Bundessozialgericht

Verhandlung B 6 KA 55/17 R

Verhandlungstermin 12.12.2018 12:00 Uhr

Terminvorschau

J.-W. P. ./. KÄV Hessen
In den vier parallel gelagerten Verfahren ist jeweils die Höhe der Zahlungen umstritten, die den klagenden ehemaligen Vertragsärzten aus der "Erweiterten Honorarverteilung" (EHV) in der Zeit vom 1.7.2015 bis zum 30.6.2016 zustehen.

Auf der Grundlage einer landesgesetzlichen Regelung aus dem Jahr 1953 hat die KÄV Hessen als einzige KÄV in der Bundesrepublik Deutschland auch die Altersversorgung der Vertragsärzte im Wege einer besonderen Honorarverteilung sicherzustellen. Die dazu von der Vertreterversammlung (VV) der beklagten KÄV erlassenen Grundsätze der erweiterten Honorarverteilung (GEHV) sind schon mehrfach Gegenstand von Entscheidungen des BSG gewesen. Im Kern geht es in diesen Entscheidungen und auch in den nunmehr zu entscheidenden Verfahren um die Sicherung eines angemessenen Ausgleichs zwischen den Interessen der aktiven Vertragsärzte, die vor zu hohen Abzügen von ihren Honoraren für die Zwecke der EHV geschützt werden sollen, und den Interessen der ehemaligen Vertragsärzte an einer verlässlichen und dynamisierten Sicherung ihrer Alterseinkünfte. Für die ehemaligen Vertragsärzte stellen die Zahlungen aus der EHV ein wichtiges Element ihrer Altersversorgung dar; mit Rücksicht eben auf diese Ansprüche haben sie während der Zeit der vertragsärztlichen Tätigkeit nur die Hälfte des Höchstbeitrags zum Versorgungswerk der Ärztekammer entrichtet und beziehen hieraus auch nur entsprechend niedrigere Versorgungsleistungen.

Nachdem der Senat mit Urteilen vom 19.2.2014 eine Regelung der GEHV, wonach die "Beiträge" der aktiven Vertragsärzte zur EHVauf 5 % der Honorareinnahmen gedeckelt wurden, für rechtswidrig erklärt hatte, hat die VV der Beklagten die GEHV neu gefasst. Kernelemente der Neuregelung, die bis Ende 2016 gegolten hat, ist die Orientierung der Anpassung der Leistungen aus der EHV an der Entwicklung der Bezugsgröße nach § 18 SGB IV, die Begrenzung des "Beitragssatzes" auf 5,62 % der Honorareinnahmen und ein sog "paritätischer Deckungsausgleich". Dieser greift ein, wenn die Geldmittel, die sich bei Ansatz des Beitragssatzes von 5,62 % ergeben, nicht ausreichen, um die Ansprüche aus der EHV auf dem vorgesehenen Niveau zu erfüllen. Der dazu erforderliche Betrag wird paritätisch von beiden Gruppen aufgebracht: Der Beitragssatz der aktiven Ärzte wird erhöht und die Ansprüche der ehemaligen Vertragsärzte werden quotiert, wobei ein Garantiepunktwert nicht unterschritten werden darf.

Das SG hat die auf Grundlage der neu gefassten GEHV erlassenen Bescheide der Beklagten in der Fassung der Widerspruchsbescheide aufgehoben und die Beklagte zur Neubescheidung verpflichtet. Es hat die Neureglung für formell rechtswidrig gehalten, weil satzungsrechtliche Beteiligungsrechte des Klägers im Verfahren B 6 KA 53/17 R in seiner Funktion als stellvertretender Vorsitzender des Beirats für die EHV nicht gewahrt worden seien. Im Übrigen hätte die Beklagte die Einnahmen der Vertragsärzte aus Selektivverträgen nicht nur bei der Erhebung von "Beiträgen" der aktiven Vertragsärzte, sondern auch bei der Höhe der Zahlungen an die ehemaligen Vertragsärzte berücksichtigen müssen und sich bei der Dynamisierung der Zahlungen aus der EHV nicht ausschließlich an der Entwicklung der Bezugsgröße orientieren dürfen.

Soweit die Kläger den Ausgangspunktwert der Beklagten zur Berechnung der jährlichen Anpassung der Zahlungen aus der EHV, die Ausgestaltung des paritätischen Defizitausgleichs und die Verpflichtung der ehemaligen Vertragsärzte zur Duldung von Verwaltungskostenabzügen in derselben Höhe wie bei den aktiven Vertragsärzten und zur Finanzierung einer Umlage zur Förderung der Weiterbildung beanstandet haben, ist das SG ihnen nicht gefolgt.

