Bundessozialgericht

Bundessozialgericht Urteil vom 30.10.2019, B 6 KA 21/18 R

Kassenärztliche Vereinigung - Honorarverteilung - Stützungszahlungen zum Ausgleich starker Honorarverluste anlässlich einer Umstellung der Systematik - Ausschluss sogenannter Wachstumsärzte - Verletzung des Grundsatzes der Honorarverteilungsgerechtigkeit

Leitsätze

Der Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit wird verletzt, wenn Vertragsärzte nur deshalb von Stützungszahlungen zum Ausgleich starker Honorarverluste anlässlich einer Umstellung der Systematik der Honorarverteilung ausgeschlossen werden, weil sie sich noch in der Wachstumsphase befinden und daher ihre Fallzahlen bis zum Durchschnitt ihrer Arztgruppe steigern können.

Tenor

Auf die Revision des Klägers werden die Urteile des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 23. Januar 2018 und des Sozialgerichts Kiel vom 11. November 2015 sowie die Honorarbescheide für das Quartal 1/2009 vom 17. August 2009, 22. September 2010 und 3. Juli 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. September 2012 und des Bescheides vom 28. Juni 2018 geändert. Die Beklagte wird verpflichtet, über die Gewährung von Konvergenzstützung für dieses Quartal unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in allen Rechtszügen.

Tatbestand

Im Streit steht die Höhe des Honoraranspruchs für das Quartal 1/2009 und dabei insbesondere die Frage, ob Ärzte in den ersten Jahren ihrer vertragsärztlichen Tätigkeit (Anfängerpraxen bzw sog "Wachstumsärzte") von Honorarstützungsmaßnahmen der Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) im Rahmen der grundlegenden Umgestaltung des Vergütungssystems zum 1.1.2009 (sog Konvergenzregelung) ausgeschlossen werden durften.

Der Kläger, ein Facharzt für Plastische Chirurgie sowie für Chirurgie und Unfallchirurgie mit den Zusatzbezeichnungen Handchirurgie und Intensivmedizin, ist seit August 2004 auf der Insel zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Er verfügt über eine Genehmigung zur Teil-Radiologie und stellt als einziger Arzt die radiologische Versorgung auf dieser Insel sicher. Zudem wurde ihm mit Wirkung vom 1.1.2009 die Genehmigung zur Teilnahme am Vertrag zur Förderung der Qualität der vertragsärztlichen Versorgung im Bereich des ambulanten Operierens (Strukturvertrag AOP) erteilt. Außerdem betreibt er die "Klinik".

Die beklagte KÄV teilte dem Kläger vor Beginn des Quartals 1/2009 mit, dass ihm als "Wachstumsarzt", der weniger als fünf Jahre zugelassen sei, für unter das Regelleistungsvolumen (RLV) fallende Leistungen eine Obergrenze in Höhe von maximal 18 225,15 Euro zur Verfügung stehe (Bescheid vom 19.12.2008). Die Obergrenze ergab sich durch Multiplikation der durchschnittlichen Fallzahl der Fachgruppe (647,2) mit dem arztgruppenspezifischen Fallwert von 28,16 Euro. Der Kläger erhob mit Schreiben vom 19.1.2009 Widerspruch; im Juli 2009 beantragte er aufgrund von Praxisbesonderheiten - insbesondere massiv überdurchschnittlich anfallende Röntgenleistungen - die Gewährung von Zuschlägen auf den Fallwert der Arztgruppe sowie vorsorglich auch eine Härtefallanpassung.

Die Beklagte bewilligte dem Kläger für das Quartal 1/2009 zunächst ein Honorar von (brutto - ohne die Fälle sonstiger Kostenträger) 36 403,10 Euro. Dabei legte sie 504 RLV-relevante Fälle dieses Quartals, ein RLV von 14 192,64 Euro sowie ein Zusatzbudget Radiologie von 2520 Euro zugrunde. Insgesamt gewährte sie für die unter das RLV fallenden Leistungen, für die der Kläger 25 181,90 Euro angefordert hatte, ein Honorar von 18 304,73 Euro, wobei die radiologischen Leistungen, die der Kläger in Höhe von 8280,30 Euro abgerechnet hatte, lediglich in Höhe von 3602,85 Euro vergütet wurden (Honorarbescheid vom 17.8.2009). Mit weiterem Bescheid vom 22.9.2010 bewilligte die Beklagte zur Sicherstellung der radiologischen Versorgung auf der Insel zusätzliches Honorar in Höhe von 4675,74 Euro (brutto). Die radiologischen Leistungen wurden nunmehr mit dem Orientierungspunktwert von 3,5001 Cent und damit praktisch zu 100 % vergütet. Schließlich zahlte die Beklagte weitere 206,26 Euro (brutto) im Hinblick auf die Aufnahme des Klägers in den Strukturvertrag AOP (Bescheid vom 3.7.2012), sodass der Kläger für das Quartal 1/2009 insgesamt ein Honorar in Höhe von 41 285,10 Euro (brutto) erhielt. Im Vorjahresquartal 1/2008 hatte sein Honorar noch 50 267 Euro betragen.

Der Kläger erhob auch gegen den Honorarbescheid vom 17.8.2009 Widerspruch. Mit Schreiben vom 25.8.2009 und vom 30.9.2009 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass Praxisbesonderheiten nicht anerkannt werden könnten, da er mit seiner Abrechnung den durchschnittlichen Fallwert lediglich um 19,3 % überschreite. Auch eine Teilnahme an der Konvergenzregelung scheide aus, weil der Kläger im Quartal 1/2009 die durchschnittliche Fallzahl seiner Arztgruppe nicht erreicht habe. In seiner Widerspruchsbegründung begehrte der Kläger weiterhin eine Anhebung des RLV aus Sicherstellungsgründen (Härtefallanpassung) sowie eine Teilnahme an der Konvergenzregelung. Ein sachlicher Grund dafür, "Wachstumsärzte", deren Fallzahl noch unterhalb der durchschnittlichen Fallzahl der Fachgruppe liege, von der Konvergenzregelung auszuschließen, bestehe nicht. Zudem sei die Situation seiner Praxis auf der Insel dadurch gekennzeichnet, dass typischerweise im 3. Quartal des Jahres weit überdurchschnittliche und in den Winterquartalen weit unterdurchschnittliche Fallzahlen anfielen. Es sei widersinnig, eine Honorarstützung nur im Sommerquartal vorzunehmen und in den anderen Quartalen zu versagen. Die Beklagte wies - abgesehen von der bereits erwähnten Nachvergütung der radiologischen Leistungen - den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 5.9.2012 - zugleich auch für die - hier nicht mehr streitbefangenen - Quartale 2/2009 bis 3/2011). Die Konvergenzregelung habe erst ab dem Quartal 3/2009 zur Anwendung gebracht werden können, da der Kläger zuvor als Wachstumsarzt einzuordnen gewesen sei, der die durchschnittliche Fallzahl der Fachgruppe nicht erreicht habe.

