Bundessozialgericht

Bundessozialgericht Urteil vom 11.09.2020, B 8 SO 8/19 R

Sozialhilfe - Bestattungskosten - Zumutbarkeit der Kostentragung - Berücksichtigung nachgezahlten Pflegegeldes

Leitsätze

Zur Frage der Zumutbarkeit des Einsatzes nachgezahlten Pflegegelds bei der Zahlung von Bestattungskosten.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 17. April 2019 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

Im Streit ist die Übernahme von weiteren Bestattungskosten iHv 1422,50 Euro.

Die Klägerin bezieht laufend Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Grundsicherungsleistungen) nach dem Vierten Kapitel des Sozialgesetzbuchs Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII). Ihr Ehemann, den sie bis zu seinem Tod pflegte, verstarb am 19.6.2017. Am selben Tag wurden dem Konto, das auf den Namen des Ehemanns lautet, 2912 Euro gutgeschrieben. Es handelte sich um Pflegegeld für selbst beschaffte Pflegehilfen (§ 37 Sozialgesetzbuch Elftes Buch - Soziale Pflegeversicherung <SGB XI>), das die Pflegekasse dem Ehemann für die Monate März bis Juni 2017 überwiesen hatte.

Vom Bestatter wurden der gemeinsamen Tochter, die die Verhandlungen mit diesem führte, 2771 Euro berechnet (zwei Rechnungen vom 3.7.2017) und weitere 4066 Euro von der Stadt K. als Bestattungsgebühren in Rechnung gestellt (Bescheid vom 7.8.2017). Die Rechnung des Bestatters beglichen die Klägerin und ihre Tochter je zur Hälfte. Auf den Antrag der Klägerin auf Übernahme ihres Anteils an den Bestattungskosten bewilligte der Beklagte 147,31 Euro mit der Begründung, es seien lediglich Bestattungskosten iHv (insgesamt) 3608 Euro anzuerkennen. Das Pflegegeld, weiteres Bankguthaben des Ehemanns und der Anteil des Ehemanns an der Mietkaution (377,50 Euro) seien als Vermögen einzusetzen (Bescheid vom 24.10.2017; Widerspruchsbescheid vom 4.4.2018).

Die Klage beim Sozialgericht (SG) Freiburg, die zunächst auf die Übernahme von Bestattungskosten iHv 1796,75 Euro gerichtet war, hat die Klägerin nach Abschluss eines Teilvergleichs über die Zahlung von 456,50 Euro auf die Übernahme weiterer Bestattungskosten iHv 1422,50 Euro beschränkt. Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 28.11.2018). Das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg hat dieses Urteil aufgehoben und den Beklagten verurteilt, weitere Kosten der Bestattung iHv 1422,50 Euro zu übernehmen (Urteil vom 17.4.2019). Zur Begründung hat es ausgeführt, der Klägerin sei der Einsatz des Pflegegeldes, das Teil des Nachlasses geworden sei, wegen dessen besonderer Zweckbestimmung nicht zumutbar.

Mit seiner Revision rügt der Beklagte die Verletzung von § 74 SGB XII.

Der Beklagte beantragt sinngemäß,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 17. April 2019 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 28. November 2018 zurückzuweisen.

Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.

Entscheidungsgründe

Die Revision des Beklagten ist im Sinne der Aufhebung des Urteils des LSG und der Zurückverweisung der Sache an dieses Gericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz <SGG>). Der Senat kann nicht abschließend entscheiden, ob die Klägerin einen Anspruch auf Übernahme weiterer Kosten der Bestattung nach § 74 SGB XII hat.

Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 24.10.2017 idF des Widerspruchsbescheids vom 4.4.2018 (§ 95 SGG), gegen den sich die Klägerin zutreffend mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4, § 56 SGG) wendet. Den streitgegenständlichen Anspruch auf Übernahme weiterer Kosten der Bestattung hat sie bereits vor dem SG der Höhe nach auf die Zahlung weiterer 1422,50 Euro begrenzt. Durch den Teilvergleich haben die Beteiligten den Streitgegenstand - entgegen der Auffassung der Vorinstanzen - nicht weitergehend auf die Frage begrenzt, ob das Pflegegeld "bei der Leistungshöhe Berücksichtigung finden kann" (vgl Ziffer 2 Satz 1 des Teilvergleichs). Um einen abgrenzbaren Streitgegenstand handelt es sich insoweit nicht. Ein Teilvergleich über einzelne Berechnungselemente setzt aber voraus, dass sich die Beteiligten in allen anderen Punkten wirksam geeinigt haben und so nach abschließender Entscheidung über den verbleibenden Teil sicher anzunehmen ist, dass der Streit insgesamt bereinigt werden kann (vgl nur Bundessozialgericht <BSG> vom 20.9.2012 - B 8 SO 4/11 R - BSGE 112, 54 = SozR 4-3500 § 28 Nr 8, RdNr 13 mwN; Becker in Hauck/Noftz, SGB X, Stand Mai 2017, K § 54 RdNr 70a). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Unter Ziffer 1 des Vergleichs haben sich die Beteiligten lediglich dahin geeinigt, dass von einer vom Bestatter in Rechnung gestellten Pauschale iHv 300 Euro (ua für die Durchführung der Bestattung) 75 Euro als weitere Bestattungskosten zugrunde zu legen seien, der Anteil des Ehemanns an der Mietkaution nicht als einzusetzendes Vermögen der Klägerin zu berücksichtigen sei und der Beklagte das Pflegegeld um vier Euro zu hoch beziffert habe. Da über die Berechnung der übernahmefähigen Bestattungskosten, die die Klägerin nach den Feststellungen des LSG im Verwaltungsverfahren mit nahezu 3500 Euro beziffert hatte, im Übrigen keine Einigung getroffen worden ist, steht indes nicht schon nach Abschluss des Teilvergleichs fest, dass allein die Nichtberücksichtigung des Pflegegelds zu einem weitergehenden Erfolg der Klägerin führen könnte. Das LSG wird deshalb nach der Zurückverweisung der Sache die Anspruchsberechtigung dem Grunde und der Höhe nach umfassend zu prüfen haben.

Rechtsgrundlage des geltend gemachten Anspruchs ist § 74 SGB XII (idF des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003, BGBl I 3022), wonach die erforderlichen Kosten einer Bestattung übernommen werden, soweit den hierzu Verpflichteten nicht zugemutet werden kann, die Kosten zu tragen.

Der Senat kann mangels hinreichender Feststellungen des LSG schon nicht beurteilen, ob der Beklagte - der als örtlicher Träger der Sozialhilfe sachlich zuständiger Leistungsträger ist (§ 97 Abs 1, § 97 Abs 2 Satz 1 SGB XII iVm § 2 des Gesetzes zur Ausführung des SGB XII <AGSGB XII> idF vom 1.7.2004; Gesetzblatt für Baden-Württemberg <GBl> 469) - örtlich zuständig ist. In den Fällen des § 74 SGB XII ist der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, der bis zum Tod der leistungsberechtigten Person Sozialhilfe leistete, in anderen Fällen der Träger der Sozialhilfe, in dessen Bereich der Sterbeort liegt (§ 98 Abs 3 SGB XII). Feststellungen zum Bezug von Sozialhilfe des Ehemanns fehlen ebenso wie solche zum Sterbeort.

