Bundessozialgericht

Bundessozialgericht Urteil vom 08.07.2020, B 12 KR 1/19 R

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 27. November 2018 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Erhebung und Erstattung von Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und sozialen Pflegeversicherung (sPV) auf die Kapitalleistung einer Lebensversicherung für die Zeit von August 2011 bis März 2015 streitig.

Der am 15.3.1950 geborene Kläger war in der Zeit vom 1.8.2011 bis zum 31.3.2013 als Beschäftigter in Altersteilzeit und anschließend bis zum 31.3.2015 in der Krankenversicherung der Rentner bei der beklagten Krankenkasse kranken- und der beigeladenen Pflegekasse pflegeversichert. Neben seiner Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) bezieht er eine Betriebsrente.

Die frühere Arbeitgeberin des Klägers schloss zum 1.7.1988 für ihn eine Lebensversicherung als Direktversicherung innerhalb eines Gruppenversicherungsvertrags auf den Todes- und Erlebensfall ab (Nr 6). Während nach einer Bescheinigung des Versicherers vom 23.10.1990 die Versicherung am 1.7.2010 enden sollte, sieht eine weitere Bescheinigung vom 22.3.1999 den 1.7.2015 als Ablauftag vor, wobei die Versicherungsleistung bereits in den letzten fünf Jahren vor Ablauf abgerufen werden könne. Versicherungsnehmerin war bis zur Auszahlung der Kapitalleistung in Höhe von 58 390,07 Euro an den Kläger am 1.7.2011 seine Arbeitgeberin.

Die beklagte Krankenkasse setzte - auch im Namen der beigeladenen Pflegekasse - für die Zeit ab 1.8.2011 Beiträge zur GKV und sPV in Höhe von insgesamt 84,91 Euro monatlich fest. Dabei legte sie 1/120 des ausgezahlten Kapitalbetrags zugrunde (Bescheid vom 25.8.2011). Für die Zeit ab 1.4.2013 wurden monatliche Beiträge zur GKV und sPV in Höhe von insgesamt 176,65 Euro erhoben (Bescheid vom 22.5.2013). Den nach Zurückweisung des Widerspruchs (Widerspruchsbescheid vom 30.10.2013) gestellten Antrag des Klägers auf Überprüfung der Beitragsfestsetzung und Erstattung bereits gezahlter Beiträge lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 29.3.2014, Widerspruchsbescheid vom 14.8.2014).

Das SG Lüneburg hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 12.5.2017). Das LSG Niedersachsen-Bremen hat die Berufung zurückgewiesen. Bei der Lebensversicherung aufgrund eines Gruppenversicherungsvertrags handele es sich unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG und des BVerfG um eine in der GKV und sPV beitragspflichtige betriebliche Altersversorgung. Die Kapitalleistung beruhe auf einer Direktversicherung, deren Versicherungsnehmerin die Arbeitgeberin des Klägers gewesen sei. Damit komme es auf von einem Arbeitnehmer gezahlte Versicherungsprämien nicht an. Die Lebensversicherung stehe im Zusammenhang mit der früheren Beschäftigung des Klägers und habe Entgeltersatzfunktion. Der vorzeitige Abruf der Leistung durch den Kläger ändere daran ebenso wenig wie ein Ablaufdatum zum 1.7.2010 (Urteil vom 27.11.2018).

