Bundessozialgericht

Bundessozialgericht Urteil vom 25.03.2021, B 1 KR 25/20 R

Krankenversicherung - Kostenerstattung - Liposuktion - partielle Einschränkung des Qualitätsgebots bei Krankenhausbehandlung mit dem Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative - restriktive Auslegung außerhalb einer Erprobungs-Richtlinie - Voraussetzungen eines Anspruchs vor Erlass einer Erprobungs-Richtlinie

Leitsätze

1. Die ab 23. Juli 2015 geltenden Regelungen des GKV-Versorgungsstärkungsgesetzes (juris: GKV-VSG) über Krankenhausbehandlungen, die das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative haben, beinhalten eine partielle Einschränkung des Qualitätsgebots und eröffnen Versicherten einen Anspruch auf solche Krankenhausbehandlungen auch außerhalb von Erprobungs-Richtlinien (Aufgabe der stRspr des BSG vom 24.4.2018 - B 1 KR 13/16 R = BSGE 125, 262 = SozR 4-2500 § 137e Nr 1, vom 24.4.2018 - B 1 KR 10/17 R = BSGE 125, 283 = SozR 4-2500 § 137c Nr 10 und vom 28.5.2019 - B 1 KR 32/18 R = BSG SozR 4-2500 § 137c Nr 13).

2. Zur Gewährleistung ausreichenden Versichertenschutzes sind die Regelungen über Ansprüche auf Leistungen, die das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative haben, restriktiv auszulegen, wenn sie außerhalb der Teilnahme an einer Erprobungs-Richtlinie erbracht werden.

3. Versicherte haben vor Erlass einer Erprobungs-Richtlinie Anspruch auf die Versorgung mit Potentialleistungen nur im Rahmen eines individuellen Heilversuchs, wenn es 1. um eine schwerwiegende, die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigende Erkrankung geht, wenn 2. keine andere Standardbehandlung verfügbar ist, und wenn 3. die einschlägigen Regelungen der Verfahrensordnung des Gemeinsamen Bundesausschusses für die Annahme eines Potentials erfüllt sind.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 27. November 2018 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Erstattung der Kosten zweier stationärer Liposuktionen (Fettabsaugungen) zur Behandlung des Lipödems der Klägerin.

Die bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherte, 1997 geborene Klägerin beantragte am 29.4.2016 befundgestützt die Versorgung mit zwei stationären Liposuktionen im Bereich der Beine und der Oberarme. Die Beklagte beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit einer gutachtlichen Stellungnahme, informierte die Klägerin hierüber (Schreiben vom 29.4.2016) und lehnte den Antrag nach negativer MDK-Stellungnahme ab (Bescheid vom 19.5.2016; Bekanntgabe am 21.5.2016; Widerspruchsbescheid vom 7.10.2016). Während des Widerspruchsverfahrens erfolgte die erste stationäre Liposuktion, während des Klageverfahrens die zweite. Die Klägerin hat dafür die Erstattung von insgesamt 9384,68 Euro begehrt. Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 20.6.2017). Das LSG hat unter Bezugnahme auf das Urteil des erkennenden Senats vom 24.4.2018 (B 1 KR 13/16 R - BSGE 125, 262 = SozR 4-2500 § 137e Nr 1) die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Die Voraussetzungen eines Kostenerstattungsanspruchs nach § 13 Abs 3 SGB V seien nicht erfüllt. Stationäre Liposuktionen gehörten nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV); sie erfüllten das auch für den Anspruch auf Krankenhausbehandlung nach § 39 SGB V geltende Qualitätsgebot des § 2 Abs 1 Satz 3 SGB V nicht. § 137c Abs 3 SGB V senke das Qualitätsgebot nicht ab. Auch aus § 2 Abs 1a und § 13 Abs 3a Satz 7 SGB V ergebe sich kein Kostenerstattungsanspruch (Urteil vom 27.11.2018).

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 137c Abs 3 Satz 1 SGB V und des Art 3 Abs 1 GG. GKV-Versicherte hätten in der stationären Versorgung immer schon dann Anspruch auf Behandlungs- und Untersuchungsmethoden, wenn diese das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative böten. Dies folge aus Wortlaut und Entstehungsgeschichte des § 137c Abs 3 SGB V.

Die Klägerin beantragt,

die Urteile des Bayerischen Landessozialgerichts vom 27. November 2018 und des Sozialgerichts Würzburg vom 20. Juni 2017 sowie den Bescheid der Beklagten vom 19. Mai 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Oktober 2016 aufzuheben und die Beklagte zur Zahlung von 9384,68 Euro zu verurteilen,

hilfsweise,

das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 27. November 2018 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Der Senat kann nicht abschließend darüber entscheiden, ob der Klägerin ein Anspruch auf Erstattung der Kosten der von ihr selbst bezahlten stationären Liposuktionsbehandlungen zusteht.

