Bundessozialgericht

Verhandlung B 12 R 4/17 R

Verhandlungstermin 04.09.2018 13:45 Uhr

Terminvorschau

BS B. S. Zeitarbeit e.K. ./. Deutsche Rentenversicherung Bund und Beigeladene
Die Klägerin betreibt behördlich erlaubte Arbeitnehmerüberlassung. Sie wendet sich gegen die Nachforderung von Gesamtsozialversicherungs- und Umlagebeiträgen sowie die Festsetzung von Säumniszuschlägen.

Im Jahr 2010 wurde vom Bundearbeitsgericht die Tarifunfähigkeit der "Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalservice-Agenturen" (CGZP) bestätigt. Eine daraufhin von der Beklagten für das Jahresende 2011 angekündigte Betriebsprüfung lehnte die Klägerin ab. Auch der Aufforderung der Beklagten, Angaben der Entleihfirmen über die Entlohnung vergleichbarer Arbeitnehmer vorzulegen oder zumindest die genauen Verleihzeiträume, die Namen der Entleiher sowie die konkreten Tätigkeiten der verliehenen Arbeitnehmer nachzuweisen, kam die Klägerin nicht nach. Daraufhin forderte die Beklagte weitere Gesamtsozialversicherungs- und Umlagebeiträge für die Zeit vom 1.12.2005 bis zum 31.12.2009 in Höhe von 119 169,14 Euro nebst Säumniszuschlägen von 22 534 Euro. Aufgrund des unwirksamen CGZP Tarifvertrags ergebe sich für die verliehenen Arbeitnehmer ein höherer Arbeitsentgeltanspruch. Da von der Klägerin weder Unterlagen vorgelegt noch Auskünfte erteilt worden seien, hätten die Arbeitsentgeltdifferenzen gegenüber vergleichbaren Stammarbeitnehmern der Entleiher anhand der Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschungen (IAB) "Lohndifferenzial Zeitarbeit" vom 14.4.2011 geschätzt werden können.

Das SG hat die Klage abgewiesen. Das LSG hat das Urteil und die angefochtenen Bescheide der Beklagten aufgehoben. Bei der den Leiharbeitnehmern geschuldeten Differenzvergütung handele es sich um einmalig zu zahlendes Arbeitsentgelt, für das das Zuflussprinzip gelte. Infolgedessen entstehe die Beitragspflicht nicht vor der Auszahlung des Arbeitsentgelts.

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 23a Abs 1 S 1 iVm § 22 Abs 1 Satz 2 SGB IV. Die Wertung als einmalig zu zahlendes Arbeitsentgelt lasse sich nicht aus der Rechtsprechung des BAG oder BSG ableiten und würde dem Zweck des "equal pay-Grundsatzes", eine Schlechterstellung der Leiharbeitnehmer gegenüber Stammarbeitnehmern zu verhindern, zuwider laufen. Da die Klägerin ihre Aufzeichnungspflicht als Arbeitgeberin verletzt habe und die konkreten Vergütungsansprüche nicht ohne unverhältnismäßig großen Verwaltungsaufwand zu ermitteln gewesen seien, habe das Arbeitsentgelt geschätzt werden dürfen. Die Studie des IAB bilde eine sachgerechte Schätzungsgrundlage. Unter Berücksichtigung der vierjährigen Frist seien jedenfalls die Beitragsforderungen für die Jahre 2007 bis 2009 nicht verjährt.

Sozialgericht Karlsruhe - S 16 R 1830/13
Landessozialgericht Baden-Württemberg - L 11 R 643/17

Terminbericht

Der Senat hat auf die Revision der beklagten DRV Bund das Urteil des LSG aufgehoben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG insoweit zurückgewiesen, als Gesamtsozialversicherungs- und Umlagebeiträge für die Zeit vom 1.1.2008 bis zum 31.12.2009 festgesetzt worden sind. Im Übrigen hat er die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen.