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG), der § 237 Abs 1 Satz 1 Nr 2, § 226 Abs 1 Satz 1 Nr 3 und § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 5 und Satz 3 SGB V sowie des Art 3 Abs 1 GG. Die ihn in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG unterstützende Person habe sich nicht hinreichend äußern können. Bei der 1988 vereinbarten Direktversicherung handele es sich nicht um betriebliche Altersversorgung, sondern um eine besondere Form der Abgeltung für übertariflich geleistete Mehrarbeit. Die bereits 2011 während der Freistellungsphase ausgezahlte Kapitalleistung habe nicht der Versorgung, sondern der Überbrückung in den Ruhestand gedient. Es fehle am zeitlichen Zusammenhang zwischen Auszahlung der Versicherungssumme und seinem Eintritt in die Rente erst am 1.4.2013 und damit auch an der notwendigen Einkommensersatzfunktion. Vergleichbar einem Wertguthaben habe er durch "Lohnverzicht" erworbene Leistungen lange vor Erreichen der Regelaltersgrenze abgerufen. Zudem setzte eine betriebliche Altersversorgung das Vorliegen der Voraussetzungen des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (Betriebsrentengesetz - BetrAVG) voraus. Die Arbeitgeberin habe aber weder eine Zusage im Sinne des BetrAVG erteilt noch eine Haftung übernommen. Auch sehe das BetrAVG eine betriebliche Altersversorgung frühestens mit Beginn einer Altersrente der GRV vor. Ungeachtet dessen seien bereits für die Versicherungsprämien Beiträge zur Sozialversicherung - soweit sein Verdienst nicht ohnehin die Beitragsbemessungsgrenze überschritten habe - und pauschale Steuern entrichtet worden. Wegen der oberhalb der Entgeltgrenze erzielten Arbeitseinkünfte habe er in seiner aktiven Phase nicht von der Beitragsfreiheit in der GKV und sPV profitiert. Riesterrenten seien in der Auszahlungsphase hingegen beitragsfrei. Auch werde er gegenüber Beziehern einer nur zur Hälfte beitragspflichtigen Rente der sogenannten zweiten Schweizer Säule ungerechtfertigt schlechter behandelt. Die ausgezahlte Kapitalleistung sei auch nicht iS des § 229 Abs 1 Satz 3 SGB V an die Stelle einer Rentenzahlung getreten.

Betreffend die Höhe der Beiträge zur sPV für April 2013 hat die Beklagte ein Teilanerkenntnis abgegeben, das der Kläger angenommen hat.

Der Kläger beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 27. November 2018 und des Sozialgerichts Lüneburg vom 12. Mai 2017 sowie den Bescheid der Beklagten vom 29. März 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. August 2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 25. August 2011 insgesamt sowie den Bescheid vom 22. Mai 2013, jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. Oktober 2013, sowie in der Fassung des Teilanerkenntnisses vom 8. Juli 2020 insoweit zurückzunehmen, als auf die Kapitalleistung der A Lebensversicherungs (Nr 6) Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung festgesetzt worden sind, sowie die insoweit für die Zeit vom 1. August 2011 bis zum 31. März 2015 gezahlten Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Die Beigeladene stellt keinen Antrag.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Das LSG hat verfahrensfehlerfrei (dazu A.) hinsichtlich des nicht durch die Annahme des Teilanerkenntnisses erledigten Rechtsstreits (§ 101 Abs 2 SGG) dessen Berufung gegen das die Klage abweisende Urteil des SG zu Recht zurückgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 29.3.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.8.2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Sie hat es zu Recht abgelehnt, ihre über das Teilanerkenntnis hinausgehende Beitragsfestsetzung in den Bescheiden vom 25.8.2011 und 22.5.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.10.2013 zurückzunehmen, soweit die Kapitalleistung der A Lebensversicherungs betroffen ist (dazu B.).

A. Der Kläger hat die geltend gemachte Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG) nicht hinreichend dargelegt. Es sind nicht alle Tatsachen bezeichnet, die den Verfahrensmangel ergeben sollen (vgl § 164 Abs 2 Satz 3 SGG). Das Vorbringen, eine den Kläger als Beistand unterstützende Person habe sich in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG nicht umfassend äußern dürfen, genügt hierfür nicht. Es fehlt bereits an Ausführungen dazu, welche entscheidungserheblichen Umstände der Beistand ohne die gerügte Gehörsverletzung noch vorgetragen hätte.