Das LSG hat einen Kostenerstattungsanspruch aufgrund der Genehmigungsfiktion gemäß § 13 Abs 3a Satz 7 SGB V auf der Grundlage der von ihm getroffenen - den Senat bindenden - Feststellungen zutreffend verneint. Als Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch kommt deshalb nur § 13 Abs 3 Satz 1 Fall 2 SGB V in Betracht. Voraussetzung dafür ist, dass die Klägerin im Zeitpunkt der Selbstbeschaffung - wie von ihr behauptet - Anspruch auf die Liposuktionsbehandlungen als Naturalleistungen nach § 39 Abs 1 SGB V hatte (vgl zB BSG vom 7.11.2006 - B 1 KR 24/06 R - BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 11 mwN - LITT; BSG vom 17.12.2019 - B 1 KR 18/19 R - BSGE 129, 290 = SozR 4-2500 § 138 Nr 3, RdNr 8, stRspr). Die Krankenhausbehandlung umfasst im Rahmen des Versorgungsauftrags des Krankenhauses alle Leistungen, die im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinische Versorgung der Versicherten im Krankenhaus notwendig sind (§ 39 Abs 1 Satz 3 SGB V). Dies setzt hier voraus, dass die Liposuktionen dem maßgeblichen Qualitätsgebot entsprachen, die vollstationäre Leistungserbringung erforderlich war (§ 39 Abs 1 Satz 2 SGB V) und die Leistungen insgesamt wirtschaftlich (§ 12 Abs 1 SGB V) erbracht wurden. Ob diese Voraussetzungen im Zeitpunkt der Selbstbeschaffung der Liposuktionen durch die Klägerin vorlagen, kann der Senat auf der Grundlage der vom LSG getroffenen Feststellungen nicht entscheiden.

Die Liposuktion als Behandlungsmethode war im Zeitpunkt der Behandlung der Klägerin nicht durch einen Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) vom GKV-Leistungskatalog ausgenommen (dazu 1). Die Klägerin hatte weder einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über ihre Berücksichtigung beim Auswahlverfahren für die Teilnahme an einer Erprobung der Liposuktion im Rahmen eines Verfahrens nach § 137e SGB V (dazu 2.) noch hatte sie einen Anspruch auf Grund einer sonstigen Richtlinie (RL) des GBA (dazu 3.). Die Liposuktion genügt nicht den allgemeinen Qualitätsanforderungen des § 2 Abs 1 Satz 3 SGB V (dazu 4.). Die Voraussetzungen des § 2 Abs 1a SGB V hat das LSG zutreffend verneint; insoweit verzichtet der Senat auf weitere Ausführungen. In Betracht kommt aber ein Anspruch nach Maßgabe des § 137c Abs 3 SGB V, der das allgemeine Qualitätsgebot partiell einschränkt (dazu 5.).

1. Der Anspruch der Klägerin auf die von ihr selbst beschafften Liposuktionsbehandlungen war nicht bereits auf Grund einer negativen RL des GBA ausgeschlossen.

Der GBA überprüft auf Antrag Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, die zu Lasten der gesetzlichen KKn im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt werden oder angewandt werden sollen, darauf, ob sie für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse erforderlich sind (§ 137c Abs 1 Satz 1 SGB V). Ergibt die Überprüfung, dass der Nutzen einer Methode nicht hinreichend belegt ist und sie nicht das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, insbesondere weil sie schädlich oder unwirksam ist, erlässt der GBA eine entsprechende RL, wonach die Methode nicht mehr zu Lasten der KKn erbracht werden darf (§ 137c Abs 1 Satz 2 SGB V). Eine solche - negative - RL hat der GBA zur Liposuktionsbehandlung bislang nicht erlassen.

2. Die Klägerin hatte, als sie die Liposuktionen durchführen ließ, gegen die Beklagte auch keinen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über ihre Berücksichtigung beim Auswahlverfahren für die Liposuktion im Rahmen der Teilnahme an einer Erprobungs-Richtlinie (Erp-RL) nach § 137e SGB V.

Ergibt die Überprüfung, dass der Nutzen einer Methode noch nicht hinreichend belegt ist, sie aber das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, beschließt der GBA eine Erp-RL nach § 137e SGB V (§ 137c Abs 1 Satz 3 SGB V). Aufgrund einer solchen RL wird die Untersuchungs- oder Behandlungsmethode in einem befristeten Zeitraum im Rahmen der Krankenbehandlung zu Lasten der KKn erbracht (§ 137e Abs 1 Satz 2 SGB V). § 137e Abs 2 SGB V regelt die näheren Bedingungen der Leistungserbringung. Versicherte haben Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über ihre Berücksichtigung beim Auswahlverfahren für die Teilnahme an einer Erp-RL nach § 137e SGB V (vgl BSG vom 24.4.2018 - B 1 KR 13/16 R - BSGE 125, 262 = SozR 4-2500 § 137e Nr 1, RdNr 27 ff; BSG vom 28.5.2019 - B 1 KR 32/18 R - SozR 4-2500 § 137c Nr 13 RdNr 37 ff).

