Bundessozialgericht

Verhandlung B 13 R 20/16 R

Verhandlungstermin 10.10.2018 10:00 Uhr

Terminvorschau

I. Schn. ./. Deutsche Rentenversicherung Bund
Im Streit steht der Anspruch der Klägerin auf eine höhere Altersrente unter Berücksichtigung von Pflichtbeitragszeiten wegen Kindererziehung (KiEZ).

Die 1951 geborene Klägerin war von 1973 bis 2006 Lehrerin im Beamtenverhältnis. Seit dem 1.7.2006 bezieht sie ein Ruhegehalt in Höhe der Mindestversorgung nach dem Landesbeamtenversorgungsgesetz Nordrhein-Westfalen (LBeamtVG-NRW). Sie war im Verlauf ihres Berufslebens über längere Zeiträume vom Dienst beurlaubt oder übte eine Teilzeitbeschäftigung aus. Zeiten der Kindererziehung für die am 11.4.1978 und 20.11.1984 (Zwillinge) geborenen Kinder sind wegen der pauschalierenden Berechnung der Mindestversorgung, die oberhalb der tatsächlich erdienten Versorgung unter Berücksichtigung der ruhegehaltfähigen Dienstzeiten liegt, nicht berücksichtigt worden.

Der beklagte RV-Träger bewilligte der Klägerin ab dem 1.10.2014 eine Altersrente. Bei deren Berechnung berücksichtigte er keine KiEZ. Den schlussendlich erfolglosen Widerspruch hiergegen begründete die Klägerin damit, dass in ihrem Fall die Voraussetzungen für den in § 56 Abs 4 Nr 3 SGB VI normierten Ausschluss von der Berücksichtigung der KiEZ nicht gegeben seien. Danach sind Elternteile von der Anrechnung (von KiEZ) ausgeschlossen, soweit sie während der Erziehungszeit Anwartschaften auf Versorgung im Alter aufgrund der Erziehung erworben haben, wenn diese nach den für die Versicherten geltenden besonderen Versorgungsregelungen systembezogen annähernd gleichwertig berücksichtigt werden, wie die Kindererziehung nach dem SGB VI. In ihrem Falle seien die KiEZ überhaupt nicht in die Versorgungsleistung eingeflossen, so dass die "Fiktion" der systembezogen annähernden Gleichwertigkeit der Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften iS des § 56 Abs 4 Nr 3 letzter Halbsatz SGB VI nicht zum Tragen komme.

Das SG hat die Klage abgewiesen und im Wesentlichen zur Begründung ausgeführt, dass § 56 Abs 4 Nr 3 letzter Halbsatz SGB VI von einer typisierenden Annahme der Gleichwertigkeit der Berücksichtigung von Kinderziehung in beiden Systemen ausgehe. Eine quantitative Gleichwertigkeit sei nicht erforderlich. Im konkreten Fall seien Zeiten der Kindererziehung in der Beamtenversorgung auch nur deswegen vollständig außer Betracht geblieben, weil die Klägerin die Mindestversorgung erhalte. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen den Ausschluss nach § 56 Abs 4 Nr 3 SGB VI bestünden nicht.

Mit ihrer Sprungrevision zum BSG rügt die Klägerin ua einen Verstoß der typisierenden Regelung des § 56 Abs 4 Nr 3 letzter Halbsatz SGB VI gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG.

Sozialgericht Duisburg - S 29 R 91/15

Terminbericht

Die Sprungrevision der Klägerin ist zurückgewiesen worden. Sie hat keinen Anspruch auf eine höhere Altersrente unter Berücksichtigung der Erziehung ihrer Kinder.

Zwar erfüllt die Klägerin die Voraussetzungen für die Anerkennung von Kindererziehungszeiten (KiEZ) iS des § 56 iVm § 249 SGB VI (idF des RV-Leistungsverbesserungsgesetzes vom 30.6.2014, BGBl I, 787) im Umfang von 24 Kalendermonaten für jedes ihrer Kinder. Einer Anrechnung steht jedoch § 56 Abs 4 Nr 3 SGB VI entgegen. Danach sind Elternteile trotz der Kindererziehung von der Anrechnung ausgeschlossen, wenn sie während der Erziehungszeit Anwartschaften auf Versorgung im Alter aufgrund der Erziehung erworben haben, wenn diese nach den für sie geltenden besonderen Versorgungsregelungen systembezogen annähernd gleichwertig berücksichtigt wird wie die Kindererziehung nach dem SGB VI; als in diesem Sinne systembezogen annähernd gleichwertig gilt ua eine Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften. Allein aufgrund des Vorliegens einer solchen Versorgung ist die Klägerin von der Anrechnung von KiEZ in der gesetzlichen Rentenversicherung ausgeschlossen.