B. Die Voraussetzungen des § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X für eine (weitere) Rücknahme der Beitragsfestsetzung in den Bescheiden vom 25.8.2011 und 22.5.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.10.2013 liegen nicht vor. Die Beklagte hat weder das Recht unrichtig angewandt noch einen unrichtigen Sachverhalt zugrunde gelegt und deshalb zu Unrecht Beiträge erhoben. Die Beitragsfestsetzung - auch im Namen der Beigeladenen - ist weder dem Grunde noch der Höhe nach zu beanstanden (dazu 1.) und begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (dazu 2.).

1. Rechtsgrundlage für die Beitragserhebung auf die Kapitalleistung sind § 237 Satz 1 Nr 2, § 226 Abs 1 Satz 1 Nr 3 und § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB V idF des Gesetzes zur Strukturreform im Gesundheitswesen (Gesundheits-Reformgesetzes - GRG) vom 20.12.1988 (BGBl I 2477) sowie § 57 Abs 1 Satz 1 SGB XI idF des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der GKV (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes - GKV-WSG) vom 26.3.2007 (BGBl I 378) und des Gesetzes zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf vom 23.12.2014 (BGBl I 2462). Danach wird der Bemessung der Beiträge bei in der GKV pflichtversicherten Beschäftigten neben dem Arbeitsentgelt aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung und bei versicherungspflichtigen Rentnern neben dem Zahlbetrag der Rente der GRV auch der Zahlbetrag der der Rente vergleichbaren Einnahmen zugrunde gelegt. Als der Rente vergleichbare Einnahmen (Versorgungsbezüge) gelten "Renten der betrieblichen Altersversorgung", soweit sie wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit oder zur Alters- oder Hinterbliebenenversorgung erzielt werden. Tritt an die Stelle der Versorgungsbezüge eine nicht regelmäßig wiederkehrende Leistung oder ist eine solche Leistung vor Eintritt des Versicherungsfalls vereinbart oder zugesagt worden, gilt nach § 229 Abs 1 Satz 3 SGB V in der seit 1.1.2004 geltenden Fassung des Gesetzes zur Modernisierung der GKV (GKV-Modernisierungsgesetz - GMG) vom 14.11.2003 (BGBl I 2190) ein 1/120 der Leistung als monatlicher Zahlbetrag der Versorgungsbezüge, längstens jedoch für 120 Monate.

Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die dem Kläger ausgezahlte Kapitalleistung erfüllt die wesentlichen Merkmale der betrieblichen Altersversorgung (dazu a) und dient seiner Versorgung im Alter (dazu b). Eine Finanzierung durch Mehrarbeit (dazu c) steht dem ebenso wenig entgegen wie die Aufbringung der Mittel aus bereits verbeitragtem Arbeitsentgelt (dazu d) und die Auszahlung als einmaliger Betrag (dazu e).

a) Die dem Kläger ausgezahlte Lebensversicherung ist eine betriebliche Altersversorgung iS des § 229 Abs 1 Nr 5 SGB V. Wesentliche Merkmale einer Rente der betrieblichen Altersversorgung als einer mit der Rente aus der GRV vergleichbaren Einnahme iS des Beitragsrechts der GKV sind ein Zusammenhang zwischen dem Erwerb dieser Rente und der früheren Beschäftigung sowie ihre Entgelt-Ersatzfunktion. Hierzu gehören auch Leistungen, die aus einer vom Arbeitgeber für den Arbeitnehmer vereinbarten Direktversicherung iS des § 1 Abs 2 Nr 4 BetrAVG (idF des Gesetzes zur Einführung einer kapitalgedeckten Hüttenknappschaftlichen Zusatzversicherung und zur Änderung anderer Gesetze - Hüttenknappschaftliches Zusatzversicherungs-Neuregelungs-Gesetz - HZvNG - vom 21.6.2002 <BGBl I 2167>) gezahlt werden. Um eine solche Direktversicherung handelt es sich, wenn - wie hier - für die betriebliche Altersversorgung eine Lebensversicherung auf das Leben des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber abgeschlossen wird und der Arbeitnehmer oder seine Hinterbliebenen hinsichtlich der Leistung des Versicherers ganz oder teilweise bezugsberechtigt sind (stRspr; zuletzt BSG Urteil vom 26.2.2019 -B 12 KR 17/18 R - BSGE 127, 254 = SozR 4-2500 § 229 Nr 24, RdNr 14 mwN).