Diese Voraussetzungen waren im Zeitpunkt der Liposuktionsbehandlungen der Klägerin (6. bis 9.9.2016; 25. bis 27.1.2017) nicht erfüllt, denn es fehlte damals noch an der erforderlichen Erp-RL. Der GBA hat seine nach § 94 Abs 2 Satz 1 SGB V im Bundesanzeiger bekanntzugebende RL "zur Erprobung der Liposuktion zur Behandlung des Lipödems" erst am 18.1.2018 mit Wirkung zum 10.4.2018 erlassen (<Erprobungs-Richtlinie Liposuktion - Erp-RL Liposuktion>, BAnz AT 9.4.2018 B1; zum Wirksamwerden einer RL vgl BSG vom 19.2.2002 - B 1 KR 16/00 R - SozR 3-2500 § 92 Nr 12 S 70 = juris RdNr 21). Im Behandlungszeitpunkt lag nur ein sektorenübergreifender Antrag auf Einleitung eines Bewertungsverfahrens nach §§ 135 Abs 1 und 137c Abs 1 SGB V zur Bewertung der Liposuktion bei Lipödem vor, den die Patientenvertretung am 20.3.2014 gemäß § 140f SGB V gestellt und den der GBA mit Beschluss vom 22.5.2014 angenommen hatte (vgl BAnz AT 1.4.2015 B4).

3. Die Klägerin konnte vor den Liposuktionsbehandlungen ihren Anspruch auch nicht auf die Richtlinie Methoden Krankenhausbehandlung des GBA stützen.

Anlage I der RL zu Untersuchungs- und Behandlungsmethoden im Krankenhaus ist durch Beschluss des GBA vom 19.9.2019 geändert worden. Deren Nr 14 sieht vor, dass die Liposuktion bei Lipödem im Stadium III zu den Methoden gehört, die für die Versorgung mit Krankenhausbehandlung erforderlich sind (vgl RL Methoden Krankenhausbehandlung, BAnz AT 06.12.2019 B2, iVm der RL über Maßnahmen zur Qualitätssicherung nach § 136 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB V bei Verfahren der Liposuktion bei Lipödem im Stadium III, BAnz AT 06.12.2019 B4). Diese Änderung trat jedoch erst mit Wirkung vom 7.12.2019 in Kraft und findet vorliegend somit zeitlich keine Anwendung. Auf den Ausprägungsgrad des Lipödems der Klägerin kommt es insofern nicht an.

4. Die durchgeführten Liposuktionen entsprachen nicht dem allgemeinen Qualitätsgebot nach § 2 Abs 1 Satz 3 SGB V.

Nach § 2 Abs 1 Satz 3 SGB V haben Qualität und Wirksamkeit der Leistungen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen. Dies erfordert für die Untersuchungs- und Behandlungsmethoden den vollen Nutzennachweis im Sinne eines evidenzgestützten Konsenses der großen Mehrheit der einschlägigen Fachleute (stRspr; näher dazu BSG vom 28.5.2019 - B 1 KR 32/18 R - SozR 4-2500 § 137c Nr 13 RdNr 21 mwN; BSG vom 19.3.2020 - B 1 KR 20/19 R - BSGE 130, 73 - SozR 4-2500 § 12 Nr 18, RdNr 15 mwN). Die Liposuktionsbehandlungen der Klägerin entsprachen im Zeitpunkt ihrer Durchführung 2016/2017 diesem Maßstab nicht (ebenso bereits BSG vom 24.4.2018 - B 1 KR 13/16 R - BSGE 125, 262 = SozR 4-2500 § 137e, Nr 1 RdNr 25f; BSG vom 24.4.2018 - B 1 KR 10/17 R - BSGE 125, 283 = SozR 4-2500 § 137c Nr 10, RdNr 26f).

5. Ob die Klägerin einen Anspruch auf die Liposuktionen nach Maßgabe des § 137c Abs 3 SGB V hatte, kann mangels ausreichender Tatsachenfeststellung des LSG nicht abschließend beurteilt werden. Der Anspruch scheitert nicht schon daran, dass die Liposuktionen im maßgeblichen Zeitpunkt der Behandlung nicht den Anforderungen an das allgemeine Qualitätsgebot des § 2 Abs 1 Satz 3 SGB V entsprachen. § 137c Abs 3 SGB V schränkt dieses partiell ein (dazu a). Die gesetzlichen Reglungen zur Erprobung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden und der in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck kommende Wille des Gesetzgebers machen jedoch deutlich, dass bei der Anwendung solcher Methoden die Teilhabe an medizinischen Innovationen und der Patientenschutz in einen angemessenen Ausgleich gebracht werden sollen. Dies gebietet es, bei noch nicht existenten Erp-RLn den Anspruch auf Potentialleistungen auf die Fälle schwerwiegender Erkrankungen nach Ausschöpfung der Standardtherapien zu beschränken (dazu b). Im Übrigen gelten die allgemeinen Begrenzungen des Anspruchs auf vollstationäre Behandlung (dazu c).

