Bundessozialgericht

Verhandlung B 5 R 26/16 R

Verhandlungstermin 26.04.2018 10:00 Uhr

Terminvorschau

G. G. ./. Deutsche Rentenversicherung Westfalen
Die Beteiligten streiten über die teilweise Aufhebung der Rente des Klägers wegen voller Erwerbsminderung wegen Hinzuverdienstes und die Erstattung der hierdurch entstandenen Überzahlung.

Der 1965 geborene Kläger war seit 1.5.1985 bei der P GmbH (Arbeitgeber - AG) beschäftigt. Seit dem 9.3.2009 war der Kläger durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. Das Arbeitsverhältnis endete durch Kündigung des AG zum 30.11.2010. Die Beklagte bewilligte dem Kläger ausgehend von einem "Leistungsfall" vom 1.4.2009 zunächst mit Bescheid vom 20.4.2010 Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 1.11.2009 bis 31.3.2011 und mit weiterem Bescheid vom 25.11.2010 für die Zeit vom 1.4.2011 bis 31.3.2013. Anschließend wurde die Rente auf Dauer zuerkannt (Bescheid vom 24.1.2013). Im Dezember 2010 nahm die Beklagte Kenntnis von Meldungen des Arbeitgebers über Einmalzahlungen an den Kläger mit Auszahlung im November 2010 (Urlaubsabgeltung für 2010: 5251,41 Euro) und im Dezember 2010 (Urlaubsabgeltung für 2009: 4226,53 Euro).

Mit Bescheid vom 1.4.2011 und Widerspruchsbescheid vom 23.8.2011 hob die Beklagte den Bescheid vom 20.4.2010 teilweise auf, soweit der Zahlbetrag für die Monate November und Dezember 2010 betroffen war, stellte eine Überzahlung in Höhe von 1.815,20 Euro fest und forderte diesen Betrag zurück. Die vom Arbeitgeber an den Kläger im November 2010 bzw im Dezember 2010 ausgezahlten Beträge von 5.251,41 Euro bzw 4.226,53 Euro an Urlaubsabgeltungen seien als Hinzuverdienst nach § 96a SGB VI zu berücksichtigen und denjenigen Kalendermonaten zuzuordnen, für welche sie bescheinigt worden seien.

Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 21.1.2015). Im Berufungsverfahren hat die Beklagte die entstandene Überzahlung im Blick auf das fehlende Überschreiten des doppelten Betrages der Hinzuverdienstgrenze für eine Rente wegen voller Erwerbsminderung in Höhe eines Viertels im Dezember 2010 auf 1.589,13 Euro reduziert und der Kläger das entsprechende Teilanerkenntnis angenommen. Das LSG hat das Urteil des SG geändert und den Bescheid vom 1.4.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.8.2011 vollständig aufgehoben (Urteil vom 26.8.2016). Zwar handele es sich bei den streitigen Einmalzahlungen um Arbeitsentgelte iS des § 96a SGB VI, die dem Kläger nach Rentenbeginn zugeflossen seien, doch seien sie nicht als Arbeitsentgelte "aus einer Beschäftigung" iS der Norm anzusehen und daher rentenunschädlich. Die Beschäftigung im hier maßgeblichen leistungsrechtlichen Sinn habe mit dem spätestens bei Rentenbeginn eingetretenen faktischen Ruhen des Arbeitsverhältnisses aufgrund krankheitsbedingter dauernder Arbeitsunfähigkeit ihr Ende gefunden. Dieses faktische Ruhen sei dem (hier nicht vorliegenden) rechtlichen gleichzustellen. Die Beklagte wendet sich hiergegen mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision.

Sozialgericht Gelsenkirchen - S 14 R 137/13 WA
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen - L 14 R 131/15

Terminbericht

Die Revision der Beklagten war iS der Aufhebung und Zurückverweisung erfolgreich. Der Senat kann eine Sachentscheidung nicht treffen, weil aufgrund der bisherigen Tatsachenfeststellungen des LSG bereits nicht festgestellt werden kann, ob hinsichtlich der Rentenansprüche des Klägers für November und Dezember 2010 gegenüber den Regelungen im Bescheid vom 20.4.2010 eine relevante Änderung der Verhältnisse eingetreten ist (§ 48 Abs 1 S 1 SGB X).

Im Rahmen des § 96a Abs 1 S 2 SGB VI aF ist grundsätzlich der in einem Monat entstandene Anspruch auf Arbeitsentgelt aus einer parallel zum Rentenbezug bestehenden Beschäftigung dem Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit für denselben Kalendermonat als "rentenschädlich" gegenüberzustellen. Einer Fortdauer der Beschäftigung auch im Zeitpunkt der Entstehung des unter diesen Voraussetzungen erworbenen Anspruchs auf Arbeitsentgelt bedarf es dagegen nicht, auch wenn das Gesetz als Regelfall von einer Parallelität von Rentenbezug und Beschäftigung mit laufend gezahltem Arbeitsentgelt ausgeht. Ein rechtlich relevanter Bezug von Ansprüchen/Zahlungen zur Beschäftigung kann auch nach deren Ende bestehen.