Dabei ist es unerheblich, ob die Arbeitgeberin ausdrücklich eine Versorgungs- oder Versicherungszusage gegeben hat. Vielmehr ist es nach ständiger Rechtsprechung sowohl des BSG als auch des BVerfG zur Einordnung als Leistung der betrieblichen Altersversorgung (zuletzt BVerfG <Kammer> Beschluss vom 17.6.2020 - 1 BvR 1134/15 - juris RdNr 15) notwendig, aber auch ausreichend, dass der Durchführungsweg der Direktversicherung gewählt und der institutionelle Rahmen des Betriebsrentenrechts genutzt wird, weil der Arbeitgeber Versicherungsnehmer und der Arbeitnehmer Begünstigter des Versicherungsvertrags ist (BSG Urteil vom 26.2.2019 aaO RdNr 18 mwN; BVerfG <Kammer> Beschluss vom 28.9.2010 - 1 BvR 1660/08 - SozR 4-2500 § 229 Nr 11 RdNr 12). Das ist hier der Fall. Der Kläger ist nicht in die Stellung als Versicherungsnehmer eingerückt. Einer Direktversicherung iS des § 1 Abs 2 Nr 4 BetrAVG unter Fortbestand des institutionellen Rahmens des Betriebsrentenrechts ist die Versorgungszusage immanent. Eines zusätzlichen ausdrücklichen Versorgungsversprechens bedarf es ebenso wenig wie eines Rückgriffs auf arbeitsrechtliche Absprachen, insbesondere dazu, ob die aus dem Arbeitsentgelt des Arbeitnehmers gezahlten Beiträge von einer Versorgungszusage des Arbeitgebers umfasst waren (BVerfG <Kammer> Beschluss vom 27.6.2018 - 1 BvR 100/15 und 1 BvR 249/15 - SozR 4-2500 § 229 Nr 27 RdNr 17; BVerfG <Kammer> Beschluss vom 6.9.2010 - 1 BvR 739/08 - SozR 4-2500 § 229 Nr 10 RdNr 16).

Darüber hinaus kommt es nicht darauf an, ob zudem sämtliche Voraussetzungen einer betrieblichen Altersversorgung nach dem BetrAVG erfüllt sind. Der Senat hat den Begriff der betrieblichen Altersversorgung im Sinne des Beitragsrechts seit jeher eigenständig und unabhängig von der Legaldefinition in § 1 Abs 1 Satz 1 BetrAVG verstanden. Da das Beitrags- und Betriebsrentenrecht unterschiedliche Zielsetzungen verfolgen, ist der Begriff der betrieblichen Altersversorgung nach Zweck und Systematik des Beitragsrechts abzugrenzen. Dieses kontextabhängige beitragsrechtliche Begriffsverständnis hat das BVerfG nicht beanstandet (BSG Urteil vom 23.7.2014 - B 12 KR 28/12 R - BSGE 116, 241 = SozR 4-2500 § 229 Nr 18, RdNr 11; vgl BVerfG <Kammer> Beschluss vom 28.9.2010 - 1 BvR 1660/08 - SozR 4-2500 § 229 Nr 11 RdNr 13).

b) Die im Juli 2011 ausgezahlte Lebensversicherung diente der Versorgung des Klägers im Alter. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Versicherung bereits am 1.7.2010 oder - verbunden mit einem vorzeitigen Abrufrecht - erst am 1.7.2015 enden sollte. Eine Versicherungsleistung ist dann der betrieblichen Altersversorgung zuzurechnen, wenn sie die Versorgung des Arbeitnehmers im Alter oder bei Invalidität bezweckt, also der Sicherung des Lebensstandards nach dessen Ausscheiden aus dem Erwerbsleben dienen soll. Dieser Versorgungszweck kann sich auch aus der vereinbarten Laufzeit ergeben (BSG Urteil vom 26.2.2019 - B 12 KR 13/18 R - SozR 4-2500 § 229 Nr 25 RdNr 11 mwN) und dadurch objektivieren. Eine zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ausdrücklich vereinbarte Zweckbestimmung ist hingegen nicht erforderlich.