a) § 137c SGB V ist hier in seiner am 23.7.2015 in Kraft getretenen Fassung des Art 1 Nr 64 Buchst b des Gesetzes zur Stärkung der Versorgung in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Versorgungsstärkungsgesetz - GKV-VSG) vom 16.7.2015 (BGBl I 1211; Art 20 Abs 1 GKV-VSG) auf das Leistungsgeschehen im Jahr 2016 zeitlich anwendbar.

aa) Nach § 137c Abs 3 SGB V idF des GKV-VSG dürfen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, zu denen der GBA bisher keine Entscheidung nach § 137c Abs 1 SGB V getroffen hat (vgl dazu oben 1. bis 3.), im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt werden, wenn sie das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten und ihre Anwendung nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt, die Behandlungsalternative also insbesondere medizinisch indiziert und notwendig ist. Dies gilt sowohl für Methoden, für die noch kein Antrag nach Abs 1 Satz 1 gestellt worden ist, als auch für Methoden, deren Bewertung nach Abs 1 - wie hier bei Durchführung der Liposuktionen 2016/2017 - noch nicht abgeschlossen ist, insbesondere für die der GBA auch noch keine Erp-RL beschlossen hat (dazu oben 2.).

bb) Die Regelungen nach § 137c Abs 3 SGB V über Ansprüche auf Leistungen, die das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative haben, eröffnet den Versicherten einen vom allgemeinen Qualitätsgebot abweichenden Anspruch auf Krankenhausbehandlung nach einem abgesenkten Qualitätsgebot, dem Potentialmaßstab.

Der Senat gibt seine bisherige Rechtsprechung auf, soweit er außerhalb von Erp-RLn für den Anspruch Versicherter auf Krankenhausbehandlungen auch nach Inkrafttreten des § 137c Abs 3 SGB V für die dabei eingesetzten Methoden den vollen Nutzennachweis im Sinne eines evidenzgestützten Konsenses der großen Mehrheit der einschlägigen Fachleute verlangt hat (Aufgabe von: BSG vom 19.12.2017 - B 1 KR 17/17 R - BSGE 125, 76 = SozR 4-5562 § 6 Nr 1, RdNr 23 <obiter dictum>; BSG vom 24.4.2018 - B 1 KR 13/16 R - BSGE 125, 262 = SozR 4-2500 § 137e Nr 1 <Liposuktion>; BSG vom 24.4.2018 - B 1 KR 10/17 R - BSGE 125, 283 = SozR 4-2500 § 137c Nr 10 <Liposuktion>; BSG vom 18.12.2018 - B 1 KR 11/18 R - BSGE 127, 188 = SozR 4-2500 § 137e Nr 2, RdNr 12 <Proteomanalyse>; BSG vom 28.5.2019 - B 1 KR 32/18 R - SozR 4-2500 § 137c Nr 13 <Liposuktion>; BSG vom 8.10.2019 - B 1 KR 3/19 R - BSGE 129, 171 = SozR 4-2500 § 2 Nr 14, RdNr 14 <obiter dictum>; BSG vom 8.10.2019 - B 1 KR 4/19 R - SozR 4-2500 § 12 Nr 16, RdNr 15 <obiter dictum>; bisher schon für die Maßgeblichkeit des Potentialmaßstabs anstelle des allgemeinen Qualitätsgebots Felix, MedR 2016, 93, 96; Orlowski, GesR 2017, 1, 3; Stallberg, NZS 2017, 332, 336 f; Pütter in Dettling/Gerlach, Krankenhausrecht, 2. Aufl 2018, § 137c SGB V RdNr 10; Schneider, SGb 2018, 705, 714; Knispel, jurisPR-SozR 25/2020 Anm 1; Wölk in Katzenmeier, Festschrift für Dieter Hart, 2020, 705, 715 ff; Leopold in Hauck/Noftz, SGB V, § 137c RdNr 82, Stand Dezember 2019; vgl insgesamt zum Streitstand und seiner bisherigen Entwicklung Bockholdt in Hauck/Noftz, SGB V, § 109 RdNr 172 ff mit zahlreichen wN, Stand Mai 2020).

cc) Die partielle Einschränkung des allgemeinen Qualitätsgebots des § 2 Abs 1 Satz 3 SGB V durch § 137c Abs 3 SGB V folgt aus dem Wortlaut der Regelung sowie ihrer Entstehungsgeschichte und befindet sich im Einklang mit dem Regelungssystem des SGB V.

(1) Nach dem Wortlaut der Regelung dürfen Krankenhäuser für Versicherte auch Leistungen erbringen, die nur das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative haben, das heißt Leistungen, deren Methoden noch nicht dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Krankenhäuser dürfen die Potentialleistungen auch dann erbringen, wenn die Versicherten nicht an einer Erp-RL teilnehmen, ja sogar dann, wenn eine solche noch nicht existiert oder noch nicht einmal ein Bewertungsverfahren nach § 137c Abs 1 Satz 1 SGB V eingeleitet wurde.

