalt des geschlossenen Teilvergleichs medizinisch erforderlich. Eine ambulante Leistung nach § 40 Abs 1 SGB V reichte nicht aus. Sie war notwendig, um einer drohenden Behinderung vorzubeugen, sie nach Eintritt zu beseitigen, zu bessern oder eine Verschlimmerung zu verhüten (vgl § 11 Abs 2 S 1 SGB V; zur Feststellung der Notwendigkeit als gebundene Entscheidung vgl bereits zur früheren Rechtslage BSG SozR 4-1500 § 54 Nr 1 RdNr 8; vgl im Übrigen BSGE 113, 231 = SozR 4-2500 § 40 Nr 7, RdNr 10 mwN). Die Leistung konnte nach den für andere Träger der Sozialversicherung geltenden Vorschriften mit Ausnahme des § 31 SGB VI nicht erbracht werden (vgl § 40 Abs 4 SGB V).

Die Klägerin war zudem verpflichtet, Krg, Reisekosten und die noch streitbefangenen Beiträge zur Sozialversicherung zu leisten (vgl §§ 44, 46, 47b - 49 SGB V, § 44 Abs 1 Nr 1, § 45 Abs 1 Nr 1 SGB IX; § 43 Abs 1 SGB V iVm § 44 Abs 1 Nr 5, § 53 SGB IX; § 43 Abs 1 SGB V iVm § 44 Abs 1 Nr 2 SGB IX; den §§ 44, 45 und 53 SGB IX aF entsprechen ab dem 1.1.2018 die §§ 64, 65 und 73 SGB IX nF). Eine Änderung in der Leistungshöhe und den Leistungswirkungen trat durch den Wechsel der Rechtsgrundlagen nicht ein. Hiervon geht auch der Teilvergleich aus. Die Klägerin zahlte dem Versicherten während der medizinischen Reha Übg in Höhe des zuvor bezogenen Arbeitslosengelds (Alg; vgl § 20 Nr 3 Buchst b SGB VI iVm § 21 Abs 4 S 1 SGB VI und § 47b Abs 1 S 1 SGB V). Das für die beklagte KK als vorrangig verpflichteter Leistungsträger geltende Recht (§ 104 Abs 3 SGB X) begründete einen Anspruch auf Krg (§ 44 Abs 1 SGB V) in gleicher Höhe (§ 47b Abs 1 S 1 SGB V). Die Leistung von Übg statt Krg, die den Anspruch auf Krg ruhen ließ (vgl § 49 Abs 1 Nr 3 SGB V), veränderte die mögliche Leistungsdauer des Krg nicht (vgl § 48 Abs 3 SGB V). Der Anspruch auf Reisekosten war ebenfalls gleich (vgl § 28 SGB VI iVm § 44 Abs 1 Nr 5, § 53 SGB IX für Rentenversicherungsträger, § 43 Abs 1 SGB V iVm § 44 Abs 1 Nr 5, § 53 SGB IX für Krankenversicherungsträger). Abgesehen davon, dass Beiträge zur GKV auf das zu leistende Krg nicht anfallen (§ 224 SGB V), änderte sich auch für den Versicherten bezüglich des Anspruchs auf Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen und in der Qualifizierung der rentenrechtlichen Zeiten durch den Wechsel der Rechtsgrundlagen nichts (vgl § 28 SGB VI iVm § 44 Abs 1 Nr 2 SGB IX für Rentenversicherungsträger, § 43 Abs 1 SGB V iVm § 44 Abs 1 Nr 2 SGB IX für Krankenversicherungsträger). Versicherungspflicht bestand, soweit streitgegenständlich, einheitlich in der GKV (§§ 5 Abs 1 Nr 2, 192 Abs 1 Nr 2 und Nr 3 SGB V), in der sozialen Pflegeversicherung (§ 20 Abs 1 S 1 und S 2 Nr 2 SGB XI), im Recht der Arbeitsförderung (vgl § 26 Abs 2 Nr 1 SGB III) und in der GRV (vgl § 3 S 1 Nr 3 SGB VI). Der Versicherte war im Jahr vor Beginn der Leistung wegen des Bezugs von Alg versicherungspflichtig. Auch die Beitragshöhe war gleich (vgl § 345 Nr 5 SGB III; § 55 SGB XI; §§ 166 Abs 1 Nr 2, 170 Abs 1 Nr 2 SGB VI). Die Zeiten der medizinischen Reha waren einheitlich im Sinne der GRV Beitragszeiten (vgl § 55 Abs 1 S 1 SGB VI), nicht Anrechnungszeiten (§ 58 Abs 1 S 3 SGB VI).

