Bundessozialgericht

Verhandlung B 5 RE 5/16 R

Verhandlungstermin 22.03.2018 11:00 Uhr

Terminvorschau

C.-J. K. ./. Deutsche Rentenversicherung Bund, 3 Beigeladene
Die Beteiligten streiten über den Anspruch des Klägers auf Befreiung von der Rentenversicherungspflicht ab dem 20.12.2012.

Der am 20.6.1956 geborene Kläger ist approbierter Apotheker. Seit dem 11.12.1984 ist er Pflichtmitglied der Landesapothekerkammer Hessen (Beigeladene zu 1) und seit dem 1.1.1985 auch des Versorgungswerks der Landesapothekerkammer Hessen (Beigeladene zu 3). Seit 1984 war der Kläger als Apotheker im öffentlichen Dienst, in pharmazeutischen Unternehmen und als selbstständiger Apotheker in öffentlichen Apotheken tätig. Mit Bescheid vom 21.2.1985 sprach die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) eine Befreiung von der Rentenversicherungspflicht nach § 7 Abs 2 AVG mit Wirkung ab 1.1.1985 aus.

Der Kläger ist seit 1.10.2009 für die Firma G GmbH (Beigeladene zu 2) als Verantwortlicher für Medizinprodukte, Arzneibuchfragen und Fachinformationen sowie als Qualitätsmanagementbeauftragter tätig. Die Beigeladene zu 2 entwickelt und validiert Dampf-, Formaldehyd-, Ethylenoxid- und Wasserstoffperoxid-Sterilisationsprozesse zur Aufbereitung von Medizinprodukten (zB von Operationsbestecken). Sie produziert biologische und chemische Indikatoren sowie Prüfkörper für die Sterilisationsüberwachung, stellt Dokumentationsetiketten und Behandlungsindikatoren her und entwickelt und fertigt Indikatoren für die Überwachung von maschinellen Reinigungsprozessen und Medizinprodukten.

Im Rahmen einer Betriebsprüfung nach § 28p SGB IV im August 2012 wurde festgestellt, dass die Beigeladene zu 2 für den Kläger keine Rentenversicherungsbeiträge abgeführt hat. In dem sich anschließenden Prüfverfahren legte der Kläger einen befristeten Anstellungsvertrag vom 15.6.2010 sowie eine Stellenbeschreibung vor, in der als benötigte Qualifikation "Apotheker oder gleichwertige Qualifikation mit langjähriger Berufserfahrung" angegeben ist und die zu übernehmenden Aufgaben beschrieben werden. Außerdem nahm der Kläger Bezug auf Stellungnahmen der Beigeladenen zu 1 und 3 vom 6.6.2012 sowie der Beigeladenen zu 2 vom 8.6.2012; in dieser wies seine Arbeitgeberin darauf hin, dass der Kläger nur aufgrund seiner Ausbildung und Berufserfahrung in der Lage sei, die geforderten Aufgaben zu erfüllen.

Am 20.12.2012 beantragte der Kläger - vorsorglich - die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht und vertrat die Auffassung, dass die bereits im Jahr 1985 ausgesprochene Befreiung auch für das aktuelle Beschäftigungsverhältnis gelte. Die Beklagte lehnte den Antrag auf Befreiung von der Rentenversicherungspflicht mit Bescheid vom 29.8.2013 ab, weil die Voraussetzungen einer Befreiung nach § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI nicht vorlägen. Es müsse ein Zusammenhang zwischen der ausgeübten Tätigkeit und der Pflichtmitgliedschaft bestehen. Maßgeblich sei § 2 Abs 1 und 3 Bundes-Apothekerordnung (BApO), die eine pharmazeutische Tätigkeit, insbesondere die Entwicklung, Herstellung, Prüfung oder Abgabe von Arzneimitteln forderten. Nach der sozialgerichtlichen Rechtsprechung sei eine berufsspezifische Tätigkeit - anders als im Beitragsrecht der berufsständischen Kammern - jedoch nicht bereits dann gegeben, wenn noch Kenntnisse und Fähigkeiten der pharmazeutischen Ausbildung im Rahmen der Tätigkeit mitverwendet würden. Für die Beschäftigung des Klägers bei der Beigeladenen zu 2 sei die Approbation als Apotheker ausweislich der Stellenbeschreibung gerade nicht die unabdingbare Einstellungsvoraussetzung gewesen. Der Aufgabenschwerpunkt liege nicht auf pharmazeutischem Gebiet, sondern im Bereich des Managements. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11.3.2014 zurück.

