Bundessozialgericht

Verhandlung B 2 U 10/16 R

Verhandlungstermin 23.01.2018 14:00 Uhr

Terminvorschau

S. J. ./. Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten, und Gartenbau als landwirtschaftliche BG
Die Beteiligten streiten auch in diesem Falle um die Versicherungspflicht der Klägerin in der gesetzlichen Unfallversicherung als forstwirtschaftliche Unternehmerin und um die Rechtmäßigkeit erhobener Beiträge. Die Klägerin ist Eigentümerin eines 5471 großen Grundstücks in der Gemarkung S. Auf dem Grundstück steht die Wassermühle S., die seit 2004 als Kulturdenkmal in das Denkmalbuch eingetragen ist. Der Denkmalschutz erstreckt sich auf das Äußere des gesamten Mühlengebäudes mit angefügtem Müllerwohnhaus, das Stauwehr und den Mühlendamm, die zugehörigen Nebengebäude sowie den gesamten Hofplatz. Nach Mitteilung der Unteren Denkmalschutzbehörde ist eine forstwirtschaftliche Nutzung denkmalpflegerisch nicht denkbar. Das Grundstück besteht aus ca 788 des Mühlenstroms, einer bewaldeten Fläche mit ca 920 , einer mit Gebäuden bebauten und mit Feldsteinen gepflasterten Hoffläche von ca 1680 , eines weiteren Baumbestandes von ca 620 und einer Gartenfläche, bestehend aus Rasen, zwei Terrassen, Wegflächen und Ziergehölzen von ca 1450 . Die Flächen mit Baumbestand sind Teil des Managementplans eines "Flora-Fauna-Habitat (FFH)-Gebiets". Als Feucht- und Sumpfwald ist die Fläche als Biotop nach § 30 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) iVm § 21 Landesnaturschutzgesetz (LNatSchG) gesetzlich geschützt.

Die Beklagte nahm die Klägerin 2009 als Versicherte auf und setzte einen Jahresbeitrag für das Umlagejahr 2008 in Höhe von 57,76 Euro fest. Dabei ging sie davon aus, dass 2860 Wald vorlägen. Widerspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das SG hat entschieden, die Klägerin unterliege als forstwirtschaftliche Unternehmerin der Versicherungspflicht bei der Beklagten. Die Klägerin sei Besitzerin der Waldfläche. Ein Mindestmaß an Arbeitsaufwand sei hierfür nicht erforderlich. Das LSG hat auf die Berufung der Klägerin dieses Urteil und die Bescheide der Beklagten aufgehoben. Wegen der die Forstwirtschaft prägenden langen Bewirtschaftungszeiträume bestehe zwar eine ‑ widerlegbare ‑ Vermutung, dass bei bestehenden Nutzungsrechten an forstwirtschaftlichen Flächen auch bei im Einzelfall fehlenden konkreten Bewirtschaftungsmaßnahmen eine forstwirtschaftliche Tätigkeit und damit die Eigenschaft des Nutzungsberechtigten als forstwirtschaftlicher Unternehmer gegeben sei. Die Vermutung der forstwirtschaftlichen Betätigung auf der Fläche der Klägerin sei aber widerlegt; denn die Flächen mit Baumbestand seien Teil des Managementplans eines FFH-Gebietes. Als Feucht- und Sumpfwald sei die Fläche als Biotop nach § 30 BNatSchG iVm § 21 NatSchG SH gesetzlich geschützt; dort könne keine forstwirtschaftliche Nutzung erfolgen. Der Auffassung der Beklagten, eine forstwirtschaftliche Nutzung sei trotz des gesetzlichen Verbots mit Erlaubnisvorbehalt möglich, kann nicht gefolgt werden.

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Revision. Sie rügt eine Verletzung des § 123 Abs 1 Nr 1 SGB VII. Die Vermutung der forstwirtschaftlichen Nutzung des Grundstücks werde durch die naturschutzrechtlichen Vorschriften nicht widerlegt.

