Bundessozialgericht

Sind die Aufwendungen einer Optionskommune für Widerspruchssachbearbeiter im SGB II vom Bund in tatsächlicher Höhe zu erstatten?

Ausgabejahr 2025
Nummer 4
Datum 17.03.2025

Der Bund trägt die Kosten für die grundsätzlich in seine Zuständigkeit fallenden Aufgaben der Grundsicherung für Arbeitsuchende auch dann, wenn diese nicht von der Bundesagentur für Arbeit, sondern von einem zugelassenen kommunalen Träger (Optionskommune) wahrgenommen werden. Über die Erstattung der Kosten für das bei der Bearbeitung von Widersprüchen eingesetzte Personal bestehen Streitigkeiten zwischen dem Bund und verschiedenen Optionskommunen mit einem Gesamtvolumen von rund 10 Millionen Euro. Erstmals wird der 4. Senat des Bundessozialgerichts am 26. März 2025 ab 11:30 Uhr im Jacob-Grimm-Saal zu dieser Frage entscheiden (Aktenzeichen B 4 AS 4/24 R).

Der beklagte Landkreis ist als sogenannte Optionskommune Träger der Aufgaben nach dem SGB II. Wegen der hierdurch angefallenen Aufwendungen rief er für das Haushaltsjahr 2018 im automatisierten Verfahren für das Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesen des Bundes (HKR-Verfahren) Bundesmittel für Verwaltungskosten ab. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales beanstandete später die Geltendmachung von Kosten für den Einsatz von vier Widerspruchssachbearbeitern im Aufgabenbereich des SGB II. Die Aufwendungen hierfür seien nicht in tatsächlich angefallener Höhe als Personalkosten abzurechnen (sogenannte Spitzabrechnung). Vielmehr seien sie den Personalgemeinkosten zuzuordnen und durch eine Pauschale abgegolten.

Das erstinstanzlich zuständige Landessozialgericht hat die auf Erstattung gerichtete Klage der Bundesrepublik Deutschland abgewiesen, denn die Kosten für den Einsatz der Widerspruchssachbearbeiter seien zutreffend als Personalkosten „spitz“ abgerechnet worden. Nach § 6b Absatz 2 Satz 1 SGB II habe der Bund als Verwaltungskosten auch die personellen Aufwendungen der zugelassenen kommunalen Träger für Aufgaben nach dem SGB II zu tragen. Zu diesen Aufgaben gehöre auch der Erlass von Widerspruchsbescheiden im Bereich des SGB II, wofür die fraglichen Sachbearbeiter ausschließlich eingesetzt worden seien. Nichts anderes ergebe sich nach der Kommunalträger-Abrechnungsverwaltungsvorschrift (KoA-VV), auf die sich der Bund berufe.

Mit der Revision rügt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales eine Verletzung von § 6b Absatz 2 Satz 1, Absatz 5 SGB II in Verbindung mit § 10 und § 13 Kommunalträger-Abrechnungsverwaltungsvorschrift. Der beklagte Landkreis sei zur Erstattung des eingeklagten Betrags verpflichtet. Das Landessozialgericht habe die angefallenen Aufwendungen für die Widerspruchssachbearbeitung zu Unrecht den in tatsächlich anfallender Höhe „spitz“ abrechenbaren Personalkosten und nicht den pauschaliert abzurechnenden Personalgemeinkosten zugeordnet. Dies widerspreche den auch für das Gericht verbindlichen Vorgaben der Kommunalträger-Abrechnungsverwaltungsvorschrift.

Hinweise zur Rechtslage:
Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II)
§ 6b Rechtsstellung der zugelassenen kommunalen Träger (idF vom 1.12.2016)
(1) 1Die zugelassenen kommunalen Träger sind anstelle der Bundesagentur im Rahmen ihrer örtlichen Zuständigkeit Träger der Aufgaben nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 mit Ausnahme der sich aus den §§ 44b, 48b, 50, 51a, 51b, 53, 55, 56 Absatz 2, §§ 64 und 65d ergebenden Aufgaben. 2Sie haben insoweit die Rechte und Pflichten der Agentur für Arbeit.
(2) 1Der Bund trägt die Aufwendungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende einschließlich der Verwaltungskosten mit Ausnahme der Aufwendungen für Aufgaben nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2. 2§ 46 Absatz 1 Satz 4, Absatz 2 und 3 Satz 1 gilt entsprechend. 3§ 46 Absatz 5 bis 11 bleibt unberührt.

(5) 1Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales kann von dem zugelassenen kommunalen Träger die Erstattung von Mitteln verlangen, die er zu Lasten des Bundes ohne Rechtsgrund erlangt hat. 2Der zu erstattende Betrag ist während des Verzugs zu verzinsen. 3Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr 3 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.

§ 46 Finanzierung aus Bundesmitteln (insoweit idF vom 1.12.2016)
(1) ... 4Eine Pauschalierung von Eingliederungsleistungen und Verwaltungskosten ist zulässig. …
(2) 1Der Bund kann festlegen, nach welchen Maßstäben die Mittel nach Absatz 1 Satz 4 auf die Agenturen für Arbeit zu verteilen sind. 2Bei der Zuweisung wird die Zahl der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten nach diesem Buch zugrunde gelegt. 3Für Leistungen nach den §§ 16e, 16f und 16h kann die Agentur für Arbeit insgesamt bis zu 20 Prozent der auf sie entfallenden Eingliederungsmittel einsetzen. 4Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales kann im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates andere oder ergänzende Maßstäbe für die Verteilung der Mittel nach Absatz 1 Satz 4 festlegen.
(3) 1Der Anteil des Bundes an den Gesamtverwaltungskosten der gemeinsamen Einrichtungen beträgt 84,8 Prozent. …

§ 48 Aufsicht über die zugelassenen kommunalen Träger (idF vom 13.5.2011)

(3) Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales kann mit Zustimmung des Bundesrates allgemeine Verwaltungsvorschriften für die Abrechnung der Aufwendungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende erlassen.

Kommunalträger-Abrechnungsverwaltungsvorschrift - KoA-VV (idF vom 17.12.2018)
§ 10 Personalkosten
(1) Personalkosten sind die Aufwendungen für Bezüge des im Aufgabenbereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch eingesetzten Personals sowie für Beiträge und Steuern, die im Zusammenhang mit der Gewährung der Bezüge stehen. …

§ 13 Personalgemeinkosten
(1) Personalgemeinkosten sind die in der Regel nicht als Einzelkosten erfassbaren Kosten der Leitung und Verwaltungsgemeinkosten. Verwaltungsgemeinkosten sind die Aufwendungen für den Inneren Dienst und die allgemeine Verwaltung.

(3) Der Innere Dienst umfasst insbesondere Schreibkräfte, Botendienste, Pförtnerdienste, Fahrbereitschaft, Materialverwaltung, Druckerei und Vervielfältigung, Poststelle und Bibliothek.
(4) Kosten der allgemeinen Verwaltung sind insbesondere Aufwendungen für Personalangelegenheiten, Personalvertretung und Innenrevision sowie Aufwendungen für Haushalt, Organisation, Recht, Dokumentation und Statistik.

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