Witwenrente nach Mord im Krankenhaus ohne Verjährungsgrenzen?
Der Termin wurde aufgehoben, nachdem sich das Verfahren durch Vergleich der Beteiligten vor dem Termin erledigt hat.
Ausgabejahr 2025
Nummer 32
Datum 05.12.2025
Darf sich die Berufsgenossenschaft nach der Ermordung von Patienten im Krankenhaus auf die Verjährung von Hinterbliebenenleistungen berufen? Mit dieser Frage befasst sich der 2. Senat des Bundessozialgerichts in seiner Sitzung am 9. Dezember 2025 um 13 Uhr im Elisabeth-Selbert-Saal (Aktenzeichen B 2 U 16/23 R).
Im Jahr 2014 erhielt die beklagte Berufsgenossenschaft durch Presseberichterstattung Kenntnis davon, dass ein Krankenpfleger zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt worden war, nachdem er zahlreiche Patienten in den Krankenhäusern O. und D. durch Medikamentengaben ermordet hatte. Im Raum stand der Verdacht, dass er für weitere Todesfälle und auch den Tod des Versicherten im Jahr 2003 verantwortlich sein könnte. Nachdem die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen diesen Verdacht bestätigt hatten, erkannte die Beklagte einen Arbeitsunfall an und gewährte der Klägerin als Erbin nach ihrer Mutter, der Witwe des Versicherten, Witwenrente für die Zeit ab dem Jahr 2010. Für die vorangehende Zeit berief sie sich auf Verjährung. Klage und Berufung sind ohne Erfolg geblieben. Die Beklagte habe sich weder treuwidrig auf Verjährung berufen noch ihr Ermessen fehlerhaft ausgeübt. Unzureichende Ermittlungen seien ihr nicht anzulasten.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung der §§ 39, 45 SGB I. Es dürfe nicht zu Lasten des Einzelnen gehen, wenn Schadensgroßereignisse nicht zeitnah aufgeklärt würden. In solchen Fällen dürfe die Einrede der Verjährung nicht erhoben werden.
Hinweise zur Rechtslage:
Siebtes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Unfallversicherung
§ 2 Versicherung kraft Gesetzes (idF des Gesetzes vom 19.6.2001 BGBl. I 1046 mWv 1.7.2001)
(1) Kraft Gesetzes sind versichert
…
15. Personen, die
a) auf Kosten einer Krankenkasse oder eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung oder der landwirtschaftlichen Alterskasse stationäre oder teilstationäre Behandlung oder stationäre, teilstationäre oder ambulante Leistungen zur medizinischen Rehabilitation erhalten…
§ 8 Arbeitsunfall (idF des Gesetzes vom 7.8.1996, BGBl. I S. 1254 mWv 1.1.1997)
(1) Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit)…
§ 63 Leistungen bei Tod (idF des Gesetzes vom 7.8.1996, BGBl. I S. 1254 mWv 1.1. 1997)
(1) Hinterbliebene haben Anspruch auf
…
3. Hinterbliebenenrenten…
Erstes Buch Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil
§ 39 Ermessensleistungen (idF des Gesetzes vom 11. 12.1975, BGBl. I S. 3015 mWv 1.1.1976)
(1) Sind die Leistungsträger ermächtigt, bei der Entscheidung über Sozialleistungen nach ihrem Ermessen zu handeln, haben sie ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten.
…
§ 45 Verjährung (idF des Gesetzes vom 21.6.2002, BGBl. I 2167 mWv 1.1.2002)
(1) Ansprüche auf Sozialleistungen verjähren in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie entstanden sind.
(2) Für die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs sinngemäß.
…
Bürgerliches Gesetzbuch
§ 214 Wirkung der Verjährung (neugefasst durch Bek. vom 2.1.2002, BGBl. I 42 mWv 1.1.2002)
(1) Nach Eintritt der Verjährung ist der Schuldner berechtigt, die Leistung zu verweigern.