Ebenso wenig ist die beitragsrechtliche Regelung in § 23a Abs 2 SGB IV einschlägig. Auf den Zufluss von Arbeitsentgelt kommt es insofern grundsätzlich nicht an (vgl jeweils ausdrücklich Urteile des 13. Senats vom 6.9.2017, B 13 R 21/15 R, juris RdNr 47 und B 13 R 33/16 R, juris RdNr 36; ähnlich zum Zusammentreffen einer beamtenrechtlichen Hinterbliebenenversorgung mit Erwerbseinkommen aus unselbstständiger Arbeit BVerwG vom 26.11.2013 - 2 C 17/12 -, juris RdNr 13). Etwas anderes gilt nur ausnahmsweise, insbesondere bei Zahlungen ohne Rechtsanspruch (§ 14 Abs 1 S 1 SGB IV).

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts bestand vorliegend die Beschäftigung des Klägers unabhängig von dessen dauernder Arbeitsunfähigkeit seit dem 9.3.2009 auch im streitigen Monat November 2010 während des Rentenbezuges fort. Für den im konkreten Anwendungszusammenhang maßgeblichen Begriff der Beschäftigung im leistungsrechtlichen Sinn genügt ungeachtet der schuldrechtlich angeordneten Leistungsfreistellung (§ 275 Abs 1 BGB, § 326 Abs 1 S 1 Hs 1 BGB) und ungeachtet des Fehlens einer tatsächlichen Arbeitserbringung das Fortbestehen der nicht suspendierten arbeitsvertraglichen Hauptpflichten. Der Senat schließt sich insofern im Ergebnis der nach Zulassung der vorliegenden Revision ergangenen Entscheidung des 13. Senats im Urteil vom 6.9.2017 (B 13 R 21/15 R) an.

Damit kommt die für die Anwendung von § 96a SGB VI in der vorliegend maßgeblichen Fassung bis 30.6.2017 (aF) erforderliche zeitlich-rechtliche Kongruenz der monatlichen Ansprüche des Klägers auf seine Rente wegen voller Erwerbsminderung und erzieltem Arbeitsentgelt aus seiner Beschäftigung grundsätzlich in Betracht. Es fehlt jedoch an Feststellungen zur Bestimmung des erzielten Arbeitsentgelts und dessen rechtlicher Zuordnung zu den einzelnen in Frage stehenden Monaten.

Der gesetzliche Anspruch auf Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs (§ 1 Abs 1 BUrlG) entsteht nach § 7 Abs 4 BUrlG mit - nicht nach - dem Ende des Arbeitsverhältnisses. Erfolgt eine entsprechende Zahlung des Arbeitgebers entgegen diesem gesetzlichen Verbot (§ 13 Abs 1 S 3 BUrlG, § 134 BGB) dennoch vor dem Ende des Arbeitsverhältnisses, kommt es aus der maßgeblichen Sicht des Sozialrechts für diesen Sonderfall (13. Senat v 6.9.2017, B 13 R 21/15 R, juris RdNr 37) auf den Monat der Zahlung an. Wenn und soweit daher der dem Kläger im November 2010 zugeflossene Betrag der Urlaubsabgeltung den gesetzlichen Mindesturlaub für 2010 betrifft, konnte er wertend der noch laufenden Beschäftigung und diesem Monat zugeordnet werden. Entsprechende Feststellungen fehlen jedoch ebenso wie zur Grundlage und Höhe eines ggf bestehenden - zusätzlichen - Anspruchs auf Abgeltung eines tarif- oder einzelvertraglichen Anspruchs auf Mehrurlaub für 2010 (zur Möglichkeit eigenständiger Regelungen des Abgeltungsanspruchs insofern etwa BAG vom 18.10.2011 - AZR 303/10 - und vom 16.7.2013 - 9 AZR 914/11 - jeweils juris), der dem Monat der Anspruchsentstehung zuzuordnen wäre.

Soweit der dem Kläger im Monat Dezember 2010 zugeflossene Betrag die gesetzliche Abgeltung des Mindesturlaubs für 2009 betrifft, ist ein hier mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses entstandener gesetzlicher Anspruch entgegen dem Vorgehen der Beklagten ebenfalls dem Monat November zuzuordnen (etwa BAG vom 9.8.2011 - 9 AZR 352/10 -, juris RdNr 19, 21). Darüber hinaus bleibt auch hier zu ermitteln und festzustellen, ob und inwieweit der im Dezember erfolgten Zahlung ein Anspruch auf Abgeltung von Mehrurlaub zugrunde liegt und welchem Monat dieser zuzuordnen ist.

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