Der Senat kann darüber hinaus nicht entscheiden, ob und in welcher Höhe die Klägerin zur Tragung der Kosten der Bestattung verpflichtet und damit Anspruchsberechtigte nach § 74 SGB XII ist. Die Verpflichtung zur Kostentragung wird in § 74 SGB XII vorausgesetzt. Sie kann insbesondere erbrechtlich oder unterhaltsrechtlich begründet sein oder aufgrund landesrechtlicher Bestattungspflichten bestehen. Verpflichteter ist, wer der Kostenlast von vornherein nicht ausweichen kann, weil sie ihn rechtlich notwendig trifft (vgl zum Ganzen BSG vom 28.8.2011 - B 8 SO 20/10 R - BSGE 109, 61 = SozR 4-3500 § 74 Nr 2, RdNr 17; BSG vom 29.9.2009 - B 8 SO 23/08 R - BSGE 104, 219 = SozR 4-3500 § 74 Nr 1, RdNr 13).

Das LSG hat ohne weitere Begründung ausgeführt, die Klägerin und die Tochter seien Miterbinnen nach dem Ehemann bzw Vater je zur Hälfte; in Betracht kommt damit eine erbrechtliche Verpflichtung nach § 1968 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Weitere Feststellungen, die die rechtliche Würdigung, die Klägerin sei Miterbin, (abschließend) tragen, hat das LSG aber nicht getroffen. Dies wird es ggf nachzuholen haben.

Wenn die Klägerin entsprechend der gesetzlichen Erbfolge (vgl § 1931 BGB) neben ihrer Tochter Erbin nach ihrem Ehemann ist und damit nach § 1968 BGB zur Tragung von Bestattungskosten verpflichtet war, verlangt § 74 SGB XII weiter, dass der Verpflichtete einer Forderung im Hinblick auf die Bestattungskosten ausgesetzt (gewesen) ist (vgl LSG Nordrhein-Westfalen vom 7.10.2016 - L 9 SO 414/16 B - juris RdNr 7 ff; Oberverwaltungsgericht <OVG> für das Land Nordrhein-Westfalen vom 30.10.1997 - 8 A 3515/95 - juris RdNr 4 ff; Gotzen, ZfF 2018, 121; Gotzen, ZfF 2006, 1, 3). Denn der sozialhilferechtliche Bedarf im Rahmen des § 74 SGB XII ist die Entlastung des Verpflichteten von den Bestattungskosten, womit die Verbindlichkeit als solche als sozialhilferechtlicher Bedarf anerkannt wird (grundlegend BSG vom 29.9.2009 - B 8 SO 23/08 R - BSGE 104, 219 = SozR 4-3500 § 74 Nr 1, RdNr 15). Die Kostenforderung kann sich zB aus einem Gebührenbescheid der Friedhofsverwaltung, einem Bestattungsvertrag oder im Fall der Erbengemeinschaft einem - erfüllten oder tatsächlich geltend gemachten - Ausgleichsanspruch nach §§ 1968, 2058, 426 BGB ergeben (zu Letzterem vgl LSG Nordrhein-Westfalen vom 7.10.2016 - L 9 SO 414/16 B - juris RdNr 7 f; Siefert, jurisPK-SGB XII, 3. Aufl 2020, § 74 RdNr 28; Gotzen, ZfF 2018, 121, 122; Gotzen, Die Sozialbestattung, 2. Aufl 2016, Kap 2 RdNr 35 ff).

Eine Kostenforderung liegt hier in Bezug auf die Bestatterkosten vor, denn die Klägerin hat hierdurch jedenfalls einen möglichen Ausgleichsanspruch der Tochter als Miterbin nach §§ 1968, 2058, 426 BGB erfüllt. Ob sie einer darüber hinausgehenden Kostenforderung - insbesondere als Miterbin - ausgesetzt (gewesen) ist, kann mangels Feststellungen des LSG nicht entschieden werden; gleiches gilt hinsichtlich der Frage, ob sie (über die geleisteten Zahlungen hinaus) als Gesamtschuldnerin einer Forderung aus dem Bestattungsvertrag ausgesetzt ist, weil Feststellungen dazu fehlen, ob sie neben der Tochter Vertragspartei wurde. Aus dem nur an die Tochter adressierten Gebührenbescheid der Stadt vom 7.8.2017 folgt ebenfalls nicht ohne Weiteres eine Kostenforderung gegenüber der Klägerin.

