Bundessozialgericht

Verhandlung B 3 KR 7/17 R

Verhandlungstermin 03.05.2018 11:00 Uhr

Terminvorschau

M. GmbH & Co. KG ./. GKV-Spitzenverband, beigeladen: Gemeinsamer Bundesausschuss
Die Beteiligten streiten über die Anpassung des Festbetrages für das Arzneimittel Medikinet®adult zum 1.4.2014, das die Klägerin als alleinige Zulassungsinhaberin zur Behandlung (nur) Erwachsener bei einer seit Kindesalter fortbestehenden Aufmerksamkeitsdefizit/Hyperaktivitäts-Störung (ADHS) seit 2011 vertreibt. Das zur Behandlung von ADHS bei Kindern und Jugendlichen zugelassene Arzneimittel Medikinet®retard wurde schon seit längerem von einem derselben Pharma-Gruppe zugehörigen Unternehmen vertrieben. Beide Arzneimittel enthalten den identischen, nicht patentgeschützten Primärwirkstoff Methylphenidat. Der beigeladene GBA hatte bereits 2007 die Festbetragsgruppe "Methylphenidat der Stufe 1, Gruppe 1" für Arzneimittel mit diesem Wirkstoff als verschreibungspflichtig in verschiedenen oralen Darreichungsformen neu gebildet (§ 35 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB V). Auf dieser Grundlage hatte der Rechtsvorgänger des beklagten GKV-Spitzenverbandes den Festbetrag für diese Festbetragsgruppe zuletzt zum 1.4.2010 festgesetzt (bei Wirkstärke 8,7 mg für eine Standardpackung von 50 Stück).

Der Antrag der Klägerin von April 2011, das Arzneimittel Medikinet®adult aus der Festbetragsgruppe herauszunehmen und bei Markteinführung keinen Festbetrag festzusetzen, blieb erfolglos. Der Beklagte passte den Festbetrag für die Gruppe "Methylphenidat 1" auf 28,44 Euro bei einer Wirkstärke von 8,7 mg und einer Standardpackung von 100 Stück zum 1.4.2014 an (§ 35 Abs 3 und 5 SGB V). Dagegen hat die Klägerin erstinstanzlich vor dem LSG Klage erhoben, weil als Folge dieser Festsetzung das einzige für die Behandlung von ADHS bei Erwachsenen zugelassene methylphenidathaltige Arzneimittel nicht mehr zum Festbetrag erhältlich gewesen sei. Die Zuordnung von Medikinet®adult zur Festbetragsgruppe und die Auswahl der Standardpackung seien rechtsfehlerhaft erfolgt.

Das LSG hat die Klage abgewiesen: Die Klägerin sei als pharmazeutisches Unternehmen klagebefugt, weil eine Verletzung eigener Rechte (Art 12 iVm Art 3 Abs 1 GG) nicht ausgeschlossen sei. In der Sache seien die Festbetragsgruppenbildung und die Anpassung des Festbetrages nicht zu beanstanden. Alle Arzneimittel mit dem Wirkstoff Methylphenidat seien von der streitigen Festbetragsgruppe erfasst, ohne dass es eines weiteren förmlichen Verfahrens des GBA bei Markteinführung des Arzneimittels bedurft habe. Medikinet®adult weise auch keine therapierelevante bedeutsame Bioverfügbarkeit auf, die eine Zuordnung zu dieser Festbetragsgruppe ausschließe. Daher komme es weder auf die Einschränkung von Therapiemöglichkeiten noch auf notwendige Verordnungsalternativen an (§ 35 Abs 1 S 3 <jetzt S 5> SGB V aF). Im Übrigen habe es Verordnungsalternativen sowohl innerhalb als auch außerhalb der Festbetragsgruppe gegeben. Die Festbetragsfestsetzung entspreche dem Rechenmodell von § 35 Abs 5 SGB V. Zum Berechnungsstichtag seien ua mehr als ein Fünftel aller Verordnungen und mindestens ein Fünftel aller Packungen zum Festbetrag verfügbar gewesen. Bei der Berechnung der Standardpackung hätten die Klägerin und das Medikinet®retard vertreibende Unternehmen als einheitlicher Anbieter berücksichtigt werden dürfen.