Bei einem im Versicherungsvertrag geregelten Laufzeitende am 1.7.2015 ist der Versorgungszweck schon deshalb erfüllt, weil der Kläger zu diesem Zeitpunkt nach dem bei Vertragsabschluss im Jahre 1988 geltenden Recht das erforderliche Alter für den Bezug von Altersruhegeld (Vollendung des 65. Lebensjahres, vgl § 1248 Abs 5 Reichsversicherungsordnung, § 25 Abs 5 Angestelltenversicherungsgesetz) erreicht hatte. Im Falle eines bereits für den 1.7.2010 vereinbarten Versicherungsendes hatte der Kläger zu diesem Zeitpunkt sein 60. Lebensjahr vollendet. Auch eine auf die Vollendung des 60. Lebensjahres bezogene Direktversicherung dient nach der Rechtsprechung des Senats der Altersversorgung (BSG Urteil vom 12.11.2008 - B 12 KR 6/08 R - SozR 4-2500 § 229 Nr 7 RdNr 13). Dass der Kläger tatsächlich erst später zum 1.4.2013 Rentner wurde, ist unerheblich. Es kommt für den Versorgungszweck einer Versicherungsleistung nicht darauf an, ob im Einzelfall die konkreten Voraussetzungen für den Bezug einer Rente wegen Alters nach dem Recht der GRV zum Laufzeitende (Auszahlungsdatum) erfüllt sind. Entscheidend ist vielmehr, ob der Zweck der betrieblichen Altersversorgung bei typisierender Betrachtung mit dem Versorgungszweck einer Altersrente nach dem SGB VI vergleichbar ist (BSG Urteil vom 12.5.2020 - B 12 KR 22/18 R - juris RdNr 23, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Dies ist der Fall, weil jedenfalls die Möglichkeit der (vorzeitigen) Inanspruchnahme einer Altersrente nach geltendem Recht grundsätzlich ab dem 60. Lebensjahr in Betracht kommt (zB § 36 Satz 2, § 37 Satz 2, § 236a Abs 1 Satz 2 und Abs 2 Satz 1 Halbsatz 2 SGB VI, § 237 Abs 3 Satz 2 und Abs 5 SGB VI). Daher steht auch das flexible Abrufrecht ab 1.7.2010 hier nicht entgegen.

Die Altersteilzeit des Klägers führt zu keiner anderen Beurteilung. Mit deren Inanspruchnahme im Blockmodell machte der Kläger vielmehr von einem gesetzlichen Gestaltungsrecht Gebrauch, das es ihm ermöglichte, vor Erreichen der Regelaltersgrenze tatsächlich aus dem Erwerbsleben auszuscheiden. Der dadurch bedingte Verzicht auf einen Teil seines Entgelts wurde mit der Auszahlung der Lebensversicherung kompensiert, die seinen Lebensstandard im Alter sichert.

