Bundessozialgericht

Verhandlung B 6 KA 42/17 R

Verhandlungstermin 24.10.2018 13:00 Uhr

Terminvorschau

B. D. ./. KÄV Thüringen und
G. B. ./. KÄV Thüringen
In beiden Verfahren steht die Rechtmäßigkeit nachträglicher sachlich-rechnerischer Richtigstellungen des Honorars aufgrund von Plausibilitätsprüfungen im Streit.

Die Klägerin (B 6 KA 42/17 R) bzw der Kläger (B 6 KA 43/17 R) sind als Psychologische Psychotherapeuten zur vertragspsychotherapeutischen Versorgung im Bezirk der beklagten KÄV zugelassen.

Die Beklagte kürzte im Jahr 2009 das Honorar der Klägerin für die Quartale III/2005 und IV/2005 um insgesamt 10 780,67 Euro. Die Klägerin habe in beiden Quartalen an mehreren Tagen jeweils 15 bzw 14 Sitzungen mit einer Mindestdauer von 50 Minuten abgerechnet. Auf Grundlage der in Anhang 3 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für ärztliche Leistungen (EBM-Ä) festgelegten Prüfzeiten von jeweils 70 Minuten entspreche dies einer reinen Arbeitszeit der Therapeutin von täglich über 17 bzw 16 Stunden. Es sei nicht plausibel, dass die Klägerin diese Leistungen vollständig und qualitätsgerecht erbracht habe.

Im Jahr 2010 kürzte die Beklagte das Honorar des Klägers für die Quartale I/2006 bis IV/2006 um insgesamt 3030,68 Euro. In jedem dieser Quartale habe der Kläger an mehreren Tagen jeweils zehn bis zwölf Sitzungen mit einer Mindestdauer von 50 Minuten abgerechnet. Berücksichtige man diese Leistungen im Tagesprofil mit der im EBM-Ä festgelegten Prüfzeit von 70 Minuten, überschreite die reine Arbeitszeit des Klägers die zwischen der KÄBV und den Spitzenverbänden der Krankenkassen vereinbarte Zwölf-Stunden-Grenze zur Abrechnungsauffälligkeit. Den Rückforderungsbetrag bestimmte die Beklagte − wie im zuvor genannten Verfahren − nach dem Verhältnis der Arbeitszeiten über zwölf Stunden zur gesamten Arbeitszeit.

Widerspruch, Klage und Berufung der Klägerin bzw des Klägers hatten keinen Erfolg. Mit ihren Revisionen rügen sie insbesondere eine Verletzung des § 106a SGB V aF (seit 1.1.2017: § 106d SGB V). Die Klägerin macht geltend, Tagesprofile über zwölf Stunden seien keine Indizienbeweise für die Fehlerhaftigkeit der Abrechnungen wegen unzureichender Qualität der psychotherapeutischen Leistungen. Die ohne empirische Grundlage festgelegten Prüfzeiten von 70 Minuten für Leistungen mit einer Mindestdauer von 50 Minuten seien deutlich zu hoch. Nach Auffassung des Klägers sind die Prüfzeiten von 70 Minuten unwirksam, da die Zeitvorgaben der Leistungslegende bei der Plausibilitätsprüfung vorrangig seien und der Bewertungsausschuss zu Unrecht höhere Prüf- als Kalkulationszeiten festgelegt habe.

Sozialgericht Gotha - S 7 KA 5414/10
Thüringer Landessozialgericht - L 11 KA 690/14

Sozialgericht Gotha - S 7 KA 1197/11
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Terminbericht

Die Revisionen der Klägerin bzw des Klägers waren teilweise erfolgreich. Die angefochtenen Bescheide über die Richtigstellungen der Honorarbescheide sind rechtswidrig, soweit die Annahme fehlender Plausibilität der Abrechnungen und der Umfang der Rückforderungen auf Tagesprofilen beruht, für die insbesondere die psychotherapeutischen Gesprächsleistungen mit 70 Minuten angesetzt wurden. Die beklagte KÄV muss daher insoweit erneut über die Richtigstellungen entscheiden.

Grundsätzlich ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte entsprechend der Vorgabe in Anlage 3 des EBM-Ä für das Erstellen einer biographischen Anamnese und die psychotherapeutischen Gesprächsleistungen eine Prüfzeit von 70 Minuten angesetzt hat, die 15 bzw 10 Minuten länger ist als die Kalkulationszeit dieser Leistungen. Das beruht nach einer Mitteilung des Bewertungsausschusses auf der Berücksichtigung von sog Overheadzeiten, die mit der psychotherapeutischen Leistungserbringung in größerem Umfang verbunden sind und zu einem unterdurchschnittlichen Produktivitätsfaktor führen. Ein solcher niedriger Produktivitätsfaktor bewirkt eine höhere Bewertung der entsprechenden Leistungen im EBM-Ä. Während der durchschnittliche Produktivitätsfaktor für ärztliche Leistungen 87,5 % beträgt, wurde er für die hier betroffenen psychotherapeutischen Leistungen mit 67,5 % angesetzt. Die daraus resultierende Erhöhung der Prüfzeit (70 Minuten) gegenüber der Kalkulationszeit (60 Minuten) fiel deutlich geringer aus als die Minderung des Produktivitätsfaktors bei diesen Leistungen. Es ist nicht ersichtlich, dass der Bewertungsausschuss mit dieser Festsetzung die Grenzen seines Gestaltungsspielraums überschritten hat. Anders verhält es sich mit der Festlegung, die Prüfzeit von 70 Minuten eigne sich auch für eine Prüfung nach Tagesprofilen. Aus der Eigenart der in die Prüfzeit eingerechneten Overheadzeiten folgt vielmehr, dass die über die Kalkulationszeiten hinausgehenden Minuten nicht zum Nachweis einer tagesbezogenen Implausibilität herangezogen werden können. Der Therapeut kann solche Zeiten etwa für Supervision oder Reflexion an Tagen mit besonders hoher Patientenzahl zurückstellen und auf andere Tage verschieben. Für den längeren Zeitraum eines Quartalsprofils bestehen gegen die Einrechnung dieser nicht auf einzelne Tage bezogenen Zeiten hingegen keine Bedenken.

Auf dieser Grundlage ergeben sich im Fall der Klägerin (B 6 KA 42/17 R) geringere Honorarkürzungen, wenn hinsichtlich der Tage mit sehr hohen Überschreitungen für die Gesprächsleistungen nur 60 Minuten angesetzt und die eine Tagesarbeitszeit von 12 Stunden übersteigenden Zeiten richtiggestellt werden. Im Fall des Klägers (B 6 KA 43/17 R) gilt das nur für die Quartale II/2006 und IV/2006, während für die weiteren Quartale eine Berichtigung unter Zugrundelegung der Quartalsprofile sogar höhere Kürzungen zur Folge hätte und es damit auf die Tagesprofile insoweit nicht ankommt.

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