Bundessozialgericht

Sozialversicherungspflicht in einer Rechtsanwaltsgesellschaft nicht ausgeschlossen

Ausgabejahr 2022
Nummer 24
Datum 28.06.2022

Rechtsanwälte, die als Gesellschafter-Geschäftsführer einer Rechtsanwaltsgesellschaft tätig sind, können aufgrund abhängiger Beschäftigung sozialversicherungspflichtig sein. Dies ist nicht von vornherein deshalb ausgeschlossen, weil Rechtsanwälte unabhängige Organe der Rechtspflege sind. Vielmehr kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an. Das hat der 12. Senat des Bundessozialgerichts heute entschieden und damit die Revisionen von fünf Rechtsanwälten zurückgewiesen (B 12 R 4/20 R).

Bei Rechtsanwaltsgesellschaften kommt es - wie allgemein bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung - für die Frage einer Versicherungspflicht aufgrund Beschäftigung der Gesellschafter-Geschäftsführer darauf an, ob sie über die gesellschaftsrechtliche Rechtsmacht verfügen, die Geschicke des Unternehmens zu bestimmen. Etwas anderes gilt nicht für Rechtsanwälte, die in einer Rechtsanwaltsgesellschaft tätig sind. Ganz allgemein schließt die Bundesrechtsanwaltsordnung eine Tätigkeit von Rechtsanwälten in einem Anstellungsverhältnis und damit in abhängiger Beschäftigung nicht aus. Dies gilt auch in einer Rechtsanwaltsgesellschaft, denn die Regelungen der Bundesrechtsanwaltsordnung gewährleisten lediglich die fachliche Unabhängigkeit der Rechtsanwälte in ihrer anwaltlichen Tätigkeit. Aufgrund ihrer Position als Geschäftsführer können sie dennoch in das Unternehmen eingegliedert sein und im Rahmen der Unternehmenspolitik Weisungen der Gesellschafterversammlung unterliegen.

In Anwendung dieser Maßstäbe hat der Senat die Urteile der Vorinstanzen bestätigt und die Revisionen zurückgewiesen. Jeder der fünf Kläger verfügte als Minderheitsgesellschafter mit einem Geschäftsanteil von ursprünglich 20 vom Hundert, später 25 vom Hundert nicht über die gesellschaftsrechtliche Rechtsmacht, die Geschicke der Rechtsanwaltsgesellschaft zu bestimmen. Die Geschäftsführerverträge enthalten zudem typische Regelungen für eine abhängige Beschäftigung.

Hinweise zur Rechtslage:

§ 37 Abs. 1 GmbHG Beschränkungen der Vertretungsbefugnis
Die Geschäftsführer sind der Gesellschaft gegenüber verpflichtet, die Beschränkungen einzuhalten, welche für den Umfang ihrer Befugnis, die Gesellschaft zu vertreten, durch den Gesellschaftsvertrag oder, soweit dieser nicht ein anderes bestimmt, durch die Beschlüsse der Gesellschafter festgesetzt sind.

§ 1 BRAO Stellung des Rechtsanwalts in der Rechtspflege
Der Rechtsanwalt ist ein unabhängiges Organ der Rechtspflege.

§ 46 BRAO Angestellte Rechtsanwälte und Syndikusrechtsanwälte
(1) Rechtsanwälte dürfen ihren Beruf als Angestellte solcher Arbeitgeber ausüben, die als Rechtsanwälte, Patentanwälte oder rechts- oder patentanwaltliche Berufsausübungsgesellschaften tätig sind.
(2) 1Angestellte anderer als der in Absatz 1 genannten Personen oder Gesellschaften üben ihren Beruf als Rechtsanwalt aus, sofern sie im Rahmen ihres Arbeitsverhältnisses für ihren Arbeitgeber anwaltlich tätig sind (Syndikusrechtsanwälte). (…)

§ 59c Abs. 1 BRAO Zulassung als Rechtsanwaltsgesellschaft und Beteiligung an beruflichen Zusammenschlüssen
Gesellschaften mit beschränkter Haftung, deren Unternehmensgegenstand die Beratung und Vertretung in Rechtsangelegenheiten ist, können als Rechtsanwaltsgesellschaften zugelassen werden.

§ 59e Abs. 1 Satz 1 BRAO Gesellschafter
Gesellschafter einer Rechtsanwaltsgesellschaft können nur Rechtsanwälte und Angehörige der in § 59a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 BRAO genannten Berufe sein.

§ 59f BRAO Geschäftsführung
(1) Die Rechtsanwaltsgesellschaft muß von Rechtsanwälten verantwortlich geführt werden. Die Geschäftsführer müssen mehrheitlich Rechtsanwälte sein.
(…)
(4) Die Unabhängigkeit der Rechtsanwälte, die Geschäftsführer oder gemäß Absatz 3 bevollmächtigt sind, bei der Ausübung ihres Rechtsanwaltsberufs ist zu gewährleisten. Einflußnahmen der Gesellschafter, namentlich durch Weisungen oder vertragliche Bindungen, sind unzulässig.

§ 7 Abs. 1 SGB IV Beschäftigung
1Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. 2Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

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