Der Entstehungsgeschichte des § 137c Abs 3 SGB V, die den Wortlaut der Norm unterstreicht, kommt für das Verständnis der Vorschrift zentrale Bedeutung zu. Seit Einfügung des § 137e SGB V durch das GKV-Versorgungsstrukturgesetz (GKV-VStG) vom 22.12.2011 zum 1.1.2012 (BGBl I 2983) kann der GBA zur Überprüfung von Methoden, die nicht dem Qualitätsgebots entsprechen, aber das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative besitzen, Erp-RLn erlassen. Zugleich hat das GKV-VStG § 137c Abs 1 und 2 SGB V an die Möglichkeit, Erp-RLn erlassen zu können, textlich angepasst. Das BSG hat hierzu entschieden, dass dieser früheren Gesetzesfassung außerhalb der Teilnahme an Erp-RLn eine Einschränkung des Qualitätsgebots nicht mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen ist (vgl BSG vom 21.3.2013 - B 3 KR 2/12 R - BSGE 113, 167 = SozR 4-2500 § 137c Nr 6, RdNr 22; BSG vom 17.12.2013 - B 1 KR 70/12 R - BSGE 115, 95 = SozR 4-2500 § 2 Nr 4, RdNr 19; BSG vom 19.12.2017 - B 1 KR 17/17 R - BSGE 125, 76 = SozR 4-5562 § 6 Nr 1, RdNr 21 ff; BSG vom 8.10.2019 - B 1 KR 4/19 R - SozR 4-2500 § 12 Nr 16 RdNr 15). Der Gesetzgeber hat auf diese Rechtsprechung reagiert und mit dem GKV-VSG ab 23.7.2015 einen Abs 3 in § 137c SGB V eingefügt. Damit hat er hinreichend deutlich gemacht, dass es sich bei dieser Vorschrift um eine partielle Einschränkung des allgemeinen Qualitätsgebots (§ 2 Abs 1 Satz 3 SGB V) für den Bereich der Krankenhausbehandlung handelt. Im GKV-VSG-Entwurf der Bundesregierung wird zusammenfassend formuliert: "Im neuen Absatz 3 wird daher nun ausdrücklich geregelt, dass innovative Methoden, für die der Gemeinsame Bundesausschuss noch keine Entscheidung getroffen hat, im Rahmen einer nach § 39 erforderlichen Krankenhausbehandlung zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen erbracht werden können" (BT-Drucks 18/4095 S 122). Auch der zuständige Ausschuss hat an dieser Begründung festgehalten (vgl BT-Drucks 18/5123 S 135).

Die Gesetzesmaterialien gehen nicht nur davon aus, dass die Krankenhäuser Potentialleistungen erbringen "dürfen", sondern auch davon, dass mit diesem "Dürfen" ein Rechtsanspruch (§ 38 SGB I) der Versicherten auf solche Leistungen korrespondiert. Dies entspricht dem Regelungssystem und der Rechtsprechung des Senats zum Leistungsanspruch Versicherter. Welche Leistungen die KKn allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben, bemisst sich grundsätzlich nach dem Zusammenspiel von Leistungs- und Leistungserbringungsrecht (stRspr; so ausdrücklich BSG vom 2.9.2014 - B 1 KR 3/13 R - BSGE 117, 1 = SozR 4-2500 § 28 Nr 8, RdNr 14 mwN). § 137c Abs 3 SGB V formt den Anspruch Versicherter auf Krankenhausbehandlung (§ 27 Abs 1 Satz 2 Nr 5, § 39 SGB V) näher aus und modifiziert bereichsspezifisch zugleich das allgemeine Qualitätsgebot des § 2 Abs 1 Satz 3 SGB V.

(2) Das Gesetz zur Errichtung des Implantateregisters Deutschland und zu weiteren Änderungen des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (Implantateregister-Errichtungsgesetz - EIRD) vom 12.12.2019 (BGBl I 2494) stellt das in § 39 Abs 1 Satz 1 und § 137c Abs 3 Satz 1 SGB V nochmals ergänzend klar, ohne dass damit eine substantielle Änderung des Regelungsgehalts der Ausgangsfassung des § 137c Abs 3 SGB V verbunden wäre (vgl BT-Drucks 19/13589 S 64 und 65). Krankenhausbehandlung "umfasst auch Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, zu denen der Gemeinsame Bundesausschuss bisher keine Entscheidung nach § 137c Absatz 1 getroffen hat und die das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten" (§ 39 Abs 1 Satz 1 SGB V idF des EIRD). Potentialleistungen "dürfen im Rahmen der Krankenhausbehandlung angewandt und von den Versicherten beansprucht werden" (§ 137c Abs 3 Satz 1 SGB V idF des EIRD).

