Bundessozialgericht

Haben Versicherte gegen ihre Krankenkasse Anspruch auf Arzneimittel zur Raucherentwöhnung?

Ausgabejahr 2019
Nummer 17
Datum 21.05.2019

Darüber wird der 1. Senat am Dienstag, dem 28. Mai 2019 ab 10.30 Uhr mündlich verhandeln und entscheiden (Aktenzeichen B 1 KR 25/18 R).

Die bei der beklagten Krankenkasse versicherte Klägerin, die unter anderem an einer chronisch obstruktiven Lungenwegserkrankung leidet, beantragte, gestützt auf eine vertragsärztliche Verordnung, eine "Raucherentwöhnungstherapie nach § 27 und § 43 SGB V" (ärztliche Behandlungskosten 300 Euro) nebst Medikamenten zur Behandlung ihrer Nikotinsucht. Die Beklagte bewilligte der Klägerin bis zu 255 Euro für die "beantragte Patientenschulung", lehnte eine weitergehende Versorgung aber ab. Die Klägerin ist bei dem Sozialgericht Schleswig und dem Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht mit ihrem Begehren auf umfassende Raucherentwöhnungstherapie für die Zukunft und Erstattung von 1251,57 Euro entstandener Kosten einschließlich des Arzneimittels "Nicotinell" für die Vergangenheit ohne Erfolg geblieben. Das Landessozialgericht hat ausgeführt, die Versorgung mit Nicotinell sei gesetzlich ausgeschlossen. Es gebe nach der Psychotherapie-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses keinen Anspruch auf Verhaltenstherapie zur Raucherentwöhnung. Der behandelnde Vertragsarzt gehöre auch nicht zum Kreis der zur Verhaltenstherapie berechtigten Leistungserbringer.

Die Klägerin rügt mit ihrer Revision die Verletzung von § 27 Absatz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung -, Artikel 2 Absatz 1 Grundgesetz in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip, Artikel 2 Absatz 2 Grundgesetz, sowie § 27 Absatz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch Gesetzliche Krankenversicherung in Verbindung mit Artikel 3 Absatz 1 Grundgesetz. Sie trägt auf Nachfrage des Senats, welche ärztliche Behandlung sie über die geregelten Gegenstände der vertragsärztlichen Versorgung hinaus begehre, vor, es gehe ihr neben der Arzneimittelversorgung um eine höhere Vergütung therapeutischer Gespräche.

Hinweis auf Rechtsvorschriften

§ 2 SGB V Leistungen
(…)
(1a) Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, können auch eine von Absatz 1 Satz 3 abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Die Krankenkasse erteilt für Leistungen nach Satz 1 vor Beginn der Behandlung eine Kostenübernahmeerklärung, wenn Versicherte oder behandelnde Leistungserbringer dies beantragen. Mit der Kostenübernahmeerklärung wird die Abrechnungsmöglichkeit der Leistung nach Satz 1 festgestellt.

§ 27 SGB V Krankenbehandlung
(1) Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst
1. Ärztliche Behandlung einschließlich Psychotherapie als ärztliche und psychotherapeutische Behandlung,
(…)
3. Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln,
(…)
6. Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und ergänzende Leistungen.

§ 34 SGB V Ausgeschlossene Arznei-, Heil- und Hilfsmittel
(1)
(…)
Von der Versorgung sind außerdem Arzneimittel ausgeschlossen, bei deren Anwendung eine Erhöhung der Lebensqualität im Vordergrund steht. Ausgeschlossen sind insbesondere Arzneimittel, die überwiegend zur Behandlung der erektilen Dysfunktion, der Anreizung sowie Steigerung der sexuellen Potenz, zur Raucherentwöhnung, zur Abmagerung oder zur Zügelung des Appetits, zur Regulierung des Körpergewichts oder zur Verbesserung des Haarwuchses dienen. Das Nähere regeln die Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6.

§ 43 SGB V Ergänzende Leistungen zur Rehabilitation
(1) Die Krankenkasse kann neben den Leistungen, die nach § 64 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 sowie nach §§ 73 und 74 des Neunten Buches als ergänzende Leistungen zu erbringen sind,
(…)
2. wirksame und effiziente Patientenschulungsmaßnahmen für chronisch Kranke erbringen; Angehörige und ständige Betreuungspersonen sind einzubeziehen, wenn dies aus medizinischen Gründen erforderlich ist,
wenn zuletzt die Krankenkasse Krankenbehandlung geleistet hat oder leistet.
(…)

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