Bundessozialgericht

Anforderungen an das Potenzial einer Untersuchungsmethode für eine Erprobung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung

Ausgabejahr 2018
Nummer 60
Datum 19.12.2018

Eine Untersuchungsmethode besitzt das "Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative", wenn ihr Nutzen weder eindeutig belegt noch ihre Schädlichkeit oder Unwirksamkeit festgestellt werden kann, die Methode aufgrund ihres Wirkprinzips und der bisher vorliegenden Erkenntnisse aber mit der Erwartung verbunden ist, dass sie eine effektivere Behandlung ermöglichen kann. Erforderlich ist ferner, dass die noch offenen Fragen in einer einzigen Studie geklärt werden können. Dies hat der 1. Senat des Bundessozialgerichts am 18. Dezember 2018 entschieden (Aktenzeichen B 1 KR 11/18 R).

Der beklagte Gemeinsame Bundesausschuss lehnte den Antrag der Klägerinnen, eine Richtlinie zur Erprobung der Untersuchungsmethode mittels des von ihnen angebotenen DiaPat®-CC Diagnosetests zu beschließen, mangels Erprobungspotenzials ab. Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg hat den Beklagten im Klageverfahren verpflichtet, den Antrag erneut zu bescheiden: Die Ablehnung des Antrags sei nur bei Methoden ohne jedes Potenzial gerechtfertigt. Es genüge - wie beim DiaPat®-CC - die auf dem Wirkprinzip beruhende Annahme, die diagnostische Methode könne sich in ihrem Anwendungsbereich als erfolgreich erweisen, und sei es auch nach mehreren Erprobungsstudien. Dem ist der 1. Senat des Bundessozialgerichts entgegengetreten und hat die Sache zurückverwiesen: Ein Erprobungspotenzial erfordert, dass die präsenten Erkenntnisse die Konzeption einer einzigen Erprobungsstudie mit grundsätzlich randomisiertem, kontrolliertem Design erlauben, um die bestehende Evidenzlücke zu füllen. Allerdings kann der 1. Senat mangels ausreichender Feststellungen des Landessozialgerichts nicht abschließend entscheiden, ob trotz der geringen Fallzahlen der einschlägigen vorgelegten retrospektiven Studien hierauf eine abschließende Erprobungsstudie gestützt werden kann. Der Beklagte versäumte es im Antragsverfahren, bei den Klägerinnen nachzufragen, ob sie nicht nur statistisch, sondern durch weitere präsente wissenschaftliche Erkenntnisse untermauern können, wie sie die krankheitsspezifischen Referenzmuster erstellen. Dazu wird den Klägerinnen nach der Zurückverweisung im Klageverfahren Gelegenheit zu geben sein. Unter Berücksichtigung der dadurch gewonnenen Erkenntnisse wird das Landessozialgericht zu beurteilen haben, ob sich insgesamt ein hinreichendes Potenzial ergibt.

Hinweise zur Rechtslage

§ 137e Fünftes Buch Sozialgesetzbuch

(1) Gelangt der Gemeinsame Bundesausschuss bei der Prüfung von Untersuchungs- und Behandlungsmethoden nach § 135 oder § 137c zu der Feststellung, dass eine Methode das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, ihr Nutzen aber noch nicht hinreichend belegt ist, kann der Gemeinsame Bundesausschuss unter Aussetzung seines Bewertungsverfahrens eine Richtlinie zur Erprobung beschließen, um die notwendigen Erkenntnisse für die Bewertung des Nutzens der Methode zu gewinnen. Aufgrund der Richtlinie wird die Untersuchungs- oder Behandlungsmethode in einem befristeten Zeitraum im Rahmen der Krankenbehandlung oder der Früherkennung zulasten der Krankenkassen erbracht.



(7) Unabhängig von einem Beratungsverfahren nach § 135 oder § 137c können Hersteller eines Medizinprodukts, auf dessen Einsatz die technische Anwendung einer neuen Untersuchungs- oder Behandlungsmethode maßgeblich beruht, und Unternehmen, die in sonstiger Weise als Anbieter einer neuen Methode ein wirtschaftliches Interesse an einer Erbringung zulasten der Krankenkassen haben, beim Gemeinsamen Bundesausschuss beantragen, dass dieser eine Richtlinie zur Erprobung der neuen Methode nach Absatz 1 beschließt. Der Antragsteller hat aussagekräftige Unterlagen vorzulegen, aus denen hervorgeht, dass die Methode hinreichendes Potenzial für eine Erprobung bietet sowie eine Verpflichtungserklärung nach Absatz 6 abzugeben. Der Gemeinsame Bundesausschuss entscheidet innerhalb von drei Monaten nach Antragstellung auf der Grundlage der vom Antragsteller zur Begründung seines Antrags vorgelegten Unterlagen. Beschließt der Gemeinsame Bundesausschuss eine Erprobung, entscheidet er im Anschluss an die Erprobung auf der Grundlage der gewonnenen Erkenntnisse über eine Richtlinie nach § 135 oder § 137c.

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