Bundessozialgericht

Verhandlung B 12 KR 13/17 R

Verhandlungstermin 14.03.2018 13:30 Uhr

Terminvorschau

A. K. ./. DRV Bund und Beigeladene
Der Kläger ist Geschäftsführer der zu 1. beigeladenen GmbH. Vom Gesellschaftskapital in Höhe von 34.212 Euro halten er 15.600 Euro (45,6 vH) und sein Bruder 10.400 Euro (30,4 vH). Der Gesellschaftsvertrag sieht für eine Beschlussfassung grundsätzlich die einfache Mehrheit, für bestimmte, ausdrücklich bezeichnete Gegenstände eine Mehrheit von 80 vH der abgegebenen Stimmen vor. Insoweit verpflichtete sich der Bruder in einer "Stimmbindungsabrede", nur im Sinn und nicht gegen den Willen des Klägers abzustimmen. In dem zum 1.10.2012 zustande gekommenen "Geschäftsführer-Anstellungsvertrag" ist ua geregelt, dass dem Kläger ein monatliches Bruttogehalt von 5.500 Euro gezahlt, im Fall der Arbeitsunfähigkeit das Grundgehalt für sechs Wochen weiter gezahlt und bezahlter Jahresurlaub von 26 Tagen gewährt wird. Im Wege des Statusfeststellungsverfahrens stellte die Beklagte fest, dass seit dem 1.10.2012 die Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde und Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestehe.

Nach Klageerhebung ist dem Kläger von seinem Bruder durch notariellen Vertrag vom 11.8.2014 das unwiderrufliche Angebot unterbreitet worden, 1.849 Geschäftsanteile zu je einem Euro zu erwerben. Das SG hat die Bescheide der Beklagten aufgehoben und festgestellt, dass der Kläger als Gesellschafter-Geschäftsführer wegen selbstständiger Ausübung nicht der Versicherungspflicht unterliegt. Das LSG hat das Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Der Geschäftsführer-Anstellungsvertrag weise viele für ein Arbeitsverhältnis charakteristische Elemente auf. Der Kläger verfüge nicht über mindestens die Hälfte des Stammkapitals und habe damit keinen maßgeblichen Einfluss auf die Entscheidungen der Gesellschaft. Seine Sperrminorität beziehe sich nur auf bestimmte Angelegenheiten. Die Stimmbindungsabrede habe sowohl ordentlich als auch aus wichtigem Grund gekündigt werden können. Ein beherrschender Einfluss in der Gesellschafterversammlung ergebe sich ferner nicht aus dem Kauf- und Übertragungsangebot über 1.849 Geschäftsanteile.

Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung der §§ 2, 7 und 7a SGB IV, der §§ 102, 128 und 170 Abs 2 SGG sowie der §§ 35, 38 Abs 2, 45 und 46 GmbHG. Das LSG sei unter Verstoß gegen den Grundsatz der Vorhersehbarkeit unzutreffend von einer nicht umfassenden Sperrminorität ausgegangen. Da er einer Vertragsänderung zustimmen müsse, könne er sämtliche ihn betreffenden Weisungen verhindern. Auch seine Abberufung als Geschäftsführer bedürfe einer Mehrheit von 80 vH der abgegebenen Stimmen. Eine außerordentliche Kündigung der Stimmbindungsabrede sei nicht möglich. Solange das Unternehmen nicht verkauft sei, stelle die Kaufoption einen beherrschenden Einfluss sicher. Die angegriffene Entscheidung verstoße schließlich gegen die Rechtsprechung des BSG und sei verfahrensfehlerhaft zustande gekommen.

Sozialgericht Berlin - S 28 KR 2121/13
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg - L 1 KR 281/15

Terminbericht

Der Senat hat die Revision des Klägers zurückgewiesen. Das LSG hat zu Recht auf die Berufung der Beklagten das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Ausgehend von den vom Berufungsgericht festgestellten Tatsachen, an die der Senat mangels zulässig erhobener Verfahrensrügen gebunden ist, unterliegt der Kläger als bei der zu 1. beigeladenen GmbH beschäftigter Geschäftsführer der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung.

Ein Gesellschafter-Geschäftsführer ist nur dann nicht abhängig beschäftigt, wenn er die Rechtsmacht besitzt, durch Einflussnahme auf die Gesellschafterversammlung die Geschicke der Gesellschaft zu bestimmen. Das ist regelmäßig der Fall, wenn er mehr als 50 % der Anteile am Stammkapital hält (Mehrheitsgesellschafter). Ist der Geschäftsführer kein Mehrheitsgesellschafter, ist eine abhängige Beschäftigung ausschließende Rechtsmacht ausnahmsweise auch dann anzunehmen, wenn er exakt 50 % der Anteile hält oder bei einer geringeren Kapitalbeteiligung kraft ausdrücklicher Regelungen im Gesellschaftsvertrag (Satzung) über eine umfassende ("echte"/qualifizierte) Sperrminorität verfügt, sodass es ihm möglich ist, ihm nicht genehme Weisungen der Gesellschafterversammlung zu verhindern.

Vorliegend war der Kläger kein Mehrheitsgesellschafter. Er verfügte auch nicht über eine umfassende ("echte"/qualifizierte) Sperrminorität, sondern lediglich über eine gegenständlich begrenzte, einfache Sperrminorität, die sich nur auf einzelne, im Gesellschaftsvertrag konkret bezeichnete Geschäfte erstreckt und damit nicht die gesamte Unternehmenstätigkeit erfasst. Unerheblich ist, ob der Anstellungsvertrag als Geschäftsführer Merkmale einer selbstständigen Tätigkeit ausweist. Ungeachtet dessen enthält der zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1. geschlossene "Geschäftsführer-Anstellungsvertrag" typische Regelungen einer Beschäftigung gegen Entgelt. Dem Kläger wird ein monatliches Bruttoentgelt von 5 500 Euro gezahlt sowie ein Jahresurlaub von 26 Tagen und im Fall der Arbeitsunfähigkeit Entgeltfortzahlung für sechs Wochen gewährt. Die außerhalb des Gesellschaftsvertrags zustande gekommene Stimmrechtsvereinbarung ist für die sozialversicherungsrechtliche Statusbeurteilung ohne Bedeutung. Die eine selbstständige Tätigkeit begründende Rechtsmacht muss sich aus dem durch Gesellschaftsvertrag vereinbarten Stimmgewicht ergeben. Daher ist auch eine unwiderrufliche Option auf den Erwerb zusätzlicher Geschäftsanteile nicht zu berücksichtigen. Aufgrund der gebotenen Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände ist nicht die "optionale", sondern die aufgrund des Gesellschaftsvertrags bereits bestehende Rechtsmacht entscheidend.

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