Bundessozialgericht

Verhandlung B 3 KR 13/16 R

Verhandlungstermin 03.05.2018 12:00 Uhr

Terminvorschau

P. GmbH & Co. KG ./. GKV-Spitzenverband
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Auskunftsbegehrens. Der beklagte GKV-Spitzenverband fordert im Wege eines Bescheides von der dagegen klagenden pharmazeutischen Unternehmerin anonymisierte Nachweise über zugelassene Fertigarzneimittel in parenteralen Zubereitungen mit zwei bestimmten Wirkstoffen, die sie im Januar 2013 an Großhändler, Apotheken und Herstellungsbetriebe abgegeben habe. Im Einzelnen verlangt sie die Angabe des Datums des Lieferscheins, Pharmazentralnummer der Fertigarzneimittel, Produktbezeichnung sowie Packungsgröße, Anzahl abgegebener Packungen je Lieferung, Tätigkeit des Abnehmers, Verkaufspreis je Packung ausschließlich Umsatzsteuer sowie Aufstellung sämtlicher gewährter oder noch zu gewährender Einkaufsvorteile. Zur Begründung führte der Beklagte aus, er könne diese Nachweise und Informationen von pharmazeutischen Unternehmern verlangen, um in der Lage zu sein, mit dem Deutschen Apothekerverband in der sog Hilfstaxe marktnahe Preise zu vereinbaren. Das konkrete Auskunftsverlangen sei von der Ermächtigungsnorm des § 129 Abs 5c S 4 SGB V (idF des Arzneimittelmarktneuordnungsgesetzes <AMNOG> vom 22.12.2010, BGBl I 2262 - aF) gedeckt und auch verhältnismäßig. Im Juli 2013 teilte die Klägerin dem Beklagten Preisspannen einschließlich des Durchschnittspreises für die im Januar 2013 an Apotheken gelieferten Arzneimittel mit den beiden betreffenden Wirkstoffen mit.

Das SG hat die Bescheide aufgehoben und die Eventualwiderklage des Beklagten abgewiesen. Auf die Berufung des Beklagten hat das LSG das SG-Urteil hinsichtlich der Widerklage aufgehoben und im Übrigen die Berufung zurückgewiesen: Zwar habe der Beklagte den Auskunftsanspruch nach § 129 Abs 5c S 4 SGB V aF gegenüber der Klägerin durch Verwaltungsakt geltend machen dürfen und habe sich dieser Verwaltungsakt auch nicht durch Zeitablauf erledigt. Die Klägerin sei jedoch nicht verpflichtet, dem Beklagten über die bereits schriftlich im Juli 2013 erteilten Auskünfte hinaus Informationen zu erteilen. Das Auskunftsverlangen sei überwiegend nicht mehr von § 129 Abs 5c S 4 SGB V aF gedeckt. Selbst bei verfassungskonformer Auslegung sei das Begehren teilweise von dem wörtlichen Anwendungsbereich der Vorschrift nicht erfasst. Zudem habe der Beklagte das ihm darin eingeräumte Ermessen nicht ordnungsgemäß ausgeübt.

Mit seiner Revision rügt der Beklagte die Verletzung des § 129 Abs 5c S 4 SGB V aF und macht - trotz inzwischen am 1.9.2014 und am 19.1.2018 festgelegter Hilfstaxen - geltend, dass für die Daten aus Januar 2013 keine Erledigung eingetreten sei; die zwischenzeitlich vereinbarten Abrechnungspreise bildeten mangels hinreichender Auskünfte nicht die tatsächlichen Marktpreise ab. Die Regelung habe einen umfassenden Auskunftsanspruch gegen pharmazeutische Unternehmer zum Inhalt. Der Gesetzgeber habe damit die Weiterreichung der von einem Pharmaunternehmen gewährten Rabatte und Einkaufsvorteile an die Krankenkassen gewährleisten wollen. Gesichtspunkten der Bestimmtheit einer Norm und der Berufsfreiheit der Auskunftspflichtigen sei schon durch die hier anzuwendende Gesetzesfassung des § 129 Abs 5c S 4 SGB V aF Beachtung geschenkt worden (vgl inzwischen die Neuregelung durch das GKV-Arzneimittelversorgungstärkungsgesetz vom 4.5.2017, BGBl I 1050). Das LSG habe der Regelung dagegen einen ihrer Zielrichtung widersprechenden Inhalt gegeben. Die bisher erteilten Auskünfte der Klägerin seien unzureichend.

