Bundessozialgericht

Verhandlung B 3 KR 10/16 R

Verhandlungstermin 25.10.2018 12:00 Uhr

Terminvorschau

I. GmbH ./. Bundesrepublik Deutschland (Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle)
Die im Parallelimport von patentgeschützten Arzneimitteln tätige klagende GmbH begehrt von der beklagten Bundesrepublik - nach verschiedenen, andere Zeiträume betreffenden ergangenen Teilabhilfeentscheidungen - noch von August 2010 bis Februar 2011 die Reduzierung des Arzneimittel-Herstellerrabatts von 16 % auf 6 % unter Anwendung von Art 4 Abs 2 der "Richtlinie 89/105/EWG des Rates vom 21.12.1988 betreffend die Transparenz von Maßnahmen zur Regelung der Preisfestsetzung bei Arzneimitteln für den menschlichen Gebrauch und ihre Einbeziehung in die staatlichen Krankenversicherungssysteme" (EWGRL 89/105, ABlEG L 40 S 8). Ferner erstrebt die Klägerin die rückwirkende Befreiung vom Arzneimittel-Preismoratorium nach § 130a Abs 3a SGB V ab 1.8.2010.

Den am 3.8.2010 gestellten und im März 2011 ergänzten Antrag der Klägerin auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 130a Abs 4 SGB V lehnte die Beklagte im April 2011 ab, da ein Kausalzusammenhang zwischen der finanziellen Lage der Klägerin und dem erhöhten Herstellerrabatt nicht in ausreichendem Maße nachgewiesen sei. Wenn die Klägerin das Gehalt ihres Geschäftsführers (zugleich alleiniger GmbH-Gesellschafter), nicht erhöht hätte, wäre im Streitzeitraum ein positives Geschäftsergebnis der GmbH erzielt worden. Mit der dagegen erhobenen Klage ist die Klägerin, die über weitere Mitarbeiter nicht verfügt, vor dem SG und im Berufungsverfahren erfolglos geblieben. Das LSG hat ua ausgeführt, die finanzielle Belastungsfähigkeit der Klägerin sei durch die Erhöhung der gesetzlichen Preisabschläge nicht gefährdet worden, sodass keine "besonderen Gründe" im Sinne von Art 4 Abs 2 S 3 EWGRL 89/105 vorgelegen hätten. Bei einer angemessenen Reduzierung des GmbH-Geschäftsführergehalts wäre kein Verlust der Klägerin zu erwarten gewesen. Aus einer Verletzung der durch die genannte Regelung vorgegebenen 90-Tage-Frist zur Entscheidung über den Antrag, die ohnehin erst bei Vorliegen aller erforderlichen Unterlagen begonnen habe, resultiere kein Rechtsanspruch auf eine Ausnahmeentscheidung. Die deutschen Regelungen zu den Herstellerabschlägen für Arzneimittel einschließlich der Befreiungsmöglichkeiten stünden im Einklang mit den Beihilfevorschriften der EU sowie mit deutschem Verfassungsrecht.

Mit ihrer - umfänglich begründeten - Revision rügt die Klägerin im Wesentlichen die Verletzung von § 130a Abs 4 SGB V, Art 4 Abs 2 S 3 EWGRL 89/105, Art 12 Abs 1 iVm Art 19 Abs 3 GG und Art 20 GG (Verhältnismäßigkeitsgrundsatz) sowie die Verletzung von Verfahrensrechten durch das LSG (insbesondere ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör und der Amtsermittlungspflicht). Das Gehalt ihres Geschäftsführers sei von der Gesellschafterversammlung bereits lange vor dem Inkrafttreten des 16 %-igen Herstellerabschlags auf monatlich 14 321 Euro festgelegt worden, angemessen gewesen und habe angesichts eines Umsatzes von 992 000 Euro den Grundsätzen des BFH und der Industrie- und Handelskammer Stuttgart entsprochen. Das Gutachten einer Buchprüferin habe nachgewiesen, dass die Änderung der Gesetzeslage die wirtschaftliche Existenz der GmbH stark gefährdet habe. Werde - mit der Beklagten - eine Befreiung vom Preismoratorium erst bei akuter Insolvenzgefahr erteilt, fehle es an einer hinreichenden Berücksichtigung der besonderen Marktsituation von Arzneimittelimporteuren und liege darin eine Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, der Berufsfreiheit sowie der unternehmerischen Freiheit im Sinne des EU-Rechts. Zudem habe vor dem Inkrafttreten des erhöhten Herstellerrabatts eine Schonfrist von mindestens drei Monaten eingehalten werden müssen. Die verspätete Anforderung weiterer Unterlagen sowie die Übertragung der Aufgaben durch die Beklagte auf das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle dürfe nicht zu ihren (der Klägerin) Lasten gehen.

