Bundessozialgericht

Verhandlung B 14 AS 18/17 R

Verhandlungstermin 12.09.2018 13:45 Uhr

Terminvorschau

1. R.K., 2. Z.M., 3. M.M., 4. A.M. ./. Jobcenter Mecklenburgische Seenplatte Süd, 1 Beigeladener
Umstritten sind existenzsichernde Leistungen für Unionsbürger in 2011 und 2012.

Der 1977 geborene Kläger ist der Vater der in 2004 und 2006 geborenen Klägerinnen zu 2 und 3. Er war der Lebensgefährte ihrer 1979 geborenen Mutter, der früheren Klägerin zu 1, die im Laufe des Verfahrens am 13.3.2016 verstorben ist. Alle Kläger sind polnische Staatsangehörige. Die Familie ist in 2007/2008 nach Deutschland gezogen und lebte zunächst bei der Mutter des Klägers und deren Ehemann, von denen sie auch finanziell unterstützt wurden. Seit dem 1.5.2009 hatte die Familie eine eigene Wohnung und am 31.5.2011 beantragte die Verstorbene erstmals Leistungen beim beklagten Jobcenter, weil sie keine Arbeit und die Kinder keine Krankenversicherung hätten. Ab Juli 2011 übte die Verstorbene eine Beschäftigung in einem Hotel aus mit einer Vergütung von 100 Euro, die ab Mai 2012 auf 250 Euro erhöht wurde, und einer Arbeitszeit von 30 Stunden monatlich. Der Beklagte lehnte den Antrag unter Hinweis auf den Leistungsausschluss nach § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II in der damaligen Fassung ab, insbesondere folge aus der Beschäftigung kein Arbeitnehmerstatus.

Im Laufe des Klageverfahrens endete das Beschäftigungsverhältnis und wurde am 22.8.2012 die jetzige Klägerin zu 4 geboren. Das SG hat den Beklagten verurteilt, den damaligen Klägern vom 1.5.2011 bis 31.1.2012 und vom 1.8. bis 30.11.2012 Leistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung des Einkommens der Verstorbenen und von Zahlungen des Stiefvaters des Klägers zu 1 zu erbringen. Auf die ausgesparte Zwischenzeit wurde nachgezahltes Kindergeld verteilt. Auf die Berufung nur des Beklagten hat das LSG den örtlichen Sozialhilfeträger beigeladen, das Urteil des SG aufgehoben und die Klagen abgewiesen. Ein Anspruch gegen den Beklagten scheide aufgrund des Leistungsausschlusses in § 7 SGB II aus, insbesondere sei die Verstorbene nicht als Arbeitnehmerin anzusehen gewesen. Ein Anspruch gegen den Beigeladenen nach § 23 SGB XII scheide aus, der insofern ergangenen Rechtsprechung des BSG sei nicht zu folgen.

Mit ihren vom LSG zugelassenen Revisionen rügen die Kläger eine Verletzung von Art 1 Abs 1 iVm Art 20 Abs 1 GG. Die Mutter sei als Arbeitnehmerin im Sinne des FreizügG/EU anzusehen. Hilfsweise hätten sie nach der Rechtsprechung des BSG Ansprüche nach dem SGB XII.

Sozialgericht Neubrandenburg - S 3 AS 183/12
Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern - L 10 AS 194/14

Terminbericht

Auf die Revisionen der Kläger ist das Urteil des LSG aufgehoben und die Sache zurückverwiesen worden.

Der für einen Anspruch der Kläger dem Grunde nach auf Leistungen nach dem SGB II entscheidende Arbeitnehmerstatus der Verstorbenen im Sinne des § 2 Abs 2 Nr 1 FreizügG/EU während ihrer Beschäftigung im Hotel ist zu bejahen. Dies folgt aus den vom Senat im Urteil vom 19.10.2010 (- B 14 AS 23/10 R - BSGE 107, 66 = SozR 4-4200 § 7 Nr 21, RdNr 3, 18) für die damalige Zeit aufgestellten Maßstäben und den Feststellungen des LSG. Nach diesen erhielt sie für eine monatliche Arbeitszeit von 30 Stunden ein Entgelt von zunächst 100 und später 250 Euro, zudem lag dem Arbeitsverhältnis ein schriftlicher Formulararbeitsvertrag mit Regelungen zu Urlaub und Krankheit zugrunde. Dass keine Krankschreibung erfolgte, schließt diesen Arbeitnehmerstatus nicht aus, ebenso wenig die Verteilung der Arbeitszeit auf Wochenenden. Für einen solchen spricht hingegen die Dauer des Arbeitsverhältnisses von zumindest annähernd einem Jahr.

Zurückzuverweisen ist der Rechtsstreit wegen des Fehlens näherer Feststellungen zur genauen Dauer des Arbeitsverhältnisses und den Gründen für seine Beendigung (vgl § 2 Abs 3 FreizügG/EU) sowie zum Schulbesuch der Klägerinnen zu 2 und 3.

Nur soweit das genannte Arbeitsverhältnis nicht bestanden hat, wäre hilfsweise ein Anspruch gegen den Sozialhilfeträger zu prüfen, hinsichtlich dessen der Senat an seiner ständigen Rechtsprechung (vgl nur BSG vom 30.8.2017 – B 14 AS 31/16 - vorgesehen für BSGE und SozR 4-4200 § 7 Nr 53) festhält.

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