Bundessozialgericht

Verhandlung B 6 KA 60/17 R

Verhandlungstermin 27.06.2018 12:15 Uhr

Terminvorschau

KZÄV Westfalen-Lippe ./. AOK NORDWEST
In diesem Verfahren besteht Streit darüber, ob die beklagte Krankenkasse berechtigt war, gegenüber einem Anspruch der klagenden KZÄV auf Gesamtvergütung mit einer Gegenforderung aufzurechnen, die darauf gründet, dass die Klägerin das Honorar einzelner Vertragszahnärzte wegen nicht fristgerechter Erbringung der erforderlichen Fortbildungsnachweise kürzte.

Die Beklagte machte im Jahr 2012 gegenüber der Klägerin dem Grunde nach Ansprüche geltend, die sich daraus ergeben würden, dass einzelnen Vertragszahnärzten wegen Nichterfüllung ihrer Fortbildungsverpflichtung ab dem Quartal III/2009 das Honorar gekürzt worden sei. Die Klägerin war aber der Ansicht, dass die Krankenkassen deswegen weder Auskunft verlangen noch Ansprüche geltend machen könnten. Daraufhin erklärte die Beklagte gegenüber der Forderung der Klägerin auf Abschlagszahlung für das Quartal IV/2012 die Aufrechnung mit einem ihr zustehenden Anspruch aufgrund von Honorarkürzungen wegen Nichterfüllung der Fortbildungspflicht, den sie auf 730 000 Euro schätzte. Nach einer Mitteilung der Klägerin, dass von den insgesamt in den Quartalen III/2009 bis IV/2011 bei Zahnärzten einbehaltenen Honoraren wegen nicht fristgerecht nachgewiesener Fortbildung (ca 439 000 Euro) auf die Beklagte ein Betrag von ca 103 800 Euro entfalle, beschränkte die Beklagte ihre Aufrechnung auf den genannten Betrag.

Während vor dem SG die Klage ohne Erfolg geblieben ist, hat das LSG die Beklagte verurteilt, an die Klägerin die einbehaltenen 103 800 Euro zu zahlen. Die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung bestehe nicht. Als Grundlage hierfür komme nur ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch der Beklagten hinsichtlich der von ihr voll vergüteten Einzelleistungen in Betracht, die Vertragszahnärzte bei ihren Versicherten unter Verletzung der Fortbildungspflicht in den Quartalen III/2009 bis IV/2011 erbracht hätten. Derart konkret-individuell ermittelte Erstattungsansprüche habe die Beklagte aber nicht zur Aufrechnung gestellt, sondern lediglich eine nach abstrakten Kriterien ermittelte Gegenforderung geltend gemacht. Ungeachtet dessen hätten Honorarkürzungen wegen Verletzung der Fortbildungspflicht keinen Bezug zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung der Honorarforderung des Zahnarztes. Dieser erbringe keine "Schlechtleistung", sondern lediglich eine "Leistung in schlechterer Qualität". Hierfür habe der Gesetzgeber in § 95d Abs 3 SGB V zur Verhaltenssteuerung eine disziplinarähnliche Honorarkürzung angeordnet, die ebenso wie disziplinarische Geldbußen nicht an die Krankenkassen weiterzuleiten sei.

Die Beklagte macht mit ihrer Revision eine fehlerhafte Anwendung des § 95d Abs 3 SGB V durch das Berufungsgericht geltend. Ein nicht fortbildungswilliger Vertragszahnarzt erwerbe von vornherein nur einen gekürzten Honoraranspruch. Die KZÄV dürfe bei einer vereinbarten Einzelleistungsvergütung der Krankenkasse nur diejenigen Beträge in Rechnung stellen, die zugunsten des Zahnarztes tatsächlich entstanden seien. Die Einordnung der Honorarkürzung als Disziplinarmaßnahme eigener Art sei unzutreffend.

Sozialgericht Münster - S 2 KA 33/13
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen - L 11 KA 21/15

Terminbericht

Die Revision der beklagten Krankenkasse hat Erfolg gehabt, nachdem diese in Höhe des auf das Jahr 2009 entfallenden Anteils an den Honorarkürzungen wegen nicht rechtzeitigen Nachweises der Erfüllung der Fortbildungspflicht durch Vertragszahnärzte von ca 38 000 Euro ein von der Klägerin angenommenes Teilanerkenntnis abgegeben hatte. Der Senat hat die Aufrechnung der Beklagten gegenüber der Gesamtvergütungsforderung der klagenden KZÄV für das Quartal IV/2012 mit entsprechenden Gegenforderungen, die für die Jahre 2010 und 2011 zugunsten der Beklagten entstanden waren, für wirksam erachtet und insoweit die erstinstanzliche Entscheidung wiederhergestellt.

Wenn Vertragszahnärzte nicht nachweisen, dass sie ihrer Fortbildungsverpflichtung fristgerecht nachgekommen sind, ist das an sie zu zahlende Honorar gemäß § 95d Abs 3 Satz 3 SGB V zunächst um 10 % und nach Ablauf eines Jahres um 25 % zu kürzen. Eine gesetzliche Bestimmung, die die KZÄV generell verpflichtet, Honorarkürzungen bei Zahnärzten aufgrund fehlender Fortbildungsnachweise an die Krankenkassen weiterzuleiten, besteht - anders als bei der Degressionsregelung in § 85 Abs 4b, 4e SGB V - insoweit nicht. Ob die KZÄV diese Kürzungsbeträge an die jeweilige Krankenkasse weiterleiten muss, hängt deshalb davon ab, wie die Gesamtvergütung im Rechtsverhältnis zwischen Krankenkasse und KZÄV ermittelt wird. Die Einordnung der Honorarkürzung als sachlich-rechnerische Richtigstellung oder Disziplinar-maßnahme (zum Doppelcharakter vgl Senatsurteil vom 11.2.2015 - B 6 KA 19/14 R - SozR 4-2500 § 95d Nr 1 RdNr 24) ist wegen der unmittelbaren Einwirkung auf die Höhe des Honoraranspruchs ohne Bedeutung.

Soweit eine echte Einzelleistungsvergütung vereinbart ist und auch die in diesem Fall zwingend zu vereinbarende Obergrenze nicht überschritten wird, muss die KZÄV die bei einem Vertragszahnarzt wirksam werdende gesetzliche Honorarminderung an die Krankenkasse weitergeben. Dieser steht insoweit ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch zu. Ein solcher Erstattungsanspruch entsteht jedoch nicht, soweit die vereinbarte Obergrenze mit den von allen Vertragszahnärzten abgerechneten Leistungen überschritten wird, sodass die Krankenkasse an die KZÄV weniger Geld zahlen muss und diese an die Zahnärzte somit weniger verteilen kann, als sie bei einer unbegrenzten Einzelleistungsvergütung beanspruchen könnten. In diesem Fall hat die Krankenkasse keinen Erstattungsanspruch gegen die KZÄV, solange die Kürzungsbeträge nach § 95d Abs 3 Satz 3 SGB V niedriger sind als der Betrag, um den die Gesamtvergütungs-Obergrenze überschritten wurde. Im Verhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten wurde nach ihren übereinstimmenden Angaben die Gesamtvergütungs-Obergrenze im Jahr 2009 deutlich überschritten, während sie in den Jahren 2010 und 2011 nicht ausgeschöpft wurde. Dementsprechend sind Erstattungsansprüche der Beklagten nur hinsichtlich der Honorarkürzungen entstanden, die aufgrund nicht erfolgter Fortbildungsnachweise in den Jahren 2010 und 2011 anfielen.

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