Sozialgericht Wiesbaden - S 2 KR 242/11
Hessisches Landessozialgericht - L 8 KR 88/12

Terminbericht

Die Revision der klagenden GmbH ist erfolglos geblieben. Das LSG hat zutreffend entschieden, dass die Klägerin gegen die beklagte Bundesrepublik (vertreten durch das zuständige Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle) keinen Anspruch darauf hat, dass der von ihr wirtschaftlich zu tragende, den Krankenkassen zu Gute kommende - verfassungskonforme - Abschlag auf den Arzneimittelabgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers (Herstellerrabatt) für den noch streitigen Zeitraum vom 1.8.2010 bis 28.2.2011 von 16 % auf 6 % reduziert wird. Eine Ausnahme von den gesetzlich vorgesehenen Herstellerrabatten kann nach § 130a Abs 4 S 2 bis 8 SGB V iVm Art 4 der sogenannten Transparenz-Richtlinie EWGRL 89/105 nur gewährt werden, wenn dies durch "besondere Gründe" gerechtfertigt ist. Diese Gründe sind im Antrag hinreichend darzulegen. Solche "besonderen Gründe" setzen - wie sich schon aus den Gesetzesmaterialien ergibt - eine die wirtschaftliche Existenz des Unternehmens gefährdende unzumutbare finanzielle Belastung voraus, die ursächlich auf die gesetzliche Rabattregelung zurückzuführen ist und nicht durch unternehmensinterne Maßnahmen abgewendet werden kann. Die in der Gewährung einer Ausnahme von der (vollständigen) Erhebung der Herstellerabschläge liegende ungleiche Privilegierung eines Unternehmens ist nur unter diesen engen Voraussetzungen gerechtfertigt und auch nur in dieser strikten Beschränkung mit EU-Recht vereinbar. Bei einer GmbH wie der Klägerin, deren Alleingesellschafter zugleich der Geschäftsführer ist und die über Beschäftigte nicht verfügt, hat es allein der Gesellschafter-Geschäftsführer in der Hand, die aus dem Geschäftsbetrieb erwirtschafteten Erträge zwischen den Geschäftsführerbezügen und dem ausgewiesenen GmbH-Gewinn aufzuteilen und im Bedarfsfall nach seinem Ermessen zu verschieben. Deshalb erfüllt eine solche Kapitalgesellschaft ihre Pflicht bzw Obliegenheit zur hinreichenden Darlegung ihrer existenzgefährdenden finanziellen Belastung im Sinne des Arzneimittelpreisrechts nicht schon mit der Darstellung eines bilanzierten Verlusts, wenn es bei einer nach den Umständen vorzunehmenden angemessenen Reduzierung der Geschäftsführerbezüge zu einer positiven GmbH-Bilanz gekommen wäre. Ausgehend davon musste die Klägerin mit ihrem Begehren scheitern. Im streitigen Zeitraum boten die hohen Geschäftsführerbezüge im Unternehmen der Klägerin hinreichend Spielraum, die durch die Herstellerabschläge hervorgerufene finanzielle Belastung in zumutbarer Weise aufzufangen. Die Beklagte verletzte bei ihrer Entscheidung über den Antrag der Klägerin auch nicht die gesetzlich und nach der EWGRL 89/105 vorgesehene 90-Tage-Frist, unbeschadet der Frage, ob schon allein daraus ein Reduzierungsanspruch folgen würde. Die von der Klägerin in Bezug auf den Rechtsstreit in den Vorinstanzen erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch.

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