Die Kapitalzahlung erfüllt nicht einen "Überbrückungszweck". Eine nicht der betrieblichen Altersversorgung zuzuordnende Überbrückungsleistung liegt vor, wenn die Zusage des Arbeitgebers nach ihrem objektiven Inhalt den Übergang in ein neues Arbeitsverhältnis oder in den Ruhestand erleichtern soll (BSG Urteil vom 29.7.2015 - B 12 KR 4/14 R - SozR 4-2500 § 229 Nr 19 RdNr 22). Zur Abgrenzung solcher Überbrückungsleistungen von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung hat sich der Senat an der Rechtsprechung des BAG orientiert, das in ständiger Rechtsprechung (vgl BAG Urteil vom 28.10.2008 - 3 AZR 317/07 - BAGE 128, 199 RdNr 24 mwN) unabhängig von den subjektiven Vorstellungen und Beweggründen der Arbeitsvertragsparteien auf den objektiven Inhalt der Leistung blickt und vor allem dem vereinbarten Leistungsbeginn große Bedeutung beimisst. An der Eigenschaft als Versorgungsbezug fehlt es daher, wenn bei der Zusage von Leistungen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses für den Leistungsbeginn auf ein Lebensalter abgestellt wird, das nach der Verkehrsanschauung typischerweise nicht schon als Beginn des Ruhestands gelten kann, und wenn diese Zuwendung bis zum Eintritt in den gesetzlichen Ruhestand befristet ist. Als Lebensalter, das nach der Verkehrsanschauung typischerweise nicht schon als Beginn des Ruhestands gelten kann, hat der Senat ein Alter von 55 bzw 50 Jahren angesehen (BSG Urteil vom 20.7.2017 - B 12 KR 12/15 R - BSGE 124, 20 = SozR 4-2500 § 229 Nr 21, RdNr 14 mwN). Danach ist hier für die Annahme einer Überbrückungsleistung kein Raum. Weder wurde die Direktversicherung mit dem Zweck des Übergangs in ein neues Arbeitsverhältnis noch als Zusage für Mitarbeiter abgeschlossen, die typischerweise noch nicht aus dem Berufsleben ausscheiden. Auch eine Befristung auf die Zeit bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze ist weder festgestellt noch ersichtlich.

c) Die Finanzierung der Direktversicherung durch vom Kläger als Arbeitnehmer geleistete übertarifliche Mehrarbeit beseitigt ihren Charakter als betriebliche Altersversorgung nicht. Wurde - wie hier - der Versicherungsvertrag zu Gunsten des Arbeitnehmers vom Arbeitgeber als Versicherungsnehmer abgeschlossen, liegen der Rente vergleichbare Einnahmen in Form betrieblicher Altersversorgung selbst dann vor, wenn die Versicherungsprämien ganz oder teilweise aus dem Arbeitsentgelt des Arbeitnehmers aufgebracht wurden. Es ist unerheblich, ob der Versorgungsbezug im Einzelfall ganz oder zum Teil auf Leistungen des Arbeitgebers oder allein auf Leistungen des Arbeitnehmers oder des Bezugsberechtigten beruht (BSG Urteil vom 26.2.2019 - B 12 KR 17/18 R - BSGE 127, 254 = SozR 4-2500 § 229 Nr 24, RdNr 16 mwN; vgl auch BVerfG <Kammer> Beschluss vom 17.6.2020 - 1 BvR 1134/15 - juris RdNr 15). Das gilt unabhängig davon, ob es sich um die Vergütung von Mehrarbeit handelt, die ebenso Teil der Gegenleistung des Arbeitgebers für die geleistete Arbeit ist. Soweit der Kläger insoweit auf die Vorschriften über Wertguthaben hinweist, führt das zu keinem anderen Ergebnis. Eine Wertguthabenvereinbarung unterliegt nach §§ 7b ff SGB IV einem eigenen Regelungssystem und wurde vom Kläger und seiner Arbeitgeberin nicht geschlossen. Im Übrigen sind auch ausgezahlte Wertguthaben beitragspflichtig (vgl § 23b SGB IV).

