Bundessozialgericht

Verhandlung B 3 KR 21/17 R

Verhandlungstermin 04.07.2018 09:30 Uhr

Terminvorschau

GKV-Spitzenverband ./. Schiedsstelle nach § 130b Abs 5 SGB V, beigeladen: 1. G. GmbH, 2. GBA
Im Streit steht - ähnlich wie im Fall 1 - ein durch Schiedsspruch festgesetzter Erstattungsbetrag durch die Beklagte, hier für das Arzneimittel Zydelig® (Wirkstoff Idelalisib) zur Behandlung von chronischer lymphatischer Leukämie bei Erwachsenen.

Nach Zulassung und Inverkehrbringen des Arzneimittels bewertete der GBA (Beigeladener zu 2.) im März 2015 durch Beschluss den Nutzen des Arzneimittels gemäß § 35a Abs 3 SGB V. Der GBA stellte einen Anhaltspunkt für einen nicht-quantifizierbaren Zusatznutzen des Arzneimittels im Verhältnis zur zweckmäßigen Vergleichstherapie für nur zwei von insgesamt sechs der in Frage kommenden Patientengruppen fest, während er in den übrigen vier Gruppen keinen Beleg für einen Zusatznutzen sah. Nach erfolglosen Preisverhandlungen beantragte der Kläger bei der beklagten Schiedsstelle die Festsetzung des Erstattungsbetrages in Höhe von 2968,56 bzw 1979,04 Euro je Packung und 0,32984 Euro je Bezugsgröße, die Beigeladene zu 1. in Höhe von 4200 Euro je Packung bzw 140 Euro je Bezugsgröße. Mit Schiedsspruch vom 20.1.2016 setzte die Beklagte den Erstattungsbetrag für Zydelig® für alle sechs Patientengruppen ab 24.9.2015 einheitlich auf 3900 Euro pro Packung und 130 Euro je Bezugsgröße fest (sog Mischpreis). Es ergaben sich Jahrestherapiekosten in Höhe von ca 44 650 Euro pro Patient für das Arzneimittel. Die Jahrestherapiekosten eines vergleichbaren Arzneimittels wurden mit 68 433 Euro beziffert. Mangels ausreichender Informationen wurden europäische Abgabepreise nur nachrangig berücksichtigt. Die Beklagte ging davon aus, dass die hochspezialisierten Ärzte das Arzneimittel weit überwiegend in jenen Patientengruppen verordnen würden, für die ein Zusatznutzen festgestellt worden war.

Auf die Klage gegen die Höhe des Erstattungsbetrags und des Preises pro Packung hat das erstinstanzlich zuständige LSG Berlin-Brandenburg den Schiedsspruch insoweit aufgehoben: Die beklagte Schiedsstelle habe ihren Gestaltungsspielraum überschritten. Der Schiedsspruch sei als Verwaltungsakt nicht hinreichend begründet worden. Die Beklagte habe den Rechenweg und die einzelnen Rechenoperationen für die Ermittlung des festgesetzten Erstattungsbetrags rechtsfehlerhaft nicht offengelegt. Im Übrigen bestünden gegen die Kalkulation eines Mischpreises erhebliche rechtliche Bedenken. Ein Mischpreis führe zu Preisverzerrungen, da für die Behandlung von Patienten ohne Zusatznutzen unwirtschaftliche Arzneimittelpreise von der GKV erstattet werden müssten; insofern bildeten die Jahrestherapiekosten der Vergleichstherapie die rechtliche Obergrenze nach § 130b Abs 3 SGB V. Für die Behandlung von Patienten mit Zusatznutzen komme es hingegen durchweg zu einer Erstattung zu niedriger Arzneimittelpreise, was die Rechte der Pharmaunternehmer verletze.

Hiergegen richtet sich die Revision der beklagten Schiedsstelle. Sie rügt die Verletzung materiellen Rechts (§ 130b SGB V iVm § 35a SGB V, § 35 SGB X, § 41 SGB X). Das LSG habe in unzulässiger Weise in ihren gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Gestaltungsspielraum eingegriffen. Der Schiedsspruch sei angesichts der Vielzahl von Unwägbarkeiten, auf denen der Beschluss des GBA beruhe, hinreichend begründet worden. Die Monetarisierung des Zusatznutzens sei eine rechtlich nicht überprüfbare Wertentscheidung, die sich einer exakten mathematischen Herleitung entziehe.

