Bundessozialgericht

Verhandlung B 9 BL 1/17 R

Verhandlungstermin 14.06.2018 12:15 Uhr

Terminvorschau

I. B. ./. Freistaat Bayern
Die Klägerin leidet an einer schweren Alzheimer-Demenz. Das beantragte Blindengeld lehnte der Beklagte ab mit der Begründung, bei der Klägerin bestehe eine sehr weit fortgeschrittene Demenz; eine Kommunikation sei nicht mehr möglich, Sinneseindrücke könnten nicht mehr verarbeitet werden. Es gebe jedoch keinerlei Anhalt dafür, dass für die fehlende Wahrnehmung von optischen Reizen eine spezielle Schädigung der Sehstrukturen ursächlich sei. Das SG hat die Klage abgewiesen, das LSG der Klage stattgegeben. Es sei nachgewiesen, dass bei der Klägerin eine Verarbeitungsstörung vorliege, so dass sie die Signale der (auch) visuellen Sinnesmodalität nicht identifizieren, mit früheren Erinnerungen nicht vergleichen und nicht benennen könne. Soweit das BSG in seiner bisherigen Rechtsprechung einschränkend verlangt habe, dass bei zerebralen Schäden eine spezifische Störung des Sehvermögens vorliege, komme es hierauf nicht mehr an (BSG Urteil vom 11.08.2015 - B 9 BL 1/14 R).

Mit seiner Revision rügt der beklagte Freistaat die Verletzung materiellen Rechts. Blindheit setze eine Schädigung im optischen Apparat bzw in der Verarbeitung optischer Reize voraus. Der Verlust der kognitiven Verarbeitung bedinge keine Blindheit. Die zitierte Rechtsprechung des BSG beseitige lediglich die Ungleichheit zwischen nur blinden und jenen Menschen, bei denen zusätzlich zur Blindheit noch ein Verlust oder eine schwere Störung der sonstigen Sinnesorgane vorliege.

Sozialgericht Landshut - S 15 BL 3/13
Bayerisches Landessozialgericht - L 15 BL 9/14

Terminbericht

Die Revision des beklagten Freistaats war im Sinne der Zurückverweisung begründet. Auch bei cerebralen Störungen ist Blindheit anzunehmen, wenn der Betroffene nichts sieht. Dabei kommt es nicht (mehr) darauf an, ob die konkrete Ursache der Blindheit im Einzelfall nachvollzogen werden kann oder eine spezifische Sehstörung nachweisbar ist. Liegt Blindheit vor, wird Blindengeld zum Ausgleich blindheitsbedingter Mehraufwendungen als Pauschalleistung erbracht. Kann ein blindheitsbedingter Aufwand aufgrund der Eigenart des Krankheitsbildes aber gar nicht erst entstehen, wird der Zweck des Blindengelds verfehlt. In diesen besonderen Fällen darf der zuständigen Behörde der anspruchsvernichtende Einwand der Zweckverfehlung nicht verwehrt werden, wenn bestimmte Krankheitsbilder blindheitsbedingte Aufwendungen von vornherein ausschließen, weil der Mangel an Sehvermögen krankheitsbedingt durch keinerlei Maßnahmen (auch nicht anteilig) ausgleichbar ist. Dies wird am ehesten auf generalisierte cerebrale Leiden zutreffen können (zB mit dauernder Bewusstlosigkeit, Koma). Ob ein solches Krankheitsbild im konkreten Einzelfall tatsächlich vorliegt, hat die Behörde darzulegen. Sie trägt hierfür die Darlegungs- und objektive Beweislast (Anschluss und Fortführung von BSG Urteil vom 11.8.2015 - B 9 BL 1/14 R).

Ob mit der fortschreitenden Demenz der Klägerin ein solcher Zustand bereits erreicht ist, hat das LSG von seinem Standpunkt aus zu Recht nicht festgestellt. Diese Feststellungen werden im wiedereröffneten Berufungsverfahren nachgeholt werden müssen.

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