Bundessozialgericht

Verhandlung B 13 R 19/14 R

Verhandlungstermin 21.03.2018 12:00 Uhr

Terminvorschau

A.S. F. ./. 1. Deutsche Rentenversicherung Bund, 2. AOK Baden-Württemberg
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Erziehung mehrerer Kinder als "generativer Beitrag" der Klägerin zur Funktionsfähigkeit der gesetzlichen Rentenversicherung vorzumerken und ob hierfür zusätzliche Entgeltpunkte festzustellen sind.

Die Klägerin ist Mutter von vier in den Jahren 2001, 2002, 2004 und 2009 geborenen Kindern. Sie war bis April 2008 versicherungspflichtig beschäftigt und seitdem nicht mehr erwerbstätig; sie ist bei der Beklagten rentenversichert.

Im Oktober 2008 beantragte die Klägerin bei der Beklagten, ihrem Versicherungskonto - zunächst nur für das Jahr 2007 - zusätzlich zu den bereits vorgemerkten Kindererziehungszeiten und Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung 1,4733 Entgeltpunkte gutzuschreiben. Sie bezog sich zur Begründung auf das Urteil des BVerfG zur sozialen Pflegeversicherung (vom 3.4.2001 - 1 BvR 1629/94 - BVerfGE 103, 242 = SozR 3-3300 § 54 Nr 2). Die Beklagte lehnte dies ab.

Das SG hat die hiergegen, sowie auf die Gutschrift zusätzlicher Entgeltpunkte auch für die Jahre ab 2008 gerichtete Klage abgewiesen. Auch vor dem LSG ist die Klägerin mit ihrer Berufung erfolglos geblieben. Dieses hat zur Begründung ua ausgeführt, über § 70 Abs 2, Abs 3a SGB VI hinaus seien keine Rechtsgrundlagen für die Ermittlung von Entgeltpunkten für Kindererziehungszeiten bzw diesbezüglicher Berücksichtigungszeiten vorhanden. Dies verstoße nicht gegen Art 6 Abs 1 GG, weil dem Gesetzgeber ein Spielraum eingeräumt sei, wie er einen Familienlastenausgleich vornehme. Auf das benannte Urteil des BVerfG und den dortigen Regelungsauftrag/Normprüfungsauftrag an den Gesetzgeber könne sich die Klägerin nicht berufen. Er sei nicht auf das Recht der gesetzlichen Rentenversicherung übertragbar, weil im Zeitpunkt der Erziehung von Kindern nicht feststünde, dass diese zukünftig deren Beitragszahler würden. Im Gegensatz zur sozialen Pflegeversicherung sei es überdies im Rentenversicherungsrecht möglich, die Kindererziehung leistungsrechtlich - insbesondere durch die Anerkennung von Kindererziehungs- und Kinderberücksichtigungszeiten (§§ 56, 57 SGB VI) - zu honorieren. Das Leistungsrecht genüge den verfassungsrechtlichen Anforderungen, die das BVerfG im "Trümmerfrauen"-Urteil (vom 7.7.1992 - 1 BvL 51/86 ua - BVerfGE 87, 1 = SozR 3 5761 Allg Nr 1) formuliert habe.

Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie rügt einen Verstoß der - vom LSG angewandten - "gesetzlichen Regelungen zur Berücksichtigung der Kindererziehung im Leistungsrecht der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 70 SGB VI)" gegen Art 6 Abs 1 GG und Art 3 Abs 1 GG.

Sozialgericht Mannheim - S 9 KR 888/10
Landessozialgericht Baden-Württemberg - L 4 KR 4883/10

Terminbericht

Der Senat hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Ihre Anfechtungsklage war unbegründet. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, dem Rentenkonto der Klägerin für das Jahr 2007 weitere 1,4733 Entgeltpunkte gutzuschreiben. Die Beklagte war schon nicht berechtigt, solche Feststellungen im "Vormerkungsbescheid" oder der Renteninformation zu treffen.