b) Es bestanden vergleichbare und zeitlich kongruente Leistungspflichten des leistenden, Erstattung begehrenden Trägers einerseits (der Klägerin) und des als erstattungspflichtig in Anspruch genommenen Trägers (der Beklagten) andererseits (zum Erfordernis vgl zB bei Anwendung des § 14 SGB IX BSGE 105, 271 = SozR 4-2500 § 40 Nr 5, RdNr 19; allgemein in Bezug auf § 104 SGB X zB BSGE 57, 218, 219 = SozR 1300 § 104 Nr 3; BSGE 70, 186, 196 = SozR 3-1200 § 53 Nr 4 mwN; BSGE 74, 36 = SozR 3-1300 § 104 Nr 8, Juris RdNr 19; Kater in KassKomm, Stand 1.5.2018, § 104 SGB X RdNr 21, 22 mwN; Pattar in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl 2017, § 104 SGB X RdNrn 29 ff mwN). Denn die Klägerin hatte dem Versicherten eine stationäre medizinische Reha nebst Reisekosten, Krg und Beiträgen zur Sozialversicherung nach dem SGB V zu leisten.

Dem steht nicht entgegen, dass nach dem Wortlaut des § 40 Abs 2 S 1 SGB V die KK die stationäre Reha mit Unterkunft und Verpflegung in einer nach § 20 Abs 2a SGB IX zertifizierten Reha-Einrichtung erbringt, mit der ein Vertrag nach § 111 SGB V besteht. An einer Zertifizierung der von der Klägerin bestimmten Einrichtung dürfte es gefehlt haben. Die Spitzenverbände der Reha-Träger legten auf der Ebene der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation nämlich erst mit Wirkung vom 1.10.2009 die Anforderungen an ein einrichtungsinternes Qualitätsmanagement und das Verfahren zur Zertifizierung durch die "Vereinbarung zum internen Qualitätsmanagement nach § 20 Abs 2a SGB IX" fest. Nach dem Regelungszweck hatten Versicherte aber auch für die Übergangszeit bis zur Verabschiedung konkreter Vorgaben zur Zertifizierung Anspruch darauf, dass ihnen die KK die zu beanspruchenden Reha-Leistungen in stationären Einrichtungen gewährten, mit denen lediglich ein Versorgungsvertrag nach § 111 SGB V bestand (vgl BSGE 113, 231 = SozR 4-2500 § 40 Nr 7, RdNr 14; BSG Urteil vom 7.5.2013 - B 1 KR 53/12 R - Juris RdNr 16 mwN). Es ist für die Kongruenz ohne Belang, inwieweit für die von der Klägerin bestimmte Reha-Einrichtung, die der Versicherte nutzte, ein Versorgungsvertrag nach § 111 SGB V bestand, denn sie entsprach entsprechend dem Teilvergleich in der Sache den Anforderungen des § 111 SGB V (vgl BSGE 98, 277 = SozR 4-2500 § 40 Nr 4, RdNr 19).

c) Die Höhe des Erstattungsanspruchs beläuft sich nach dem Inhalt des geschlossenen Teilvergleichs unter Einbeziehung der Beitragserstattung zur GKV (vgl dazu 3.) auf den streitgegenständlichen Zahlbetrag.

3. Die Beklagte hat auch die ihr zu Unrecht entrichteten Beiträge zur GKV entsprechend dem Teilvergleich zu erstatten (vgl auch § 26 Abs 2 SGB IV). Beiträge zur GKV fielen auf das zu leistende Krg nicht an (§ 224 SGB V).

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 SGG iVm § 154 Abs 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 1 und 3 sowie § 47 Abs 1 GKG.

Hinweis zur Verwendung von Cookies

Wir verwenden ausschließlich Sitzungs-Cookies, die für die einwandfreie Funktion unserer Webseite erforderlich sind. Mit der Nutzung unserer Dienste erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir diese Cookies einsetzen. Unsere Informationen zum Datenschutz erhalten Sie über den Link Datenschutz.

OK