d) Ebenso ist es unerheblich, ob die Beiträge zur Lebensversicherung aus dem Brutto- oder Nettoarbeitsentgelt aufgebracht worden sind. Ein Anspruch auf Erhalt der in der Ansparphase gegebenen Beitragsfreiheit bis in die Auszahlphase lässt sich aus dem Gesetz und der Verfassung nicht herleiten. Auch kommt es nicht darauf an, dass die Lebensversicherung gegebenenfalls aus einem Arbeitsentgelt oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze finanziert wird (BSG Urteil vom 26.2.2019 - B 12 KR 17/18 R - BSGE 127, 254 = SozR 4-2500 § 229 Nr 24, RdNr 17 mwN). Zudem existiert kein Grundsatz, dass mit aus bereits der Beitragspflicht unterliegenden Einnahmen vom Versicherten selbst finanzierte Versorgungsbezüge der Beitragspflicht überhaupt nicht oder jedenfalls nicht mit dem vollen Beitragssatz unterworfen werden dürfen (BSG Urteil vom 8.10.2019 - B 12 KR 2/19 R - SozR 4-2500 § 229 Nr 28 RdNr 19; vgl auch BVerfG <Kammer> Beschluss vom 6.9.2010 - 1 BvR 739/08 - SozR 4-2500 § 229 Nr 10 RdNr 10).

e) Schließlich steht der Beitragsfestsetzung auch nicht entgegen, dass der Kläger aus der Direktversicherung keine laufenden Leistungen, sondern eine Einmalzahlung erhalten hat. Tritt an die Stelle der Versorgungsbezüge eine nicht regelmäßig wiederkehrende Leistung oder ist eine solche Leistung vor Eintritt des Versicherungsfalls vereinbart oder zugesagt worden, gilt nach § 229 Abs 1 Satz 3 SGB V ein 1/120 der Leistung als monatlicher Zahlbetrag der Versorgungsbezüge, längstens jedoch für 120 Monate. Der Wortlaut dieser Regelung setzt eine nicht regelmäßig wiederkehrende Leistung voraus, die entweder im Zeitpunkt der Auszahlung an die Stelle eines regelmäßigen Bezugs tritt oder - wie hier - vor der Auszahlung als einmalige Kapitalleistung vereinbart oder zugesagt worden ist. Dabei kann die Einmalzahlung bereits bei Vertragsabschluss vereinbart werden. Der Senat ist an diese Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers gebunden und kann sie nur auf ihre Vereinbarkeit mit Verfassungsrecht überprüfen. Verfassungsrechtliche Bedenken sind insoweit weder erhoben worden noch ersichtlich.

Die Unanwendbarkeit des § 229 Abs 1 Satz 3 SGB V ergibt sich auch nicht aus den vom Kläger vorgelegten "Erläuterungen zum Demonstrativpronomen solch" der Gesellschaft für deutsche Sprache eV vom 17.1.2019. Deren Einschätzung, dass sich das Demonstrativpronomen "solche" auf die vorherige Nominalphrase "nicht regelmäßig wiederkehrende Leistung" beziehe, entspricht dem Wortlautverständnis des Senats, wonach eine Einmalzahlung aus einer betrieblichen Altersversorgung zu einem 1/120 der Beitragsbemessung zugrunde zu legen ist, wenn sie entweder an die Stelle der regelmäßigen Versorgungsbezüge tritt (dh nach Beginn der laufenden Zahlung) oder vor Eintritt des Versicherungsfalls (Erreichens des Alters, zu dem die Auszahlung vereinbart ist) zugesagt worden ist. Mit dem Satzteil "vor Eintritt des Versicherungsfalls" wird damit eine Zeitspanne bezeichnet, die vom Vertragsabschluss bis zum vereinbarten Laufzeitende reicht. Dass es sich insoweit um eine Vereinbarung oder Zusage handeln muss, die eine zunächst vorgesehene Zahlung von Versorgungsbezügen abändert, lässt sich dem Wortlaut nicht entnehmen.

f) Die Beiträge zur sPV wurden aus denselben Gründen rechtmäßig festgesetzt (§ 57 Abs 1 Satz 1 SGB XI). Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte die Höhe der berechneten Beiträge unzutreffend festgesetzt hätte, sind nicht ersichtlich. Die konkrete Beitragsberechnung wird vom Kläger auch nicht beanstandet.

