Bundessozialgericht

Verhandlung B 6 KA 34/17 R

Verhandlungstermin 24.10.2018 09:30 Uhr

Terminvorschau

Prof. Dr. R. ./. KÄV Baden-Württemberg
Im Streit steht die nachträgliche sachlich-rechnerische Richtigstellung von Honorarbescheiden aufgrund einer Leistungserbringung, die nicht in Übereinstimmung mit der erteilten Ermächtigung erfolgte.

Der Kläger, Facharzt für Anästhesiologie mit Zusatzbezeichnung "Spezielle Schmerztherapie" und bis zum 31.10.2007 Chefarzt eines Krankenhauses, erhielt ab 1.11.2007 erneut eine Ermächtigung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung. Die Ermächtigung war begrenzt auf Leistungen der gebietsbezogenen Schmerztherapie aufgrund von Überweisungen durch zugelassene schmerztherapeutisch tätige Fachärzte für Anästhesiologie oder durch Vertragsärzte, die an der Schmerztherapie-Vereinbarung teilnehmen. Der Kläger vereinbarte mit einem in den Räumen der Klinik niedergelassenen Neurochirurgen mit Zusatzbezeichnung "Spezielle Schmerztherapie", dass dieser Überweisungen für Patienten ausstellt, die vom Hausarzt in die Schmerzambulanz des Klägers überwiesen wurden oder unmittelbar dort vorsprachen. Hierzu wurden die Krankenversichertenkarten solcher Patienten beim Kläger in einem mobilen Kartenlesegerät erfasst und dem Neurochirurgen übermittelt, der aufgrund dieser Daten die Überweisungen veranlasste, ohne selbst in Kontakt mit den Patienten getreten zu sein.

Die beklagte KÄV erhielt im Jahr 2013 hiervon Kenntnis. Ihr Plausibilitätsausschuss prüfte daraufhin die Abrechnungen des Klägers für die Quartale I/2008 bis III/2008 und beschloss ohne dessen Anhörung, dass alle Behandlungsfälle, die nicht dem Ermächtigungskatalog entsprachen, zu entnehmen seien, zumal von einem Missbrauch der Krankenversichertenkarten auszugehen sei. Dies wurde im Bescheid der Beklagten vom 17.3.2014 umgesetzt, indem die bisherigen Honorarbescheide aufgehoben wurden, soweit sie GKV-Patienten betrafen. Insoweit wurde nur noch für zwei Behandlungsfälle Honorar in Höhe von 255,86 Euro bewilligt und der Differenzbetrag von 55 184,57 Euro zurückgefordert. Der Kläger beanstandete mit seinem Widerspruch, dass aus dem Bescheid nicht ersichtlich sei, weshalb er Krankenversichertenkarten missbraucht habe bzw die Überweisungen nicht seinem Ermächtigungskatalog entsprochen hätten; zudem machte er Vertrauensschutz geltend. Die Beklagte wies den Widerspruch zurück. Die Voraussetzungen des § 45 Abs 2 SGB X seien erfüllt; bei dieser Sach- und Rechtslage könne eine anderslautende Entscheidung nicht ergehen.

Das SG hat den Richtigstellungsbescheid aufgehoben. Zwar sei der Anhörungsmangel geheilt und die Abrechnungen des grob fahrlässig handelnden Klägers seien rechtswidrig gewesen, doch habe die Beklagte nicht die erforderliche Ermessensentscheidung getroffen. Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG die Klage abgewiesen. Bei der Rücknahmeentscheidung habe kein Ermessen betätigt werden müssen. Auch nach Ablauf der vierjährigen Ausschlussfrist bleibe § 106a SGB V Rechtsgrundlage für eine Bescheidkorrektur; lediglich die Vertrauensschutzelemente des § 45 SGB X seien lückenfüllend heranzuziehen. Der Kläger habe den Vertrauensausschlusstatbestand des § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 3 SGB X verwirklicht. Die Beklagte habe die einjährige Rücknahmefrist nach § 45 Abs 4 Satz 2 SGB X gewahrt, da sie erst am 29.4.2013 hinreichende Kenntnis von Tatsachen gehabt habe, die eine Rücknahme gegenüber dem Kläger rechtfertigten.

Der Kläger macht mit seiner Revision geltend, die Beklagte hätte bei der Entscheidung über die Rücknahme Ermessen ausüben müssen, was sich auch aus § 45 Abs 3 Satz 3 SGB X ergebe. Zudem rügt er eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör. Das LSG sei nicht hinreichend auf seinen Vortrag eingegangen, die Beklagte habe bereits vor dem 4.3.2013 Kenntnis von seinem Überweisungsverhalten gehabt.

Sozialgericht Stuttgart - S 11 KA 5438/14
Landessozialgericht Baden-Württemberg - L 5 KA 2448/15

Terminbericht

Die Revision des Klägers ist ohne Erfolg geblieben. Das LSG hat zutreffend entschieden, dass der Bescheid der Beklagten über die Richtigstellung der Honorarbescheide für die Quartale I/2008 bis III/2008 und die Rückforderung des danach zu viel gezahlten Honorars rechtmäßig ist.

Der Senat konnte offen lassen, ob der Kläger nach Beendigung seiner Tätigkeit als Krankenhausarzt überhaupt noch von der ihm erteilten Ermächtigung Gebrauch machen durfte. Jedenfalls stand ihm kein Honorar für die von den Richtigstellungen betroffenen Behandlungsleistungen zu, weil diese in zweifacher Hinsicht nicht dem Überweisungsvorbehalt der Ermächtigung entsprachen. Der Neurochirurg, von dem die "Überweisungen" stammten, nahm nicht an der Schmerztherapie-Vereinbarung teil und konnte überdies nach den abgesprochenen organisatorischen Abläufen, insbesondere ohne vorherigen Kontakt zu den Patienten, verantwortlich keine Aufträge zur Mit- oder Weiterbehandlung erteilen.

Die Beklagte war auch im März 2014 noch berechtigt, die Honorarbescheide für 2008 zu korrigieren. Wie das LSG zutreffend entschieden hat, bleibt § 106a Abs 2 SGB V (nunmehr: § 106d Abs 2 SGB V) auch nach Ablauf der vierjährigen Ausschlussfrist die maßgebliche Rechtsgrundlage für sachlich-rechnerische Richtigstellungen. Soweit der Senat in einzelnen Entscheidungen insoweit § 45 SGB X als Rechtsgrundlage herangezogen hat, hält er daran nicht fest. Nach der bereichsspezifischen Sondervorschrift des § 106a SGB V musste die Beklagte kein Ermessen ausüben. Aus Gründen des Vertrauensschutzes war eine Richtigstellung aber nur noch bei Vorliegen einer der Vertrauensausschlusstatbestände entsprechend § 45 Abs 2 Satz 3 SGB X möglich; zudem war die Jahresfrist des § 45 Abs 4 Satz 2 SGB X zu beachten. Beide Gesichtspunkte wirken sich jedoch nicht zugunsten des Klägers aus. Dieser hat zumindest grob fahrlässig nicht erkannt, dass er aufgrund der "Überweisungen" des Neurochirurgen im Rahmen seiner Ermächtigung nicht tätig werden durfte. Zudem wahrte der Richtigstellungsbescheid vom März 2014 die Jahresfrist, da die Beklagte nach den ohne Erfolg angegriffenen Feststellungen des LSG erst im April 2013 von den maßgeblichen Umständen Kenntnis hatte, die eine Rücknahme der Honorarbescheide rechtfertigten.

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