Darüber hinaus fehlen Feststellungen dazu, wofür Kosten im Einzelnen überhaupt angefallen sind, was zur Prüfung ihrer Erforderlichkeit aber unverzichtbar ist. Diese Prüfung verlangt eine den Individualitätsgrundsatz berücksichtigende Entscheidung unter Beachtung religiöser Bekenntnisse (Art 4 Grundgesetz <GG>) mit Rücksicht auf die auch nach dem Tod zu beachtende Menschenwürde, bei der den angemessenen Wünschen der Bestattungspflichtigen (§ 9 Abs 2 SGB XII) und ggf des Verstorbenen (§ 9 Abs 1 SGB XII) Rechnung zu tragen ist. Übernahmefähig sind nur die Bestattungskosten selbst, dh die Kosten, die unmittelbar der Bestattung dienen bzw mit ihrer Durchführung untrennbar verbunden und angemessen sind (hierzu und den erforderlichen Ermittlungen vgl BSG vom 4.4.2019 - B 8 SO 10/18 R - SozR 4-3500 § 74 Nr 3 RdNr 13; zum Verbot pauschaler Leistungsbegrenzung vgl BSG vom 25.8.2011 - B 8 SO 20/10 R - BSGE 109, 61 = SozR 4-3500 § 74 Nr 2, RdNr 19). Insoweit hat das LSG lediglich festgestellt, welche Rechnungsposten der Beklagte nicht anerkannt hat, ohne - wie im Höhenstreit erforderlich - Grund und Höhe des Leistungsanspruchs in vollem Umfang zu überprüfen (stRspr; vgl BSG vom 25.5.2005 - B 11a/11 AL 81/04 R - BSGE 95, 8 = SozR 4-4300 § 140 Nr 1; BSG vom 20.10.2005 - B 7a AL 50/05 R - BSGE 95, 191 = SozR 4-4300 § 37b Nr 2; BSG vom 14.4.2011 - B 8 SO 12/09 R - BSGE 108, 123 = SozR 4-3500 § 82 Nr 7, RdNr 13; BSG vom 29.1.2008 - B 7/7a AL 40/06 R - SozR 4-4300 § 130 Nr 3 RdNr 9).

Schließlich kann der Senat nicht entscheiden, ob der Klägerin die Tragung der zu ermittelnden erforderlichen Kosten zumutbar ist. Die Beurteilung der Zumutbarkeit unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der vollen gerichtlichen Überprüfung. Sie richtet sich nach den allgemeinen Grundsätzen des Sozialhilferechts unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls; wegen der von den üblichen sozialhilferechtlichen Bedarfssituationen abweichenden Struktur des § 74 SGB XII sind hierbei jedoch Besonderheiten zu beachten (vgl nur BSG vom 4.4.2019 - B 8 SO 10/18 R - SozR 4-3500 § 74 Nr 3 RdNr 14 ff; BSG vom 25.8.2011 - B 8 SO 20/10 R - BSGE 109, 61 = SozR 4-3500 § 74 Nr 2, RdNr 24). Neben den wirtschaftlichen Verhältnissen des Verpflichteten können wegen des Zwecks des § 74 SGB XII allerdings auch Umstände eine Rolle spielen, die im Allgemeinen sozialhilferechtlich unbeachtlich sind. Hierzu zählt beispielsweise die wirtschaftliche Auswirkung der Kostenbelastung im Einzelfall, selbst wenn sie nicht zur Überschuldung oder Sozialhilfebedürftigkeit des Verpflichteten führt. Die wirtschaftlichen Verhältnisse der Verpflichteten (§§ 85 bis 91 SGB XII) haben dennoch eine besondere Bedeutung bei der Prüfung der Zumutbarkeit: Liegen die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen für den Lebensunterhalt nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) oder dem SGB XII vor, ist regelmäßig von Unzumutbarkeit auszugehen. Dabei macht das Wort "soweit" in § 74 SGB XII deutlich, dass bei einer teilweisen Zumutbarkeit die Kosten im Übrigen zu übernehmen sind (vgl zum Ganzen nur BSG vom 4.4.2019 - B 8 SO 10/18 R - SozR 4-3500 § 74 Nr 3 RdNr 15 ff mwN).

Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Bedürftigkeit bzw Unzumutbarkeit aus anderen Gründen ist nach allgemeinen sozialhilferechtlichen Grundsätzen und dem Sinn und Zweck des § 74 SGB XII die Fälligkeit der Forderungen (§ 271 BGB) über die Bestattungskosten (vgl nur BSG vom 4.4.2019 - B 8 SO 10/18 R - SozR 4-3500 § 74 Nr 3 RdNr 17 mwN). Die Rechnungen des Bestatters wurden im Juli 2017 gestellt, der Bescheid der Friedhofsverwaltung im August 2017 erlassen. Da es sich bei den Rechnungsdaten aber nur um Indizien für die Fälligkeit der Forderungen handelt, wird das LSG diese noch festzustellen haben.

Erst nach der weiteren Feststellung des genauen Zeitpunkts der Gutschrift des von der Pflegekasse überwiesenen Betrags kann sodann entschieden werden, ob das Pflegegeld in den Nachlass fiel und in welcher Höhe - wie der Beklagte meint - im maßgeblichen Zeitpunkt überhaupt ein Nachlass vorhanden war (§ 1968 iVm § 1967 Abs 2 BGB). Der genaue Buchungszeitpunkt ist dabei regelmäßig ohne Schwierigkeiten feststellbar, weil die Rechenzentren der Banken alle Vorgänge uhrzeitgenau festhalten (vgl BSG vom 26.4.2007 - B 4 R 89/06 R - SozR 4-1500 § 170 Nr 2 RdNr 37 ff; Bundesgerichtshof <BGH> vom 28.10.1998 - VIII ZR 157/97 - juris RdNr 9). Der Nachweis der Stunde und Minute des Todes erfolgt anhand der entsprechenden Eintragung im Sterberegister bzw der vom Standesbeamten ausgestellten Sterbeurkunde (§§ 31, 54, 55, 60 Personenstandsgesetz <PStG>); der Nachweis der Unrichtigkeit der Eintragung ist dabei zulässig (§ 54 Abs 3 PStG).

Ist die Gutschrift erst nach Eintritt des Todes des Ehemanns erfolgt, dürfte die Klägerin wegen der ausgezahlten Sozialleistung Sonderrechtsnachfolgerin geworden sein (vgl § 56 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil - <SGB I>); dann wäre das Pflegegeld, anders als es das LSG für seine rechtliche Beurteilung vorausgesetzt hat, nicht in den Nachlass gefallen. Nach § 56 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB I stehen nämlich fällige Ansprüche auf laufende Geldleistungen beim Tode des Berechtigten dem Ehegatten zu, sofern er mit dem Berechtigten zur Zeit seines Todes in einem gemeinsamen Haushalt gelebt hat oder von ihm wesentlich unterhalten worden ist. Dagegen liegt kein Fall des § 19 Abs 6 Halbsatz 1 Alt SGB XII vor, der ua für den Anspruch auf "Pflegegeld" einen gesetzlichen Forderungsübergang im Todesfall vorsieht; denn "Pflegegeld" iS des § 19 Abs 6 SGB XII ist nur das Pflegegeld nach § 64a Abs 1 Satz 2 SGB XII (vgl nur Coseriu in jurisPK-SGB XII, 3. Aufl 2020, § 19 SGB XII RdNr 63).