dd) Diese Auslegung verstößt entgegen der vom Senat bisher vertretenen Auffassung auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (vgl BSG vom 24.4.2018 - B 1 KR 13/16 R - BSGE 125, 262 = SozR 4-2500 § 137e Nr 1, RdNr 20; BSG vom 24.4.2018 - B 1 KR 10/17 R - BSGE 125, 283 = SozR 4-2500 § 137c Nr 10, RdNr 22). Zu Unrecht ist der Senat dabei davon ausgegangen, dass faktische Versorgungslücken im Inland im Falle von Potentialleistungen nicht durch Auslandsbehandlungen geschlossen werden können. Soweit Versicherte Anspruch auf die Anwendung des Potentialmaßstabs anstelle des allgemeinen Qualitätsgebots bei Krankenhausbehandlungen haben, gilt diese Erweiterung ihrer Leistungsansprüche auch im Rahmen aller sonstigen Regelungen, die auf das Qualitätsgebot Bezug nehmen (zB § 13 Abs 5, § 18 Abs 1 SGB V). Auch diese Regelungen werden durch den Potentialmaßstab modifiziert, soweit eine stationäre Behandlung Versicherter erforderlich ist.

b) Der Potentialmaßstab des § 137c Abs 3 SGB V gilt für Leistungen, die das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten (dazu aa). Der Anwendungsbereich von Potentialleistungen ist zur Gewährleistung eines ausreichenden Patientenschutzes für den Fall einer noch nicht existierenden Erp-RL wegen des transitorischen, auf eine abschließende Klärung ausgerichteten Methodenbewertungsverfahrens eng auszulegen (dazu bb). Versicherte haben danach vor Erlass einer Erp-RL Anspruch auf neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, wenn es um innovative Methoden zur Behandlung einer schwerwiegenden Erkrankung geht, für die im Einzelfall keine andere Standardbehandlung verfügbar ist (dazu cc).

aa) Ein auf § 137c SGB V gestützter Anspruch setzt voraus, dass die begehrte Leistung das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative iS des § 137c Abs 1 Satz 2 und 3 SGB V bieten muss. Die daran zu stellenden Anforderungen hat der GBA in seiner Verfahrensordnung konkretisiert (2. Kap § 14 Abs 3 und 4 der Verfahrensordnung des GBA; s ferner BSG vom 18.12.2018 - B 1 KR 11/18 R - BSGE 127, 188 = SozR 4-2500 § 137e Nr 2, RdNr 32 f mwN; BSG vom 11.9.2019 - B 6 KA 17/18 R - SozR 4-2500 § 137e Nr 4 RdNr 69 f). Die dort festgeschriebenen Maßstäbe sind auch für die Auslegung des § 137c Abs 3 SGB V heranzuziehen.

bb) Die gesetzlichen Reglungen zur Erprobung neuer Behandlungsmethoden ermöglichen den Versicherten die Teilhabe an medizinischen Innovationen, räumen dabei aber auch dem Patientenschutz einen breiten Raum ein (dazu 1). Diesem ist auch bei der Auslegung des § 137c Abs 3 SGB V angemessen Rechnung zu tragen (dazu 2).

(1) Eine Erp-RL ist das Ergebnis eines strukturierten GBA-Bewertungsverfahrens. Davor besteht immer die Möglichkeit, dass der GBA rechtmäßig die Durchführung einer Erp-RL ablehnt, weil die neue Methode doch kein hinreichendes Potential aufweist. Erst die auf dem Bewertungsverfahren aufbauende Erp-RL steckt evidenzbasiert den Rahmen ab, innerhalb dessen zu erwarten ist, dass in dem sich anschließenden Erprobungsverfahren weitere medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse generiert werden können. Der Patientenschutz wird während der Erprobungsverfahren noch weiter verstärkt. Denn an Erprobungsverfahren werden besondere personelle, sachliche und sonstige qualitätssichernde Anforderungen gestellt (§ 137e Abs 2 Satz 1 und 2 SGB V), die den daran teilnehmenden Versicherten ein "geschütztes Setting" einschließlich einer wissenschaftlichen Begleitung bieten. Dies eröffnet einerseits im Hinblick auf das Ziel, neue Erkenntnisse zu gewinnen, erweiterte therapeutische Handlungsspielräume. Andererseits besteht auch die Möglichkeit bei sich abzeichnenden Gefährdungen schnell zu intervenieren, etwa wenn Komplikationen bei einzelnen Teilnehmern auftreten, die dann umgehend bei den anderen Teilnehmern Berücksichtigung finden können.

Dies trifft auf Behandlungen, die nicht dem allgemeinen Qualitätsgebot entsprechen, dann nicht zu, wenn es - wie hier - mangels einer Erp-RL schon an konkreten Vorgaben des GBA für einen auf gesicherten und unabhängig bewerteten Erkenntnissen beruhenden Potentialbereich einer Methode fehlt. Es fehlt damit auch an einem zeitnah einzuleitenden Erprobungsverfahren und ist nicht absehbar, ob und wann ein solches eingeleitet werden wird. Es gibt in diesen Fällen keine (vorläufigen) Erkenntnisse aus einem Erprobungsverfahren, die allgemein kommuniziert werden können.

(2) Der Gesetzgeber hat in § 137c SGB V sächliche, personelle und sonstige Anforderungen an die Erbringung von Potentialleistungen nicht vorgegeben. Er hat jedoch kompensatorisch mit dem GBA-Verfahren eine institutionelle Absicherung der Erprobung einer Methode mit Potential vorgesehen, die er als normativen Regelfall versteht. Diese kompensatorische Absicherung weist die Richtung auch für die Zeit vor Erlass einer Erp-RL. Auch insofern kann auf Qualitätsanforderungen nicht weitgehend verzichtet werden.

