Bundessozialgericht

Verhandlung B 6 KA 59/17 R

Verhandlungstermin 21.03.2018 15:00 Uhr

Terminvorschau

AOK Bayern ./. Freistaat Bayern
Zwischen den Beteiligten besteht Streit über die Rechtmäßigkeit eines aufsichtsrechtlichen Bescheids, mit dem das Staatsministerium für Gesundheit und Pflege (StMGP) des beklagten Freistaats die klagende Krankenkasse verpflichtete, einen von der Schiedsperson festgesetzten HzV-Vtr umzusetzen.

Nachdem die Klägerin den mit dem Bayerischen Hausärzteverband bestehenden HzV-Vtr vom Februar 2012 (siehe Fall 4) zum 30.6.2014 gekündigt hatte und die Beteiligten sich nicht auf eine neue Vereinbarung einigen konnten, setzte die vom StMGP bestimmte Schiedsperson mit Schiedsspruch vom 19.12.2014 einen neuen Vertrag fest (HzV-Vtr2015). Die Klägerin war jedoch der Ansicht, dass der HzV-Vtr 2015 nicht umsetzbar sei, weil unverzichtbare Bestandteile fehlten, und hielt ihn darüber hinaus in mehreren Punkten für rechtswidrig. Sie wirkte deshalb zunächst an Maßnahmen zur Implementierung des Vertrags nicht mit, sondern erhob im März 2015 vor dem SG München Klage gegen den Bayerischen Hausärzteverband auf Feststellung der Unwirksamkeit des Schiedsspruchs. Über diese Klage ist noch nicht entschieden; ein Antrag der Klägerin auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes blieb letztlich ohne Erfolg (Beschluss des LSG vom 5.10.2015).

Nach zahlreichen Gesprächen und einem Beratungsschreiben verpflichtete das StMGP die Klägerin durch aufsichtsrechtlichen Bescheid vom 28.5.2015, den HzV-Vtr 2015 rückwirkend ab dem 1.4.2015 in Vollzug zu setzen. Die Klägerin hat hiergegen Anfechtungsklage zum erstinstanzlich zuständigen LSG erhoben. Den zugleich angebrachten Eilantrag hat die Klägerin nach der genannten Entscheidung des LSG vom 5.10.2015 im Parallelverfahren zurückgenommen und von da an diesen Vertrag weitgehend umgesetzt. Der Beklagte hat auf Anregung des Gerichts den aufsichtsrechtlichen Bescheid insoweit zurückgenommen, als er angeordnet hatte, den HzV-Vtr 2015 auch für die Zeit vor seiner Bekanntgabe (rückwirkend) in Vollzug zu setzen. Sodann hat das LSG die Klage abgewiesen. Sie sei als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig, weil die Klägerin mittlerweile den HzV-Vtr 2015 jedenfalls überwiegend finanzwirksam umsetze. Der aufsichtsrechtliche Bescheid sei jedoch in dem erforderlichen abgestuften Verfahren und unter Beachtung des aufsichtsrechtlichen Prüfungsmaßstabs ermessensfehlerfrei erlassen worden. Die Klägerin habe geltendes Recht, insbesondere ihren Sicherstellungsauftrag gemäß § 73b Abs 1 SGB V verletzt, indem sie sich geweigert habe, den HzV-Vtr 2015 zu vollziehen. Dieser sei in der von der Schiedsperson festgesetzten Form nicht so lückenhaft gewesen, dass er überhaupt nicht umsetzbar gewesen sei; die bestehenden Lücken hätten durch eine ergänzende Vertragsauslegung gefüllt werden können.

Die Klägerin macht mit ihrer Revision eine Verletzung von § 29 SGB IV (Recht auf Selbstverwaltung) geltend. Der Beklagte habe seine Aufsichtsbefugnisse überschritten, weil er sich Kompetenzen einer Fachaufsicht angemaßt habe und zudem eine Rechtsverletzung nicht festzustellen sei. Die Klägerin sei als Körperschaft des öffentlichen Rechts berechtigt gewesen, vor einer Umsetzung den Schiedsspruch zum HzV-Vtr 2015 gerichtlich auf seine Rechtmäßigkeit überprüfen zu lassen. Die Aufsichtsanordnung habe sie deshalb auch in ihrem Prozessgrundrecht auf effektiven Rechtsschutz verletzt; sie verstoße zudem gegen den Gewaltenteilungsgrundsatz.