Der Kläger folgt dem LSG insbesondere darin, dass die Beklagte den Zuschlag für die Patientengruppen mit Zusatznutzen verfahrensfehlerhaft begründet habe, hält aber allgemein eine Mischpreisbildung für rechtmäßig.

Die zu 1. beigeladene pharmazeutische Unternehmerin schließt sich den Ausführungen der Beklagten an.

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg - L 9 KR 72/16 KL

Terminbericht

Die Revision der beklagten Schiedsstelle war auch in dieser Sache erfolgreich. Das LSG-Urteil war aufzuheben und die Klage gegen den Schiedsspruch abzuweisen. Entgegen der Ansicht des LSG hat die Schiedsstelle die Höhe des Erstattungsbetrags für das Arzneimittel Zydelig® (Wirkstoff Idelalisib) ab 24.9.2015 revisionsrechtlich beanstandungsfrei festgelegt.

Der Bildung eines sog Mischpreises standen ebenso wie im vorangegangenen Revisionsverfahren Rechtsgründe nicht entgegen. Bei der Festlegung des Erstattungsbetrags überschritt die Beklagte nicht ihren - gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren - Gestaltungsspielraum. Die Inhaltskontrolle des Schiedsspruchs ergibt keine revisionsrechtlich zu beanstandenden Fehler im Hinblick auf den zugrunde gelegten Sachverhalt und die herangezogenen rechtlichen Maßstäbe. Die Schwierigkeit der Schiedsstelle, einen einheitlichen Erstattungsbetrag festlegen und den Zusatznutzen monetarisieren zu müssen, beruhte im Wesentlichen darauf, dass der GBA nur für zwei Teilpatientengruppen einen Zusatznutzen annahm, den er nicht quantifizieren konnte und dabei große Spannbreiten für die Patientenzahl angab. Die Schiedsstelle hat dies auch in diesem Verfahren in freier Würdigung der Umstände des Einzelfalls, unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Therapiegebietes und anhand des zutreffenden Normprogramms (§ 35a Abs 3 SGB V, § 130b Abs 1 S 1, Abs 4 S 2 iVm Abs 9 S 3 SGB V iVm der Rahmenvereinbarung) gelöst. Der Erstattungsbetrag ist das Resultat der originären Abwägungsentscheidung der Beklagten und bewegt sich im vertretbaren oberen Bereich des Korridors der von den Vertragspartnern gestellten Anträge. Anhaltspunkte für sachwidrige Erwägungen oder Willkür ergeben sich nicht. Angesichts einer wissenschaftlich noch nicht abgesicherten Datenlage über den Zusatznutzen des Arzneimittels war der Erstattungsbetrag eine Kompromisslösung, die allen Unwägbarkeiten bei der Monetarisierung des Zusatznutzens Rechnung tragen musste. Dabei war die - sachkundig besetzte - Beklagte in ihrer Abwägung umso freier, je weniger sie auf eine valide Datenlage zurückgreifen konnte.

Auch in formeller Hinsicht hält der Schiedsspruch revisionsrechtlicher Überprüfung durch den Senat Stand. Die Begründung des Schiedsspruchs entspricht den von der Rechtsprechung aufgestellten Mindestanforderungen. Die Abwägungsentscheidung hat Eingang in die Begründung des Schiedsspruchs gefunden, die wesentlichen rechtlichen Maßstäbe, der maßgebliche Sachverhalt und der Verfahrensablauf sind in der Begründung dargestellt worden. Eine weitergehende Pflicht der Beklagten, die erwogenen Teilrechenoperationen in der Begründung des Schiedsspruchs offenzulegen, existiert hingegen nicht. Der Kläger wurde im Schiedsstellenverfahren auch nicht in seinem rechtlichen Gehör verletzt. Eine Gehörsrüge hätte von ihm entsprechend dem Rechtsgedanken von § 295 ZPO spätestens vor der abschließenden Beratung und Beschlussfassung der Schiedsstelle erhoben werden müssen, um dem Vorsitzenden ein konkretes Begehren nach weiterem Informations- und Klärungsbedarf zu signalisieren. Nach den bindenden Feststellungen des LSG sind aber keine entsprechenden Einwendungen in der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor der Schiedsstelle protokolliert worden. Die erst im Gerichtsverfahren geltend gemachte Gehörsrüge ist daher jedenfalls verspätet erhoben worden.

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