Dem Potentialmaßstab kommt zudem hinsichtlich einer neuen Methode nur eine zeitlich begrenzte Bedeutung zu. Potentialleistungen haben im Hinblick auf die im Gesetz angelegte Klärung einer endgültigen Etablierung oder aber eines Ausschlusses aus der Versorgung zu Lasten der GKV transitorischen Charakter. Die Formulierungen in § 137c Abs 3 SGB V "bisher keine Entscheidung nach Absatz 1 getroffen", "Methoden, für die noch kein Antrag nach Absatz 1 Satz 1 gestellt wurde" und "Methoden, deren Bewertung nach Absatz 1 noch nicht abgeschlossen ist" machen deutlich, dass der Gesetzgeber auch in Absatz 3 von einer grundsätzlich zu treffenden Entscheidung des GBA über die Wirksamkeit der jeweils neuen Methode ausgeht (iE ebenso Wahl in jurisPK-SGB V, 4. Aufl 2020, § 39 RdNr 109; Propp in BeckOK Sozialrecht, § 137c SGB V RdNr 33, Stand 1.3.2021). Auch Potentialleistungen sind in ein strukturiertes System der Qualitätssicherung eingebettet, das im Regelfall auf eine Entscheidung des GBA über die Wirksamkeit neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden ausgerichtet ist. § 137c Abs 1 Satz 4 SGB V stellt zudem ausdrücklich auf das allgemeine Qualitätsgebot als Prüfmaßstab für die Aufnahme der erprobten neuen Methode in den GKV-Leistungskatalog ab. Während allerdings für zwei von drei Fallgruppen die abschließende Entscheidung des GBA zwingend vorgegeben ist, nämlich dann, wenn ein Bewertungsverfahren - wie hier - bereits eingeleitet (Fallgruppe 1) oder eine Erp-RL sogar schon beschlossen wurde (Fallgruppe 2), fehlt es für eine dritte Fallgruppe an ausdrücklichen Sicherheitsvorkehrungen oder auch nur einem strukturierten Verfahren, das auf eine abschließende Bewertung der Potentialmethode hinauslaufen könnte. Auch in der Fallgruppe 1 fehlt es bis zum Erlass einer Erp-RL geraume Zeit an den oben benannten Sicherungen. Gerade das Bewertungsverfahren der Liposuktion zur Behandlung des Lipödems zeigt anschaulich die erhebliche Zeitspanne, die verstreichen kann, bis es überhaupt zum Erlass einer Erp-RL kommt.

Es gibt jedoch keinen sachlichen Grund anzunehmen, vor Erlass einer Erp-RL bei bestimmten, als Potentialleistungen bezeichneten Untersuchungs- und Behandlungsmethoden auf angemessene Maßnahmen zum Schutz der Versicherten zu verzichten.

Dies ergibt sich mit hinreichender Klarheit auch aus der Begründung des GKV-VSG-Entwurfs zu § 137c SGB V (BT-Drucks 18/4095 S 121): "Der Gemeinsame Bundesauschuss ist in einem solchen Fall <Methode mit Potential vorhanden> grundsätzlich verpflichtet, eine Erprobung zu initiieren, um die für eine fundierte Entscheidung erforderlichen Erkenntnisse zu generieren. Bis zum Vorliegen dieser Erkenntnisse und einer abschließenden Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses bleibt es dabei, dass die Methode im Krankenhaus angewandt werden kann, insbesondere damit sie zur Versorgung der typischerweise schwerer erkrankten Versicherten mit besonderem Bedarf nach innovativen Behandlungsalternativen weiterhin zur Verfügung steht. Insoweit handelt es sich um eine Konkretisierung des allgemeinen Qualitätsgebots des § 2 Absatz 1 Satz 2 <gemeint ist Satz 3>."

Die Gesetzesbegründung beschreibt sehr deutlich die Unsicherheit über die Eignung der noch zu überprüfenden Methode. In welcher Weise das allgemeine Qualitätsgebot im Spannungsfeld von innovativen, aber noch nicht gesicherten Methoden und Patientenschutz zu konkretisieren ist, bleibt aber auch nach der Gesetzesbegründung offen. Der Umstand, dass eine Methode mit Potential zu Lasten der GKV "angewandt werden kann", bedeutet noch nicht, dass sie - die Standardmethoden gleichsam beiseite schiebend - jederzeit angewandt werden darf. Dem steht auch entgegen, dass der Gesundheitsausschuss die in § 137c Abs 3 Satz 1 SGB V Gesetz gewordene Formulierung empfohlen hat, dass die Anwendung der Methode mit Potential nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgen, sie insbesondere medizinisch indiziert und notwendig sein muss. Diese Regelung hat nicht nur haftungsrechtliche Bedeutung, sondern soll auch der Sicherstellung der Wirtschaftlichkeit der Behandlung entsprechend § 12 Abs 1 SGB V dienen (zum Ganzen vgl BT-Drucks 18/5123 S 135).