Ist der Anspruch auf Pflegegeld auf die Klägerin als Sonderrechtsnachfolgerin übergegangen, weil - was hier nahe liegt - die Eheleute zuletzt vor dem Tod des Ehemanns in einem gemeinsamen Haushalt gelebt haben, handelt es sich bei dem aus seiner Erfüllung resultierenden Guthaben im Zeitpunkt der Fälligkeit der Bestattungskosten jedenfalls um Vermögen der Klägerin iS des § 90 SGB XII (vgl zur Abgrenzung von Einkommen und Vermögen nur BSG vom 19.5.2009 - B 8 SO 35/07 R - SozR 4-3500 § 82 Nr 5 RdNr 14). Soweit im Zeitpunkt der Fälligkeit der Bestattungskosten das Vermögen überhaupt noch vorhanden war, unterfällt es zwar keinem der in § 90 Abs 2 Nr 1 bis 8 SGB XII genannten Ausnahmetatbestände, wäre aber vom allgemeinen Schonbetrag gemäß § 90 Abs 2 Nr 9 SGB XII iVm § 1 Satz 1 Nr 1 der Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs 2 Nr 9 des SGB XII (idF der Zweiten Verordnung zur Änderung der Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs 2 Nr 9 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 22.3.2017, BGBl I 519) iHv 5000 Euro erfasst gewesen. Soweit dieser Schonbetrag überschritten wurde, wird das LSG zu prüfen haben, inwieweit das übersteigende Vermögen der Härtefallregelung des § 90 Abs 3 Satz 1 SGB XII unterfällt, wonach die Sozialhilfe nicht vom Einsatz oder von der Verwertung eines Vermögens abhängig gemacht werden darf, soweit dies für den, der das Vermögen einzusetzen hat, und für seine unterhaltsberechtigten Angehörigen eine Härte bedeuten würde (zur Beurteilung der Härte unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls vgl BSG vom 25.8.2011 - B 8 SO 19/10 R - juris RdNr 22; BSG vom 11.12.2007 - B 8/9b SO 20/06 R - SozR 4-3500 § 90 Nr 1 RdNr 15 f).

Der Charakter als Sozialleistungsanspruch ändert sich im Fall der Sonderrechtsnachfolge grundsätzlich nicht, weil der Anspruch in dem Zustand übergeht, in dem er dem Berechtigten zustand (vgl hierzu Siefert in Kasseler Komm, Stand Juli 2020, § 56 SGB I RdNr 34; Groth in jurisPK-SGB I, 3. Aufl 2018, § 56 RdNr 43; Hänlein in Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, Komm zum Sozialrecht, 6. Aufl 2019, § 56 SGB I RdNr 12). Für die Härtefallprüfung ist in diesem Fall also der Zweck des Pflegegelds zu berücksichtigen, der darin liegt, die erforderlichen körperbezogenen Pflege- und pflegerischen Betreuungsmaßnahmen sowie Hilfen bei der Haushaltsführung des Pflegebedürftigen zu decken (vgl nur BGH vom 29.1.2020 - XII ZB 500/19 - juris). Ob dieser Zweck auch bei nachträglicher Auszahlung des Pflegegelds noch erreicht werden konnte, wird das LSG aufzuklären haben.

Bei der Härtefallprüfung wird zunächst dem Umstand Bedeutung zukommen, dass es sich offenbar um eine Nachzahlung von Pflegegeld für die Monate März bis Mai 2017 handelt (zur regelmäßig monatlichen Zahlungsweise vgl BSG vom 25.10.1994 - 3/1 RK 51/93 - SozR 3-2500 § 57 Nr 4, S 8, 13; Hessisches LSG vom 30.10.2008 - L 8 P 19/07 - juris RdNr 21; Plantholz in LPK-SGB XI, 5. Aufl 2018, § 37 RdNr 15; Wiegand in jurisPK-SGB XI, 2. Aufl 2017, § 37 RdNr 31). Sollte sich hierfür ein Grund ergeben, den der Ehemann nicht beeinflussen konnte, könnte der Sachverhalt anders bei angespartem Pflegegeld zu beurteilen sein (vgl dazu BGH vom 29.1.2020 - XII ZB 500/19 - juris), weil der Ehemann selbst das Vermögen nicht angespart hatte und es ihm als Einkommen nicht zeitnah zur zweckentsprechenden Verwendung zur Verfügung stand (ähnlich BSG vom 30.4.2020 - B 8 SO 12/18 R - zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen, zur Härte im Hinblick auf Vermögen aus einer nachgezahlten Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz <BVG>).

