Bundessozialgericht

Verhandlung B 6 KA 27/17 R

Verhandlungstermin 27.06.2018 11:15 Uhr

Terminvorschau

BARMER, TKK, DAK-Gesundheit, KKH, HEK, hkk ./. KZÄV Schleswig-Holstein
Die klagenden Ersatzkassen begehren von der beklagten KZÄV für den Zeitraum ab 2009 die Übermittlung der zahnarzt- und versichertenbezogenen Abrechnungsdaten je Behandlungsfall insbesondere für konservierend-chirurgische Leistungen.

Die Beklagte verweigerte die Übermittlung mit der Begründung, dass diese Daten für die Abrechnung der Vergütung durch die Klägerinnen nicht erforderlich seien. Seit 1999 sei für diese Leistungen mit den Klägerinnen - anderes als in den meisten anderen KZÄV-Bezirken - eine Vergütung nach Kopfpauschalen vereinbart; die im einzelnen Behandlungsfall tatsächlich erbrachten Leistungen seien hierfür ohne Bedeutung. In einer Protokollnotiz zu dem als Anlage zum Bundesmantelvertrag (Ersatzkassenvertrag Zahnärzte) vereinbarten "Vertrag über den Datenaus-tausch auf Datenträgern oder im Wege elektronischer Datenübertragung" (DTA-Vertrag) sei vorgesehen, dass Abweichendes über Art und Umfang der Datenübermittlung vereinbart werden könne, soweit die Gesamtvertragspartner für die Gesamtvergütung andere Vergütungsregelungen als die Einzelleistungsvergütung zugrunde legten. Solange eine solche vom DTA-Vertrag abweichende Vereinbarung für Schleswig-Holstein nicht getroffen sei, könnten die Klägerinnen die Übermittlung der Daten nach § 295 Abs 2 SGB V nicht verlangen. Da das Landesschiedsamt für die vertragszahnärztliche Versorgung am 24.8.2010 in einem Beschluss bestandskräftig festgestellt habe, dass entsprechende Regelungen schiedsfähig seien, müssten die Klägerinnen nach dem Scheitern weiterer Verhandlungen im Jahr 2011 zunächst erneut ein Schiedsverfahren einleiten.

Auf die im Juli 2010 erhobene Klage hat das SG die Beklagte verurteilt, die in § 295 Abs 2 SGB V bzw § 8 Abs 1 DTA-Vertrag bezeichneten Daten ab 2009 an die jeweiligen Klägerinnen zu übermitteln. Das LSG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Das Rechtsschutzbedürfnis für die Leistungsklage sei für die Klägerinnen aufgrund der Möglichkeit der Durchführung eines weiteren Schiedsverfahrens nicht entfallen; zur Wahrnehmung dieser Möglichkeit bestehe keine prozessual wirksame Verpflichtung. Die Voraussetzungen des § 295 Abs 2 SGB V seien erfüllt. Die dort genannte Zweckbindung "für die Abrechnung der Vergütung" sei weit zu verstehen und umfasse auch die Überprüfung der Abrechnungen gemäß §§ 106, 106a SGB V. Die Verpflichtung der Beklagten zur Datenübermittlung sei auch nicht aufgrund der Protokollnotiz zum DTA-Vertrag eingeschränkt; bis zum Abschluss einer anderweitigen Vereinbarung, die lediglich Einzelheiten ausgestalten könne, verbleibe es bei der gesetzlichen Regelung.

Die Beklagte macht mit ihrer Revision geltend, die Vorinstanzen hätten die Klage als unzulässig abweisen müssen, weil ihre Aufrechterhaltung nach der Entscheidung des Landesschiedsamts gegen Treu und Glauben verstoße und das Rechtsschutzbedürfnis fehle. Ihre Verurteilung zur Datenübermittlung verletze die Zweckbindung der Daten und sei auch insoweit rechtswidrig, als Daten ab 2009 umfasst seien, die die Klägerinnen gemäß § 304 SGB V und § 12 DTA-Vertag so-fort wieder löschen müssten.

Sozialgericht Kiel - S 13 KA 213/10
Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht - L 4 KA 14/12

Terminbericht

Die Revision der beklagten KZÄV ist ohne Erfolg geblieben. Die Vorinstanzen haben zutreffend entschieden, dass die Beklagte den klagenden Krankenkassen die ab dem Jahr 2009 angeforderten Daten über die in der vertragszahnärztlichen Versorgung abgerechneten Behandlungen übermitteln muss.

Aufgrund des im Jahr 2010 durchgeführten Schiedsverfahrens ist das Rechtsschutzbedürfnis der Krankenkassen für ihre Klage nicht entfallen. Das Schiedsverfahren wurde nicht mit einer verbindlichen Entscheidung abgeschlossen. Die Klägerinnen haben mit ihrer Bereitschaft zu weiteren - letztlich gescheiterten - Verhandlungen auch nicht auf eine gerichtliche Klärung der Streitfrage verzichtet.

In der Sache ist die Beklagte auch bei der in Schleswig-Holstein vereinbarten Gesamtvergütung nach Kopfpauschalen verpflichtet, den Krankenkassen die in § 295 Abs 2 Satz 1 SGB V genannten Daten für die Abrechnung der Vergütung zu übermitteln. Die Krankenkassen benötigen diese Daten, um ihrer gesetzlichen Aufgabe einer Prüfung der Richtigkeit der für ihre Versicherten abgerechneten Leistungen (§ 106d Abs 3 SGB V) nachkommen zu können. Der Senat musste nicht entscheiden, ob die Partner der Gesamtverträge im Fall der Vereinbarung von Kopfpauschalen den Umfang der zu übermittelnden Daten wirksam einschränken können, da eine solche Vereinbarung nicht zustande gekommen ist. Der Anspruch auf Übermittlung umfasst hier auch solche Daten ab dem Jahr 2009, die die Krankenkassen bzw die KZÄV wegen des Ablaufs der Aufbewahrungsfristen an sich bereits wieder hätten löschen müssen. Die Zeit ab Rechtshängigkeit des Übermittlungsbegehrens bis zur rechtskräftigen Entscheidung hierüber (oder bis zu einer anderweitigen endgültigen Erledigung des Rechtsstreits) sind für beide Beteiligte nicht in die höchstzulässigen Aufbewahrungsfristen einzurechnen. Weder darf die KZÄV durch Löschung der Daten während des Prozesses das Übermittlungsbegehren der Krankenkassen vereiteln noch sind diese an der Auswertung von Daten gehindert, die ihnen infolge eines längeren Prozesses erst nach Ablauf von Aufbewahrungsfristen übermittelt werden. Soweit über die Datenübermittlung gerichtliche Verfahren anhängig gemacht werden können, gebietet es die Garantie eines effektiven Rechtsschutzes, Aufbewahrungs- und Löschungsfristen als gehemmt anzusehen.

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