cc) Im Widerstreit zwischen Innovation und Patientenschutz ist bei fehlenden kompensatorischen Sicherungen in Gestalt des GBA-Verfahrens dem Patientenschutz Vorrang einzuräumen. Potentialleistungen dürfen demnach vor Erlass einer Erp-RL nur dann angewendet werden, wenn die Abwägung von Chancen und Risiken zugunsten der Potentialleistung ausfällt. Dies ist dann der Fall, wenn im einzelnen Behandlungsfall eine schwerwiegende Erkrankung vorliegt (vgl zu den Anforderungen hieran BSG vom 19.3.2002 - B 1 KR 37/00 R - BSGE 89, 184, 191 = SozR 3-2500 § 31 Nr 8 S 36, dort zum Off-Label-Use), für die nach dem jeweiligen Behandlungsziel eine Standardtherapie nicht oder nicht mehr verfügbar ist.

Der Gesetzgeber selbst hat in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck gebracht, dass die Regelung vordringlich für schwerer erkrankte Versicherte mit einem besonderen Bedarf an innovativen Behandlungsalternativen gedacht ist (vgl BT-Drucks 18/4095 S 121).

Nach dem Wortlaut des § 137c SGB V muss es sich zudem bei der neuen Methode um eine "erforderliche" Behandlungsalternative handeln. An dieser "Erforderlichkeit" fehlt es, solange eine Standardtherapie zur Verfügung steht und Risiken existieren, die sich aus dem Einsatz innovativer Methoden (nur) mit dem Potential, nicht aber mit der Gewissheit einer erforderlichen Behandlungsalternative für die Patienten ergeben können. Dies gilt jedenfalls dann, wenn sie nicht hinreichend durch eine vorläufige Einschätzung des GBA sowie durch besondere Anforderungen an die Struktur- und Prozessqualität abgesichert sind. Eine andere Standardtherapie ist dann nicht verfügbar, wenn alle in Betracht kommenden Standardbehandlungen kontraindiziert sind oder sich als unwirksam erwiesen haben. § 137c Abs 3 Satz 1 SGB V verlangt, dass die Potentialleistungen medizinisch indiziert und notwendig sein müssen. Das damit insgesamt angesprochene Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 Abs 1 SGB V erfordert bei mehreren zur Verfügung stehenden Behandlungsalternativen, den Weg des gesicherten Nutzens zu wählen. Das Individualinteresse der Versicherten an einer wirkungsvollen und qualitätsgesicherten Behandlung und an einem Schutz vor vermeidbaren Gesundheitsgefahren korrespondiert insofern mit dem öffentlichen Interesse an einem verantwortungsvollen Umgang mit den beschränkten Mitteln der Beitragszahler (vgl Hauck in Festschrift für Wolfhard Kothe, 2016, 577, 592; vgl auch BVerfG vom 16.7.2004 - 1 BvR 1127/01 - SozR 4-2500 § 135 Nr 2 = juris RdNr 25; Quaas in Quaas/Zuck/Clemens, Medizinrecht, 4. Aufl 2018, § 9 RdNr 22).

c) Kann danach bereichsspezifisch der Potentialmaßstab zur Anwendung kommen, gelten die übrigen Voraussetzungen des Anspruchs auf Krankenhausbehandlung uneingeschränkt. Insbesondere ist auch weiterhin ein Anspruch auf vollstationäre Krankenhausbehandlung nach § 39 Abs 1 Satz 2 SGB V nur dann gegeben, wenn die Aufnahme durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann. Ist eine ambulante Behandlung aus medizinischen Gründen nicht ausgeschlossen, besteht kein Anspruch auf eine vollstationäre Behandlung. Dies gilt auch dann, wenn zur Erreichung des Behandlungsziels mehr Behandlungsschritte in einem längeren Zeitraum erforderlich sind als bei vollstationärer Behandlung. Insbesondere darf das durch § 135 SGB V statuierte Verbot mit Genehmigungsvorbehalt im Bereich der ambulanten Versorgung nicht durch die "Flucht" in die Krankenhausbehandlung umgangen werden. Eine ambulante Krankenhausbehandlung nach § 115b SGB V in der hier anzuwendenden Fassung scheidet jedenfalls aus, weil die Liposuktion (Operationen- und Prozedurenschlüssel <2016 und 2017> 5-911.1) nicht Gegenstand des Katalogs ambulant durchführbarer Operationen war.

6. Da keine Feststellungen zu den Anspruchsvoraussetzungen vorliegen, ist die Sache an das LSG zurückzuverweisen. Es hat der bisherigen, nunmehr aufgegebenen Rechtsprechung folgend und daher von seinem Standpunkt aus zutreffend, keine weiteren Tatsachen festgestellt. Diese Feststellungen muss es nachholen.

7. Die Kostenentscheidung bleibt dem LSG vorbehalten.

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