Der Gesetzgeber hat mit dem benannten Hs 2 eine pauschale Regelung im Sinne einer Systemsubsidiarität getroffen. Auf die Gleichwertigkeit im Einzelfall kommt es daher nicht an. Denn Hs 2 bestimmt per gesetzlicher Fiktion, dass eine Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften als "systembezogen annähernd gleichwertig gilt". Daher ist es vorliegend unerheblich, dass - nach den für den Senat bindenden Feststellungen des SG - im Rahmen der Festsetzung des Ruhegehalts bei der Klägerin "nur" maximal jeweils 6 Monate - beginnend mit dem Tag der Geburt ihrer Kinder - als voll ruhegehaltsfähige Dienstzeiten wegen Kindererziehung anerkannt werden konnten und die Kindererziehung im Rahmen der Mindestversorgung keine zusätzliche Berücksichtigung gefunden hat. Zwar ist der Wortlaut des § 56 Abs 4 Nr 3 SGB VI auslegungsoffen. Aus der systematischen Stellung des Hs 2 innerhalb des § 56 Abs 4 Nr 3 SGB VI und der Entstehungsgeschichte der Vorschrift folgt jedoch, dass es nicht darauf ankommt, ob und wie sich im Einzelfall die Kindererziehung pro Kind in der Berechnung der Beamtenversorgung ausgewirkt hat. Ein konkreter Vergleich mit den rentenrechtlichen Erziehungszeiten entfällt, und zwar sowohl in zeitlicher Hinsicht ("während"), als auch in Bezug auf die rechtliche Einordnung/Art der Zeit ("aufgrund der Erziehung") und deren Bewertung ("gleichwertig").

Diesem Ausschluss steht Verfassungsrecht nicht entgegen. Der erkennende Senat ist nicht von einer Verletzung des Art 3 Abs 1 GG durch den Ausschluss der Klägerin von einer zusätzlichen Berücksichtigung ihrer Kindererziehung in der gesetzlichen Rentenversicherung überzeugt. Art 3 Abs 1 GG gebietet dem Gesetzgeber, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln, es sei denn, Ungleichbehandlungen - auch ungleiche Begünstigungen - sind sachlich gerechtfertigt. Rechtfertigender Sachgrund für den Ausschluss der Klägerin ist deren anderweitige Absicherung - auch grundsätzlich für die Zeit der Kindererziehung - im System der Beamtenversorgung.

Unbeachtlich ist insoweit, dass die Eigenart der Systeme jeweils zu unterschiedlichen Ergebnissen bei der Berücksichtigung von Kindererziehung führen. Denn bei der gesetzlichen Rentenversicherung und der Beamtenversorgung handelt es sich um Systeme, die sich strukturell in so erheblicher Weise unterscheiden, dass eine Vergleichbarkeit im Sinne von Art 3 Abs 1 GG von vorneherein nicht oder nur eingeschränkt besteht. Es gibt kein verfassungsrechtliches Gebot, ähnliche Sachverhalte in verschiedenen Ordnungssystemen gleich zu regeln bzw gleich zu behandeln. Allein das verständliche Anliegen, gleichen oder ähnlichen Zwecken dienende Leistungen vereinheitlicht zu regeln, genügt in einem solchen Fall unterschiedlicher Systeme nicht für die Annahme eines Verfassungsverstoßes. Insoweit ist es dem Gesetzgeber überlassen, in welcher Zeitfolge und aus welchen finanziellen Gründen er Änderungen und Verbesserungen auf verschiedenen Einzelgebieten vornehmen will. Dies gilt umso mehr, wenn wie hier im föderalen Rechtsstaat die Gesetzgebungskompetenz im Hinblick auf die Ausgestaltung der Versorgungsleistungen und/oder der gesetzlichen Rentenversicherung bei unterschiedlichen Gesetzgebern liegt. Eine Anwendung einzelner Regelungen des jeweils anderen Systems ist verfassungsrechtlich nicht geboten. Auch wenn die kinderbezogenen Leistungen im Beamtenversorgungsrecht für Kinder ab 1992 die rentenrechtlichen Regelungen mit dem Kindererziehungszuschlag nachzeichnen, kann aus der im Übrigen fehlenden Vereinheitlichung der Leistungen für Kindererziehung der begehrte Anspruch nicht hergeleitet werden. Denn es gilt eine Benachteiligung der gesetzlich Rentenversicherten durch eine Doppelversorgung der Beamten zu vermeiden. Für vor 1992 geborene Kinder genügt es jedenfalls, dass die Beamtenversorgung Kindererziehung dem Grunde nach, eingebettet in das System vorsieht, zumal es sich insoweit um Übergangsrecht handelt.

Etwas anderes folgt auch nicht aus Art 6 Abs 1 GG. Denn dieser gibt dem Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum und verpflichtet nicht zu einer einheitlichen Lösung über alle Systeme hinweg. Aus ihm lässt sich nicht das Gebot entnehmen, im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung müsse auch gegenüber der Beamtenversorgung subsidiär sichergestellt sein, dass ein bestimmter absoluter Betrag pro Kind in der Altersversorgung zu berücksichtigen sei. Denn auch im Rahmen des Familienförderungsgebots können und dürfen die gewachsenen unterschiedlichen Systeme berücksichtigt werden, die in unterschiedlicher gesetzgeberischer Zuständigkeit und Finanzierungshoheit liegen.

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