Bundessozialgericht

Verhandlung B 11 AL 4/17 R

Verhandlungstermin 21.06.2018 12:00 Uhr

Terminvorschau

V.H.M. e.V. ./. Bundesagentur für Arbeit
Im Streit ist ein Anspruch auf Kurzarbeitergeld (Kug) für die Monate Mai bis August und Oktober 2010.

Der klagende Verein verwaltet und vermarktet treuhänderisch acht Immobilien, die sich im Eigentum der Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands (MLPD) befinden, und führt darüber hinaus im Fremdauftrag die Objektbetreuung für zwei weitere Wohnhäuser durch. Er beschäftigte im Jahr 2010 zunächst elf Arbeitnehmer. Am 25.5.2010 zeigte der Kläger bei der Beklagten einen Arbeitsausfall und die geplante Reduzierung der regelmäßigen betriebsüblichen wöchentlichen Arbeitszeit bei fünf Arbeitnehmern von 40 Stunden auf null mit Wirkung von Mai 2010 bis voraussichtlich April 2011 an. Zu den Ursachen des Arbeitsausfalles gab er an, man sei von der größten internationalen Wirtschafts- und Finanzkrise besonders betroffen. Die dadurch verursachte Einschränkung der Liquidität, die durch einen Bankenboykott gegen die MLPD und den Verein selbst verstärkt werde, zwinge dazu, einen geplanten Zukauf zu verschieben und geplante Sanierungsmaßnahmen zu strecken.

Die Beklagte lehnte die Anerkennung der Voraussetzungen von Kurzarbeit und die Zahlung von Kug ab. Die Ursachen für den Nachfragerückgang seien nicht auf wirtschaftliche Gründe zurückzuführen, sondern beruhten auf dem allgemeinen Risiko einer Immobilienfirma. Die Klage gegen den ablehnenden Anerkennungsbescheid und die sich daran anschließenden ablehnenden Leistungsbescheide hat das SG abgewiesen. Das LSG hat im Berufungsverfahren weitere Auskünfte zur wirtschaftlichen Betätigung des Klägers im streitbefangenen Zeitraum eingeholt und hierauf gestützt die Berufung zurückgewiesen. Der vom Kläger behauptete Liquiditätsengpass beruhe nicht auf wirtschaftlichen Gründen, weil Leerstände der Immobilien bereits in früheren Jahren bestanden und im Jahre 2010 einen sehr geringen Anteil ausgemacht hätten. Die Mieteinnahmen aus allen verwalteten Immobilien wiesen keine auffälligen Schwankungen auf. Auch könne ein sogenannter Kreditboykott, wenn er vorgelegen hätte, nicht als unabwendbares Ereignis angesehen werden, sondern würde ein bereits seit 2006 andauerndes strukturelles Geschäftsproblem des Klägers darstellen.

Mit seiner vom LSG zugelassenen Revision macht der Kläger eine Verletzung von § 170 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Alt 2 und Nr 2 SGB III aF, der § 96 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Alt2 und Nr 2 SGB III entspricht, geltend. Entgegen der Auffassung des LSG könne ein anhaltender, politisch motivierter Kreditboykott durch Banken und Sparkassen ein unabwendbares Ereignis im Sinne der genannten Norm darstellen und einen Anspruch auf Kug begründen, wenn es hierdurch infolge Liquiditätseinschränkung zu einem Arbeitsausfall komme. Zeitlich begrenzt und vorübergehend müsse nur der durch das Ereignis hervorgerufene Arbeitsausfall sein.

Sozialgericht Gelsenkirchen - S 4 AL 312/11
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen - L 20 AL 92/14

Terminbericht

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das LSG hat seine Berufung zu Recht zurückgewiesen, denn es besteht kein Anspruch auf Kurzarbeitergeld (Kug).

Der von dem Kläger angezeigte Arbeitsausfall ist nicht erheblich im Sinne der gesetzlichen Bestimmungen. Ausgehend von seinen nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und damit für den Senat bindenden Feststellungen hat das LSG ohne Rechtsfehler verneint, dass wirtschaftliche Gründe den Arbeitsausfall wesentlich verursacht haben. Trotz der veränderten wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen infolge der Immobilienkrise in den USA hat es nach den vom Kläger im Berufungsverfahren vorgelegten Unterlagen keine signifikanten Unterschiede zwischen seinen Einnahmen im Jahre 2010 und denen der Vorjahre gegeben. Schon deshalb kommt als wesentliche Ursache für den im Jahre 2010 möglicherweise eingetretenen Liquiditätsengpass des Klägers nicht die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung in Betracht.

Das LSG hat auch zutreffend erkannt, dass ein Liquiditätsengpass, wenn er tatsächlich auf einen sogenannten Kreditboykott der als Kreditgeber in Frage kommenden Banken zurückzuführen sein sollte, nicht als ein unabwendbares Ereignis iS des § 170 Abs 1 Nr 1 Alt 2 SGB III aF anzusehen wäre. Unter einem "unabwendbaren Ereignis" ist nach ständiger Rechtsprechung entsprechend der Wortlautbedeutung von "Ereignis" ein zeitlich begrenztes, außergewöhnliches und von außen auf den Betrieb einwirkendes Geschehen zu verstehen. Eine rein innerbetriebliche Entwicklung genügt dagegen nicht. Denn mit dem Kug als Leistung der aktiven Arbeitsförderung soll nicht das gesamte Betriebs- und Wirtschaftsrisiko auf die Solidargemeinschaft verlagert werden. Vor diesem Hintergrund ist das vom LSG als plausibel angesehene geschäftsfelduntypische Marktverhalten verschiedener Kreditinstitute zum Nachteil des Klägers nicht als Ereignis iS von § 170 Abs 1 Nr 1 Alt 2 SGB III aF zu beurteilen. Denn der Kläger ist nach den weiteren Feststellungen des LSG schon seit 2006 mit diesem Verhalten konfrontiert und auch weiter nach dem streitbefangenen Zeitraum im Jahre 2010.

Selbst wenn dieses Marktverhalten Ursache für - möglicherweise auch nur vorübergehende - Liquiditätsengpässe des Klägers gewesen sein sollte, könnten auch diese innerbetrieblichen Folgewirkungen nicht als außergewöhnliches und von außen auf den Betrieb einwirkendes Geschehen beurteilt werden. Sie wären letztlich nur Ausdruck von auf Dauer angelegten Akzeptanzproblemen des Klägers als Akteur im Wirtschaftsleben, die dessen Risikosphäre angehören.

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