Bundessozialgericht

Verhandlung B 11 AL 2/17 R

Verhandlungstermin 03.05.2018 11:30 Uhr

Terminvorschau

G. ./. BA
Die Beteiligten streiten über Aufhebung von Alg wegen des Eintritts von zwei Sperrzeiten wegen Arbeitsablehnung vom 1.12.2011 bis 11.1.2012 und vom 12.1.2012 bis 4.4.2012 und die Minderung der Anspruchsdauer. Die Beklagte bewilligte dem in Radeburg/Sachsen lebenden Kläger, der zuletzt eine Tätigkeit als Beikoch ausgeübt hatte, Alg ab 1.7.2011 für 300 Kalendertage. Am 29.11.2011 unterbreitete sie ihm im Rahmen einer persönlichen Vorsprache zwei Vermittlungsvorschläge als Beikoch in einem Hotel im Schwarzwald und als Koch in einem Gasthaus in Sonthofen/Bayern. Ein weiteres Stellenangebot als Beikoch in einem Klinikum in Meißen-Radebeul übersandte die Beklagte am 30.11.2011 per Post.

Am 16.1.2012 gab der Kläger gegenüber der Beklagten an, sich auf keine der Stellen beworben zu haben. Mit drei Bescheiden vom 30.1.2012 stellte die Beklagte den Eintritt einer dreiwöchigen Sperrzeit vom 1.12.2011 bis 21.12.2011 - dieser Bescheid wurde bindend -, einer sechswöchigen Sperrzeit vom 1.12.2011 bis 11.1.2012 und einer zwölfwöchigen Sperrzeit für die Zeit vom 12.1.2012 bis 4.4.2012 (wegen der Nichtbewerbung in dem Klinikum) fest. Widerspruch und Klage gegen die beiden Bescheide, die die 6-wöchige und die 12-wöchige Sperrzeit zum Gegenstand hatten, blieben jeweils erfolglos.

Auf die Berufung des Klägers hat das LSG die Urteile des SG sowie die angefochtenen Bescheide aufgehoben. Die beiden dem Kläger am 29.11.2011 unterbreiteten Vermittlungsvorschläge müssten als einheitlicher Vorgang angesehen werden, der nur zu einer einzigen Sperrzeit führen könne, weil der Arbeitslose nur in der Lage sei, ein Arbeitsangebot anzunehmen und die Ablehnung durch eine Handlung als einheitlicher Akt sowie aus einem einheitlichen Motiv heraus erfolge. Deshalb sei nur von zwei Vermittlungsangeboten auszugehen, welche allenfalls zu einem ersten und einem zweiten versicherungswidrigen Verhalten führen könnten. Doch liege auch ein zweites versicherungswidriges Verhalten im Hinblick auf das am 30.11.2011 per Post übersandte Angebot nicht vor, weil es zu diesem Zeitpunkt an der erforderlichen Feststellung des Eintritts einer ersten Sperrzeit wegen Arbeitsablehnung gefehlt habe.

Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision rügt die Beklagte neben Verfahrensfehlern eine Verletzung von § 144 Abs 4 Satz 1 SGB III aF, der § 159 Abs 4 Satz 1 SGB III entspricht. Die Rechtmäßigkeit der Feststellung einer zweiten Sperrzeit setze nicht voraus, dass zuvor ein Bescheid über die Feststellung einer ersten Sperrzeit ergangen sei.

Sozialgericht Dresden - S 8 AL 142/12
Sächsisches Landessozialgericht - L 3 AL 199/15

Terminbericht

Die Revision der Beklagten war teilweise begründet. Zu Unrecht hat das LSG das Urteil des SG Dresden im Verfahren S 8 AL 142/12 - Sperrzeit von sechs Wochen - aufgehoben. Die e Berufung gegen dieses Urteil war bereits unzulässig, weil der Gegenstandswert von 750 Euro nicht erreicht wurde. Demgegenüber hat das LSG das die zwölfwöchige Sperrzeit bestätigende Urteil des SG Dresden zur Recht aufgehoben. Der vom LSG festgestellte und für den Senat mangels Verfahrensrügen bindende Sachverhalt rechtfertigt allenfalls eine einzige Sperrzeit von drei Wochen. Bei mehreren Beschäftigungsangeboten, die in einem so engen zeitlichen Zusammenhang durch die AA ergehen, dass sie der arbeitslosen Person gleichzeitig vorliegen und diese hierauf zu reagieren hat, ist von einem einheitlich zu betrachtenden Lebenssachverhalt auszugehen. Bewirbt sich der Arbeitslose in einer solchen Situation gar nicht, muss dies nach allgemeiner Lebensanschauung auch als eine einheitliche Verhaltensweise gewertet werden. Ist diese als versicherungswidrig zu beurteilen, kann infolgedessen nur eine Sperrzeit bei Arbeitsablehnung eintreten. Ein einziges versicherungswidriges Verhalten darf nicht mehrfach sanktioniert werden.

Von einem solchen einheitlich zu betrachtenden Lebenssachverhalt ist hier auszugehen, weil die beiden ersten Beschäftigungsangebote gleichzeitig und das dritte am nächsten Tag, also innerhalb eines kurzen Zeitraums, unterbreitet wurden. Dem Arbeitslosen wird in Fällen mehrerer Arbeitsangebote eine Gesamtwürdigung abverlangt. Er muss die verschiedenen Angebote prüfen - etwa im Hinblick auf Pendelzeiten, einen notwendigen Umzug oder die Verdienstmöglichkeiten - und dann entscheiden, in welcher Form er mit dem Arbeitgeber Kontakt aufnimmt. Dies gilt zwar dann nur mit Einschränkungen, wenn die Arbeitsangebote in solchen zeitlichen Abständen erfolgt sind, dass bezogen auf die früheren Angebote eine Bewerbung isoliert betrachtet bereits hätte erfolgen müssen und deren Unterbleiben jeweils als versicherungswidriges Verhalten anzusehen wäre. So liegt der Fall hier aber nicht. Das dem Kläger am 30.11.2011 per Post übersandte Angebot ist ihm zwar einige Tage nach den am 29.11.2011 persönlich überreichten Angeboten zugegangen, auf die er sich nach den Feststellungen des LSG "unverzüglich" bewerben sollte. Doch war ihm bezogen auf diese Angebote schon deshalb eine etwas längere Prüf- und Bedenkzeit einzuräumen, weil die angebotenen Arbeitsstellen außerhalb seines zumutbaren Pendelbereichs lagen und deshalb einen Umzug erfordert hätten. Jedenfalls unter diesen besonderen Umständen war die Prüf- und Bedenkzeit des Klägers noch nicht abgelaufen, als er das weitere Arbeitsangebot vom 30.11.2011 erhalten hat. Das demnach hier möglicherweise anzunehmende einmalige versicherungswidrige Verhalten, durch das das Zustandekommen von Vorstellungsgesprächen bzw die Anbahnung eines Beschäftigungsverhältnisses verhindert wurde, ist aber bereits bindend sogar zweifach sperrzeitrechtlich sanktioniert worden.

Auf die von der Revision problematisierte Frage, ob die Rechtmäßigkeit der Feststellung einer sogenannten zweiten oder dritten Sperrzeit voraussetzt, dass zuvor ein Bescheid über die Feststellung der vorausgegangenen Sperrzeit ergangen ist, kommt es vor diesem Hintergrund nicht an.

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