Der Kläger hat mit seiner Klage eine Honorarstützung nach der Konvergenzregelung verlangt. Er sei infolge der Umstellung der Honorarverteilungssystematik auf RLV von erheblichen Honorarrückgängen betroffen gewesen. Da er zwar noch im Vorjahresquartal 1/2008, aber nicht mehr im Quartal 1/2009 als "Wachstumsarzt" zu qualifizieren sei, stehe ihm eine Konvergenzstützung zu. Sein für die Konvergenzregelung maßgebliches Vergleichshonorar im Quartal 1/2008 habe 49 734,90 Euro betragen, sodass er eine Verlustbegrenzung bis zu dem Betrag von 46 004,78 Euro (dh 92,5 % des Vergleichshonorars) beanspruchen könne.

Das SG hat die Beklagte unter Änderung der bisherigen Honorarabrechnung für das Quartal 1/2009 zur erneuten Bescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts verurteilt. Der Kläger könne als "Wachstumsarzt" zwar keine Verlustbegrenzung auf 7,5 % nach der Konvergenzvereinbarung beanspruchen. Doch habe er Anspruch auf befristete Ausgleichszahlungen bei einem Honorarverlust von mehr als 15 % gemäß Ziffer 5 Nr 4.1 und 4.3 der 1. Ergänzungsvereinbarung zu der vom Landesschiedsamt festgesetzten "Vereinbarung zur Honorierung vertragsärztlicher Leistungen im Jahre 2009" (HVV). Der Honorarverlust des Klägers sei als Härtefall im Sinne dieser Regelung anzuerkennen (Urteil vom 11.11.2015).

Gegen die Entscheidung hat nur der Kläger Berufung eingelegt und weiterhin eine Konvergenzstützung mit Begrenzung seines Honorarverlusts gegenüber dem Vorjahresquartal auf 7,5 % gefordert. Das LSG hat das Rechtsmittel zurückgewiesen (Urteil vom 23.1.2018). Die Konvergenzregelung sei auf den Kläger im Quartal 1/2009 nicht anwendbar, da dieser sich noch in der Wachstumsphase befunden und seine Fallzahl deutlich unter der Fallzahl der Fachgruppe gelegen habe. Dass die Gesamtvertragspartner "Wachstumsärzte" generell von der Konvergenzstützung ausgenommen hätten, sei nicht zu beanstanden. Der Rechtsprechung des BSG könne nicht entnommen werden, dass Wachstumspraxen mit unterdurchschnittlichen Fallzahlen in etwaige "Konsolidierungsvorschriften" einbezogen werden müssten. Ihr Ausschluss begründe keinen Verstoß gegen den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit, da Wachstumspraxen im Vergleich zu etablierten Arztpraxen nicht im Wesentlichen gleichartig seien. Die Honorierung der Wachstumspraxen sei auf schnelles Anwachsen und die der etablierten Praxen eher auf Konsolidierung ausgerichtet. Zwar hätten die Vertragspartner durchaus auch den Wachstumspraxen den gleichen Bestandsschutz wie den etablierten Praxen gewähren können, zumal das zum 1.1.2009 eingeführte RLV-System auch bei Letzteren zu erheblichen Umsatzeinbußen habe führen können. Letztlich handele es sich aber "um eine noch im Rahmen der Rechtmäßigkeit befindliche Normsetzung", da sich Wachstumspraxen noch nicht in gleicher Weise auf ein bestimmtes Honorarniveau hätten einstellen können und ihnen deshalb nicht der gleiche Bestandsschutz habe zuteilwerden müssen wie den etablierten Praxen. Zu berücksichtigen sei, dass auch den Wachstumspraxen zumindest ein gewisser Bestandsschutz - Begrenzung der Honorarverluste auf maximal 15 % - zukomme, wie das SG zutreffend erkannt habe. Ihre Schlechterstellung gegenüber den etablierten Praxen beim Bestandsschutz durch Versagung der Begrenzung auf 7,5 % sei im Hinblick auf ihre Besserstellung bei den Wachstumsmöglichkeiten "als (noch) verhältnismäßig hinzunehmen".

Die Beklagte hat nach Verkündung des LSG-Urteils die ihr im Urteil des SG auferlegte Verpflichtung zur erneuten Bescheidung umgesetzt und dem Kläger einen Stützungsbetrag in Höhe von 1482,44 Euro (brutto) bewilligt, um eine Honorarminderung gegenüber dem Vorjahresquartal 1/2008 von mehr als 15 % zu vermeiden (Bescheid vom 28.6.2018).

Der Kläger rügt mit seiner Revision eine Verletzung von § 87b Abs 2 und Abs 5 SGB V (in der Fassung des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes <GKV-WSG> vom 26.3.2007, BGBl I 378 <aF>) sowie des aus Art 12 Abs 1 iVm Art 3 Abs 1 GG abzuleitenden Grundsatzes der Honorarverteilungsgerechtigkeit. Wie der Senat im Urteil vom 24.1.2018 (B 6 KA 2/17 R - SozR 4-2500 § 87b Nr 13) bereits entschieden habe, verstoße die Zuerkennung nur einer Obergrenze anstelle eines RLV für die Wachstumspraxis des Klägers gegen die Vorgaben in § 87b Abs 2 und Abs 5 SGB V aF. Daher könne die Nichtanwendung der Konvergenzregelung nicht mit dem Hinweis darauf gerechtfertigt werden, dass den "Wachstumsärzten" kein RLV, sondern eine Obergrenze zugeordnet werde. Mit der Regelung in Teil A Ziffer 1.1 Satz 1 der 2. Ergänzungsvereinbarung zur HVV vom 3.4.2009, dass die Konvergenzregelung nur auf Ärzte anzuwenden sei, die sich in keiner Wachstumsphase befinden, seien die regionalen Gesamtvertragspartner in unzulässiger Weise von den Vorgaben des Bewertungsausschusses (BewA) auf Bundesebene abgewichen. In dem zugrundeliegenden Beschluss des Erweiterten BewA (EBewA) vom 15.1.2009 sei an keiner Stelle eine Ausnahmeregelung für Wachstumspraxen hinsichtlich der Anwendung der Konvergenzregelung normiert worden. Ein Spielraum für abweichende Regelungen der Vertragspartner der HVV habe daher nicht bestanden.

