Verhandlung B 4 AS 43/17 R
Verhandlungstermin
28.11.2018 12:00 Uhr
Terminvorschau
V.L. ./. Jobcenter Mansfeld-Südharz
Umstritten ist eine Erstattungsforderung im Hinblick auf die Beschränkung der Minderjährigenhaftung.
Die am 26.7.1997 geborene Klägerin bezog in Bedarfsgemeinschaft mit ihrer Mutter Sozialgeld. Nachdem ihr Vater sich am 30.8.2011 verpflichtet hatte, Unterhalt zu zahlen, hob das beklagte Jobcenter die Bewilligung teilweise auf, verlangte letztlich die Erstattung von insgesamt 400 Euro von der Klägerin und wies deren Widerspruch zurück.
Das SG wies durch Urteil vom 1.10.2015 die Klage ab, weil hinsichtlich der Beschränkung der Minderjährigenhaftung nach § 1629a BGB auf die letzte Verwaltungsentscheidung im Widerspruchsbescheid vom 7.8.2013 abzustellen und die Klägerin zu diesem Zeitpunkt noch nicht 18 Jahre alt gewesen sei. Das LSG hob die angefochtenen Bescheide auf, soweit gegenüber der Klägerin eine Erstattung geltend gemacht werde. Der Erstattungsverwaltungsakt sei wie Dauerverwaltungsakt zu behandeln und aufgrund der zwischenzeitlich eingetretenen Volljährigkeit der Klägerin und der Beschränkung der Minderjährigenhaftung nach § 1629a BGB rechtswidrig geworden.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Beklagte eine Verletzung von §§ 48, 50 SGB X sowie des § 1629a BGB.
Vorinstanzen:
Sozialgericht Halle - S 33 AS 3995/13, 01.10.2015
Landessozialgericht Sachsen-Anhalt - L 2 AS 695/16, 28.09.2017
Terminbericht
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des LSG ist zurückgewiesen worden. Die Klägerin kann sich auf die Beschränkung der Minderjährigenhaftung berufen, auch wenn sie erst im Laufe des Gerichtsverfahrens gegen den Erstattungsbescheid volljährig geworden ist.
Die auf Verfassungsrecht beruhende Beschränkung der Minderjährigenhaftung nach § 1629a BGB gilt im SGB II entsprechend (vgl nur BSG vom 7.7.2011 - B 14 AS 153/10 R - BSGE 108, 289 = SozR 4-4200 § 38 Nr 2 RdNr 41 ff). Dies war ab dem Eintritt der Volljährigkeit der Klägerin am 26.7.2015 und damit im Laufe des Gerichtsverfahrens zu beachten.
Aus dem Umstand, dass die Klägerin verfahrensrechtlich zutreffend gegen den strittigen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid eine (reine) Anfechtungsklage erhoben hat, folgt nichts anderes. Trotz der Faustformel "letzte Verwaltungsentscheidung" bestimmt sich der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage letztlich nach materiellen Recht und nicht nach der Klageart.
Auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 48 SGB X hinsichtlich des Erstattungsbescheids kam es nicht an, weil dieser aufgrund der gegen ihn erhobenen Anfechtungsklage nicht bestandskräftig geworden ist.