2. Auch nach erneuter Überprüfung verstößt die Beitragspflicht einer betrieblichen Altersversorgung in Gestalt einer Direktversicherung nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art 3 Abs 1 GG. Der Gleichheitssatz ist zum einen nicht wegen der beitragsrechtlichen Privilegierung sogenannter "Riesterrenten" verletzt. Die durch das Gesetz zur Stärkung der betrieblichen Altersversorgung und zur Änderung anderer Gesetze (Betriebsrentenstärkungsgesetz) vom 17.8.2017 (BGBl I 3214) eingeführte Vorschrift des § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 5 Halbsatz 2 SGB V, wonach bei den Renten der betrieblichen Altersversorgung Leistungen aus Altersvorsorgevermögen iS des § 92 Einkommensteuergesetz (EStG) außer Betracht bleiben, ist erst zum 1.1.2018 (Art 17 Abs 1 Satz 1 Betriebsrentenstärkungsgesetz) und damit nach dem hier streitgegenständlichen Zeitraum ohne Rückwirkung in Kraft getreten. Eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung des Klägers gegenüber Beziehern einer sogenannten "Riesterrente" kommt im hier streitigen Zeitraum schon deshalb nicht in Betracht. Ungeachtet dessen ist die Privilegierung der nach § 92 iVm § 10 EStG geförderten Renten nach dem Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetz vom 26.6.2001 (BGBl I 1310, 1322) durch das legitime Ziel der Bekämpfung von Altersarmut sachlich gerechtfertigt und auch nicht unverhältnismäßig (BSG Urteile vom 26.2.2019 - B 12 KR 13/18 R - SozR 4-2500 § 229 Nr 25 RdNr 15 ff und - B 12 KR 17/18 R - BSGE 127, 254 = SozR 4-2500 § 229 Nr 24, RdNr 23 ff).

Der allgemeine Gleichheitssatz ist auch nicht dadurch verletzt, dass ausländische Renten im Gegensatz zu Versorgungsbezügen nur mit der Hälfte des allgemeinen Beitragssatzes (für die Zeit vom 1.7.2011 bis zum 31.12.2014 nebst 0,45 Beitragssatzpunkten) belegt werden (§ 247 Satz 2 SGB V). Nach der Rechtsprechung des BVerfG ist aus der Verfassung nicht abzuleiten, dass pflichtversicherte Mitglieder der GKV nur den halben oder einen ermäßigten Beitragssatz auf ihre beitragspflichtigen Einkünfte zu entrichten haben. Auch ist es verfassungsrechtlich nicht geboten, Dritte an der Finanzierung des Beitrags aus Versorgungsbezügen zu beteiligen (BVerfG <Kammer> Beschluss vom 7.4.2008 - 1 BvR 1924/07 - SozR 4-2500 § 229 Nr 5 RdNr 33 mwN). Versorgungsbezüge aus dem Inland sind Versorgungsbezügen aus dem Ausland gleichgestellt (§ 229 Abs 1 Satz 2 SGB V).

Soweit der Kläger auf die beitragsrechtliche Behandlung von überobligatorischen Leistungen der sogenannten zweiten Schweizer Säule verweist, sind diese Leistungen - eine Beitragspflicht unterstellt - allenfalls mit einer gesetzlichen Rente vergleichbar und schon deshalb nicht als Versorgungsbezug mit dem allgemeinen Beitragssatz, sondern als ausländische Rente zu verbeitragen (vgl BSG Urteil vom 30.11.2016 - B 12 KR 22/14 R - SozR 4-2500 § 228 Nr 1; BSG Urteil vom 18.12.2008 - B 11 AL 32/07 R - BSGE 102, 211 = SozR 4-4300 § 142 Nr 4).

3. Nachdem die Beiträge zur GKV und sPV zu Recht erhoben worden sind, hat auch das Erstattungsbegehren keinen Erfolg (vgl § 26 Abs 2 SGB IV).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

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