Die von den regionalen Gesamtvertragspartnern getroffene Ausschlussregelung führe zudem zu einer nicht zu rechtfertigenden Diskriminierung der Wachstumspraxen und damit zu einer Verletzung des Grundsatzes der Honorarverteilungsgerechtigkeit. Während etablierte Praxen aufgrund der Konvergenzregelung ihre Verluste infolge der Umstellung des Honorarsystems auf 7,5 % begrenzen könnten, werde dies den Wachstumspraxen verwehrt. Diese Art der Honorarverteilung sichere den etablierten Praxen eine noch attraktive Höhe vergangener Einkünfte sowie einen bedeutsamen Wettbewerbsvorteil. Hingegen habe der Senat bereits entschieden, dass eine KÄV nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet sei, auch im Rahmen von RLV unterdurchschnittlich abrechnende Praxen ebenso wie Anfänger- oder Aufbaupraxen zu stützen (Hinweis auf BSG Urteil vom 18.8.2010 - B 6 KA 27/09 R - SozR 4-2500 § 85 Nr 58 RdNr 46 und BSG Urteil vom 5.6.2013 - B 6 KA 47/12 R - SozR 4-2500 § 87b Nr 3 RdNr 29).

Der Kläger beantragt,
die Urteile des Schleswig-Holsteinischen LSG vom 23.1.2018 und des SG Kiel vom 11.11.2015 sowie die Honorarbescheide für das Quartal 1/2009 vom 17.8.2009, 22.9.2010 und 3.7.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5.9.2012 und des Bescheides vom 28.6.2018 zu ändern und die Beklagte zu verpflichten, über die Gewährung einer Konvergenzstützung für dieses Quartal unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden.

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung des LSG für zutreffend. Der Kläger könne aus dem Urteil des BSG vom 24.1.2018 (B 6 KA 2/17 R - SozR 4-2500 § 87b Nr 13) für sich nichts herleiten, da diese Entscheidung nur zu der Konstellation einer Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) mit "Wachstumsarzt" ergangen sei und in der Begründung ganz wesentlich auf diesen Gesichtspunkt abstelle. Ein Einzelarzt erfahre aufgrund der Zuteilung nur einer Obergrenze keinerlei Nachteile. Zudem komme es hier streitentscheidend nicht auf die Bildung einer Obergrenze, sondern nur auf die Eigenschaft als "Wachstumsarzt" an. Soweit der Kläger auf den Beschluss des EBewA vom 15.1.2009 Bezug nehme, lasse er außer Acht, dass dieser mit Beschluss des EBewA vom 27.2.2009 geändert worden sei. Im Beschluss vom 27.2.2009 habe der EBewA den Partnern der Gesamtverträge die nähere Ausgestaltung eines Konvergenzverfahrens überlassen und auf konkrete Vorgaben verzichtet, wie der Senat bereits im Urteil vom 2.8.2017 (B 6 KA 7/17 R - SozR 4-2500 § 87b Nr 12 RdNr 41) entschieden habe. Eine Abweichung von Vorgaben des EBewA liege deshalb nicht vor. Die allein der Konsolidierung dienende Konvergenzregelung habe unter Berücksichtigung ihres Sinns und Zwecks die "Wachstumsärzte" von ihrem Anwendungsbereich wirksam ausschließen können. Zwischen den etablierten Praxen und den "Wachstumsärzten" bestünden wesentliche Unterschiede, die ein differenziertes Vorgehen im Hinblick auf die Konvergenzregelung rechtfertigten. Eine Verpflichtung der KÄV, Anfänger- und Aufbaupraxen in der gleichen Weise wie bereits seit längerer Zeit etablierte Praxen zu stützen, bestehe nicht. Das BSG habe im Urteil vom 21.10.1998 (B 6 KA 71/97 R - BSGE 83, 52, 58 = SozR 3-2500 § 85 Nr 28 S 207, juris RdNr 24) anerkannt, dass zwischen etablierten Praxen und Praxen in der Gründungsphase Unterschiede von solchem Ausmaß und Gewicht bestehen, die einer schematischen Gleichbehandlung entgegenstehen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision des Klägers ist begründet (§ 170 Abs 2 Satz 1 SGG). Die vorinstanzlichen Entscheidungen sowie die Bescheide der Beklagten können keinen Bestand haben, soweit sie einen Anspruch des Klägers auf Stützung seines vertragsärztlichen Honorars nach Maßgabe der Konvergenzvereinbarung ausschließlich unter Berufung darauf verneinen, dass dieser im maßgeblichen Zeitraum noch in der Anfangsphase seiner vertragsärztlichen Tätigkeit (sog "Wachstumsarzt") war. Die Beklagte hat insoweit erneut über den Honoraranspruch des Klägers für das Quartal 1/2009 unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Senats zu entscheiden (§ 131 Abs 3 SGG).

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens - ebenso wie bereits des Klage- und Berufungsverfahrens - ist nur die Frage, ob der Kläger eine weitergehende Honorarstützung entsprechend der Konvergenzvereinbarung beanspruchen kann. Auf diesen abtrennbaren Aspekt beschränkte er von Anfang an sein Begehren auf Neubescheidung, mit dem er ausschließlich "für das Quartal 1/2009 eine Honorarstützung im Rahmen der 'Konvergenzregelung' " verlangte (Klagebegründung vom 15.10.2015 sowie Berufungsbegründung vom 27.1.2017; vgl BSG Urteil vom 23.2.2005 - B 6 KA 77/03 R - SozR 4-1500 § 92 Nr 2 RdNr 8 ff, 12 f). Dass die Beklagte bei der Festsetzung seines Honorars für das Quartal 1/2009 ein RLV zugrunde legte, welches durch Multiplikation der RLV-relevanten Fallzahl des Abrechnungsquartals (504) mit dem Fallwert seiner Fachgruppe (28,16 Euro) berechnet worden war und das sie später hinsichtlich der radiologischen Leistungen zur Sicherstellung der Versorgung um rund 4676 Euro erhöhte (qualifikationsgebundenes Zusatzbudget), ist ebenso wie der ursprüngliche Bescheid vom 19.12.2008 zur Zuweisung einer Obergrenze (anstelle eines RLV) hier nicht streitbefangen. Damit ist für das vorliegende Verfahren unerheblich, ob - wovon der Kläger ausgeht - der Senat im Urteil vom 24.1.2018 (B 6 KA 2/17 R) entschieden hat, dass die Zuweisung lediglich einer Obergrenze anstelle eines fixen RLV-Betrags generell (also auch bei einem Einzelarzt) unzulässig ist, oder ob der Ansicht der Beklagten zu folgen sein könnte, diese Bewertung beziehe sich ausschließlich auf die Konstellation einer BAG.

Nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens ist auch, dass das SG die Beklagte verurteilt hat, über einen Anspruch des Klägers auf Ausgleichszahlungen wegen eines Honorarverlusts von über 15 % erneut zu entscheiden. Da die Beklagte gegen dieses Urteil keine Berufung eingelegt hat, ist es insoweit rechtskräftig geworden und für die Beteiligten verbindlich (§ 141 Abs 1 SGG). Der diese Verpflichtung umsetzende Bescheid der Beklagten vom 28.6.2018 verringerte zwar die Beschwer des Klägers und stellte ihn teilweise klaglos, doch verblieb es im Übrigen bei der Ablehnung der von ihm verlangten weitergehenden Stützung nach Maßgabe der Konvergenzregelung. In einer solchen Konstellation findet die Sonderregelung des § 171 SGG, der zufolge ein während des Revisionsverfahrens (oder des vorangegangenen Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, vgl BSG Urteil vom 23.6.1981 - 1 RA 3/80 - SozR 1500 § 171 Nr 2 S 2 f, juris RdNr 20 f) erlassener ändernder Verwaltungsakt als mit der Klage vor dem SG angefochten gilt, keine Anwendung. Vielmehr hat das BSG über das Revisionsbegehren unter Zugrundelegung des ursprünglichen Verwaltungsakts in der Gestalt, den dieser durch den ändernden Bescheid erhalten hat, zu entscheiden (BSG Urteil vom 6.9.2017 - B 13 R 20/14 R - BSGE 124, 98 = SozR 4-3250 § 48 Nr 1, RdNr 18 mwN; BSG Urteil vom 13.2.2019 - B 6 KA 51/17 R - SozR 4-2500 § 75 Nr 20 RdNr 15; Söhngen in jurisPK-SGG, § 171 RdNr 12, Stand 30.4.2019).

2. Die Entscheidung der Beklagten, den Kläger als "Wachstumsarzt", dessen Fallzahl noch nicht die Durchschnittsfallzahl der Fachgruppe erreicht hatte, generell von der Anwendung der Konvergenzregelung auszuschließen, erweist sich als rechtswidrig.

a) Ausgangspunkt der hier streitbefangenen Sonderregelungen zur Honorarfestsetzung in einer Übergangsphase (sog Konvergenzphase) aufgrund der vom Gesetz ab 1.1.2009 zwingend in allen KÄV-Bezirken angeordneten Honorarverteilung nach Maßgabe einer Euro-Gebührenordnung sowie unter Zugrundelegung von arzt- und praxisbezogenen RLV (§ 87b SGB V aF - zu den allgemeinen Rechtsgrundlagen der Honorarverteilung ab 1.1.2009 s näher BSG Urteil vom 24.1.2018 - B 6 KA 2/17 R - SozR 4-2500 § 87b Nr 13 RdNr 19 ff) ist der Beschluss des EBewA (vgl § 87 Abs 4 und Abs 5 SGB V) in dessen 7. Sitzung am 27./28.8.2008 ( 2008, A-1988). Der EBewA legte in Teil F Ziffer 3.7 dieses Beschlusses unter der Überschrift "Ausgleich von überproportionalen Honorarverlusten" fest, dass die KÄV im Einvernehmen mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich befristete Ausgleichszahlungen an die Arztpraxis leisten kann, sofern sich deren Honorar um mehr als 15 % gegenüber dem Vorjahresquartal verringert und die Honorarminderung mit der Umstellung der Mengensteuerung auf die neue Systematik oder dadurch begründet ist, dass die Partner der Gesamtverträge bisherige Regelungen zu den sogenannten extrabudgetären Leistungen, Leistungsarten und Kostenerstattungen nicht fortgeführt haben. Über das Verfahren der Umsetzung sollten sich die Partner der Gesamtverträge einigen.

Diesen Beschluss ergänzte der EBewA in der 9. Sitzung (Teil 1) am 15.1.2009 mit Wirkung zum 1.1.2009 ( 2009, A-308) in Teil A (Konvergenzphase für die Vereinheitlichung der Umsetzung der arzt- und praxisbezogenen RLV) Ziffer 1 dahingehend, dass zur Vermeidung überproportionaler Honorarverluste und zur Sicherung der flächendeckenden Versorgung mit vertragsärztlichen Leistungen zunächst die im Beschluss vom 27./28.8.2008 in Teil F Ziffer 3.6 und 3.7 sowie Anlage 1 beschlossenen Regelungen anzuwenden sind. Sofern es trotz Anwendung dieser Regelungen nachweislich weiterhin zu überproportionalen Honorarverlusten und zu Problemen der Sicherstellung kommen sollte, konnten die Partner der Gesamtverträge einvernehmlich ab 1.4.2009 (ggf auch rückwirkend zum 1.1.2009) und zeitlich begrenzt bis zum 31.12.2010 das unter Ziffer 2. bis 4. näher dargestellte Konvergenzverfahren beschließen, wobei von den Vorgaben in Teil F Ziffer 3.7 des Beschlusses des EBewA vom 27./28.8.2008 zur Höhe des Honorarverlustes - mehr als 15 % - abgewichen werden konnte.

Bereits in der 10. Sitzung am 27.2.2009 änderte der EBewA den Teil A des Beschlusses vom 15.1.2009 ( 2009, A-574). Nunmehr war vorgesehen, dass die Partner der Gesamtverträge zur Vermeidung überproportionaler Honorarverluste und zur Sicherung der flächendeckenden Versorgung mit vertragsärztlichen Leistungen ohne Verweis auf zunächst vorrangig zu ergreifende Maßnahmen ab 1.4.2009 (ggf auch rückwirkend zum 1.1.2009) und zeitlich begrenzt bis zum 31.12.2010 "ein Verfahren zur schrittweisen Anpassung der Steuerung der vertragsärztlichen Leistungen, insbesondere der arzt- und praxisbezogenen RLV (Konvergenzverfahren)" beschließen können, sofern diese Honorarverluste durch die Umstellung der Steuerung auf die neue Systematik bedingt sind.

