Bundessozialgericht

Verhandlung B 11 AL 21/17 R

Verhandlungstermin 23.10.2018 12:00 Uhr

Terminvorschau

R. S. ./: Bundesagentur für Arbeit
Im Streit ist höheres Alg vom 17.9.2014 bis 16.12.2015. Der Kläger war vom 12.11.2007 bis 11.11.2009 als Aushilfe beschäftigt und bezog anschließend vom 12.11.2009 bis 28.2.2010 Alg. Vom 1.3.2010 bis Januar 2012 war er als Redakteur einer Internet-Zeitung selbstständig tätig und bis zum 31.12.2010 freiwillig in der Arbeitslosenversicherung weiterversichert. Am 15.7.2012 begann der Kläger einen Bundesfreiwilligendienst (BFD). Ab dem 19.3.2013 war er arbeitsunfähig erkrankt und bezog vom 30.4.2013 bis 25.5.2014 Krankengeld, vom 26.5.2014 bis 16.6.2014 Übergangsgeld wegen der Teilnahme an einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme und im Anschluss daran vom 17.6.2014 bis 16.9.2014 wiederum Krankengeld bis zur Aussteuerung. Zum 17.9.2014 meldete sich der Kläger arbeitslos und beantragte Alg, das die Beklagte ab dem 17.9.2014 für 450 Kalendertage in Höhe von täglich 7,36 Euro auf der Grundlage der bescheinigten Verdienste während des BFD bewilligte.

Klage und Berufung blieben erfolglos. Das dem Kläger für mehr als 150 Tage gezahlte Taschengeld sei als Arbeitsentgelt anzusehen und der Bemessung zugrunde zu legen. Eine Sonderbemessung des Alg unter Berücksichtigung von § 344 Abs 2 SGB III komme nicht in Betracht, weil der Kläger vor der Aufnahme des BFD am 15.7.2012 nicht unmittelbar, sondern zuletzt bis zum 31.12.2010 in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden habe. Bei der Ermittlung des Leistungsentgelts sei auch kein dem individuellen Nettoentgelt entsprechender Betrag zu berücksichtigen.

Mit seiner vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 344 Abs 2 SGB III iVm § 152 SGB III. Im Rahmen der Auslegung des Tatbestandsmerkmals "Unmittelbarkeit" müsse sein gesamtes Erwerbsleben Berücksichtigung finden, sodass noch ein Bezug zu der vorhergehenden versicherungspflichtigen Beschäftigung hergestellt werden könne. Außerdem habe im Rahmen der konkreten Berechnung kein Abzug für Lohnsteuer erfolgen dürfen. Der Abzug verletzte ihn in eigentumsgleichen Rechten.

Vorinstanzen:
Sozialgericht für das Saarland - S 26 AL 766/14, 23.11.2015
Landessozialgericht für das Saarland - L 6 AL 8/15, 07.11.2017

Terminbericht

Die Revision des Klägers ist erfolglos geblieben. Er hat keinen Anspruch auf höheres Alg. Zwar liegen die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Alg ab dem 17.9.2014 vor. Doch steht dem Kläger kein höheres Alg zu. Nach Maßgabe der §§ 149, 150 SGB III ist der Bemessungsrahmen auf zwei Jahre zu erweitern, denn der Kläger hat in dem einjährigen Bemessungsrahmen kein Arbeitsentgelt, sondern ausschließlich Lohnersatzleistungen wegen seiner Erkrankung bezogen. Im zweijährigen Bemessungszeitraum hat er dagegen in der Zeit vom 17.9.2012 bis 29.4.2013 im Rahmen des BFD Geldleistungen des Trägers erhalten, die ebenso wie Leistungen, die im Rahmen eines FSJ erbracht werden, als Arbeitsentgelt zu berücksichtigen sind. Entgegen der Auffassung des Klägers können diese Zeiten des BFD nicht außer Betracht bleiben, was mangels eines Bemessungszeitraums von mindestens 150 Tagen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt eine fiktive, für den Kläger günstigere Bemessung nach § 152 Abs 1 Satz 1 SGB III zur Folge hätte. Nach § 150 Abs 2 Nr 2 SGB III bleiben die Zeiten einer Beschäftigung als Freiwillige im Sinne des JFDG oder des BFDG nur außer Betracht, wenn sich die beitragspflichtige Einnahme nach § 344 Abs 2 SGB III bestimmt. Es liegt kein Fall des § 344 Abs 2 SGB III vor, denn der Kläger hat den BFD nicht unmittelbar nach einem Versicherungspflichtverhältnis geleistet. Der Senat hat den Begriff "unmittelbar" in Zusammenhang mit der Anerkennung von Anwartschaftszeiten schutzzweckorientiert, also nicht schematisch iS einer bestimmten Zeitspanne ausgelegt. Auch unter Anwendung dieser Grundsätze auf § 344 Abs 2 SGB III ist es ausgeschlossen, hier noch von einem unmittelbaren Anschluss auszugehen. Denn es besteht eine Lücke von mehr als 18 Monaten zwischen dem letzten Versicherungspflichtverhältnis und der Aufnahme des BFD. Nach einer solch langen Unterbrechung ist jeder zeitliche und sachliche Zusammenhang zwischen den beiden Anknüpfungspunkten, der allein eine Unmittelbarkeit zu begründen vermag, ausgeschlossen.

Für die Bemessung des vom Kläger zu beanspruchenden Alg waren somit die im Bemessungszeitraum erzielten und vollständig abgerechneten tatsächlichen Leistungen für den BFD als Arbeitsentgelt zu berücksichtigen. Bei der Berechnung der Abzüge für Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag sind nach § 153 Abs 1 Satz 3 Nr 1 SGB III Freibeträge und Pauschalen, die nicht jedem Arbeitnehmer zustehen, nicht zu berücksichtigen. Das Leistungsentgelt ist kein dem individuellen Nettoentgelt entsprechender Betrag, sondern ein mittels einer pauschalierenden Berechnung gefundener Wert. Weitere als die enumerativ aufgeführten Abzüge vom Bemessungsentgelt sind entgegen der Auffassung des Klägers unzulässig. Insbesondere ist es deshalb unerheblich, ob für Teile des im Bemessungszeitraum bezogenen Entgelts Steuerfreiheit nach besonderen Vorschriften des EStG bestanden hat, denn diese Steuerfreiheit steht gerade nicht jeder Arbeitnehmerin oder jedem Arbeitnehmer zu. Durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken gegenüber dieser aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung vorgesehenen Pauschalierung hat der Senat unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG nicht.

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