Bundessozialgericht

Verhandlung B 11 AL 13/17 R

Verhandlungstermin 21.06.2018 10:00 Uhr

Terminvorschau

N. ./. Bundesagentur für Arbeit
Streitig ist das Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld (Alg) wegen Zahlung einer Entlassungsentschädigung.

Die im Jahre 1957 geborene Klägerin war seit Oktober 2002 bei der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen (KVH) in M. beschäftigt. In ihrem Arbeitsvertrag wurde auf den Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) sowie auf diesen ergänzende, ändernde oder an seine Stelle tretende Tarifverträge und Vorschriften Bezug genommen.

Im Oktober 2009 beschloss die KVH mit dem Gesamtpersonalrat ein Umstrukturierungskonzept. Wegen des Wegfalls der Arbeitsplätze in M. sollten Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten an anderen Standorten geprüft und letztlich betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen werden. Am 5.11.2009 vereinbarten die Klägerin und die KVH die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.3.2010 gegen Zahlung einer Sozialplanabfindung in Höhe von 15.234,20 Euro brutto, einer Expressabfindung in Höhe von 4.570,26 Euro brutto und einer weiteren Abfindung bei Verhängung einer Sperrzeit in Höhe von 2.355 Euro brutto.

Die Beklagte bewilligte Alg erst ab 24.9.2010, weil der Anspruch wegen der Entlassungsentschädigung und unter Berücksichtigung einer fiktiven Kündigungsfrist von 18 Monaten für den Zeitraum vom 1.4.2010 bis 23.9.2010 geruht habe. Das SG hat die angefochtenen Bescheide aufgehoben, soweit darin das Ruhen des Anspruchs für den Zeitraum vom 24.6. bis 23.9.2010 (nach Ablauf einer nicht angegriffenen Sperrzeit) festgestellt und die Beklagte verurteilt worden ist, der Klägerin auch für diesen Zeitraum Alg zu gewähren.

Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Ein Ausschluss der ordentlichen Kündigung iS von § 143a Abs 1 Satz 3 Nr 1 SGB III aF, dem § 158 Abs 1 Satz 3 Nr 1 SGB III entspricht, mit einem Ruhenszeitraum unter Berücksichtigung einer (fiktiven) Kündigungsfrist von 18 Monaten sei auch anzunehmen, wenn eine ordentliche Kündigung wegen des Fehlens der dafür notwendigen Voraussetzungen im konkreten Fall ausgeschlossen sei. Auch dann könne sich der Arbeitgeber die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nur durch die Zahlung einer Entschädigung, die das ausgefallene Entgelt ersetzen solle, erkaufen. Bis zum Abschluss des Aufhebungsvertrags am 5.11.2009 sei noch nicht geprüft worden und habe noch nicht festgestanden, ob die KVH einen Ersatzarbeitsplatz habe anbieten können. Daher hätten die Voraussetzungen für eine Kündigung nach § 5 Abs 2 des anwendbaren Tarifvertrags über den Rationalisierungsschutz für Angestellte nicht vorgelegen. Gleiches gelte für eine ordentliche Kündigung aus personen- oder verhaltensbedingten Gründen. Ausgehend von einer fiktiven Kündigungsfrist von 18 Monaten und der erforderlichen Vergleichsberechnung ergebe sich ein Ruhenszeitraum bis zum 22.9.2010.

Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 143a Abs 1 Satz 3 Nr 1 SGB III aF. Die Regelung erfasse nur Fälle, in denen für den Arbeitgeber jede Möglichkeit der ordentlichen Beendigungskündigung ausgeschlossen sei.

Sozialgericht Marburg - S 2 AL 5/15
Hessisches Landessozialgericht - L 7 AL 126/15

Terminbericht

Auf die Revision der Klägerin ist das Urteil des LSG aufgehoben worden. Die Klägerin hat Anspruch auf Alg auch in dem Zeitraum vom 24.6.2010 bis 22.9.2010, weil sämtliche Anspruchsvoraussetzungen vorlagen und ein Ruhen des Anspruchs wegen der an sie gezahlten Entlassungsentschädigung nicht eingetreten ist.

Es liegt keine der Fallgestaltungen des § 143a SGB III aF vor. Das Anstellungsverhältnis der Klägerin ist unter Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden. Nach den Regelungen des BAT, die kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme auf das Anstellungsverhältnis anwendbar waren, war sie mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten zum Quartalsende ordentlich kündbar. Bei Abschluss des Aufhebungsvertrags ist diese Kündigungsfrist eingehalten worden. Aus dem Tarifvertrag über den Rationalisierungsschutz für Angestellte (RatSchTVAng) - seine Anwendbarkeit auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin unterstellt - ergibt sich keine Modifikation der Kündigungsfristen des BAT.

Die vom LSG zugrunde gelegte Einzelfallprüfung zu konkret vorhandenen Kündigungsmöglichkeiten ist mit dem Wortlaut, der Entstehungsgeschichte und dem Sinn und Zweck der Ruhensregelungen des § 143a SGB III aF nicht vereinbar, weil grundsätzlich an das Vorhandensein der Möglichkeit zur ordentlichen Kündigung und die Einhaltung bzw Nichteinhaltung der Kündigungsfristen angeknüpft wird. Daher ist es unerheblich, ob eine ordentliche Kündigung im Falle der Klägerin durch objektiv erforderliche und vorrangige Maßnahmen der Arbeitsplatzsicherung nach dem RatSchTVAng möglicherweise erschwert gewesen wäre. Denn dies hätte nicht dazu geführt, dass von einem zeitlich unbegrenzten Ausschluss der ordentlichen Kündigung iS des § 143a Abs 1 Satz 3 SGB III aF auszugehen gewesen wäre. Entsprechend liegen auch die Voraussetzungen des § 143a Abs 1 Satz 4 SGB III aF nicht vor.

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