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung von Art 12, Art 19 Abs 4 GG iVm der Transparenzrichtlinie 89/105/EWG, § 35 Abs 1 S 3 aF (jetzt S 5) und § 35 Abs 5 SGB V. Die Solitärstellung von Medikinet®adult habe die Durchführung eines förmlichen Verfahrens durch den beigeladenen GBA bei der Festbetragsgruppenbildung erfordert, in dessen Rahmen das singuläre Anwendungsgebiet der Behandlung adulter ADHS und Wirtschaftlichkeitsüberlegungen hätten beachtet werden müssen. Bei der Festbetragsfestsetzung seien Versorgungsgesichtspunkte unberücksichtigt geblieben und sei die Standardpackung unzutreffend berechnet worden.

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg - L 1 KR 67/14 KL

Terminbericht

Der Senat hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Das LSG hat zutreffend entschieden, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Aufhebung des Festbetrags-Beschlusses des Beklagten zum 1.4.2014 hat, soweit das Arzneimittel medikinet® adult betroffen ist. Obwohl die Klägerin nicht selbst Adressatin der Allgemeinverfügung ist, ist sie klagebefugt. Der Vortrag einer willkürlichen Zuordnung des von ihr vertriebenen Arzneimittels zur Festbetragsgruppe schließt eine mögliche Verletzung ihrer Rechte aus Art 12 Abs 1 iVm Art 3 Abs 1 GG nicht von vornherein aus.

Die Anfechtungsklage ist allerdings unbegründet. Es liegt keine benachteiligende Verfälschung des Preiswettbewerbs zu ihren Lasten vor. Das Recht auf gleiche Teilhabe an einem fairen Wettbewerb ist nicht wegen der neuen Vermarktung eines bereits vorhandenen wirkstoffidentischen Arzneimittels verletzt. Die Zuordnung des Arzneimittels medikinet® adult zur Festbetragsgruppe "Methylphenidat Stufe 1, Gruppe 1" ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Es bedurfte auch keiner Herausnahme dieses Arzneimittels aus der Festbetragsgruppe nach dessen Markteinführung im Jahr 2011. Der beigeladene GBA ist seiner Pflicht als untergesetzlicher Normgeber nachgekommen, indem er mit Blick auf die erteilte Zulassung Methylphenidat-haltiger Arzneimittel zur Behandlung von ADHS bei Erwachsenen den bis dahin bestehenden Verordnungsausschluss für diesen Personenkreis - nach einer Übergangsregelung Mitte 2011 - endgültig im März 2013 durch Änderung der Arzneimittel-RL (Anlage III Nr 44 - Stimulantien) aufgehoben hat. Weitergehende Verfahrenserfordernisse, die zu Gunsten der Klägerin einzuhalten gewesen wären, ergeben sich weder aus dem Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art 19 Abs 4 GG) noch aus der Europäischen Transparenzrichtlinie (RL 89/105/EWG des Rates vom 21.12.1988, ABl Nr L 40 vom 11.2.1989).

Die generell-abstrakte Festbetragsgruppen- und Vergleichsgrößenbildung der ersten Gruppe (§ 35 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB V) erfasste alle Arzneimittel mit demselben Wirkstoff Methylphenidat, aus dem sowohl das nicht patentgeschützte Arzneimittel medikinet@ adult als auch das Arzneimittel medikinet® retard besteht. Dem Indikationsgebiet (nur) für Erwachsene wird durch unterschiedliche Wirkstärken und eine individuelle Dosierung desselben Wirkstoffs im Rahmen einer Gesamtstrategie Rechnung getragen.

Der Beklagte hat den Festbetrag als solchen in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise festgesetzt. Die gesetzlichen Parameter des Rechenmodells (§ 35 Abs 3 und 5 SGB V) wurden eingehalten. Das LSG hat für den Senat bindend festgestellt (§ 163 SGG), dass sowohl innerhalb als auch außerhalb der Festbetragsgruppe Arzneimittel zur Behandlung von adulter ADHS zeitnah zum Festbetrag zur Verfügung standen. Schließlich hat die Klägerin schon selbst nicht nachvollziehbar dargelegt, dass die Standardpackung willkürlich zu ihrem Nachteil festgelegt worden sei bzw welchen Vorteil sie aus der Festsetzung einer Packungsgröße von 50 Stück gezogen hätte.

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