Diese bundesrechtlichen Vorgaben des EBewA setzte die Beklagte zusammen mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen für ihren Bezirk zunächst in einer "1. Ergänzungsvereinbarung zu der vom Landesschiedsamt am 25.11.2008 festgelegten Vereinbarung zur Honorierung vertragsärztlicher Leistungen im Jahre 2009 (vom 12.2.2009 - im Folgenden: 1. Ergänzungsvereinbarung) um. In dem durch Ziffer 5 dieser Vereinbarung neu gefassten Teil D Ziffer 4 HVV war in Ziffer 4.3 vorgesehen, dass befristete Ausgleichszahlungen an eine Arztpraxis geleistet werden können, sofern sich deren Gesamthonorar um mehr als 15 % gegenüber dem Vorjahresquartal verringert und die Honorarminderung mit der Umstellung der Mengensteuerung auf die neue Systematik usw begründet ist. Gemäß Ziffer 10 der 1. Ergänzungsvereinbarung sollte diese Änderung am 1.1.2009 in Kraft treten; zugleich wurde die Absicht erklärt, den Beschluss des EBewA vom 15.1.2009 später in einer 2. Ergänzungsvereinbarung umzusetzen, welche die Regelungen der 1. Ergänzungsvereinbarung vollständig übernehmen und ablösen sollte.

Die regionalen Gesamtvertragspartner schlossen sodann am 3.4.2009 die "2. Ergänzungsvereinbarung zu der vom Landesschiedsamt am 25.11.2008 festgelegten Vereinbarung zur Honorierung vertragsärztlicher Leistungen im Jahre 2009" (im Folgenden: 2. Ergänzungsvereinbarung) mit Regelungen "zur Vermeidung von überproportionalen Honorarverlusten und zur Sicherung der flächendeckenden Versorgung" (Teil A Abs 1 Satz 1 aaO) für das erste Halbjahr 2009. Dabei nahmen sie hinsichtlich der Rechtsgrundlage Bezug auf den Beschluss des EBewA vom 27.2.2009 zur Änderung von Teil A des Beschlusses vom 15.1.2009. Teil A dieser 2. Ergänzungsvereinbarung lautet (auszugsweise) wie folgt:
"1. Festlegung von Grenzwerten des GKV-Gesamtumsatzes für RLV-relevante Arztgruppen
1.1 Anwendung
1Die Konvergenzregelung findet grundsätzlich Anwendung für Ärzte in Arztpraxen oder anderen Berufsausübungsgemeinschaften, die einer RLV-relevanten Arztgruppe zugeordnet sind und sich in keiner Wachstumsphase befinden. 2Honoraranteile von Praxispartnern ohne RLV oder in einer Wachstumsphase bleiben unberücksichtigt. 3Die Anwendung der Beschränkung der Umsatzveränderungen der einzelnen Arztpraxen auf die mit den Grenzwerten festgelegte Höhe erfolgt getrennt je Versorgungsbereich unter folgenden Bedingungen:
a. (…)
b. Die die Grenzwerte nach 1.2 überschreitende Höhe der Umsatzveränderung im Vergleich zum Vorjahresquartal ist nicht durch von der Praxis zu verantwortende Gründe entstanden und durch die Umstellung der Mengensteuerung auf die neue Systematik begründet.
c. Der GKV-Umsatz der jeweiligen Arztpraxis (bezogen auf Ärzte mit RLV) im Abrechnungsquartal weicht um mehr als die vereinbarte Höhe der Grenzwerte gemäß 1.2 vom Umsatz des jeweiligen Basisquartals 2008 ab.
d. Das RLV der Praxen mit Honorarverlusten im Sinne 1.2 a. ist ausgeschöpft.
e. (…)

1.2 Grenzwerte des GKV-Gesamtumsatzes
a. 'Praxen mit Honorarverlusten'
Verluste der Praxen werden im ersten Halbjahr 2009 auf maximal 7,5 % Verlust im GKV-Umsatz begrenzt.
b. 'Praxen mit Honorargewinnen'
b.1 Gewinne der Praxen werden grundsätzlich auf 0 % im GKV-Umsatz begrenzt.
b.2 (…)"

Die Regelungen dieser 2. Ergänzungsvereinbarung für das 1. Halbjahr 2009 waren bereits Gegenstand der Entscheidung des Senats vom 2.8.2017 (B 6 KA 3/17 R - juris RdNr 42; die Parallelentscheidung zu den Quartalen 1 und 2/2010 - B 6 KA 7/17 R - ist in SozR 4-2500 § 87b Nr 12 veröffentlicht). Der Senat hat in jenem Urteil ausgeführt, dass offenbleiben könne, ob die vom EBewA und von den Gesamtvertragspartnern getroffenen Regelungen zur Begrenzung überproportionaler Honorarverluste insgesamt rechtmäßig sind. Dabei hat er insbesondere auf sein Urteil vom 5.6.2013 (B 6 KA 47/12 R - SozR 4-2500 § 87b Nr 3 RdNr 16 ff) hingewiesen, in dem er Regelungen im Bezirk der KÄV Baden-Württemberg zur Begrenzung von Gewinnen solcher Praxen, die nach dem neuen Honorarsystem Zuwächse zu verzeichnen hatten, zur Finanzierung der Honorarverluste anderer Praxen für unwirksam erklärt hat, weil sie insoweit weder den gesetzlichen Vorgaben noch den Beschlüssen des EBewA entsprachen. Die Rechtmäßigkeit der im Bezirk der hiesigen Beklagten erfolgten Zahlung eines Konvergenzzuschlags im Quartal 1/2009 zur Begrenzung von Honorarverlusten auf maximal 7,5 % hat der Senat im Urteil vom 2.8.2017 (B 6 KA 3/17 R - aaO) jedoch nicht in Frage gestellt.

