Bundessozialgericht

Verhandlung B 2 U 3/16 R

Verhandlungstermin 23.01.2018 10:00 Uhr
Verhandlungsort Jacob-Grimm-Saal

Terminvorschau

H.-M. J. ./. Unfallkasse Rheinland-Pfalz
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger auf dem Weg zu seiner Arbeitsstätte einen in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherten Arbeitsunfall erlitten hat. Der Deutsche Wetterdienst hatte am 10.3.2013 nachmittags eine Warnung herausgegeben, dass im Landkreis des Klägers bei weiter sinkenden Temperaturen in der kommenden Nacht mit Glätte durch überfrierende Nässe zu rechnen sei. Der Kläger verließ am Morgen des 11.3.2013 sein Wohnhaus und ging zu seinem vor dem Wohnhaus auf dem Grundstück abgestellten Pkw, um mit seinem Pkw zu seiner Arbeitsstätte zu fahren. Er legte seine Arbeitstasche in den Wagen, verließ anschließend sein Grundstück zu Fuß und ging wenige Meter auf die öffentliche Straße, um deren Fahrbahn darauf zu überprüfen, ob diese glatt sei. Während des Rückwegs zu seinem Pkw knickte er in der Regenrinne am Bordstein der Straße mit dem Fuß um, fiel auf seinen rechten Arm und erlitt dadurch Unterarmfrakturen. Die Beklagte lehnte die Feststellung eines Arbeitsunfalls ab. Die Prüfung der Straße auf mögliche Glätte sei eine dem Privatbereich zuzuordnende Vorbereitungshandlung, die den Versicherungsschutz auf dem Weg unterbrochen habe.

Das SG hat entschieden, dass es sich bei dem Unfall um einen Versicherungsfall gehandelt habe, weil die unfallbringende Verrichtung eine erforderliche, unvorhersehbare und deshalb ausnahmsweise versicherte Vorbereitungshandlung gewesen sei. Die Prüfung habe der Vorbereitung der konkreten Fahrt zum Arbeitsplatz gedient und sei erforderlich gewesen, um die witterungsbedingten Gefahren auf der Fahrt zur Arbeit abschätzen zu können. Das LSG hat auf die Berufung der Beklagten das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Arbeitsunfall erlitten, weil er zum Zeitpunkt des Unfalls keinen unmittelbaren Weg nach dem Ort seiner versicherten Tätigkeit zurückgelegt habe. Die Prüfung der Fahrbahnverhältnisse sei keine in einem ausreichenden sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehende versicherte Tätigkeit gewesen. Die den Weg unterbrechende Prüfung der Fahrbahnverhältnisse sei als Vorbereitungsmaßnahme dem nicht versicherten persönlichen Lebensbereich des Klägers zuzurechnen. Die im Winter durch überfrierende Nässe glatte Straße sei - auch angesichts der Wetterberichte - weder ein unvorhergesehenes Ereignis gewesen noch habe die Prüfung des Fahrbahnzustandes unmittelbar vor dem Grundstück ein vollständiges Bild der Fahrbahnverhältnisse auf dem gesamten Weg zur Arbeit vermitteln können.

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung des § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII.

Sozialgericht Koblenz - S 15 U 170/13
Landessozialgericht Rheinland-Pfalz - L 3 U 112/14

Terminbericht

Die Revision hatte keinen Erfolg. Zu Recht hat das LSG entschieden, dass der Kläger keinen in der gesetzlichen Unfallversicherung gem § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII versicherten Wegeunfall erlitten hat, als er auf dem Weg zu seinem PKW stürzte, nachdem er zuvor die Fahrbahn auf Glätte untersucht hatte. Versichert ist in der gesetzlichen Unfallversicherung als Vorbereitungshandlung der eigentlichen Tätigkeit jeweils nur das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach dem Ort der Tätigkeit. Der Kläger hat diesen unmittelbaren Weg zwar zunächst angetreten, als er die Haustür seines Wohnhauses durchschritt. Diesen Weg hat er aber sodann unterbrochen, weil er, nachdem er die Arbeitstasche in seinem vor dem Haus abgestellten PKW abgelegt hatte, zu Fuß auf die Straße ging, um persönlich den Straßenzustand zu prüfen. Diese Vorbereitungshandlung stand nicht mehr in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit des Zurücklegens des Weges. Der Senat hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass das Auftreten und Beseitigen eines unvorhergesehenen Hindernisses auf dem Weg versichert sein kann (umgestürzter Baum etc). Nach den Feststellungen des LSG war die Straßenglätte für den Kläger schon nicht unvorhersehbar im Sinne der bisherigen Rechtsprechung. Der Kläger erfüllte aber auch keine zwingende straßenverkehrsrechtliche Pflicht, als er durch persönliche Inaugenscheinnahme die Straße prüfte. Nach den Regelungen der StVO besteht eine Rechtspflicht lediglich dahingehend, die Fahrweise den Fahrbahnverhältnissen anzupassen und so langsam zu fahren, dass das Fahrzeug jederzeit gefahrlos angehalten werden kann. Eine Prüfpflicht der Straßenverhältnisse durch ein Aussteigen aus dem Fahrzeug oder ähnliche Handlungen wird in der straßenverkehrsrechtlichen Rechtsprechung allenfalls im Hinblick auf die besonderen Pflichten des § 2 Abs 3a S 5 StVO beim Transport von Gefahrgütern gefordert. Die Handlungsweise des Klägers mag aus seiner Sicht "vernünftig" gewesen sein, objektiv erforderlich oder rechtlich geboten war sie hingegen nicht. Die rein subjektive Überzeugung von der Erforderlichkeit einer Vorbereitungshandlung bzw einer Unterbrechung des Wegs kann diese Handlung aber noch nicht zu einer versicherten Tätigkeit machen. Andernfalls käme es - ohne dass eine entsprechende Rechtspflicht besteht - jeweils auf die subjektiven Überzeugungen des Versicherten von der Notwendigkeit seines Handelns an, so dass durch jede nachvollziehbare Übervorsichtigkeit eines Kraftfahrzeugfahrenden Versicherungsschutz in der Wegeunfallversicherung begründet werden könnte.

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