Nach § 149 Abs 5 S 1 SGB VI stellt der Rentenversicherungsträger, nachdem er das Versicherungskonto geklärt hat, die im Versicherungsverlauf enthaltenen und nicht bereits festgestellten Daten, die länger als sechs Kalenderjahre zurückliegen, durch sog Vormerkungsbescheid fest. Der Umfang zulässiger Feststellungen im Vormerkungsbescheid ist jedoch nach § 149 Abs 5 S 3 SGB VI beschränkt. Über die Anrechnung und Bewertung der im Versicherungsverlauf enthaltenen Daten darf erst bei Feststellung einer Leistung entschieden werden, was bei der im Zeitpunkt der Antragstellung 41-jährigen Klägerin noch nicht der Fall war.

Soweit sich die Klägerin in ihrem Antrag aus Oktober 2008 auf eine ihr zuvor erteilte Renteninformation bezieht, enthält diese zwar eine Übersicht über die Höhe der Beiträge, die für Beitragszeiten vom Versicherten, dem Arbeitgeber oder von öffentlichen Kassen gezahlt worden sind und in diesem Zusammenhang auch Angaben zur Gesamtzahl der bisher erworbenen Entgeltpunkte. Das Begehren der Klägerin findet jedoch keine Rechtsgrundlage im geltenden Recht und durfte daher von der Beklagten auch hier nicht berücksichtigt werden. Denn Grundlage der Renteninformation ist nach § 109 Abs 2 SGB VI - ebenso wie der Vormerkung nach § 149 SGB VI - die im Zeitpunkt der Feststellung geltende Rechtslage. Aus diesem Grunde hat die Beklagte auch dem allgemeineren Begehren auf Vormerkung eines generativen Beitrages als zusätzliche rentenversicherungsrechtliche Vorleistung zu Recht nicht entsprochen.

Im Übrigen ist der Senat auch nicht davon überzeugt, dass die Berücksichtigung des Betreuungs- und Erziehungsaufwands von Eltern über die bereits heute rentenleistungsrechtlich bestehenden Ausgleichsmechanismen hinaus durch eine weitergehende Berücksichtigung im Leistungsrecht der GRV von Verfassungs wegen zwingend geboten ist. Dem Senat ist bewusst, dass Versicherte mit Kindern im Vergleich zu Versicherten ohne Kinder im Allgemeinen in besonderem Maße zur Leistungsfähigkeit des Systems der GRV und dessen Nachhaltigkeit beitragen. Dennoch hat die Klägerin keinen aus dem GG ableitbaren Anspruch auf einen weitergehenden leistungsrechtlichen Ausgleich der ihr in Verbindung mit der Kinderbetreuung und -erziehung im Vergleich zu Kinderlosen entstandenen finanziellen und persönlichen Nachteile. Eine verfassungsrechtliche Prüfung hat insoweit - anders als die Klägerin meint - nicht ausschließlich anhand der Maßstäbe des Urteils des BVerfG zur sozialen Pflegeversicherung (vom 3.4.2001 - 1 BvR 1629/94 - BVerfGE 103, 242 = SozR 3 3300 § 54 Nr 2) zu erfolgen. Prüfungsmaßstab im Hinblick auf die geltend gemachte nicht ausreichende Berücksichtigung ihres Erziehungs- und Betreuungsaufwands durch die leistungsrechtlichen Normen des SGB VI ist in erster Linie der allgemeine Gleichheitssatz nach Art 3 Abs 1 GG iVm mit dem Familienförderungsgebot des Art 6 GG. Deren Verletzung vermochte der Senat hier nicht zu erkennen.

Die in Kombination mit der Anfechtungsklage erhobene Verpflichtungsklage, mit der die Klägerin ihr Begehren verfolgt, ihrem Versicherungskonto ab dem Jahr 2007 zusätzliche Entgeltpunkte gutzuschreiben bzw den von ihr erbrachten "generativen Beitrag" als Tatbestand einer rentenversicherungsrechtlich relevanten Vorleistung festzustellen, war bereits unzulässig. Für die Jahre ab 2008 fehlte schon die notwendige Vorbefassung der Beklagten. Im Übrigen mangelt es auch an der Klagebefugnis oder einem Feststellungsinteresse für eine solche Klage. Denn wie eingangs dargelegt, ist die Beklagte weder befugt noch verpflichtet, über die Feststellung oder gar Anrechnung und Bewertung der streitigen Zeit schon jetzt - vor der Feststellung einer Leistung - überhaupt zu entscheiden.

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