b) Hier muss im Hinblick auf die insoweit eingetretene Bestandskraft der Entscheidung des SG nicht weiter geklärt werden, ob nach dem Wirksamwerden der 2. Ergänzungsvereinbarung, die die regionalen Gesamtvertragspartner am 3.4.2009 mit Wirkung für das 1. Halbjahr 2009 abschlossen (vgl dort Teil A Abs 1 Satz 2), die in der 1. Ergänzungsvereinbarung vom 12.2.2009 vorgesehene Ausgleichszahlung bei Verringerung des Gesamthonorars einer Arztpraxis um mehr als 15 % (ohne Ausschluss der "Wachstumsärzte") überhaupt noch anwendbar ist (vgl Ziffer 10 Satz 2 und 3 der 1. Ergänzungsvereinbarung). Jedenfalls ist der Ausschluss von "Wachstumsärzten" mit noch unterdurchschnittlichen Fallzahlen von einer Konvergenzstützung bei Verringerung des Praxishonorars um mehr als 7,5 %, den die 2. Ergänzungsvereinbarung in Teil A Ziffer 1.1 Satz 1 normiert, mit dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit nicht vereinbar.

aa) Der Kläger ist, wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, im Quartal 1/2009 noch als "Arzt in der Wachstumsphase" im Sinne von Teil D Ziffer 2.1 HVV (idF von Ziffer 3 der 1. Ergänzungsvereinbarung vom 12.2.2009) zu behandeln. Darunter fallen nach der genannten Bestimmung alle Ärzte, die innerhalb des abzurechnenden Quartals weniger als fünf Jahre niedergelassen sind und deren RLV-relevante Fallzahl unterdurchschnittlich ist (vgl BSG Urteil vom 2.8.2017 - B 6 KA 7/17 R - SozR 4-2500 § 87b Nr 12 RdNr 45). Das war bei dem im August 2004 zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Kläger, der im hier streitbefangenen Quartal 1/2009 mit 504 für das RLV relevanten Fällen eine im Vergleich zum Durchschnitt seiner Arztgruppe (647,2) deutlich unterdurchschnittliche Fallzahl aufwies, weiterhin der Fall. Darauf, dass "im Abrechnungszeitraum des Quartals 1/2009" - also bei Erlass des Honorarbescheids im August 2009 - der Zeitraum von fünf Jahren nach Niederlassung schon überschritten war, kommt es nach der Bestimmung in Teil D Ziffer 2.1 HVV nicht an; der Kläger macht das im Revisionsverfahren auch nicht mehr geltend.

bb) Der Kläger kann sich nicht mit Erfolg auf die Ausnahmeregelung im Grundsatzbeschluss des Vorstands der Beklagten vom 28.8.2009 zur "Anwendung der Konvergenzregelung bei Wachstumspraxen" berufen. Nach diesem Beschluss konnte Wachstumspraxen, die im Quartal 1/2009 den Fallzahldurchschnitt erreichen, "auf Antrag (…) im Einzelfall eine Teilnahme an der Konvergenzregelung ermöglicht werden, um hohe Honorarverluste zu vermeiden". Ungeachtet der Problematik, ob der Vorstand der Beklagten überhaupt befugt war, einseitig die Vorgaben der mit den Krankenkassen abgeschlossenen 2. Ergänzungsvereinbarung zur HVV zu modifizieren, hat der Kläger das in dem Vorstandsbeschluss aufgestellte Kriterium für eine Anwendung der Ausnahmeregelung nicht erfüllt. Wie bereits ausgeführt, war seine Fallzahl im Quartal 1/2009 von der durchschnittlichen Fallzahl seiner Arztgruppe noch deutlich entfernt.

cc) Der Ausschluss von Ärzten, die sich noch in der Wachstumsphase befinden, von den allen sonstigen Praxen nach Maßgabe der Konvergenzvereinbarung bei hohen Honorarverlusten zu gewährenden Stützungszahlungen ist mit höherrangigem Bundesrecht nicht vereinbar.

aaa) Das ergibt sich allerdings nicht aus einem Widerspruch der auf regionaler Ebene vereinbarten Konvergenzregelung zu den bundesrechtlichen Vorgaben des EBewA. Die Revision macht insoweit geltend, die Regelungen der 2. Ergänzungsvereinbarung würden auf den Beschluss des EBewA vom 15.1.2009 mit detaillierten Vorgaben für regionale Konvergenzvereinbarungen aufsetzen; in diesen Vorgaben seien jedoch an keiner Stelle Ausnahmen von einer Anwendung der Konvergenzregelung in Bezug auf Wachstumspraxen vorgesehen. Demgegenüber führt die Beklagte zutreffend aus, dass die Regelungen der 2. Ergänzungsvereinbarung gerade nicht auf dem Beschluss des EBewA in der 9. Sitzung (Teil 1) vom 15.1.2009 beruhen, sondern vielmehr auf der erheblich geänderten Fassung des Beschlusses des EBewA in der 10. Sitzung vom 27.2.2009 ( 2009, A-574 - s hierzu Teil A Abs 1 Satz 2 der 2. Ergänzungsvereinbarung). Der Beschluss des EBewA vom 27.2.2009 eröffnete den Partnern der Gesamtverträge zwar die Befugnis, zur Vermeidung von überproportionalen Honorarverlusten und zur Sicherung der flächendeckenden Versorgung ein Verfahren zur schrittweisen Anpassung (Konvergenzverfahren) zu beschließen, sofern die Honorarverluste durch die Umstellung auf die neue Systematik begründet sind (Teil A Ziffer 1 und 2 aaO). Er begründete jedoch keine Verpflichtung zur Etablierung eines Konvergenzverfahrens und enthielt inhaltliche Vorgaben nur noch für die antrags- und genehmigungspflichtigen Leistungen der Richtlinien-Psychotherapie sowie für die Trennung der haus- und fachärztlichen Vergütung (Teil A Ziffer 3 aaO).

bbb) Der generelle Ausschluss von "Wachstumsärzten" von einer zur Vermeidung überproportionaler Honorarverluste eingeführten Honorarstützungsregelung im Rahmen der hier einschlägigen Konvergenzvereinbarung ist jedoch mit dem bundesrechtlichen Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit unvereinbar.

