Bundessozialgericht

Verhandlung B 5 RE 3/18 R

Verhandlungstermin 13.12.2018 11:30 Uhr

Terminvorschau

C.G. ./. DRV Bund, 3 Beigeladene
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin für ihre ab Juli 2006 ausgeübte Tätigkeit als Projektleiterin von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit ist.

Die Klägerin ist Diplom-Bauingenieurin. Vom 20.4.1993 bis 30.9.2000 arbeitete sie als Projektmanagerin im Bereich Tiefbau beim Staatlichen Bauamt in K. Danach war sie bis Juni 2006 als Projektleiterin für Entwässerungs- und Straßenbaumaßnahmen bei der zu 2 beigeladenen Stadt M tätig. Seitdem ist sie Projektleiterin in einem von dem zu 3 beigeladenen Land betriebenen Verkehrsmanagement-Betrieb. Mit Bescheid vom 13.7.1996 befreite die BfA die Klägerin von der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung der Angestellten ab dem 29.12.1995. Ab diesem Zeitpunkt war die Klägerin Pflichtmitglied des zu 1 beigeladenen Versorgungswerks der Architektenkammer NRW. Die Pflichtmitgliedschaft knüpfte an die freiwillige Mitgliedschaft in der Ingenieurkammer Bau NRW an. Im April 2015 begehrte die Klägerin die Feststellung, dass die 1995 für ihre damalige Tätigkeit ausgestellte Befreiung auch für ihre jetzige Tätigkeit bei dem Beigeladenen zu 3 gelte. Die Beklagte lehnte dies mit Bescheid vom 30.6.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.1.2016 ab. Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Befreiung lägen nicht vor, weil die Klägerin nicht Pflichtmitglied einer berufsständischen Kammer sei. Die mit Bescheid vom 13.7.1996 ausgesprochene Befreiung habe nur die zum damaligen Zeitpunkt ausgeübte Beschäftigung zum Gegenstand. Das SG hat mit Urteil vom 25.4.2017 die auf Aufhebung des ablehnenden Bescheides und Feststellung der weiterhin bestehenden Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht gerichtete Klage abgewiesen. Das LSG hat unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und des angefochtenen Bescheides festgestellt, dass die Klägerin aufgrund des Bescheides vom 13.7.1996 weiterhin von der Versicherungspflicht befreit sei. Dem Bescheid könne entnommen werden, dass die Befreiung sich jeweils auf die eine Mitgliedschaft im Versorgungswerk vermittelnde Tätigkeit als Projektleiterin beziehe. Eine solche Tätigkeit habe die Klägerin durchgehend ausgeübt.

Zur Begründung ihrer Revision trägt die Beklagte vor, der Bescheid vom 13.7.1996 habe nur die seinerzeit ausgeübte Beschäftigung betroffen. Mit Aufgabe dieser Tätigkeit habe sich der Bescheid erledigt, ohne dass es einer förmlichen Aufhebung bedürfe.

Vorinstanzen:
Sozialgericht Koblenz - S 3 R 162/16, 25.04.2017
Landessozialgericht Rheinland-Pfalz - L 6 R 223/17, 12.12.2017

Terminbericht

Die Revision der Beklagten war ebenfalls erfolgreich. Die Beklagte hat zu Recht den Antrag der Klägerin abgelehnt, festzustellen, dass sie für ihre ab dem 1.11.2006 ausgeübte Tätigkeit von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit ist.

Aus dem Bescheid der BfA vom 13.7.1996 ergibt sich keine Befreiung von der Versicherungspflicht für die Tätigkeit der Klägerin bei dem Beigeladenen zu 3. Entgegen der Auffassung des LSG kann der Bescheid nicht dahingehend ausgelegt werden, dass die Klägerin in jeglicher Tätigkeit als Projektleiterin von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit war. Er bezog sich vielmehr allein auf die Beschäftigung, die die Klägerin bei Beantragung der Befreiung ausgeübt hat. Das ergibt sich bei Auslegung des Bescheides nach den vom Senat zuletzt im Urteil vom 22.3.2018 - B 5 RE 5/16 R - dargelegten Grundsätzen. Die Auffassung des LSG, die Beschränkung auf die "jeweilige" Tätigkeit bringe lediglich zum Ausdruck, dass die Befreiung nur für eine die Mitgliedschaft im Versorgungswerk vermittelnde Beschäftigung der Klägerin als Projektleiterin gelte, findet weder im Antrag der Klägerin noch im Wortlaut des Bescheides eine Stütze. Es steht auch in logischem Widerspruch dazu, dass das LSG gleichzeitig davon ausgeht, dass anhand der Angaben im Antrag zu überprüfen ist, ob ein Beschäftigungsverhältnis vorliegt, für das eine Befreiung erteilt werden kann. Warum die Frage nach dem derzeitigen Beschäftigungsverhältnis verdeutlicht, dass die Befreiung auch für weitere Beschäftigungsverhältnisse gilt, ist ebenfalls logisch nicht nachvollziehbar. Das LSG geht bei seiner Auslegung einerseits davon aus, dass nur die konkrete Tätigkeit Gegenstand der Prüfung sein kann, definiert aber andererseits die maßgebliche Beschäftigung anhand allgemeiner Merkmale (Projektleiterin). Soweit das LSG darauf verweist, dass bei den Mitteilungspflichten der Arbeitgeberwechsel nicht genannt ist, hat es bereits den Wortlaut außer Acht gelassen, in dem durch das Wort "insbesondere" gekennzeichnet ist, dass ausdrücklich nur Beispielsfälle genannt sind.

Der Senat ist nicht an einer eigenständigen Auslegung des Bescheides gehindert. Es spricht viel dafür, dass die Auslegung eines Bescheides stets (auch) Aufgabe des Revisionsgerichts ist. Dazu bedarf es indes hier keiner abschließenden Entscheidung. Eine uneingeschränkte Überprüfung ist jedenfalls bei Formularbescheiden vorzunehmen. Das gebietet bereits die Funktion des Revisionsgerichts, die Rechtseinheit zu wahren. Formularbescheide bestehen aus vorformulierten Texten, die im Wesentlichen wortgleich im gesamten Bundesgebiet verwendet werden. Ein Verwaltungsakt dieser Art war hier auch der Bescheid vom 13.7.1996. Soweit der Kläger auf Rechtsprechung des BVerwG verweist, nach der nur eine eingeschränkte Überprüfung der von den Tatsachengerichten vorgenommenen Auslegung eines Bescheides durch das Revisionsgericht zulässig ist, betraf diese keine typisierten Verwaltungsakte. Zudem ist die Rechtsprechung des BVerwG zu dieser Frage nicht einheitlich, sodass eine Divergenz zur Rechtsprechung eines anderen obersten Bundesgerichts nicht besteht. Schließlich besteht Übereinstimmung dahingehend, dass dem Revisionsgericht eine uneingeschränkte Überprüfung dann nicht verwehrt ist, wenn - wie hier - die Tatsacheninstanz die von ihr selbst festgestellten Umstände nicht vollständig und mit logischen Widersprüchen verwertet hat.

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