Die Beklagte war an der Beitragsfestsetzung nicht deshalb gehindert, weil den Leiharbeitnehmern das ihnen über die bereits gewährte Vergütung hinaus aufgrund des "equal pay"-Anspruchs zustehende zusätzliche Arbeitsentgelt noch nicht zugeflossen ist. Das Beitragsrecht der Sozialversicherung ist durch das sog Entstehungsprinzip gekennzeichnet. Maßgebend für das Entstehen von Beitragsansprüchen, die an das Arbeitsentgelt Beschäftigter anknüpfen, ist danach allein das Entstehen des arbeitsrechtlich geschuldeten Entgeltanspruchs, ohne Rücksicht darauf, ob, von wem und in welcher Höhe dieser Anspruch im Ergebnis durch Entgeltzahlung erfüllt wird. Der Zufluss von Arbeitsentgelt ist nur entscheidend, soweit der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer mehr leistet als unter Beachtung der gesetzlichen, tariflichen oder einzelvertraglichen Regelungen geschuldet ist, also überobligatorische Zahlungen erbracht werden. Das ist bei der aus dem Gleichstellungsanspruch für Leiharbeitnehmer resultierenden zusätzlichen Vergütung nicht der Fall. § 22 Abs 1 Satz 2 SGB IV, wonach bei einmalig gezahltem Arbeitsentgelt die Beitragsansprüche entstehen, sobald dieses ausgezahlt worden ist, findet keine Anwendung. Einmalig gezahltes Arbeitsentgelt sind Zuwendungen, die dem Arbeitsentgelt zuzurechnen sind und nicht für die Arbeit in einem einzelnen Entgeltabrechnungszeitraum gezahlt werden. Das den Leiharbeitnehmern mit deren Überlassung geschuldete Arbeitsentgelt wird demgegenüber für die in bestimmten Abrechnungszeiträumen geleistete Arbeit gezahlt. Dem steht nicht das Urteil des Senats vom 3.6.2009 (B 12 R 12/07 R) entgegen. Daraus folgt nicht, dass jede in Höhe der Differenz zwischen erbrachter und geschuldeter Entlohnung zu leistende Vergütung als Einmalzahlung zu qualifizieren wäre.

Die Beklagte hat das den Leiharbeitnehmern zustehende Arbeitsentgelt in nicht zu beanstandender Weise geschätzt. Die Klägerin hat keine Lohnunterlagen vorgelegt und damit ihre Aufzeichnungspflicht verletzt. Da die Klägerin ua auch nicht die Namen der Entleiher mitgeteilt hat, waren die für die Beitragsbemessung maßgebenden Entgeltansprüche der Leiharbeitnehmer für die Beklagte "nicht ohne unverhältnismäßig großen Verwaltungsaufwand" zu ermitteln. Dass die Beklagte mit ihrer Schätzung auf Grundlage der Analyse des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschungen "Lohndifferenzial Zeitarbeit" vom 14.4.2011 Denkgesetze verletzt oder nicht existente Erfahrungssätze herangezogen hätte, war nicht zu erkennen.

Wegen fehlender Tatsachenfeststellungen des LSG vermochte der Senat allerdings nicht abschließend zu entscheiden, ob die von der Klägerin erhobene Verjährungseinrede der Beitragsforderung für die Zeit vom 1.12.2005 bis zum 31.12.2007 entgegensteht. Die für die dreißigjährige Verjährungsfrist erforderliche hinreichende Kenntnis von der Beitragspflicht kann zwar nicht aufgrund des Beschlusses des BAG vom 14.12.2010 über die Tarifunfähigkeit der CGZP oder der Ankündigung der Betriebsprüfung unterstellt werden. Die nicht näher präzisierte Ankündigung, "zum Jahresende" eine Betriebsprüfung zu beabsichtigen, hat auch nicht die Verjährung gehemmt. Das Berufungsgericht muss aber klären, ob aus anderen Gründen auf ein der Klägerin selbst vorwerfbares oder ihr zurechenbares vorsätzliches Vorenthalten von Beiträgen geschlossen werden kann. Notwendige Feststellungen fehlen auch dazu, ob die Beklagte auf die Beitragsforderungen entfallende Säumniszuschläge erheben durfte. Zu klären ist, ob die Klägerin glaubhaft gemacht hat, dass sie unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte.

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