Bundessozialgericht

Verhandlung B 11 AL 3/17 R

Verhandlungstermin 03.05.2018 10:45 Uhr

Terminvorschau

D. ./. BA
Streitig ist die Rücknahme von Aufhebungs- und Erstattungsbescheiden im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens. Der Alg beziehende Kläger informierte die Beklagte durch Veränderungsmitteilung vom 14.12.2011 darüber, dass er ab 11.11.2011 eine Tätigkeit als Maurer mit einer voraussichtlichen Arbeitszeit von weniger als 15 Stunden aufgenommen habe. Nachdem der Arbeitgeber Lohnunterlagen für Oktober 2011 (Arbeitszeiten in der 40. KW: am 4.10.2011, 5.10.2011 und 6.10.2011 jeweils 8 Stunden), für November 2011 (Arbeitszeiten in der 45. KW: am 8.11.2011, 9.11.2011 und 10.11.2011 jeweils 7,5 Stunden) und für Dezember 2011 (Arbeitszeiten in der 51. KW: 19.12.2011, 21.12.2011 und 22.12.2011 im Umfang von 6,0 Stunden, 6,5 Stunden und 3,5 Stunden) vorgelegt hatte, hob die Beklagte die Bewilligung von Alg auf, weil der Kläger wöchentlich 15 Stunden und mehr tätig und damit nicht mehr arbeitslos gewesen sei. Bis zu den erneuten persönlichen Arbeitslosmeldungen habe er keinen Anspruch auf Alg. Das überzahlte Alg sowie die Beiträge zur Kranken- und zur Pflegeversicherung seien zu erstatten.

Die Anträge des Klägers auf Überprüfung der bindenden Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 12.1.2012 und 7.3.2012 lehnte die Beklagte ab. Das SG hat die Klagen abgewiesen. Das LSG hat den Gerichtsbescheid des SG aufgehoben und die Beklagte unter Aufhebung ihrer ablehnenden Überprüfungsbescheide verpflichtet, die Aufhebungs- und Erstattungsbescheide zurückzunehmen. Zwar habe in den streitigen Zeiträumen kein Anspruch auf Alg bestanden, weil der Kläger jeweils mehr als 15 Stunden gearbeitet habe und seine Arbeitslosigkeit bis zu den erneuten Vorsprachen entfallen sei. Dies sei den Ausführungen des als Zeugen gehörten Arbeitgebers unter Berücksichtigung der Lohnabrechnungen und der Arbeitsaufschriebe zu entnehmen. Der Kläger sei unter Berücksichtigung der Angaben im Merkblatt 1 für Arbeitslose auch hinreichend über seine Mitteilungspflichten belehrt worden. Es liege jedoch eine unrichtige Rechtsanwendung iS des § 44 Abs 1 SGB X vor, weil es an einer Anhörung vor Erlass der Bescheide fehle. Mangels Widerspruchs- oder Klageverfahren sei keine Heilung durch deren Nachholung eingetreten. Die fehlende Anhörung mache die Aufhebungs- und Erstattungsbescheide nicht nur formell rechtswidrig, sondern bedinge unter Berücksichtigung des § 42 Satz 2 SGB X auch die rechtliche Wertung, dass die Bewilligung von Sozialleistungen zu Unrecht aufgehoben worden seien.

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte unter anderem eine Verletzung des § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X. Die unterlassene Anhörung könne im Zugunstenverfahren nachgeholt werden, was hier geschehen sei. Zudem habe das BSG bereits entschieden, dass eine fehlende Anhörung nicht zur Rücknahmepflicht nach § 44 SGB X führen könne.

Sozialgericht Stuttgart - S 23 AL 5093/12
Landessozialgericht Baden-Württemberg - L 8 AL 4082/15

Terminbericht

Die zulässige Revision der Beklagten hatte Erfolg. Die angefochtenen Überprüfungsbescheide sind rechtmäßig, weil die Beklagte nicht verpflichtet ist, die Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 12.1.2012 und 7.3.2012 nach § 44 Abs 1 SGB X zurückzunehmen. Eine Rechtswidrigkeit der Aufhebungs- und Erstattungsbescheide wegen einer unrichtigen Rechtsanwendung ist nicht gegeben. Die für die Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung, hier des Alg bewilligenden Bescheides, vorausgesetzte wesentliche Änderung Verhältnissen lag bereits mit dem jeweiligen Tag der Aufnahme der Beschäftigungen vor, weil die Anspruchsvoraussetzung der Beschäftigungslosigkeit entfallen war. Bei der Bejahung einer grob fahrlässigen Verletzung der Mitteilungspflichten hat das LSG zu Recht einen subjektiven Maßstab angelegt und berücksichtigt, dass der Kläger erstmals am 14.12.2011 auf die bereits ab Anfang Oktober begonnene Beschäftigung, zudem mit einer unzutreffenden Angabe zum vereinbarten Umfang der Beschäftigung, hingewiesen hat.

Zwar handelt es sich bei der unterbliebenen Anhörung des Klägers vor Erlass der streitigen Aufhebungs- und Erstattungsbescheide um einen Fehler in der Rechtsanwendung iS des § 44 SGB X. Entgegen der Ansicht des LSG führt dieser jedoch nicht zur Rücknahme der Aufhebungs- und Erstattungsbescheide. Insofern hat das BSG bereits entschieden, dass ein Kausalzusammenhang zwischen der Rechtswidrigkeit des ursprünglichen Verwaltungsakts und dem Nichterbringen der an sich zustehenden Sozialleistung bestehen muss. Das zu beachtende Gebot, der materiellen Gerechtigkeit zum Erfolg zu verhelfen, bedeutet, dass einem Betroffenen im Zugunstenverfahren (nur) diejenige Leistung zu erbringen ist, die ihm nach materiellem Recht bei von Anfang an zutreffender Rechtsanwendung zugestanden hätte. Hieran hält der Senat fest.

Der Senat hatte keine Veranlassung zu prüfen, ob der Kläger einen Anspruch auf Wiedereinsetzung nach § 41 Abs 3 Satz SGB X hinsichtlich der versäumten Widerspruchsfrist gegen die Bescheide vom 12.1.2012 und 7.3.2012 hat, weil der anwaltlich vertretene Kläger mit seinen Schreiben ausdrücklich die Überprüfung der Bescheide vom 12.1.2012 und 7.3.2012 gemäß § 44 SGB X beantragt und angegeben hat, dass er die Widerspruchsfrist gegen diese Bescheide wegen mangelnder Sprachkenntnisse versäumt habe.

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