Bundessozialgericht

Verhandlung B 13 R 33/15 R

Verhandlungstermin 25.05.2018 10:00 Uhr

Terminvorschau

E. B. ./. Deutsche Rentenversicherung Bund
Im Streit stehen die Rücknahme eines Verwaltungsakts über Zahlungsansprüche aus einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung (EM) aufgrund einer später, jedoch für den gleichen Zeitraum bewilligten Rente wegen voller EM mit Wirkung für die Vergangenheit und eine daraus folgende Erstattungsforderung.

Der beklagte RV-Träger bewilligte der Klägerin ab Februar 2011 eine Rente wegen teilweiser EM auf Zeit (bis 30.9.2013) iHv monatlich rund 400 Euro. Durch späteren Bescheid bewilligte er ihr für denselben Zeitraum "an (deren) Stelle" eine Rente wegen voller EM iHv monatlich rund 790 Euro. Der Bescheid enthielt den Hinweis, dass die Nachzahlung iHv rund 10 200 Euro vorläufig nicht ausgezahlt, sondern erst bei Kenntnis der Höhe der Ansprüche anderer Stellen abgerechnet werde. Im Februar 2012 erstattete die Beklagte aus diesem Nachzahlungsbetrag der Krankenkasse der Klägerin und der Bundesagentur für Arbeit auf deren Verlangen das zeitgleich zu der Rente gezahlte Krankengeld und Arbeitslosengeld.

Anschließend hob die Beklagte den Bescheid über die befristete Rente wegen teilweiser EM hinsichtlich des Zahlungsanspruchs "nach § 48 SGB X" auf. Zugleich rechnete sie ihre Forderung aus der "Überzahlung" dieser Rente gegen den Anspruch auf Nachzahlung der Rente wegen voller EM auf, soweit dieser nach Erfüllung der og Erstattungsansprüche verblieben war und forderte von der Klägerin eine Erstattung der überzahlten Leistung iHv noch rund 1300 Euro (Bescheid vom 21.5.2012/Widerspruchsbescheid vom 20.11.2012).

Das SG hat die letztgenannten Bescheide der Beklagten aufgehoben. Das LSG hat die Berufung der Beklagten hiergegen zurückgewiesen und zur Begründung ua ausgeführt, die Voraussetzungen des § 48 SGB X seien nicht erfüllt. Eine wesentliche Änderung der Verhältnisse sei durch Erteilung des Bescheides über die Rente wegen voller EM nicht eingetreten, denn die Klägerin habe bereits von Anfang an - ab Februar 2011 - sowohl einen Anspruch auf Rente wegen teilweiser EM als auch einen Anspruch auf Rente wegen voller EM gehabt. Eine Rücknahme des Zahlungsanspruchs komme nur unter den Voraussetzungen des § 45 SGB X in Betracht; insoweit sei jedoch von einem schützenswerten Vertrauen der Klägerin in den Bestand des ursprünglichen Verwaltungsakts auszugehen.

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung der §§ 45, 48 SGB X. Nach § 89 SGB VI werde nur die höchste Rente geleistet. Der Verwaltungsakt über den Auszahlungsanspruch auf Rente wegen teilweiser EM sei somit erst durch die Festsetzung des Auszahlungsanspruchs der Rente wegen voller EM nachträglich rechtswidrig geworden. Mit der Bewilligung der Rente wegen voller EM habe die Klägerin Einkommen iS des § 48 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB X erzielt.

Sozialgericht Darmstadt - S 6 R 655/12
Hessisches Landessozialgericht - L 2 R 417/14

Terminbericht

Der beklagte RV-Träger hatte mit seiner Revision gegen das Urteil des LSG keinen Erfolg. Er war nicht berechtigt, den Verwaltungsakt über den Zahlungsanspruch der Rente wegen teilweiser EM für die Dauer der zeitgleich gewährten Rente wegen voller EM zurückzunehmen und Erstattung der Überzahlung von der Klägerin zu verlangen.

Die Voraussetzungen des § 48 SGB X waren insoweit nicht erfüllt. Nach dessen Abs 1 Satz 1 ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung wegen einer nach seinem Erlass (Bekanntgabe) eingetretenen wesentlichen Änderung der rechtlichen oder tatsächlichen Verhältnisse mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Es mangelt hier bereits an einer nach dem Erlass des Bescheides über die Rente wegen teilweiser EM eingetretenen wesentlichen Änderung der Verhältnisse.

Der Verwaltungsakt über die Festsetzung des monatlichen Zahlbetrags der Rente wegen teilweiser EM war, anders als die Beklagte annimmt, schon in seinem Erlasszeitpunkt materiell rechtswidrig. Denn ein befristetes Stammrecht auf Rente wegen voller EM mit der Folge hieraus monatlich entstehender Einzelzahlungsansprüche ab dem 1.2.2011 war bereits kraft Gesetzes entstanden, als der RV-Träger den Bescheid über die Rente wegen teilweiser EM erließ. Bereits damals stand "bei objektiver Betrachtung" fest, dass durchsetzbare Ansprüche auf eine Rente wegen teilweiser EM nach § 89 Abs 1 Satz 1 SGB VI nicht gleichzeitig bestehen konnten. Insoweit kommt es nicht auf die Kenntnis des RV-Trägers an. Ebenso wenig ist der Bekanntgabezeitpunkt des Verwaltungsakts über die Rente wegen voller EM entscheidend. Denn dessen Regelung erlangte bereits rückwirkend zum Februar 2011 (innere) Wirksamkeit. Die Zahlungsansprüche auf Rente wegen teilweiser EM ruhten im Hinblick auf den zeitgleich entstandenen Anspruch auf Rente wegen voller EM. Eine Rücknahme anfänglich rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakte - hier des Bescheids über die Rente wegen teilweiser EM - ist aber allein im Rahmen des § 45 SGB X möglich. Hierauf hat die Beklagte die Aufhebungsentscheidung jedoch nicht gestützt; die Voraussetzungen für eine Umdeutung iS des § 43 SGB X liegen nicht vor.

Entgegen der Auffassung des RV-Trägers war die sozialverwaltungsverfahrensrechtliche Aufhebung des Verwaltungsakts über die Zahlungsansprüche aus der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung auch nicht mit Rücksicht auf die Ruhensregelung des § 89 Abs 1 Satz 1 SGB VI entbehrlich. Bestehen für denselben Zeitraum Ansprüche auf mehrere Renten aus eigener Versicherung, wird nach dieser Vorschrift nur die höchste Rente geleistet. Dies ist vorliegend die Rente wegen voller Erwerbsminderung. Die Vorschrift betrifft jedoch ausschließlich eine materielle Regelung über den Zahlungsanspruch. Ist ein Rentenzahlanspruch - wie hier - durch einen Bescheid festgestellt, so bedarf es zur Beseitigung des Zahlungsanspruchs, auch wenn er die niedrigere Rente betrifft, zwingend eines förmlichen Verwaltungsverfahrens. Eines solchen hat sich die Beklagte zwar bedient, es jedoch mit einem materiell rechtswidrigen Aufhebungsbescheid abgeschlossen.

Angesichts dessen mangelt es dem Erstattungsanspruch der Beklagten an einer Rechtsgrundlage iS des § 50 SGB X.

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