Bayerisches Landessozialgericht - L 5 KR 244/15 KL

Terminbericht

Die Revision der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Das LSG hat zutreffend entschieden, dass der an die Klägerin gerichtete aufsichtsrechtliche Verpflichtungsbescheid rechtmäßig ist.

Einer Beiladung des Bayerischen Hausärzteverbands zu dem Verfahren bedurfte es nicht. Auch wenn die Entscheidung im Aufsichtsrechtsstreit Auswirkungen für den Vertragspartner der Klägerin haben kann, liegt doch kein Fall einer notwendig einheitlichen Entscheidung (§ 75 Abs 2 SGG) vor. Dass das LSG die - naheliegende - einfache Beiladung des Hausärzteverbands unterlassen hat, führt nicht zu einem im Revisionsverfahren beachtlichen Verfahrensmangel. Die von der Klägerin geltend gemachten Verfahrensfehler - lückenhafter Tatbestand sowie unzureichende Entscheidungsgründe - sind nicht ordnungsgemäß gerügt bzw liegen in der Sache nicht vor. Die Klage ist als Anfechtungsklage in der besonderen Ausprägung einer Aufsichtsklage (§ 54 Abs 3 SGG) zulässig. Eine Erledigung der Aufsichtsanordnung ist allein dadurch, dass die Beklagte sie zwischenzeitlich weitgehend befolgt, nicht eingetreten, zumal der zugrunde liegende HzV-Vtr noch bis Ende 2018 und gegebenenfalls darüber hinaus Anwendung finden soll.

In der Sache ist die Aufsichtsmaßnahme nicht zu beanstanden. Das Gesundheitsministerium des Beklagten hat den Vorrang einer Beratung vor Erlass eines Verpflichtungsbescheids beachtet. Es ist in nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass spätestens nach einem Beschluss des Verwaltungsrats der Klägerin vom Mai 2015 feststand, dass die Klägerin nicht in kooperativem Zusammenwirken zur Umsetzung des von der Schiedsperson festgesetzten HzV-Vtr veranlasst werden kann. Im Urteil vom 25.3.2015 (B 6 KA 9/14 R - BSGE 118, 164 = SozR 4-2500 § 73b Nr 1) hatte der Senat aber bereits entschieden, dass ein durch die Schiedsperson festgesetzter HzV-Vtr umzusetzen ist, auch wenn noch nicht rechtskräftig feststeht, dass der Vertragsinhalt mit dem Gesetz in Einklang steht. Diese Rechtspflicht hat die Klägerin verletzt. Zwar spricht im Spannungsverhältnis zwischen Aufsichtsmaßnahmen und gerichtlichem Rechtsschutz viel dafür, dass die Aufsichtsbehörde nicht mehr zur Umsetzung eines HzV-Vtr verpflichten darf, sofern ein Gericht im Rechtsstreit zwischen der Klägerin und dem Hausärzteverband bereits entschieden hat, dass der Vertrag wegen rechtlicher Mängel einstweilen nicht ausgeführt werden muss; das gilt auch dann, wenn die Entscheidung noch nicht rechtskräftig ist. Hier war aber eine solche Entscheidung bei Erlass des Bescheids im Mai 2015 noch nicht ergangen. Nach den Gesamtumständen, nicht zuletzt auch wegen der ungewissen Dauer eines gerichtlichen Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes, war das Ministerium unter dem Gesichtspunkt einer maßvollen Ausübung der Rechtsaufsicht nicht verpflichtet, zumindest den erstinstanzlichen Abschluss eines solchen Verfahrens abzuwarten. Ausreichend war, dass es ausdrücklich erklärt hat, bis zum Abschluss des gerichtlichen Eilverfahrens die Aufsichtsanordnung nicht zu vollstrecken. Eine Verletzung des Gewaltenteilungsgrundsatzes oder der Unabhängigkeit der Gerichte lag unter diesen Umständen nicht vor.

Der Verpflichtungsbescheid war zudem hinreichend bestimmt und überschritt nicht die Grenzen der Rechtsaufsicht. Auch Ermessensfehler sind nicht ersichtlich. Das Ministerium durfte sich bei Ausübung der Aufsicht auf die Stellungnahme der Schiedsperson zur Auslegung des Vertrags stützen. Die korrekte Ausübung des Ermessens durch das Ministerium wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass diese Behörde mit dem Erlass des Verpflichtungsbescheids einer nachdrücklich artikulierten Forderung des Hausärzteverbands entsprochen hat. Allein dies macht eine Aufsichtsanordnung zur Beseitigung einer festgestellten Rechtsverletzung nicht fehlerhaft.

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