Auf die hiergegen erhobene Klage hat das SG mit Urteil vom 28.9.2015 die Bescheide der Beklagten aufgehoben und festgestellt, dass die Tätigkeit des Klägers für die Beigeladene zu 2 seit dem 1.10.2009 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit sei. Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG mit Urteil vom 28.4.2016 die Entscheidung des SG abgeändert und die Beklagte unter Abänderung der angefochtenen Bescheide verpflichtet, den Kläger ab der Antragstellung am 20.12.2012 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen. Streitig sei allein, ob der Kläger eine Beschäftigung ausübe, wegen der er aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sei. Dies sei für den Inhalt des jeweiligen konkreten Beschäftigungsverhältnisses anhand der einschlägigen versorgungs- und kammerrechtlichen Normen zu prüfen. Die weiteren Voraussetzungen nach § 6 Abs 1 SGB VI lägen "unstreitig" vor. Die Befreiung könne erst ab dem Zeitpunkt der Antragstellung erfolgen. Eine Befreiung des Klägers bereits ab dem Zeitpunkt der Arbeitsaufnahme am 1.10.2009 bzw durchgängig seit 1985 ergebe sich auch nicht aus dem bestandskräftigen Bescheid vom 21.2.1985. Die Beklagte wendet sich hiergegen mit der vom LSG zugelassenen Revision. Nach dem maßgeblichen § 2 Abs 3 BApO in der einschlägigen Fassung ab 23.4.2016 gehörten nur solche Tätigkeiten dem Apothekerberuf zu, die sich mit Arzneimitteln oder -stoffen befassten.

Sozialgericht Gießen - S 5 R 128/14
Hessisches Landessozialgericht - L 1 KR 347/15

Terminbericht

Die Revision ist iS der Aufhebung und Zurückverweisung begründet. Das Rechtsmittel der Beklagten ist aufgrund der Zulassung durch das LSG ungeachtet des zwischenzeitlich ergangenen Urteils des Senats vom 7.12.2017 (B 5 RE 10/16 R - zur Veröffentlichung vorgesehen) statthaft und entgegen der Auffassung des Klägers zulässig. Die Klage ist nicht bereits deshalb unzulässig, weil der Kläger schon auf der Grundlage des Bescheides vom 21.2.1985 dauerhaft von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit wäre und deshalb keiner weiteren Befreiung mehr bedürfte. Die Auslegung dieses Bescheides ergibt insbesondere im Blick auf den zugrunde liegenden Antrag und den Bescheidtext nicht, dass der Kläger hiernach auch für seine Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 2 befreit ist.

Auf der Grundlage der bisherigen Tatsachenfeststellungen lässt sich nicht abschließend feststellen, ob die Voraussetzungen des § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI erfüllt sind. Das LSG hat für den Senat bindend festgestellt, dass seit dem 1.10.2009 die Voraussetzungen einer Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 2 vorliegen und der Kläger jeweils aufgrund hessischen Landesrechts Pflichtmitglied der Landesapothekerkasse Hessen (Beigeladene zu 1) und des Versorgungswerks der Apotheker im Lande Hessen ist. Ebenfalls auf der Grundlage von Landesrecht ist das LSG zu der Auffassung gelangt, dass eine iS von § 6 Abs 1 Nr 1 SGB VI befreiungsfähige Beschäftigung ausgeübt wird. Dieses Ergebnis entzieht sich der Überprüfung durch den Senat. Dass das LSG zur Auslegung von Landesrecht Bundesrecht als zulässige Interpretationshilfe herangezogen hat, ändert hieran nichts. Es sind auch keine Anhaltspunkte für eine bundesrechtlich zu beachtende Willkür des LSG vorhanden. § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI verlangt schließlich nicht, dass eine Tätigkeit, für die eine Befreiung von der Versicherungspflicht erlangt werden kann, eine "approbationspflichtige" Tätigkeit iS des § 2 BApO ist. Dagegen kann auf der Grundlage der tatrichterlichen Feststellungen nicht abschließend beurteilt werden, ob der Kläger aufgrund seiner entgeltlichen Beschäftigung auch (renten)versicherungspflichtig ist (§ 1 S 1 Nr 1 Halbs 1 Alt 1 SGB VI) und die weiteren Tatbestandsvoraussetzungen von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 Buchst a) bis c) iVm Abs 3 S 1 SGB VI vorliegen. Insofern kommt dem Gesichtspunkt mangelnder Streitigkeit zwischen den Beteiligten weder in tatsächlicher noch erst recht in rechtlicher Hinsicht Bedeutung zu.

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