(1) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist der aus Art 3 Abs 1 iVm Art 12 Abs 1 GG abzuleitende Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit verletzt, wenn vom Prinzip der gleichmäßigen Vergütung abgewichen wird, obwohl zwischen den betroffenen Ärzten bzw Arztgruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, die eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen (so bereits BSG Urteil vom 21.10.1998 - B 6 KA 71/97 R - BSGE 83, 52, 58 = SozR 3-2500 § 85 Nr 28 S 207). Dabei ist von den Gerichten der Gestaltungsspielraum des jeweiligen Normgebers zu beachten; dieser kann von dem Grundsatz einer leistungsproportionalen Verteilung des Honorars aus sachlichem Grund abweichen (BSG Urteil vom 25.3.2015 - B 6 KA 22/14 R - SozR 4-2500 § 85 Nr 82 RdNr 36 mwN).

(2) Auch bei Beachtung dieser Grenzen gerichtlicher Kontrolle kann der Ausschluss der "Wachstumsärzte" von konvergenzbedingten Honorarstützungsmaßnahmen in Teil A Ziffer 1.1 Satz 1 der 2. Ergänzungsvereinbarung keinen Bestand haben. Sachlich tragfähige Gründe für diese Differenzierung bestehen nicht.

(a) Der von der Beklagten und vom LSG angeführte Differenzierungsgrund, dass den "Wachstumsärzten" auch im RLV-System ein schnelles Wachstum ihrer Praxis bis zum Fachgruppendurchschnitt ermöglicht worden sei, während das Wachstum für bereits etablierte Ärzte aufgrund der RLV beschränkt wurde, vermag diesen Ausschluss nicht zu rechtfertigen.

Für eine Rechtfertigung von Differenzierungen im Lichte von Art 3 Abs 1 GG genügt es nicht, irgendwelche Unterschiede zwischen zwei Vergleichsgruppen festzustellen. Vielmehr bedarf es der Rechtfertigung gerade durch solche Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind (stRspr, vgl BVerfG Beschluss vom 23.5.2017 - 2 BvR 883/14 ua - BVerfGE 145, 304 RdNr 82 mwN). Insoweit ist hier von maßgeblicher Bedeutung, dass es das Ziel der Konvergenzregelung war, Praxen, die nicht durch selbst zu verantwortende Gründe, sondern infolge der Umstellung der Mengensteuerung auf die neue RLV-Honorarverteilungssystematik von besonders starken Honorarverlusten betroffen waren (vgl Teil A Ziffer 1 des Beschlusses des EBewA vom 27.2.2009 sowie Teil A Ziffer 1.1 Buchst b der 2. Ergänzungsvereinbarung vom 3.4.2009), übergangsweise mit Ausgleichszahlungen zu stützen, um sie vor den oftmals existenzbedrohenden Folgen sprunghafter Honoraränderungen zu schützen (s dazu auch Kröger, Honorarreform 2009 - Fakten und Argumente, Nordlicht aktuell, Ausgabe 6/2009, S 10, 12).

Der Umstand, dass es sich bei einer von solch starken, nicht selbst zu verantwortenden Honorarverlusten betroffenen Praxis um eine Anfängerpraxis in den ersten fünf Jahren ihres Bestehens handelt, rechtfertigt es nicht, ihr Stützungszahlungen mit dem Hinweis darauf zu versagen, dass diese Praxis sich nach den Regelungen der HVV mit einem überproportionalen Fallzahlenwachstum im Vergleich zum Vorjahresquartal hätte selbst helfen können. Zwar ist im Grundsatz anerkannt, dass eine unter einem Aspekt benachteiligende Regelung durch andere begünstigende Regelungen ausgeglichen werden kann, sodass im Ergebnis ein Gleichheitsverstoß nicht festzustellen ist (vgl BVerfG <Kammer> Beschluss vom 8.6.2016 - 1 BvR 3634/13 - juris RdNr 19). Hier ist allerdings zu berücksichtigen, dass einer Anfängerpraxis die Begünstigung eines unbegrenzten Fallzahlenwachstums bis zum Fachgruppendurchschnitt nur dann zugute kommt, wenn es ihr tatsächlich gelingt, die Fallzahl zu steigern. Ob das in dem von der Umstellung des Honorarsystems vorgegebenen zeitlichen Rahmen sowie in dem zum Ausgleich der umstellungsbedingten Honorarverluste erforderlichen Umfang realisierbar ist, kann maßgeblich von Umständen abhängen, die der einzelne Arzt nicht oder nur begrenzt beeinflussen kann (zB Wettbewerbssituation im Einzugsbereich der Praxis, Begrenzung der potentiellen Patientenzahl aufgrund einer Insellage). Haben Gründe, die der Arzt in der Wachstumsphase selbst beeinflussen konnte, zu einer den festgelegten Grenzwert überschreitenden Umsatzveränderung (Honorarverlust) geführt - zB Verkürzung der angebotenen Sprechstundenzeiten oder Defizite bei der Betreuung der Patienten -, folgt daraus ohnehin, dass eine Konvergenzstützung unterbleibt (vgl Teil A Ziffer 1.1 Buchst b der 2. Ergänzungsvereinbarung: "Umsatzveränderung im Vergleich zum Vorjahresquartal ist nicht durch von der Praxis zu verantwortende Gründe entstanden"). Beruhen die eingetretenen Honorarverluste aber auf Umständen, die der Arzt nicht beeinflussen konnte, so kann eine Anfängerpraxis von Verwerfungen, die durch eine Umstellung der Honorarsystematik ausgelöst werden, ebenso hart betroffen sein wie bereits etablierte Praxen. Gemessen am Ziel der Konvergenzregelung, unverschuldet von starken Honorarverlusten infolge einer Umstellung des Honorarsystems betroffene Praxen vorübergehend zu stützen, kann deshalb für Anfängerpraxen der bloße Verweis auf ihre potentiellen Wachstumsmöglichkeiten kein adäquater Ausgleich für den generellen Ausschluss von der Begünstigung sein.

