Bundessozialgericht

Verhandlung B 5 RE 2/17 R

Verhandlungstermin 28.06.2018 09:45 Uhr

Terminvorschau

I. E. ./. Deutsche Rentenversicherung Bund, 2 Beigeladene
Die Beteiligten streiten über die Befreiung der Klägerin von der Rentenversicherungspflicht für die Zeit ab dem 1.4.2012. Die am 3.4.1966 geborene Klägerin ist seit dem 1.5.2005 zugelassene Patentanwältin und als solche kraft Gesetzes Pflichtmitglied der in München ansässigen Patentanwaltskammer. Eine Pflichtmitgliedschaft für Patentanwälte in der Patentanwaltskammer bestand bereits vor dem 1.1.1995. Vom 1.7.2006 bis zum 31.12.2007 war die Klägerin als angestellte Leiterin der Patentabteilung bei der Fa G beschäftigt. Auf den Antrag vom 3.2.2007 befreite die Beklagte die Klägerin mit Wirkung vom 1.12.2006 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV). Ab dem 1.12.2006 war die Klägerin zudem niedergelassene Patentanwältin in Coburg. Seit dem 1.1.2008 war die Klägerin ausschließlich als selbstständige Patentanwältin tätig und zahlte weiterhin freiwillig Beiträge an die Bayerische Versorgungskammer für Rechtsanwälte und Steuerberater (Beigeladene zu 2). Seit dem 1.4.2012 ist sie - nach Verlegung ihres Kanzleisitzes nach München - Pflichtmitglied der Beigeladenen zu 2, die seit 2006 auch für Patentanwälte/innen mit Kanzleisitz in Bayern zuständig ist. Zum gleichen Zeitpunkt übernahm die Klägerin zusätzlich als Angestellte die Leitung der Patentabteilung der Beigeladenen zu 1. Am 31.5.2012 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass sie seit 1.4.2012 als Patentanwältin bei der Beigeladenen zu 1 beschäftigt sei. Aufgrund der Befreiung von der Versicherungspflicht seit dem 1.12.2006 gehe sie davon aus, dass in Bezug auf ihre Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1 keine weiteren Schritte erforderlich seien. Dieses Schreiben legte die Beklagte als Antrag aus und lehnte mit Bescheid vom 8.8.2012 und Widerspruchsbescheid vom 21.11.2012 eine Befreiung von der Versicherungspflicht ab. Als Patentanwältin in abhängiger Beschäftigung bestehe keine Pflichtmitgliedschaft im Versorgungswerk der Hessischen Rechtsanwälte. Die Pflichtmitgliedschaft bei der Beigeladenen zu 2 in Bayern wirke sich nicht auf die zu beurteilende Beschäftigung in Hessen aus. Mit Urteil vom 18.9.2013 hat das SG die Entscheidungen der Beklagten aufgehoben und diese verpflichtet, die Klägerin für ihre Tätigkeit als Patentanwältin bei der Beigeladenen zu 1 ab dem 1.4.2012 von der Versicherungspflicht zur GRV zu befreien. Im Berufungsverfahren hat die Klägerin eine Urkunde der Patentanwaltskammer vom 1.6.2016 vorgelegt, wonach sie als Patentanwältin (Syndikusanwältin) bei der Beigeladenen zu 1 zugelassen worden sei. Am 12.2.2016 hat die Klägerin aufgrund der geänderten Rechtslage einen Antrag auf Befreiung nach § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI und auf rückwirkende Befreiung nach § 231 Abs 4 Buchst b SGB VI für ihre am 1.4.2012 aufgenommene Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 1 gestellt. Mit Bescheid vom 18.7.2016 hat die Beklagte den Antrag auf Befreiung für die am 1.4.2012 aufgenommene Beschäftigung abgelehnt. Über den hiergegen eingelegten Widerspruch ist noch nicht entschieden.

Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 11.4.2017). Für die vorliegende Anfechtungs- und Verpflichtungsklage sei grundsätzlich der zur Zeit der gerichtlichen Entscheidung bestehende Sach- und Rechtsstand entscheidend. Streitgegenstand sei nach § 96 SGG auch der Bescheid vom 18.7.2016 nach dem ab 1.1.2016 geltenden Recht (Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte und zur Änderung der Finanzgerichtsordnung vom 21.12.2015, BGBl I 2517). Die Beschäftigung als Syndikus-Patentanwältin bei der Beigeladenen zu 1 begründe nicht ihre Versicherungspflicht bei der Beigeladenen zu 2. Sie sei dort allein deshalb Pflichtmitglied, weil sie für ihre selbstständige Tätigkeit als Patentanwältin einen Kanzleisitz in München eingerichtet habe. Sie sei mithin nicht "wegen der" Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 1 Mitglied einer berufsständischen Versorgungseinrichtung. Die Klägerin wendet sich hiergegen mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision. Insbesondere sei ausgehend von einer grammatikalischen Interpretation von § 6 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB VI der Ort der Tätigkeit kein Tatbestandsmerkmal, vielmehr komme es allein auf die Art der Tätigkeit an.

Sozialgericht Speyer - S 1 R 1256/12
Landessozialgericht Rheinland-Pfalz - L 4 R 257/16

Terminbericht

Die Revision der Klägerin ist im Wesentlichen ohne Erfolg geblieben. Das Urteil des LSG war lediglich aufzuheben, soweit es eine Entscheidung auch über die während des Berufungsverfahrens mit Bescheid vom 18.7.2016 ergangene weitere Ablehnung einer Befreiung der Klägerin aufgrund ihres neuen Status als Syndikus-Patentanwältin getroffen hat. Derartige Regelungen betreffen nicht denselben Streitgegenstand und werden daher nicht nach § 96 SGG Gegenstand des bereits anhängigen Klageverfahrens (Beschluss des Senats vom 22.3.2018 B 5 RE 12/17 B, BeckRS 2018, 8896). Zwar steht der Zulässigkeit der Klage gegen den Bescheid vom 8.8.2012 und den Widerspruchsbescheid vom 21.11.2012, über die damit allein zu entscheiden war, nicht der Verwaltungsakt vom 2.7.2007 entgegen, der eine Befreiung allein für die Zeit ab dem 1.12.2006 von der damaligen Versicherungspflicht aufgrund der Beschäftigung bei der Fa G ausspricht und damit das vorliegende Streitverhältnis nicht erfasst. Die Klägerin hat aber materiell-rechtlich keinen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung als Beschäftigte der Beigeladenen zu 1. Die angegriffenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Wie der Senat bereits entschieden hat, setzt § 6 Abs 1 Nr 1 SGB VI voraus, dass ein und dieselbe Erwerbstätigkeit zur Versicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung und gleichzeitig zur Mitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung und einer berufsständischen Kammer geführt hat. Die Erwerbstätigkeit bei der Beigeladenen zu 1 kann dem Berufsbild der Patentanwältin jedoch nicht zugeordnet werden. Die Rechtslage entspricht insofern derjenigen bei Rechtsanwälten/innen (hierzu Urteil des Senats vom 3.4.2014 - B 5 RE 13/14 R, BSGE 115, 267ff), sodass die im Rahmen der Beschäftigung erbrachte Erwerbstätigkeit für die Mitgliedschaft bei der Beigeladenen zu 2 und die hierdurch parallel zur gesetzlichen Rentenversicherung begründete öffentlich-rechtliche Sicherung ohne Bedeutung ist. Die Zugehörigkeit zu unterschiedlichen Versorgungen aufgrund unterschiedlicher Voraussetzungen und unterschiedlicher, wenn auch parallel ausgeübter Erwerbstätigkeiten zeigt sich im vorliegenden Fall zudem besonders deutlich darin, dass der Zugang der Klägerin zur Beigeladenen zu 2 nach den Feststellungen des LSG in örtlicher Hinsicht allein durch den Kanzleisitz in Bayern begründet ist, während für Patentanwälte/innen in Hessen weder eine gesetzliche Zuständigkeit gegeben noch ein freiwilliger Zugang eröffnet ist.

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