Bundessozialgericht

Verhandlung B 6 KA 46/17 R

Verhandlungstermin 27.06.2018 14:30 Uhr

Terminvorschau

Dr. Z. ./. Zulassungsausschuss für Ärzte Berlin, 7 Beigeladene
Die Beteiligten streiten über die Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens im Umfang eines hälftigen Versorgungsauftrags.

Die Klägerin ist Mitglied einer Berufsausübungsgemeinschaft (BAG), die derzeit aus zwei Fachärztinnen für Chirurgie besteht. Bis zu seinem Tod im Mai 2015 gehörte ein weiterer Facharzt für Chirurgie mit vollem Versorgungsauftrag der BAG an. Seine Fallzahlen lagen in den Quartalen I/2012 bis III/2014 zwischen 24 und 132 Fällen bei ca 750 Fällen im Durchschnitt der Arztgruppe. Den im Juli 2015 gestellten Antrag auf Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens lehnte der beklagte Zulassungsausschuss wegen der unzureichenden Teilnahme des Arztes für einen vollen Versorgungsauftrag ab und stimmte lediglich der Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens im Umfang eines halben Versorgungsauftrags zu. Die Klage hiergegen hat das SG abgewiesen. Im Hinblick auf den weiteren halben Versorgungsauftrag fehle es an einer fortführungsfähigen Praxis. Es sei nicht auf die BAG als Ganzes, sondern auf den einzelnen Arzt abzustellen. Die BAG sei zwar eine einheitliche Rechtspersönlichkeit, bei der Zulassung und im Nachbesetzungsverfahren komme es aber auf den einzelnen Arzt an.

Mit ihrer Sprungrevision macht die Klägerin geltend, es sei maßgeblich, dass ein Praxisnachfolger ohne weiteres an die gemeinsam ausgeübte Tätigkeit anknüpfen könne. Insofern sei der Bestand der BAG entscheidend. Die Fortführung der Praxis sei erforderlich, weil der regionalisierte Versorgungsgrad den durchschnittlichen Versorgungsgrad im Planungsbereich unterschreite. Der Beklagte habe die Durchführung des Nachbesetzungsverfahrens bereits deshalb nicht ablehnen dürfen, weil die Fortführung im Wege der Anstellung durch die BAG erfolgen solle.

Sozialgericht Berlin - S 87 KA 946/16

Terminbericht

Die Revision der Klägerin hat im Sinne der Aufhebung des sozialgerichtlichen Urteils und der Entscheidung des beklagten Zulassungsausschusses Erfolg gehabt. Dieser muss neu entscheiden, ob die Nachbesetzung des frei gewordenen Sitzes in der BAG der Klägerin im Umfang eines weiteren halben Versorgungsauftrags durchzuführen ist.

Ist der Vertragsarztsitz, für den die Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens beantragt wird, einer BAG zugeordnet, ist für die Möglichkeit der Praxisfortführung auf die BAG und nicht auf den einzelnen Arzt abzustellen. Die BAG ist ua durch die gemeinsame Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit und die Abrechnung der Leistungen unter einer einheitlichen Abrechnungsnummer gekennzeichnet. Auch nach Einführung der LANR, die eine Zuordnung jeder einzelnen Behandlungsmaßnahme zu einem bestimmten Arzt ermöglicht, wird die BAG weiterhin als Einheit betrachtet; Behandlungen durch verschiedene Mitglieder der BAG bilden einen einzigen Behandlungsfall, ein Vertretungsfall tritt dadurch nicht ein. Besteht danach hier eine fortführungsfähige Praxis - nämlich die BAG der Klägerin -, kann grundsätzlich entgegen der Auffassung des SG ein Nachbesetzungsverfahren durchgeführt werden.

Der Beklagte wird nunmehr zu prüfen haben, ob die Nachbesetzung des Vertragsarztsitzes des Arztes F. nach § 103 Abs 3a Satz 3 SGB V aus Versorgungsgründen nicht erforderlich ist. Dem Beklagten steht insoweit ein gerichtlich nur beschränkt nachprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. Ist der frei gewordene Vertragsarztsitz einer BAG zugeordnet und kann dieser nur von einem Arzt in der BAG fortgeführt werden, ist die Prüfung der "Entbehrlichkeit" des Sitzes auch an der Struktur dieser BAG auszurichten. Dabei ist zunächst von Bedeutung, ob die Praxis in ihrer gewachsenen Ausrichtung überhaupt ohne die Nachbesetzung geführt werden kann; das betrifft sowohl die Konstellation, in der der ausgeschiedene Arzt das qualitative Angebot der Praxis geprägt hat, etwa weil er als einziger über eine Befähigung nach § 135 Abs 2 SGB V verfügte, als auch die Konstellation, dass die Fortführung der Praxis im bisherigen Umfang auf eine bestimmte Zusammensetzung ausgerichtet ist. Die Auslastung der Praxis an ihrem konkreten Standort ist dabei ein Indiz dafür, dass sie einen relevanten Stellenwert in der Versorgung hat. Auch der Fortführung des berufsgenossenschaftlichen Heilverfahrens kann, wenn das auf dem bisherigen quantitativen Niveau nur durch die Nachbesetzung gewährleistet werden kann, in diesem Kontext Bedeutung zukommen. Insoweit lässt sich der Senat auch von der Erwägung leiten, dass die Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit in einer BAG dem Schutz des Artikel 12 Abs 1 GG unterfällt. Es ist deshalb geboten, im Rahmen der Entscheidung nach § 103 Abs 3a Satz 3 SGB V die berechtigten Belange der verbleibenden Mitglieder einer BAG zu berücksichtigen.

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