Bundessozialgericht

Verhandlung B 13 R 34/17 R

Verhandlungstermin 10.10.2018 12:45 Uhr

Terminvorschau

B. P. ./. Deutsche Rentenversicherung Nordbayern
Streitig ist, ob der Klägerin ab dem 1.11.2014 ein Anspruch auf höhere Altersrente unter Berücksichtigung weiterer 12 Monate (insgesamt 36 Monate) Kindererziehungszeiten zusteht.

Die Beklagte bewilligte der 1953 geborenen Klägerin Altersrente ab November 2014. Dabei berücksichtigte sie für das im Mai 1979 geborene einzige Kind der Klägerin 24 Monate (vom 1.6.1979 bis 31.5.1981) Pflichtbeitragszeiten wegen Kindererziehung (KiEZ). Den auf Anerkennung weiterer 12 Monate KiEZ gerichteten Widerspruch wies die Beklagte zurück. Die Klägerin hatte ihr Begehren auf das verfassungsrechtliche Erfordernis einer Gleichbehandlung mit Erziehenden von nach 1992 geborenen Kindern gestützt.

Klage und Berufung der Klägerin sind erfolglos geblieben. Das LSG hat im Kern ausgeführt, dass auf einfachrechtlicher Grundlage kein Anspruch auf die Zuerkennung weiterer KiEZ bestehe. Mit dem Gesetz über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Leistungsverbesserungsgesetz vom 23.6.2014, BGBl I 787) sei für vor dem 1.1.1992 geborene Kinder der Zeitraum der KiEZ von 12 auf maximal 24 Monate erhöht worden. Die fortbestehende Ungleichbehandlung je nach Geburtsjahrgang der Kinder begegne keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

Die Klägerin macht mit ihrer Revision zum BSG geltend, dass es widersprüchlich sei, wenn der Gesetzgeber zwar die Notwendigkeit einer weiteren Angleichung der KiEZ erkenne, in der Neuregelung des § 249 SGB VI aber – rund 20 Jahre nach dem letzten Reformschritt – am Stichtag 1.1.1992 festhalte. Die aus Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG gebotene Schließung dieser "Gerechtigkeitslücke" sei im Übrigen auch finanzierbar.

Sozialgericht Bayreuth - S 7 R 302/15
Bayerisches Landessozialgericht - L 19 R 220/16

Terminbericht

Die Klägerin war auch im Revisionsverfahren nicht erfolgreich. Sie hat keinen Anspruch auf eine höhere Altersrente ab dem 1.11.2014 unter Berücksichtigung weiterer zwölf Monate Kindererziehungszeiten (KiEZ) für ihren Sohn in der Zeit von Juni 1981 bis Mai 1982.

Es mangelt insoweit an einer einfachrechtlichen Grundlage. Nach § 249 Abs 1 SGB VI idF des RV-Leistungsverbesserungsgesetzes (vom 30.6.2014, BGBl I, 787) endet für Zugangsrenten ab dem 1.7.2014 die KiEZ für ein vor dem 1.1.1992 geborenes Kind 24 Kalendermonate nach Ablauf des Monats der Geburt. In Anwendung dieser Vorschrift hat der beklagte RV-Träger bei der Berechnung der Altersrente der Klägerin für das im Mai 1979 geborene Kind eine KiEZ für 24 Kalendermonate im Zeitraum vom Juni 1979 bis Mai 1981 berücksichtigt. Rechtliche Spielräume für eine Auslegung der Vorschrift im Sinne des Begehrens der Klägerin sind nicht vorhanden.

Der Senat ist auch nicht von der Verfassungswidrigkeit des § 249 Abs 1 SGB VI idF des RV-Leistungsverbesserungsgesetzes/2014 überzeugt. Es ist von Verfassungs wegen insbesondere nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber den berücksichtigungsfähigen Zeitraum der Kindererziehung in der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) für vor dem 1.1.1992 geborene Kinder nicht genauso weit gezogen hat wie für nach diesem Zeitpunkt geborene. Nach § 56 Abs 1 SGB VI kann die Erziehung von Letzteren in den ersten drei Lebensjahren, also im Umfang von 36 Monaten, berücksichtigt werden. Insoweit mildert die Verlängerung der KiEZ für vor dem 1.1.1992 geborene Kinder von 12 auf 24 Kalendermonate zum 1.7.2014 die Differenzierung nach dem Geburtsjahrgang in der Zugangsrente gegenüber der Vorgängerregelung immerhin ab. Die weiterbestehende Differenzierung verletzt die Klägerin nicht in ihrem Grundrecht aus Art 3 Abs 1 GG in Zusammenschau mit den objektiv-rechtlichen Wertvorgaben des Art 6 Abs 1 GG.

Art 3 Abs 1 GG gebietet dem Gesetzgeber, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln, es sei denn, Ungleichbehandlungen - auch ungleiche Begünstigungen - sind sachlich gerechtfertigt. Dabei müssen im Hinblick auf das Familienförderungsgebot aus Art 6 Abs 1 GG Ungleichbehandlung und rechtfertigender Grund in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen. So liegt der Fall hier. Denn wenn der Gesetzgeber die rentenrechtliche Berücksichtigung von KiEZ zum Nachteilsausgleich in der Alterssicherung kindererziehender Familienmitglieder wählt, bedingen die Komplexität dieser Reform und deren finanzielle Folgen die Geschwindigkeit und den Umfang der Anpassung. Er darf insbesondere die jeweilige Haushaltslage (im Allgemeinen) und die finanzielle Situation der GRV (im Besonderen) berücksichtigen; insoweit gebührt dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungs- und Einschätzungsspielraum.

Er hat in den Jahren 2015 bis 2025 Mehrausgaben in der GRV für KiEZ von durchschnittlich jährlich 6,6 Milliarden Euro bei einer Ausweitung der Honorierung auf das zweite Lebensjahr eingeplant. Dass er die Verdoppelung dieser Mehrausgaben bei der von der Klägerin begehrten Gestaltungsalternative als nicht finanzierbar erachtet hat, liegt entgegen der Auffassung der Klägerin im Rahmen seines Einschätzungsspielraums. Das Vorbringen, der Gesetzgeber sei auf dem Gebiet der Anerkennung von KiEZ nach dem RRG 1992 bis zum RV-Leistungsverbesserungsgesetz/2014 über 20 Jahre untätig geblieben, führt allein zu keiner anderen Betrachtung. Denn aus dem Verfassungsauftrag, einen wirksamen Familienlastenausgleich zu schaffen, lassen sich nicht konkrete Folgerungen für einzelne Rechtsgebiete ableiten. Angesichts des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers sind vielmehr alle seitdem im Rentenversicherungsrecht, in anderen Zweigen der Sozialversicherung, in weiteren Bereichen des Sozialrechts und in sonstigen Rechtsgebieten ergriffenen diesbezüglichen Maßnahmen in den Blick zu nehmen, unabhängig davon, ob sie auch für vor 1992 geborene Kinder zum Tragen kommen.

Zudem führt der Gesetzgeber hier keinen neuen Stichtag ein, sondern schreibt lediglich den bei der ersten Ausweitung der KiEZ durch das RRG 1992 gewählten und vom BVerfG nicht beanstandeten Stichtag fort. Dieses Fortschreiben fügt sich ins bisherige System der Regelung der KiEZ ein, schafft keine neuen Brüche und erzeugt keine weiteren Härten, sondern verringert im Gegenteil die bis zum Inkrafttreten der Neuregelung bestehenden Unterschiede.

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