Beide Seiten greifen die Urteile des SG mit ihren Sprungrevisionen an, soweit das Gericht abweichend von ihrer Rechtsauffassung entschieden hat.

Vorinstanz:
Sozialgericht Marburg - S 12 KA 727/15, 31.05.2017

Terminbericht

Die Revisionen der Beklagten haben überwiegend, die Revisionen der Kläger nur zu einem kleinen Teil Erfolg. Der Senat teilt die prinzipiellen Bedenken des SG gegen die Rechtmäßigkeit der "Grundsätze der Erweiterten Honorarverteilung" (GEHV) in der hier maßgeblichen Fassung nicht. Die beklagte KÄV hat im Rahmen der ihr als Normgeber der GEHV zustehenden Gestaltungsfreiheit für einen angemessenen Ausgleich der gegenläufigen Interessen der aktiven und der ehemaligen Vertragsärzte gesorgt. Die rechtlich geschützten Belange der ehemaligen Vertragsärzte, die allein Gegenstand der vom Senat entschiedenen Revisionsverfahren sind, sind durch die Neuregelung der GEHV nicht verletzt.

Der Fehler bei der Beschlussfassung über die GEHV anlässlich der Sitzung der Vertreterversammlung (VV) am 30.5.2015, dass dem Kläger im Verfahren B 6 KA 53/17 R in seiner Funktion als zweitem stellvertretendem Vorsitzenden des Beirats zur "Erweiterten Honorarverteilung" (EHV) zu spät eine Redemöglichkeit eingeräumt worden ist, führt nicht zur Nichtigkeit der Neufassung der GEHV. Die ehemaligen Vertragsärzte haben ihre Position im Zuge der Neufassung der GEHV im Prozess der Normsetzung einbringen und sich schriftlich und mündlich äußern können. Bei Anwendung der Grundsätze der Rechtsprechung des BVerfG zu den Folgen von Form- und Verfahrensfehlern bei der Normsetzung hat sich die verspätete Zulassung des stellvertretenden Beiratsvorsitzenden zum mündlichen Vortrag auf die Entscheidung der VV nicht ausgewirkt.

Die Ausrichtung der Anpassung der Zahlungen aus der EHV an der Entwicklung der Bezugsgröße für die Sozialversicherung hält sich im Rahmen der der Beklagten zukommenden Gestaltungsfreiheit. Alle Zahlungen der Krankenkassen für Leistungen der Vertragsärzte im traditionellen Kollektivvertragssystem und auf der Grundlage von Selektivverträgen erfolgen aus Sozialversicherungsbeiträgen. Die Bezugsgröße spiegelt die Entwicklung der für die Sozialversicherung maßgeblichen Bemessungsgrenzen wider und ist deshalb jedenfalls kein offensichtlich untauglicher Indikator für die Dynamisierung von mittelbar beitragsfinanzierten Leistungen.

Die Beklagte war nicht gehalten, die Einnahmen der aktiven Vertragsärzte aus Selektivverträgen zum Anlass einer Erhöhung der Zahlungen aus der EHV zu nehmen. Die Beklagte zieht nach der entsprechenden Änderung der landesgesetzlichen Vorgaben auch diese Einnahmen zu "Beiträgen" der aktiven Vertragsärzte für die EHV heran. Über den Mechanismus des paritätischen Defizitausgleichs kommt das auch den ehemaligen Vertragsärzten zu Gute.

Soweit die Beklagte die Anpassung der Zahlungen aus der EHV weitgehend von den Honorareinnahmen der aktiven Vertragsärzte abkoppelt, ist sie allerdings nicht berechtigt, die Zahlungen aus der EHV auch mit der Umlage für die ärztliche Weiterbildung zu belasten. Für den Abzug der allgemeinen Verwaltungskosten gilt das nicht; an den Verwaltungskosten müssen sich alle Ärzte beteiligen, die von den Leistungen der KÄV profitieren. Eine Differenzierung des maßgeblichen Prozentsatzes der Verwaltungskosten je nach tatsächlichem oder vermeintlichem Nutzen der Tätigkeit der KÄV für den einzelnen Arzt hat der Senat stets abgelehnt. Daran hält er fest.

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