Das LSG wird ferner zur Beurteilung der Härte zu ermitteln haben, ob im Zeitpunkt des Zuflusses Verbindlichkeiten aus Aufwendungen für die Pflege gegenüber Dritten oder der Klägerin bestanden haben und der seinem Zweck entsprechende Einsatz des Pflegegeldes noch möglich war. Nur wenn dabei festgestellt werden kann, dass auf Grundlage einer Verabredung der Eheleute das Pflegegeld wegen der erbrachten Pflegeleistungen stets zum alleinigen Verbrauch durch die Klägerin bestimmt war, kann dies zu einem Härtegesichtspunkt in ihrer Person führen. Haben die Eheleute mit dem Pflegegeld dagegen gemeinsam gewirtschaftet, sind Härtegesichtspunkte nach dem Tod des Ehemanns mit dem allgemeinen Vermögensschonbetrag für die Klägerin nach § 90 Abs 2 Nr 9 SGB XII im Grundsatz abgegolten.

Ist die Gutschrift auf dem Bankkonto hingegen vor Eintritt des Todes erfolgt, scheidet eine Sonderrechtsnachfolge aus, weil der Pflegegeldanspruch bei Eintritt des Todes des Ehemanns durch die erfolgte Gutschrift bereits erfüllt war. Gehörte der gesamte vor Eintritt des Erbfalles auf dem Bankkonto gutgeschriebene Betrag zum Nachlass, ist der vollständige Einsatz des Nachlasses den Erben aber im Grundsatz zumutbar (vgl BSG vom 4.4.2019 - B 8 SO 10/18 R - SozR 4-3500 § 74 Nr 3 RdNr 32; BSG vom 25.8.2011 - B 8 SO 20/10 R - BSGE 109, 61 = SozR 4-3500 § 74 Nr 2, RdNr 26). Daran hält der Senat auch für die vorliegende Konstellation fest.

Zur Beurteilung, ob das Guthaben auf dem Empfängerkonto ganz oder nur zur Hälfte in den Nachlass fiel (und also auch nur insoweit als Nachlassvermögen zur Zahlung von Bestattungskosten einzusetzen ist), bedarf es aber noch weiterer tatsächlicher Feststellungen des LSG. Bei einer Überweisung erlischt ein Anspruch durch Erfüllung (§ 362 Abs 1 BGB) mit der Gutschrift des geschuldeten Betrags auf dem Empfängerkonto (vgl BGH vom 28.10.1998 - VIII ZR 157/97 - juris RdNr 9; BGH vom 20.7.2010 - XI ZR 236/07 - BGHZ 186, 269 RdNr 21). Mangels abweichender Regelungen gilt dies auch für Ansprüche auf Sozialleistungen (vgl nur BSG vom 17.12.2013 - B 11 AL 13/12 R - BSGE 115, 106 = SozR 4-4300 § 143a Nr 2, RdNr 22 mwN).