Sozialgericht München - S 2 KR 904/13
Bayerisches Landessozialgericht - L 5 KR 442/13

Terminbericht

Die Revision des Beklagten hat keinen Erfolg gehabt. Zutreffend hat das LSG den gegen das klagende pharmazeutische Unternehmen gerichteten Bescheid des beklagten GKV-Spitzenverbandes aufgehoben, weil die darin detailliert verfügte Auskunftsverpflichtung für den Zeitraum Januar 2013 durch die gesetzliche Ermächtigung des § 129 Abs 5c S 4 SGB V aF nicht gedeckt war. Unbeschadet der Frage, ob das eigene Auskunftsverhalten der Klägerin im Schreiben vom 4.7.2013 als Reaktion darauf den gesetzlichen Anforderungen entsprach, war sie daher jedenfalls nicht verpflichtet, die verlangten Nachweise beizubringen. Der zugrunde liegende Bescheid hat sich nicht durch zwei nachfolgende Hilfstaxen-Festlegungen erledigt, weil der Beklagte unter Hinweis auf dynamische Auswirkungen auf Folgezeiträume und auf die behauptete unzureichende Abbildung der vereinbarten Abrechnungspreise in den Hilfstaxen nachvollziehbar dargelegt hat, dass weiterhin ein berechtigtes Interesse an der Auskunft besteht. Zum für die Anfechtungsklage maßgebenden Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestimmte § 129 Abs 5c S 4 SGB V idF vom 17.7.2009 und 22.12.2010 (BGBl I 1990 bzw BGBl I 2262), dass der Beklagte "Nachweise ... vom pharmazeutischen Unternehmer über die vereinbarten Preise für Fertigarzneimittel in parenteralen Zubereitungen verlangen" kann; nur gegenüber Apothekern bestanden darüber hinausgehende Pflichten. Die Regelung ermächtigt indessen nach Wortlaut und Gesetzessystematik nicht zum detaillierten Auskunftsverlangen des Beklagten gegenüber der Klägerin zu den acht im Einzelnen aufgeführten Punkten, insbesondere zum Verlangen einer Aufstellung sämtlicher gewährter oder noch zu gewährender Einkaufsvorteile und zur Vorlage von anonymisierten Rechnungskopien. Die Befugnis zum konkreten Auskunftsverlangen kann - anders als der Beklagte meint - aus rechtsstaatlichen und datenschutzrechtlichen Gründen nicht in die Regelung hineininterpretiert werden. Der Bestimmtheitsgrundsatz gebietet, dass das Handeln der Verwaltung bei grundrechtsrelevanten Vorschriften messbar und in gewissem Ausmaß voraussehbar und berechenbar ist. Ebenso problematisch erweist sich die Rechtsposition des Beklagten im Lichte des Sozialdatenschutzes, wie er einfachgesetzlich im Schutz von Betriebsgeheimnissen zum Ausdruck kommt (vgl § 35 Abs 4 SGB I, § 67 Abs 1 S 2 SGB X). Einschränkungen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung sind - auch in Bezug auf die Erhebung von Daten (vgl § 67a SGB X) - Grenzen gesetzt (vgl auch die Rspr des Senats in BSGE 115, 40 = SozR 4-2500 § 302 Nr 1). Selbst bei anonymisierten Daten einer nur übersichtlichen Zahl der Kundenbeziehungen zu einem einzelnen pharmazeutischen Wirkstoff ist die Gefahr von Rückschlüssen auf einzelne Kunden nicht von der Hand zu weisen. Für das gewonnene Ergebnis sprechen schließlich auch die Gesetzesmaterialien zur erst ab 13.5.2017 geltenden Neufassung des § 129 Abs 5c SGB V (Gesetz vom 4.5.2017, BGBl I 1050). Durch die Neuregelungen sollte gerade der schon im Gesetzgebungsverfahren wahrgenommenen Bestimmtheitsproblematik abgeholfen werden. In § 129 Abs 5c S 8 und 10 SGB V nF heißt es daher nun, dass "Nachweise ... vom pharmazeutischen Unternehmer über die Abnehmer, die abgegebenen Mengen und die vereinbarten Preise für Fertigarzneimittel in parenteralen Zubereitungen" verlangt werden können und dass der Anspruch "jeweils auch die auf das Fertigarzneimittel und den Gesamtumsatz bezogenen Rabatte" umfasst (vgl dazu näher Regierungsbegründung, BT-Drucks 18/10208 S 31; Ausschussbericht BT-Drucks 18/11449 S 37).

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