(b) Eine Versagung der Konvergenzstützung kann auch nicht damit gerechtfertigt werden, dass Anfängerpraxen in den ersten fünf Jahren ihrer vertragsärztlichen Tätigkeit noch nicht in demselben Umfang Vertrauen auf ein bestimmtes Honorarniveau haben aufbauen können wie schon längere Zeit etablierte Praxen. Sinn und Zweck der Konvergenzstützung als Ausnahme von den allgemeinen Regeln der Honorarverteilung ist nicht der Bestandsschutz von bereits längere Zeit etablierten Praxen ("beati possidentes"), sondern im Interesse der Sicherstellung einer flächendeckenden vertragsärztlichen Versorgung (vgl Teil A Ziffer 1 Satz 1 des Beschlusses des EBewA vom 27.2.2009, 2009, A-574) der Schutz vor unvorhersehbaren erheblichen Honorarverlusten, die für Praxen existenzbedrohend sein können. Ein schützenswertes Vertrauen darauf, dass sich die rechtlichen Grundlagen für den Honoraranspruch nicht sprunghaft und übergangslos verschlechtern, besteht aber nicht erst nach einer mehr als fünfjährigen vertragsärztlichen Tätigkeit, sondern auch schon in den ersten Jahren nach Aufnahme einer solchen Tätigkeit. Das gilt ganz besonders dann, wenn hierfür der - zumeist kreditfinanzierte - Kauf einer Vertragsarztpraxis erforderlich war (vgl § 103 Abs 4 Satz 8 SGB V). Gerade kleinere Arztpraxen, die sich erst etablieren müssen und dabei nur langsam wachsen, können in besonderer Weise auf Ausgleichszahlungen für unvorhersehbare erhebliche Honorarverluste infolge der Einführung eines neuen Honorarsystems angewiesen sein. Deshalb hat der Senat bereits in früheren Entscheidungen ausgeführt, dass in einer solchen Situation die KÄV nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet ist, "auch im Rahmen von RLV unterdurchschnittlich abrechnende Praxen wie auch sogenannte 'Anfänger- oder Aufbaupraxen' zu stützen" (BSG Urteil vom 18.8.2010 - B 6 KA 27/09 R - SozR 4-2500 § 85 Nr 58 RdNr 46; bekräftigt in BSG Urteil vom 5.6.2013 - B 6 KA 47/12 R - SozR 4-2500 § 87b Nr 3 RdNr 29 am Ende).

Nichts anderes ergibt sich aus dem Urteil vom 21.10.1998 (B 6 KA 71/97 R - BSGE 83, 52, 58 = SozR 3-2500 § 85 Nr 28 S 207). Das von der Beklagten wiedergegebene Zitat statuiert, wenn der Kontext berücksichtigt wird, kein generelles Gebot einer unterschiedlichen Behandlung von Praxen in der Gründungsphase einerseits und etablierten Praxen andererseits. Es bezieht vielmehr die Pflicht zur Differenzierung ausdrücklich auf Regelungen in einem Honorarverteilungsmaßstab zur "Begrenzung von Vergütungsansprüchen auf das in der Vergangenheit erreichte Punktzahlvolumen". Gerade hierauf gründet sich die Verpflichtung, "Wachstumsärzten" im System der RLV das Erreichen der durchschnittlichen Fallzahl der Fachgruppe RLV-wirksam zu ermöglichen. Bei der hier zu beurteilenden Regelung geht es jedoch nicht um Honorarbegrenzungsmaßnahmen, sondern um die Begünstigung durch eine zusätzliche Stützungszahlung im Falle umstellungsbedingter Honorarverluste in einem für die Praxen existenzbedrohlichen Ausmaß und somit um eine grundlegend andere Konstellation.

(c) Dass mit dem Ausschluss der Anfängerpraxen von Stützungszahlungen aufgrund der Konvergenzregelung eine sachlich nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung einhergeht, wird nicht zuletzt daran deutlich, dass Anfängerpraxen, die bereits innerhalb der ersten fünf Jahre die durchschnittliche Fallzahl ihrer Arztgruppe erreichen, nicht mehr als in der Wachstumsphase befindlich angesehen werden (Teil D Ziffer 2.1 Satz 1 HVV idF der 1. Ergänzungsvereinbarung) und deshalb von der Versagung von Konvergenzzahlungen nicht mehr betroffen sind (ggf - bei Erreichen der Durchschnittsfallzahl erstmals ab dem Quartal 1/2009 - entsprechend dem Beschluss des Vorstands der Beklagten vom 28.8.2009 auf Antrag nach einer Einzelfallentscheidung). Damit ist im Ergebnis für Anfängerpraxen allein ihre Größe (Fallzahl) dafür maßgeblich, ob sie bei Verwerfungen infolge der Einführung des neuen Honorarsystems Stützungszahlungen erhalten können. Kleineren, in der Regel wirtschaftlich schlechter gestellten Anfängerpraxen wird die Begünstigung versagt, während große Anfängerpraxen ebenso wie schon längere Zeit etablierte Praxen - auch solche mit unterdurchschnittlicher Fallzahl - von der Konvergenzregelung profitieren können. Eine Rechtfertigung hierfür ist nicht erkennbar.

dd) Die Unvereinbarkeit der Regelung zum Ausschluss von Ärzten in der Wachstumsphase vom Anwendungsbereich der Konvergenzregelung (Teil A Ziffer 1.1 Satz 1 der 2. Ergänzungsvereinbarung) hat zur Folge, dass vor einer abschließenden Entscheidung der Beklagten die regionalen Gesamtvertragspartner zunächst darüber befinden müssen, auf welche Weise sie den festgestellten Gleichheitsverstoß beheben. Ihnen stehen dazu regelmäßig drei Möglichkeiten zur Verfügung: Einbeziehung der gleichheitswidrig ausgeschlossenen Gruppe in die Begünstigung, vollständige Abschaffung der Begünstigung oder die Abgrenzung des Kreises der Begünstigten nach anderen, dem Art 3 Abs 1 GG entsprechenden Merkmalen. Von welcher dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht werden soll, bleibt grundsätzlich dem weiten Gestaltungsspielraum des Normgebers überlassen (dazu ausführlich BSG Urteil vom 3.4.2019 - B 6 KA 67/17 R - juris RdNr 24 mwN - zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen). Auch in der hier vorliegenden Konstellation kann der gleichheitswidrige Ausschluss der Anfängerpraxen von der Konvergenzregelung nicht ausschließlich dadurch behoben werden, dass diesen nunmehr die Honorarstützung in unveränderter Form ebenfalls zugute kommt (vgl BSG aaO RdNr 25). Das macht es erforderlich, dass vor einer erneuten Bescheidung des Honoraranspruchs des Klägers für das Quartal 1/2009 die Gesamtvertragspartner erneut über die Konvergenzregelung für diesen Zeitraum zu beschließen haben, sofern das vorliegende Verfahren nicht anderweitig zum Abschluss gebracht wird (vgl § 101 SGG).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 1 VwGO. Danach hat die Beklagte als unterlegene Beteiligte die Kosten für alle Rechtszüge zu tragen.

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