Deshalb wird das LSG im Hinblick auf die Höhe des Nachlasses zu prüfen haben, ob das Bankkonto - dem Regelfall entsprechend (vgl Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 39. Aufl 2020, 2. Teil, V, (7) Bankgeschäfte RdNr A/39; Weidlich in Palandt, BGB, 79. Aufl 2020, § 1922 RdNr 31) - als Gemeinschaftskonto der Eheleute mit Einzelverfügungsbefugnis (sog "Oder-Konto") geführt wurde. In diesem Fall konnte - sofern keine anderweitige Absprache der Eheleute vorlag - nur die Hälfte des im Todeszeitpunkt auf dem Konto vorhandenen Guthabens vererbt werden; die andere Hälfte stand nach § 426 Abs 1 Satz 1 iVm § 430 BGB - unabhängig von der Herkunft der dem Konto zufließenden Mittel sowie unabhängig vom jeweiligen Güterstand - von vornherein im Eigentum der Klägerin (vgl BGH vom 19.4.2000 - XII ZR 62/98 - juris RdNr 15; BGH vom 29.11.1989 - IVb ZR 4/89 - juris RdNr 8; BGH vom 25.2.1997 - XI ZR 321/95 - juris RdNr 8; BGH vom 30.10.1990 - XI ZR 352/89 - juris RdNr 14). Dies gilt auch beim Tod eines Ehegatten (vgl Oberlandesgericht <OLG> Bamberg vom 25.6.2018 - 3 U 157/17 - juris RdNr 25; OLG des Landes Sachsen-Anhalt vom 24.11.2006 - 10 U 32/06 - juris RdNr 60 ff; OLG Köln vom 14.12.1999 - 15 U 79/99 - juris RdNr 29 ff; Leipold in Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl 2020, § 1922 RdNr 60; Weidlich in Palandt, BGB, 79. Aufl 2020, § 1922 RdNr 31; Looschelders in Staudinger, BGB, 2017, § 430 RdNr 33; vgl für die nichteheliche Lebensgemeinschaft OLG Celle vom 22.10.1981 - 12 U 9/81 - FamRZ 1982, 63).

Sollte es sich bei dem Bankkonto dagegen um ein Einzelkonto des Ehemanns gehandelt haben, für das der Klägerin ggf eine Vollmacht erteilt war, spricht vieles dafür, dass der gesamte vor Eintritt des Erbfalles gutgeschriebene Betrag in den Nachlass fiel und folglich vererbt wurde (§ 1922 Abs 1 BGB). Denn dem Inhaber eines Einzelkontos steht im Regelfall das Guthaben auch im Innenverhältnis der Ehegatten allein zu (vgl nur BGH vom 11.9.2002 - XII ZR 9/01 - juris RdNr 15). In diesem Fall ist es aber, seinem Zweck entsprechend (§ 1968 BGB iVm § 1967 Abs 2 BGB), vollständig für die Bestattung einzusetzen. Die das Pflegegeld als Einkommen privilegierenden Vorschriften (vgl insbesondere § 13 Abs 5 SGB XI) stehen - anders als das LSG meint - seinem Einsatz schon deshalb nicht entgegen, weil es sich nicht mehr um "Pflegegeld" oder eine von der übrigen Erbschaft zu trennende sonstige zweckbestimmte Leistung iS des § 83 Abs 1 SGB XII handelt, die der Klägerin als Pflegeperson zusteht. Es handelt sich bei dem Bankguthaben vielmehr um ein abstraktes Schuldanerkenntnis bzw Schuldversprechen (§§ 780, 781 BGB) der Bank (vgl nur BGH vom 25.1.1988 - II ZR 320/87 - BGHZ 103, 143, 146), das nach dem in § 1922 BGB begründeten Grundsatz der Universalsukzession als Teil des übrigen Vermögens des Ehemanns mit dem Erbfall kraft Gesetzes insgesamt und ungeteilt "als Ganzes" auf die Erben übergegangen ist (vgl nur Weidlich in Palandt, BGB, 79. Aufl 2020, § 1922 RdNr 10 mwN) und bis zur Auseinandersetzung als Teil des Nachlasses "gemeinschaftliches Vermögen" aller Miterben wurde (§ 2032 Abs 1 BGB). Der Umstand, dass ein Mitglied der Erbengemeinschaft - wie hier - zugleich Pflegeperson des Erblassers ist, ändert daran nichts.

Das LSG wird ggf auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

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