Bundessozialgericht

Verhandlung B 2 U 11/17 R

Verhandlungstermin 20.03.2018 14:00 Uhr

Terminvorschau

H. H. ./. Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau als landwirtschaftliche BG
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger Anspruch auf eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 vH hat, obwohl abweichend von § 56 Abs 1 SGB VII nach § 80 a SGB VII für nach § 2 Abs 1 Nr 5 Buchst b SGB VII versicherte in landwirtschaftlichen Unternehmen mitarbeitende Familienangehörige ein Rentenanspruch eine MdE von 30 vH voraussetzt. Der Kläger half im landwirtschaftlichen Unternehmen seines Schwippschwagers aus, wenn dieser seine Mitarbeit bei besonderen Arbeiten außerhalb der laufenden Betriebstätigkeit benötigte. Er erlitt am 24.5.2008 einen Unfall, als er mit einer Bandsäge Weidezaunpfähle, die für das landwirtschaftliche Unternehmen bestimmt waren, anspitzte. Nach einem missglückten Replantationsversuch musste der Mittelfinger in Höhe des Grundglieds amputiert werden. Die Beklagte erkannte den Unfall als Arbeitsunfall an, lehnte aber die Gewährung einer Verletztenrente ab, weil die Erwerbsfähigkeit nicht um wenigstens 30 vH gemindert sei. Der Widerspruch blieb erfolglos. Das SG hat die Beklagte verurteilt, dem Kläger Verletztenrente nach einer MdE von 20 vH ab dem 13.4.2009 zu zahlen. Zwar betrage die MdE nur 20 vH, § 80a Abs 1 SGB VII verstoße jedoch gegen Art 3 Abs 1 GG, soweit er für den Rentenanspruch von in der Landwirtschaft Tätigen - anders als nach § 56 Abs 1 SGB VII - eine höhere MdE als 20 VH voraussetze. Der Anwendungsbereich des § 80a Abs 1 SGB VII sei in verfassungskonformer Auslegung auf die Fälle zu beschränken, in denen der Lebensunterhalt des jeweils versicherten Verletzten allein durch die versicherte landwirtschaftliche Tätigkeit geschaffen werde. Das LSG hat das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Der Kläger habe zum Unfallzeitpunkt Sägearbeiten für das landwirtschaftliche Unternehmen seines Schwippschwagers verrichtet. Damit seien die Voraussetzungen des § 2 Abs 1 Nr 5 Buchst b SGB VII erfüllt. § 80a SGB VII verstoße nicht gegen Art 3 Abs 1 GG. Die Pflichtversicherung nach § 2 Abs 1 Nr 5 Buchst b SGB VII trage dem Umstand Rechnung, dass es in der Landwirtschaft nicht selten üblich und selbstverständlich sei, dass Familienmitglieder unentgeltlich mitarbeiten. Dieser Personenkreis stehe zusätzlich unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, wenn er nicht nur vorübergehend für das landwirtschaftliche Unternehmen tätig werde. Beschäftigten nach § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII und Wie-Beschäftigten nach § 2 Abs 2 SGB VII werde weiterhin gemäß § 56 SGB VII eine Verletztenrente bereits ab einer MdE in Höhe von 20 vH gewährt. Zu diesen Versicherten gehöre der Kläger allerdings nicht. Es bestünden jedoch hinreichende Unterschiede, die es rechtfertigten, dass die zusätzlich in den Versicherungsschutz aufgenommene Gruppe der nach § 2 Abs 1 Nr. 5 Buchst b SGB VII Versicherten Leistungen erst ab einer MdE von 30 vH erhalten können.

Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung des Art 3 Abs 1 GG. Er werde als in einem landwirtschaftlichen Unternehmen nicht nur vorübergehend mitarbeitender Familienangehöriger schlechter gestellt als die sonstigen in der gesetzlichen Unfallversicherung Versicherten.

Sozialgericht Fulda - S 4 U 156/10
Hessisches Landessozialgericht - L 3 U 231/12

Terminbericht

Die Revision des Klägers blieb ohne Erfolg. Zu Recht hat das LSG das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Der Kläger hat gemäß § 80a Abs 1 SGB VII keinen Anspruch auf eine Verletztenrente. Nach § 80a Abs 1 SGB VII haben Versicherte iS des § 2 Abs 1 Nr 5b SGB II abweichend von § 56 Abs 1 S 1 SGB VII einen Anspruch auf Verletztenrente nur, wenn die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 30 vH gemindert ist. Der Kläger war bei den Arbeiten auf dem Hof seines Schwippschwagers nach § 2 Abs 1 Nr 5 b SGB VII als nicht nur vorübergehend mitarbeitender Familienangehöriger in einem landwirtschaftlichen Unternehmen in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert. Die Folgen des erlittenen Arbeitsunfalls bewirkten nach den nicht angegriffenen Feststellungen des LSG lediglich eine Minderung der Erwerbsfähigkeit in Höhe von weniger als 30 vH. Der Senat hat auch keine Zweifel an der Verfassungsgemäßheit der für Versicherte in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung. geltenden Sondernorm des § 80a Abs 1 SGB VII. Das Eigentumsgrundrecht des Verletzten aus Art 14 GG ist schon in seinem Schutzbereich nicht berührt, weil dem in einem landwirtschaftlichen Unternehmen mitarbeitenden Familienangehörigen ohne jede eigene Beitragsleistung vom Gesetzgeber lediglich eine Chance auf Unfallversicherungsschutz eingeräumt wird. Auch der Gleichheitsgrundsatz des Art 3 Abs 1 GG wird durch die Regelung des § 80a Abs 1 SGB VII nicht verletzt. Zwischen den nach § 2 Abs 1 Nr 5b SGB VII Unfallversicherten und den übrigen in den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung aufgenommen Versicherten bestehen Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht, dass eine Ungleichbehandlung gerechtfertigt ist. Der Senat hat hierbei insbesondere berücksichtigt, dass der Kläger ohne den Tatbestand des § 2 Abs 1 Nr 5b SGB VII überhaupt nicht unter dem Schutzbereich der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden wäre, sodass der Gesetzgeber diesen besonderen landwirtschaftlichen Schutzbereich auch anders ausgestalten konnte als in der übrigen gesetzlichen Unfallversicherung.

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