Sozialgericht Schleswig - S 7 U 15/10
Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht - L 8 U 51/13

Terminbericht

Die Revision der Beklagten war erfolgreich. Das Urteil des LSG war aufzuheben. Die Klägerin war landwirtschaftliche Unternehmerin und als solche beitragspflichtig bei der Beklagten. Unternehmer ist derjenige, dem das Ergebnis des Unternehmens unmittelbar zum Vor- oder Nachteil gereicht (§ 123 Abs 3 Nr 1 SGB VII). Landwirtschaftliche Unternehmen sind auch solche der Forstwirtschaft, was nach der Rechtsprechung des Senats voraussetzt, dass der Inhaber des Unternehmens über eine forstwirtschaftlich genutzten Waldfläche verfügt, die zum Zwecke der Gewinnung von Forsterzeugnissen bearbeitet wird. Die Klägerin verfügte nach den Feststellungen des LSG über eine Waldfläche im Sinne des einschlägigen Landeswaldgesetzes. Diese wird auch forstwirtschaftlich, dh zur Gewinnung von Forsterzeugnissen, genutzt. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats besteht bei vorhandenen Nutzungsrechten an einer Waldfläche die Vermutung der Bewirtschaftung, wofür weder eine Mindestgröße der Fläche noch ein Mindestmaß an Arbeitsaufwand bei der Bewirtschaftung erforderlich ist. Die Vermutung kann dadurch widerlegt werden, dass eine Nutzung der Waldfläche zur Gewinnung von Forsterzeugnissen ausgeschlossen ist, weil sie allein anderen Zwecken dient. Hierfür hat der Senat verlangt, dass greifbare Umstände für eine Verwertung der Fläche zu anderen Zwecken als der periodischen Gewinnung von Forsterzeugnissen vorliegen, beispielsweise wenn der Wald als Baugelände, zB zur Anlage eines Ferienzentrums oder eines Flugplatzes, zum Liegenlassen als "Urwald" aus wissenschaftlichen Gründen oder als sonstiges Versuchs- und Übungsgelände erworben wurde. Eine solche, allein nichtforstwirtschaftlichen Zwecken dienende Nutzung ist indes nicht festgestellt. Sie liegt insbesondere nicht darin, dass es sich bei der Fläche um ein als Feucht- und Sumpfwald gemäß § 30 BNatSchG iVm § 21 LNatSchG Schleswig-Holstein gesetzlich geschütztes Biotop handelt. Die insoweit für die Rechtsfolgen maßgebliche Norm des § 30 Abs 2 S 1 BNatSchG stellt Bundesrecht iSd § 162 SGG dar, dessen Auslegung dem Senat in vollem Umfang möglich ist. § 30 Abs 2 S 1 BNatSchG bestimmt lediglich, dass Handlungen, die zur Zerstörung oder einer sonstigen erheblichen Beeinträchtigung des Biotops führen können, verboten sind. Das bedeutet, dass mit der Gewinnung von Forsterzeugnissen verbundene Beeinträchtigungen unterhalb dieser naturschutzrechtlichen Erheblichkeitsschwelle jederzeit und ohne gesonderte Genehmigung möglich sind. Anders als im Falle der Liether Kalkgrube (vgl den vorgehenden Fall Nr 4), bei der nach der landesrechtlichen Verordnung keine forstwirtschaftlichen Tätigkeiten im Eigeninteresse und andere nur mit Zustimmung oder auf Anordnung der zuständigen Landesbehörden zulässig waren, sind hier Nutzungen also grundsätzlich erlaubnisfrei möglich, soweit sie nicht zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Biotops führen. Ebenso steht der Denkmalschutz Bewirtschaftungsmaßnahmen nicht zwingend entgegen. Auch Grundrechte der Klägerin werden nicht verletzt.

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