Bundessozialgericht

Verhandlung B 3 KR 2/17 R

Verhandlungstermin 20.12.2018 11:30 Uhr

Terminvorschau

F. ./. AOK Baden-Württemberg - Die Gesundheitskasse
Die Klägerin betreibt seit 2011 als zugelassene Ergotherapeutin eine Einzelpraxis und begehrt die Erweiterung ihrer Zulassung für den Einsatz einer freien Mitarbeiterin, die im Bereich der Ergotherapie im Umfang von 20 Wochenstunden ausschließlich Hausbesuche durchführen soll. Ihre Praxis verfügt über einen Behandlungsraum von 21,5 qm, einen weiteren Raum von 9,2 qm und eine Gesamtnutzfläche von 46 qm.

Die Beklagte - als Krankenkassen-Landesverband - lehnte den Antrag der Klägerin ab und wies den dagegen gerichteten Widerspruch zurück, da nach den einschlägigen Zulassungsempfehlungen zusätzlich zur Therapiefläche von mindestens 30 qm für jede zusätzlich gleichzeitig tätige Fachkraft ein weiterer Therapieraum von mindestens 12 qm vorzuhalten sei. Eine reine "Hausbesuchstätigkeit" sei zulassungsrechtlich nicht vorgesehen. Dies ergebe sich auch aus der Einbindung der Leistungserbringer in den Sicherstellungsauftrag der Krankenkassen.

Das SG hat die Klage abgewiesen, weil die Zulassung nebenbestimmungsfeindlich sei, und in den Praxisräumen der Klägerin eine zweckmäßige und wirtschaftliche Leistungserbringung durch eine weitere Fachkraft nicht gewährleistet sei. Auf die Berufung der Klägerin hat das LSG dieses Urteil aufgehoben und die Beklagte antragsgemäß zur Zulassungserweiterung verpflichtet: Die Zulassung sei nicht nur an eine bestimmte Person, sondern auch an bestimmte Räumlichkeiten gebunden. Anforderungen an die Größe der Räumlichkeiten zur Gewährleistung zweckmäßiger Leistungserbringung seien zwar grundsätzlich mit dem Grundrecht der Berufsfreiheit vereinbar. Die Forderung nach einem weiteren Therapieraum von 12 qm für jede "zusätzliche gleichzeitig tätige Fachkraft" greife hier jedoch nicht. Einem Heilmittelerbringer könne aber nicht das Bereithalten eines Behandlungsraums abverlangt werden, der nie benutzt werde. Lediglich der Zugelassene selbst bzw die fachliche Leitung der Praxis müsse grundsätzlich ganztägig als Behandler in der Praxis zur Verfügung stehen. Die begehrte Zulassungserweiterung einschließlich der Beschränkung auf Hausbesuche, sei keine Nebenbestimmung iS von § 32 Abs 1 SGB X, sondern eine zulässige Bestimmung des Inhalts der Zulassung.

Mit der dagegen gerichteten Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 32 Abs 1 SGB X sowie § 124 Abs 2 S 1 Nr 2 SGB V iVm Art 12 GG. Eine auf Hausbesuche beschränkte Zulassung für weitere Mitarbeiter widerspreche einer Zulassung nach § 124 SGB V. Wegen der Nebenbestimmungsfeindlichkeit könne eine Tätigkeit des Mitarbeiters/der Mitarbeiterin innerhalb der Praxisräume nicht verhindert werden. Nur dort seien die besten Voraussetzungen zur Heilmitteltherapie gegeben, sodass grundsätzlich auch dort eine Behandlung möglich sein müsse. Die vermehrte Einstellung von Mitarbeitern für Hausbesuche berge zudem die Gefahr der Auslagerung von Praxistätigkeiten, die mit einer zweckmäßigen und wirtschaftlichen Leistungserbringung unvereinbar sei.

Vorinstanzen:
Sozialgericht Ulm - S 13 KR 42/14, 03.06.2015
Landessozialgericht Baden-Württemberg - L 4 KR 3332/15, 03.05.2016

Terminbericht

Die Revision der Beklagten ist - abgesehen von der Änderung des Urteilsausspruchs in einen Feststellungstenor - ohne Erfolg geblieben. Das LSG hat zu Recht entschieden, dass eine Zulassungserweiterung für den Einsatz einer ergotherapeutischen Fachkraft, die allein Hausbesuche im vorgesehenen Umfang von bis zu 20 Wochenstunden erbringt, nicht mangels eines weiteren Behandlungsraums abgelehnt werden darf. Die Beklagte durfte aber nicht bereits zur Zulassungserweiterung verpflichtet werden, ohne dass die konkrete Fachkraft auch benannt war. Da die Zulassung personen- und praxisbezogen erfolgt (vgl BSG SozR 4-2500 § 124 Nr 4 RdNr 28), sind deren Voraussetzungen jedenfalls bei einem erstmals begehrten Einsatz von Hilfskräften vorab bezogen auf die tätig werdenden Personen und die Praxisausstattung zu prüfen. Das war hier nötig, da die Klägerin entsprechend ihrem ursprünglichen Zulassungsantrag lediglich persönlich zur Leistungserbringung berechtigt war. Der Übergang zur Anfechtungs- und Feststellungsklage (für die die Klägerin ein berechtigtes Interesse nach § 55 Abs 1 Nr 1 SGG hat) ist keine im Revisionsverfahren nach § 168 S 1 SGG ausgeschlossene Klageänderung. Der Sache nach erfüllen die Praxisräume der Klägerin die nach den Rahmenempfehlungen des GKV-Spitzenverbands für eine zweckmäßige und wirtschaftliche Leistungserbringung iS von § 124 Abs 2 S 1 Nr 3 SGB V vorgesehenen räumlichen Mindestvoraussetzungen für den Einsatz einer zusätzlichen Fachkraft. Denn bei deren Auslegung darf nicht außer Acht bleiben, dass die Fachkraft hier nur für Hausbesuche eingesetzt und nicht zeitgleich mit der Klägerin in den Praxisräumen tätig werden soll. Im Hinblick auf Art 12 GG bedürfen Eingriffe in die grundrechtlich geschützte Berufsausübung einer gesetzlichen, hinreichend bestimmten und verhältnismäßigen Grundlage. Bei verfassungskonformer Betrachtung darf das untergesetzliche Recht deshalb für die Praxistätigkeit und -ausstattung keine Anforderungen aufstellen, die im Hinblick auf den gesetzlichen Zulassungsanspruch unverhältnismäßig erscheinen (vgl in Bezug auf Heilmittelerbringer bereits BSG SozR 3-2500 § 124 Nr 1 S 7 ff). In Bezug auf die hier zu entscheidende Konstellation ist die Gefahr einer generell unzweckmäßigen und unwirtschaftlichen Verlagerung der Praxistätigkeit auf Hausbesuche nicht zu erkennen, weil Hausbesuche ohnehin nur auf ärztliche Verordnung erbracht werden dürfen. Die Leistungsbeschränkung der zusätzlichen Fachkraft stellt auch eine zulässige Inhaltsbestimmung der durch Verwaltungsakt zu erteilenden Zulassung dar.

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