Bundessozialgericht

Verhandlung B 3 KR 6/17 R

Verhandlungstermin 20.12.2018 13:00 Uhr

Terminvorschau

N. ./. 1. Apothekerverband Brandenburg eV, 2. AOK Nordost - Die Gesundheitskasse
Im Streit steht im Kern die Wirksamkeit und Reichweite der "Ergänzenden Vereinbarung zum Arzneiliefervertrag für das Land Brandenburg zur Abrechnung von in Apotheken hergestellten Zytostatika nach § 129 Abs 5 SGB V" (im Folgenden: ErgV). Auf die ErgV hatten sich der zu 1. beklagte Apothekenverband und die zu 2. beklagte Krankenkasse, die zugleich die Rechtsstellung eines Landesverbandes hat, verständigt. Sie war die Grundlage für Retaxierungen von Rechnungen des Klägers, der als Inhaber einer Zytostatika herstellenden Apotheke Mitglied des Beklagten zu 1. ist. Letzter wird nach seiner Satzung durch den Vorsitzenden oder einen stellvertretenden Vorsitzenden jeweils gemeinsam mit einem weiteren Vorstandsmitglied vertreten. Nach der ErgV, die auf Seiten des Beklagten zu 1. lediglich von dessen erster Vorsitzenden unterzeichnet ist, erhält die Beklagte zu 2. für Verordnungen über zytostatikahaltige Lösungen einen Abschlag in Höhe von 1,75 % pro Rezeptposition von den Apotheken.

Der Kläger hält die vereinbarten Preise für wirtschaftlich nicht auskömmlich und die Vereinbarung wegen eines Verstoßes gegen § 129 Abs 5 SGB V und wegen der Unterrepräsentation der Zytostatika herstellenden Mitglieder des Beklagten zu 1. für unwirksam. Er begehrt die Rückzahlung der von der Beklagten zu 2. aufgrund der ErgV einbehaltenen Beträge iHv 196 791,36 Euro und die Feststellung der Unwirksamkeit der ErgV sowie hilfsweise die gesamtschuldnerische Verurteilung beider Beklagten und weiter hilfsweise Schadensersatz.

In den Vorinstanzen ist der Kläger erfolglos geblieben. Das LSG hat ausgeführt, die alleinige Unterschrift auf Seiten des Beklagten zu 1. durch deren Vorsitzende führe nicht zur Unwirksamkeit der ErgV. Denn das Handeln der Vorsitzenden sei vorab durch einen einstimmigen Vorstandsbeschluss abgesichert gewesen. Wegen der Freiwilligkeit der Mitgliedschaft beim Beklagten zu 1. sei unerheblich, ob die Zytostatika herstellenden Apotheken im Verband unterrepräsentiert seien. Die Auffassung des Klägers, die Zytostatikaversorgung dürfe nach § 129 Abs 5 S 3 SGB V "ausschließlich" durch Einzelverträge geregelt werden, finde im Gesetz keine Stütze. Vielmehr hätten die Beklagten auch Regelungen zu Zytostatika in einem Kollektivvertrag nach § 129 Abs 5 S 1 SGB V treffen dürfen. Über zivilrechtliche Schadensersatzansprüche und über Amtshaftungsansprüche habe die Sozialgerichtsbarkeit nicht zu entscheiden.

Mit der dagegen gerichteten Revision rügt der Kläger die Verletzung von § 129 Abs 5 SGB V, § 78 Arzneimittelgesetz (AMG) und der Satzung des Beklagten zu 1. sowie die Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör und der Amtsermittlungspflicht. Die ErgV sei nicht wirksam zustande gekommen, da die Satzung des Beklagten zu 1. die Unterschrift eines weiteren Vorstandsmitglieds fordere. Ein Einverständnis des Vorstandes sei aus dem Protokoll zur Vorstandssitzung nicht abzuleiten. Teilweise seien die Retaxierungen schon rechtswidrig, weil es sich bei den in der Anlage 1 zur ErgV aufgeführten Präparaten nicht um Zytostatika handele, sondern um monoklonale Antikörper. Im Bereich der Zytostatikaversorgung sei den Landesverbänden indessen sogar überhaupt keine Vertragsabschlusskompetenz eingeräumt. Ein Vertrag auf Landesebene greife daher in die privatautonome Vertragsfreiheit der im Verband nicht repräsentativ vertretenen Zytostatika herstellenden Apotheker ein. Die ErgV verstoße zudem gegen § 78 AMG iVm der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV), weil sie zu uneinheitlichen Preisen führe. Das LSG habe auch über die geltend gemachten zivilrechtlichen Ansprüche mitentscheiden müssen.

Vorinstanzen:
Sozialgericht Neuruppin - S 20 KR 173/08, 03.09.2013
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg - L 9 KR 333/13, 07.12.2016

Terminbericht

Die Revision des Klägers ist erfolglos geblieben. Die Vorinstanzen haben zu Recht entschieden, dass die Beklagte zu 2. auf der Grundlage der zwischen den Beklagten zu 1. und zu 2. auf Landesebene geschlossenen Ergänzenden Vereinbarung (ErgV) die Retaxierungen vornehmen durfte und dass die Klage im Übrigen bereits unzulässig ist. Die ErgV ist zumindest in entsprechender Anwendung von § 177 BGB durch eine konkludente nachträgliche Genehmigung des beklagten Apothekerverbandes mit Wirkung ex tunc wirksam geworden. Denn der Verband hat in den gesamten Auseinandersetzungen durchgängig die Auffassung vertreten, die ErgV sei rechtswirksam und hat deren Einhaltung durch den Kläger gefordert. Die beiden Beklagten waren zum Abschluss einer solchen Vereinbarung nach § 129 Abs 5 S 1 SGB V ermächtigt. Das gesetzliche Regelungssystem des § 129 Abs 5 (idF des Gesetzes vom 26.3.2007, BGBl I 378; aF) sieht im Bereich der Zytostatikaversorgung nicht ausschließlich Einzelverträge vor, sondern ermöglicht ein Nebeneinander sich ergänzender Regelungen in einem abgestuften Regelungssystem. Darüber hinaus lässt § 129 Abs 5 S 3 Halbs 2 SGB V aF Vereinbarungen zu, die von dem grundsätzlich einheitlichen Apothekenabgabepreis abweichen können. Dabei umfasst der Zytostatikabegriff auch die zu den biologischen Zytostatika oder Immunzytostatika gehörenden monoklonalen Antikörper. Der gesetzlich ausdrücklich benannte Einzelvertrag zwischen Krankenkasse und Apotheken schließt eine wirksame Vertretung der Apotheker durch einen Landesverband jedenfalls nicht aus und zwar selbst dann nicht, wenn die in die Zytostatikaversorgung eingebundenen Apotheken im Verband des Beklagten zu 1. unterrepräsentiert gewesen sein sollten. Ein Minderheitenschutz ist nicht geboten, denn die Apotheken sind frei, einer Apothekerorganisation auf Landesebene beizutreten oder fernzubleiben und die eigenen Interessen nicht von ihr vertreten zu lassen. Anhaltspunkte für einen Machtmissbrauch der mehrheitlich im Verband vertretenen Mitglieder auf Kosten der Minderheit sind nicht ersichtlich. Die vom Kläger gerügten Verfahrensmängel greifen nicht durch, weil es auf das Ergebnisprotokoll zur Vorstandssitzung und dessen Auslegung nicht entscheidungserheblich ankommt.

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